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  1. 5 StR 377/13
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. IM NAMEN DES VOLKES
  4. URTEIL
  5. vom 7. November 2013
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Mordes u.a.
  9. -2-
  10. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November 2013, an der teilgenommen haben:
  11. Vorsitzender Richter Basdorf,
  12. Richter Prof. Dr. Sander,
  13. Richterin Dr. Schneider,
  14. Richter Dölp,
  15. Richter Prof. Dr. König
  16. als beisitzende Richter,
  17. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  18. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  19. Rechtsanwalt S.
  20. ,
  21. Rechtsanwalt M.
  22. als Verteidiger,
  23. Rechtsanwalt O.
  24. als Vertreter der Nebenklägerin,
  25. Justizangestellte
  26. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  27. -3-
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
  30. Landgerichts Berlin vom 12. Dezember 2012 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
  31. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  32. – Von Rechts wegen –
  33. Gründe
  34. 1
  35. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit
  36. Diebstahl und wegen Computerbetruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und drei Monaten verurteilt. Die zu Ungunsten
  37. des Angeklagten eingelegte, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte
  38. Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten
  39. und mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird, hat Erfolg.
  40. 2
  41. 1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
  42. 3
  43. a) Der 31 Jahre alte, u.a. wegen Handtaschenraubes zu Lasten älterer
  44. Damen vorbestrafte Angeklagte, ein „pathologischer Spieler“ (UA S. 4),
  45. schloss nahezu täglich Sportwetten ab und verschuldete sich deswegen erheblich. Ein Gläubiger drohte mit rechtlichen Schritten. Vor diesem Hintergrund verschaffte sich der Angeklagte durch einen Trick Zutritt zur Wohnung
  46. -4-
  47. einer wohlhabenden 81-jährigen Frau, um diese zu bestehlen. Als er im
  48. Schlafzimmer nach Geld suchte, wurde er durch sie überrascht. Er würgte
  49. die laut um Hilfe schreiende Frau mindestens 20 Sekunden, bis sie tot zu
  50. Boden sank, versteckte die Leiche im Keller des Wohnhauses und hob mit
  51. der EC-Karte der Getöteten viermal insgesamt 2.020 € ab.
  52. 4
  53. b) Das Landgericht hat das Tötungsverbrechen als Verdeckungsmord
  54. gewertet. Seiner Strafzumessung hat es die gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB
  55. gemilderten Strafrahmen der § 211 Abs. 1, § 263a Abs. 1 StGB zugrunde
  56. gelegt. Sachverständig beraten ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass die
  57. Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung aller Taten aufgrund
  58. seiner pathologischen Spielsucht nicht ausschließbar erheblich vermindert
  59. gewesen sei. Der Angeklagte könne „seine Wettleidenschaft nicht mehr adäquat steuern“ (UA S. 29). Seine Spielsucht habe mittlerweile zu gravierenden
  60. Persönlichkeitsveränderungen geführt. So bewahre er „fast abergläubisch
  61. erfolgreiche Wettscheine an bestimmten Orten“ (UA S. 29) auf. Sein alltägliches Denken beschäftige sich mit Wetten und den Möglichkeiten, das dafür
  62. erforderliche Geld zu beschaffen. Um seine Wettchancen zu erhöhen, lese er
  63. entsprechende Literatur. Auch bei den Taten sei sein Denken allein darauf
  64. gerichtet gewesen, sich das für weitere Wetteinsätze erforderliche Bargeld zu
  65. verschaffen.
  66. 5
  67. 2. Die Begründung, mit der das Landgericht von einer erheblichen
  68. Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist, hält
  69. revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
  70. 6
  71. a) „Pathologisches Spielen“ stellt – wovon das Landgericht im Ansatz
  72. zutreffend ausgeht – für sich genommen keine die Schuldfähigkeit erheblich
  73. einschränkende oder ausschließende krankhafte seelische Störung oder
  74. schwere andere seelische Abartigkeit dar (BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 5 StR 411/04, BGHSt 49, 365, 369; Beschlüsse vom 8. November 1988 – 1 StR 544/88, BGHR § 21 StGB Seelische Abartigkeit 8, und vom
  75. -5-
  76. 22. Juli 2003 – 4 StR 199/03, NStZ 2004, 31). Allerdings können in schweren
  77. Fällen psychische Defekte und Persönlichkeitsveränderungen auftreten, die
  78. eine ähnliche Struktur und Schwere wie bei stoffgebundenen Suchterkrankungen aufweisen, und es kann zu massiven Entzugserscheinungen kommen (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2013 – 5 StR 597/12, BGHSt 58, 192
  79. mwN). Wie bei der Substanzabhängigkeit kann deshalb auch bei der Spielsucht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit angenommen
  80. werden, wenn diese zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt
  81. oder der Täter bei den Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat. Diese Persönlichkeitsveränderungen müssen in ihrem
  82. Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig sein (vgl.
  83. BGH, Urteile vom 25. November 2004 und vom 6. März 2013 sowie Beschlüsse vom 22. Juli 2003 und vom 8. November 1988, jeweils aaO).
  84. 7
  85. Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es ist
  86. bereits höchst zweifelhaft, ob die im Urteil wiedergegebenen, von der
  87. Schwurgerichtskammer im Einklang mit dem Sachverständigen als Anhaltspunkte für gravierende Persönlichkeitsänderungen genannten Verhaltensweisen des Angeklagten solche überhaupt belegen. Jedenfalls setzt sich das
  88. Landgericht an keiner Stelle ausdrücklich damit auseinander, ob die angenommenen Veränderungen als andere seelische Abartigkeit in ihrem Schweregrad den krankhaften seelischen Störungen gleichwertig sind.
  89. 8
  90. b) Das Landgericht hat sich darüber hinaus auch nicht ausreichend mit
  91. der Frage befasst, inwieweit sich die Spielsucht bei dem Angeklagten in der
  92. konkreten Tatsituation ausgewirkt hat.
  93. 9
  94. aa) Spielsucht kann unter dem Gesichtspunkt einer Verminderung der
  95. Schuldfähigkeit nur dann beachtlich sein, wenn die begangenen Straftaten
  96. der Fortsetzung des Spielens dienen (vgl. BGH, Beschlüsse vom
  97. 18. Mai 1994 – 5 StR 78/94, NStZ 1994, 501, und vom 8. Juni 2011
  98. – 1 StR 122/11). Das angefochtene Urteil geht demgegenüber – allerdings
  99. -6-
  100. entgegen der Einlassung des Angeklagten (UA S. 19) und den Annahmen
  101. des Sachverständigen (UA S. 29) – in seinen Feststellungen davon aus,
  102. dass es dem Angeklagten bei der Planung der Straftat zum Nachteil der später Getöteten darum ging, Geldmittel zum Schuldenabbau zu beschaffen (UA
  103. S. 8). Dies kann darauf hindeuten, dass beim Angeklagten keine völlige Einengung seines Verhaltensspielraums auf das Glücksspiel besteht (vgl.
  104. Leygraf, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, 2010, 514, 527).
  105. 10
  106. bb) Darüber hinaus ist Folgendes zu bedenken: Die überlegten, zeitaufwendigen Vorbereitungen der Vortat sprechen gegen eine erhebliche
  107. Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Ferner ist bei Taten höchster Schwere bei der Zubilligung der Voraussetzungen erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit wegen der hohen Hemmschwelle besondere Zurückhaltung
  108. geboten (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49,
  109. 45, 53; LK/Schöch, 12. Aufl., § 20 Rn. 184 f. mwN). In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass die typische hohe emotionale Beeinträchtigung eines Verdeckungsmörders, die für sich genommen nicht zur Annahme des § 21 StGB führt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1995
  110. – 3 StR 72/95, BGHR StGB § 21 Affekt 7; ferner MK/Schneider, 2. Aufl.,
  111. § 211 Rn. 234), auf einer gänzlich anderen Wurzel beruht als eine etwa
  112. gleichzeitig bestehende Spielleidenschaft desselben Täters. Daher wird auch
  113. aus der Kombination beider psychischen Beeinträchtigungen regelmäßig
  114. nichts für die Voraussetzungen des § 21 StGB herzuleiten sein.
  115. 11
  116. c) Im Blick auf das gesamte Tatbild bemerkt der Senat, dass die wegen des Mordes verhängte Einsatzstrafe selbst bei Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung außerordentlich milde bemessen ist. Zutreffend beanstandet die Staatsanwaltschaft zudem die strafmildernde Berücksichtigung
  117. erlittener Untersuchungshaft (vgl. BGH, Urteil vom 20. August 2013
  118. – 5 StR 248/13 mwN).
  119. -7-
  120. 12
  121. 3. Der Senat hebt nur den Strafausspruch auf. Eine zweifelsfreie Feststellung der Voraussetzungen des § 21 StGB aufgrund der Spielsucht des
  122. Angeklagten, die so weit ginge, dass sie dessen Unterbringung nach § 63
  123. StGB rechtfertigen könnte, ist auszuschließen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom
  124. 6. März 2013 – 5 StR 597/12, aaO). Eine Unterbringung nach § 64 StGB
  125. kommt aus Rechtsgründen ebenfalls nicht in Betracht (BGH, Urteil vom
  126. 25. November 2004 – 5 StR 411/04, BGHSt 49, 365).
  127. Basdorf
  128. Sander
  129. Dölp
  130. Schneider
  131. König