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  1. 5 StR 518/04
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. IM NAMEN DES VOLKES
  4. URTEIL
  5. vom 2. März 2005
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen versuchter Anstiftung zum Mord
  9. -2-
  10. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 1. und 2. März 2005, an der teilgenommen haben:
  11. Vorsitzende Richterin Harms,
  12. Richter Dr. Raum,
  13. Richter Dr. Brause,
  14. Richter Schaal,
  15. Richter Dr. Graf
  16. als beisitzende Richter,
  17. Staatsanwalt
  18. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  19. Rechtsanwalt
  20. als Verteidiger,
  21. Justizangestellte
  22. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  23. -3-
  24. am 2. März 2005 für Recht erkannt:
  25. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten
  26. gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Mai 2004
  27. werden verworfen.
  28. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die
  29. Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.
  30. – Von Rechts wegen –
  31. Gründe
  32. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Anstiftung
  33. zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision gegen diese Strafe. Die Revision des Angeklagten, die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge begründet wird, richtet
  34. sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch. Beide Rechtsmittel
  35. bleiben ohne Erfolg.
  36. I. Sachverhalt
  37. Nach den Feststellungen des Landgerichts versuchte der Angeklagte,
  38. den Zeugen P
  39. als Auftragsmörder zur Tötung eines Geschäftspartners zu
  40. dingen. Daß der Zeuge ein nach § 110a StPO vom Bundeskriminalamt ein-
  41. -4-
  42. gesetzter Verdeckter Ermittler war, erfuhr der Angeklagte erst nach seiner
  43. Verhaftung.
  44. II. Revision des Angeklagten
  45. 1. Die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO), mit der beanstandet wird,
  46. das Landgericht habe es unterlassen aufzuklären, daß der Angeklagte den
  47. Zeugen P
  48. nach dem letzten Treffen noch dreimal angerufen und ihm klar
  49. gemacht habe, er halte ihn für einen Polizisten, ist jedenfalls unbegründet.
  50. Nachdem der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen
  51. hatte, er habe den Zeugen nach dem letzten Treffen trotz mehrfacher Versuche nicht mehr erreicht (UA S. 15), brauchte sich dem Landgericht eine weitere Auswertung der abgehörten Telefonate nicht aufzudrängen. In den
  52. Überwachungsprotokollen ist für die beiden ersten Anrufe als Inhalt lediglich
  53. „Anwahlversuch“ mitgeteilt, für den letzten Anruf ist keine Inhaltsangabe enthalten.
  54. 2. Mit der Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, das Landgericht habe fehlerhaft nicht die Diskrepanz erörtert, daß der Vernehmungsbeamte zwar in der Hauptverhandlung
  55. ausgesagt habe, der Angeklagte sei bei seiner ersten Befragung angesichts
  56. der Erkenntnis, daß der vermeintliche Auftragsmörder ein Verdeckter Ermittler war, „sehr überrascht und irritiert“ gewesen, jedoch in seinem Vermerk
  57. über die Befragung keinen Hinweis auf eine solche Überraschung und Irritierung aufgenommen habe.
  58. Gerügt wird hiermit ein (sachlichrechtlicher) Erörterungsmangel oder
  59. eine „Aktenwidrigkeit“ der tatrichterlichen Feststellungen. Der behauptete
  60. Widerspruch kann aber durch die Vernehmung des Zeugen ohne weiteres
  61. ausgeräumt worden sein. Die Rüge ist daher, weil sich aus den Urteilsgründen ein Erörterungsmangel nicht ergibt, auf eine unzulässige Rekonstruktion
  62. der Hauptverhandlung durch das Revisionsgericht gerichtet. Ein in der
  63. -5-
  64. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannter Ausnahmefall liegt hier
  65. nicht vor, da der von der Revision vorgetragene Akteninhalt nicht durch Urkundenbeweis in die Hauptverhandlung eingeführt wurde (vgl. BGH, Urt.
  66. vom 10. Juli 2001 – 5 StR 236/01 m.w.N.).
  67. 3. Sachrüge
  68. a) Zum Schuldspruch weist das Urteil keinen Rechtsfehler zu Lasten
  69. des Angeklagten auf.
  70. Nach den Feststellungen liegt der beendete Versuch einer (Ketten-)
  71. Anstiftung zum Mord vor (§§ 30 Abs. 1, 211, 52 StGB); das Landgericht hat
  72. den Schuldspruch zutreffend gefaßt (vgl. BGH NJW 1996, 2239, 2241, insoweit in BGHSt 42, 86 nicht abgedruckt).
  73. Insbesondere ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Zu deren Überprüfung ist das Revisionsgericht nur eingeschränkt berufen und in
  74. der Lage. Das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen, ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat dessen Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken,
  75. ob die Urteilsgründe Rechtsfehler (vgl. § 337 StPO) enthalten. Diese sind
  76. namentlich dann gegeben, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich
  77. widersprüchlich, unklar ist oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze
  78. verstößt. Dabei brauchen die Schlußfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend zu sein, es genügt, daß sie möglich sind. Die Urteilsgründe müssen
  79. aber erkennen lassen, daß die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und daß die vom
  80. Gericht gezogene Schlußfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder
  81. sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht
  82. zu begründen vermag (st. Rspr., vgl. BGHSt 29, 18, 20; BGHR StPO § 261
  83. Beweiswürdigung 2; Überzeugungsbildung 26).
  84. -6-
  85. Einen Rechtsfehler in diesem Sinne enthält das Urteil zu Lasten des
  86. Angeklagten nicht. In seinem Vorbringen zu einzelnen Tatkomplexen wendet
  87. sich der Beschwerdeführer überwiegend gegen die Schlußfolgerungen des
  88. Landgerichts, mit denen es die Einlassung des Angeklagten, er habe die Auftragserteilung nicht ernst gemeint, widerlegt. Damit wird der unzulässige Versuch unternommen, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch eine eigene
  89. zu ersetzen.
  90. Der Angeklagte – der den objektiven Sachverhalt weitgehend eingeräumt hat – erteilte dem Verdeckten Ermittler mündlich den Auftrag zur Tötung seines Geschäftspartners. Die Strafkammer hat ausreichend dargelegt,
  91. weshalb sie einen endgültigen und vorbehaltlosen Auftrag zur Tötung angenommen und die Einlassung des Angeklagten, er habe die Auftragserteilung
  92. subjektiv nicht ernst gemeint und den Verdeckten Ermittler durch falsche Angaben auf den Arm genommen, als widerlegt ansieht. Sie hat ihre Überzeugung naheliegend auch darauf gestützt, daß der Angeklagte schriftliche Aufzeichnungen und Lichtbilder – in einer äußerst vorsichtigen und Fingerabdruckspuren auf den Unterlagen vermeidenden Weise – übergab, aus denen
  93. sehr detailliert hervorgeht, daß der Geschäftspartner das Opfer sein sollte,
  94. und die den Verdeckten Ermittler ohne weiteres in die Lage versetzten, dessen Tötung durchführen zu können.
  95. Die Annahme der Strafkammer, daß der vermeintliche Auftragsmörder
  96. keinen Vorschuß erhalten, sondern aus den nach dem Tod des Opfers einzuholenden Geldforderungen befriedigt werden sollte, ist – zumal vor dem
  97. Hintergrund der vorangegangenen Bemühungen des Angeklagten, den Zeugen G
  98. zu den gleichen Zahlungsbedingungen zu beauftragen (UA S. 8) –
  99. nicht lebensfremd und vom Revisionsgericht hinzunehmen.
  100. Weiterhin ist es kein Widerspruch, wenn nach den Urteilsgründen der
  101. Angeklagte einerseits wußte, daß ein Auftragsmörder nur gegen Bezahlung
  102. zur Verfügung steht, und andererseits die Entlohnung erst nach Begehung
  103. -7-
  104. der Tat erfolgen sollte; als Ausgleich für den späteren Zeitpunkt der Zahlung
  105. wurde eine Gewinnbeteiligung vereinbart.
  106. Auch hat das Landgericht nicht übersehen, daß der Angeklagte zwischenzeitlich an der Authentizität des „Auftragsmörders“ zweifelte. Die Urteilsgründe ergeben aber hinreichend, weshalb es davon überzeugt ist, daß
  107. der Angeklagte seine Zweifel überwand und beim letzten Treffen kein ernsthaftes Mißtrauen gegenüber dem Verdeckten Ermittler hegte.
  108. Die weiteren den Schuldspruch betreffenden Beanstandungen erweisen sich ebenfalls lediglich als Angriffe gegen die Überzeugungsbildung des
  109. Tatgerichts. Die von der Revision aufgezeigten Besonderheiten sind keine
  110. logischen Brüche. Sie sind in einer vom Revisionsgericht hinzunehmenden
  111. Weise von der Strafkammer aufgelöst worden und hätten auch in einer Gesamtwürdigung zu keinem anderen Ergebnis führen müssen.
  112. b) Desgleichen ist die Strafzumessung des Landgerichts rechtsfehlerfrei.
  113. Wegen des Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers mußte sich dem
  114. Landgericht bei der Bemessung der Freiheitsstrafe die Prüfung der Strafmilderungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 3 StGB nicht aufdrängen. § 23 Abs. 3
  115. StGB setzt voraus, daß der Täter aus grobem Unverstand verkannt hat, daß
  116. der Versuch nach der Art des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen konnte. Zwar hat – was die
  117. Strafkammer auch strafmildernd berücksichtigt hat – keine objektive Gefährdungslage bestanden, weil bei dem Verdeckten Ermittler von vornherein kein
  118. Tatentschluß bewirkt werden konnte. Aus grobem Unverstand handelt der
  119. Täter aber nur dann, wenn er trotz ungeeigneten Mittels den Taterfolg für
  120. möglich hält, weil er bei der Tatausführung von völlig abwegigen Vorstellungen über gemeinhin bekannte Ursachenzusammenhänge ausgeht. Dabei
  121. muß der Irrtum nicht nur für fachkundige Personen, sondern für jeden Men-
  122. -8-
  123. schen mit durchschnittlichem Erfahrungswissen offenkundig, ja geradezu
  124. handgreiflich sein (BGHSt 41, 94, 95). Das ist hier nicht der Fall.
  125. Dem Einsatz des Verdeckten Ermittlers hat das Landgericht auch
  126. sonst ausreichend strafmildernd Rechnung getragen. Es hat berücksichtigt,
  127. daß der Anstoß zum letzten Treffen von diesem ausgegangen ist. Eine darüber hinausgehende Strafmilderung war im Hinblick darauf nicht geboten,
  128. daß der Angeklagte bereits zuvor eigene Aktivitäten und Bemühungen entfaltet hatte, um die Tat zu verwirklichen, und daß gegen ihn bereits Tatverdacht
  129. bestand (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 46 Rdn. 67 f.).
  130. III. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der
  131. Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
  132. Es stellt keinen den Rechtsfolgenausspruch gefährdenden Rechtsfehler dar, daß das Landgericht dem Angeklagten strafmildernd zugute gehalten
  133. hat, er habe sich dem Strafverfahren gestellt, sich teilgeständig eingelassen
  134. und ursprünglich in geordneten Verhältnissen gelebt.
  135. Auch konnte dem Angeklagten zugute gehalten werden, daß objektiv
  136. keine Gefahr für den Geschäftspartner bestand. Seine weiteren Bemühun-
  137. -9-
  138. gen, dessen Tötung auf andere Art und Weise zu erreichen, führten nach
  139. den Urteilsfeststellungen zu keiner konkreten Gefährdung.
  140. Harms
  141. Raum
  142. Schaal
  143. Brause
  144. Graf