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  1. 5 StR 534/02
  2. alt: 5 StR 469/97
  3. und 5 StR 456/99
  4. BUNDESGERICHTSHOF
  5. BESCHLUSS
  6. vom 2. Februar 2004
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen Mordes u.a.
  10. -2-
  11. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Februar 2004
  12. beschlossen:
  13. Zur Vorbereitung der Entscheidung des Senats zur Sachrüge (ggf.
  14. auch zur ersten Verfahrensrüge nach § 261 StPO) ist durch Einholung eines
  15. Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben, ob im Blick auf die aus
  16. dem angefochtenen Urteil ersichtlichen unterschiedlichen Angaben der Nebenklägerin zum Tatgeschehen und aufgrund ihrer festgestellten schweren
  17. Hirnverletzungen die sichere Feststellung eines zuverlässigen Erinnerungsbildes naturwissenschaftlich noch möglich erscheint.
  18. I.
  19. Der Senat sieht insbesondere deshalb Aufklärungsbedarf im Revisionsverfahren, weil die tragenden Feststellungen des nunmehr dritten tatgerichtlichen Urteils in dieser Sache auf differierende Auffassungen der bislang
  20. gehörten Sachverständigen zurückgehen. Während die Sachverständigen
  21. H
  22. ,
  23. M
  24. und
  25. B
  26. – ohne allerdings das Ge-
  27. wicht der Divergenz zwischen den Aussagen im Anfangsstadium im einzelnen zu diskutieren – es für wahrscheinlich hielten, daß bei der Nebenklägerin
  28. eine reale Erinnerung an die Tat ausgeprägt sei, hat der Sachverständige
  29. W
  30. ausgeführt, daß bei der Schwere der Hirnverletzung
  31. eine Erinnerung an den Tathergang unwahrscheinlich sei.
  32. Insbesondere folgende – im wesentlichen im angefochtenen Urteil
  33. festgestellte – divergierende Angaben der Nebenklägerin im bisherigen Prozeßverlauf erscheinen bedeutsam: Sie hat
  34. 1. zunächst den Täter als einen „kräftigen jungen Mann“ bezeichnet,
  35. der mit dem Tatopfer M
  36. gestritten habe, worauf sie – scil. im
  37. Obergeschoß der Tatwohnung – dazwischengegangen und dann
  38. -3-
  39. selbst von diesem mit einer Art Schlagstock geschlagen worden
  40. sei;
  41. 2. dann nach mehr als einer Woche als den Täter, der von M
  42. Geld hätte haben wollen, ihren (ehemaligen) Lebensgefährten, den
  43. Angeklagten
  44. D
  45. , benannt;
  46. 3. später wiederholt – letztlich tragend für die angefochtene Verurteilung – angegeben, daß der Angeklagte – im Zusammenhang mit
  47. einem Streit über die von ihr kurz vorher herbeigeführte Beendigung der Beziehung – im Untergeschoß der Tatwohnung auf sie
  48. massiv eingeschlagen habe;
  49. 4. gleichwohl in einer polizeilichen Vernehmung fälschlich (im Rückschluß aus einer erlittenen Behandlungswunde) geäußert, der Angeklagte habe ihr mit einem Messer oder einem ähnlich spitzen
  50. Gegenstand wohl in den Hals geschnitten.
  51. II.
  52. Mit der Begutachtung wird der Sachverständige
  53. v C
  54. , Max-Planck-Institut Leipzig, beauftragt.
  55. Dem Sachverständigen sind
  56. - das angefochtene Urteil des Landgerichts
  57. - sowie die Gutachten der bereits mit der Sache befaßten genannten
  58. Sachverständigen
  59. zu überlassen.
  60. -4-
  61. Der Vollständigkeit halber werden beigefügt
  62. - die vorangegangenen aufgehobenen landgerichtlichen Urteile,
  63. - die ersten beiden Senatsurteile
  64. - sowie die Revisionsbegründungsschrift, der Antrag des Generalbundesanwalts und die Erwiderung des Verteidigers.
  65. Es wird gebeten, aus sachverständiger Sicht jeweils unter Berücksichtigung des Vorliegens einer schweren Hirnschädigung der bei der Nebenklägerin festgestellten Art – zunächst in Form eines schriftlichen Gutachtens –
  66. zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
  67. - Inwieweit läßt sich eine sichere Erinnerung an ein Geschehen auch
  68. nach Fehlvorstellungen hierüber wieder zurückgewinnen?
  69. - Sind solche Fehlvorstellungen etwa ein nicht außergewöhnliches
  70. Durchgangsstadium bei der Wiederherstellung von Erinnerungsbildern?
  71. - Wie ist eine Rückgewinnung der Erinnerung in derartigen Fällen erklärbar?
  72. - Trifft es zu, daß die „Ribot’sche Regel“ (vgl.
  73. W
  74. )
  75. besagt, daß – über sich vergrößernde Erinnerungsinseln – die Erinnerung nach einem Trauma auf ein unmittelbar zuvor erlebtes Geschehen regelmäßig zum Schluß zurückkommt?
  76. - Ist die „Ribot’sche Regel“ unter Berücksichtigung eines Verletzungsbildes und einer Entwicklung der Hirnschädigung, wie hier bei
  77. der Nebenklägerin festgestellt, überhaupt anwendbar?
  78. -5-
  79. - Kann es, namentlich bei einem solchen Verletzungsbild, im Gegenteil aber auch zu „Blitzlichterinnerungen“ kommen, die aufgrund
  80. kombinierter massiver Ausschüttung von Neurotransmittern und
  81. Streßhormonen entstehen und zu einer festen Einspeicherung eines traumatisch erlebten Tatgeschehens in der Erinnerung führen
  82. können (vgl.
  83. - Steht
  84. dem
  85. M
  86. vorstehend
  87. )?
  88. beschriebenen
  89. Phänomen
  90. etwa
  91. die
  92. „Ribot’sche Regel“ entgegen?
  93. - Kann es vor entsprechenden „Blitzlichterinnerungen“ zu signifikant
  94. unterschiedlichen Erinnerungsbildern kommen? Ist dies durch
  95. „Konfabulation“ (oder ähnliche Erscheinungen) erklärbar?
  96. - Kann sich ein durch „Konfabulation“ (o.ä.) gewonnenes Bild seinerseits zu einem stabilen Erinnerungsbild verfestigen, das von der Erinnerung an ein tatsächlich erlebtes Geschehen subjektiv nicht unterschieden werden kann? Ist denkbar, daß ein solcher Vorgang
  97. auch durch Suggestion bewirkt wird?
  98. -6-
  99. Zusammengefaßt insbesondere: Läßt sich nach einer durch Konfabulation (o.ä.) erklärbaren Fehlerinnerung eine gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnis darüber gewinnen, daß eine teilweise markant abweichende
  100. spätere Geschehensdarstellung auf zurückgewonnener sicherer Erinnerung
  101. beruht?
  102. Harms
  103. Häger
  104. Gerhardt
  105. Basdorf
  106. Raum