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  1. 5 StR 351/11
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. BESCHLUSS
  4. vom 10. Januar 2012
  5. in der Strafsache
  6. gegen
  7. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern u.a.
  8. -2-
  9. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2012
  10. beschlossen:
  11. Dem Europäischen Gerichtshof wird gemäß Art. 267 des
  12. Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
  13. (AEUV) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
  14. Sind die die Erteilung und Annullierung eines einheitlichen
  15. Visums regelnden Art. 21, 34 der Verordnung (EG)
  16. Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates
  17. vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft
  18. (ABl. L 243 vom 15. September 2009, S. 1, Visakodex – VK)
  19. dahin auszulegen, dass sie einer aus der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften resultierenden Strafbarkeit wegen
  20. Einschleusens von Ausländern in Fällen entgegenstehen, in
  21. denen die geschleusten Personen zwar über ein Visum verfügen, dieses aber durch arglistige Täuschung der zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaates über den wahren Reisezweck erlangt haben?
  22. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlagefrage ausgesetzt.
  23. G r ü n d e
  24. 1
  25. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Revision des
  26. Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Berlin zu entscheiden. Das
  27. Landgericht hatte den Angeklagten unter anderem wegen gewerbs- und
  28. bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und deren
  29. Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
  30. -3-
  31. I.
  32. 2
  33. 1. Dem Revisionsverfahren liegt folgender, vom Landgericht festgestellter Sachverhalt zugrunde:
  34. 3
  35. Der Angeklagte gehörte einer international organisierten Schleuserbande an. Sie ging in der Weise vor, dass der ungarischen Botschaft in Vietnam vorgespiegelt wurde, bei gegen ein Entgelt von 12.000 € bis 14.000 € zu
  36. schleusenden vietnamesischen Staatsbürgern handele es sich um Mitglieder
  37. touristischer Reisegruppen. Die vorgeblichen Reisegruppen bestanden jeweils aus 20 bis 30 Personen. In der irrigen Annahme, dass die Reisen tatsachlich stattfinden würden, erteilte die ungarische Botschaft den Betroffenen
  38. Touristenvisa, die einen kurzen Aufenthalt in allen Schengenstaaten ermöglichten. Die Reisen wurden in den ersten Tagen zum Schein gemäß Reiseprogramm durchgeführt, bevor die Geschleusten dem vorab gefassten Tatplan entsprechend von Paris aus in die jeweiligen Zielländer weitertransportiert wurden. Die in Berlin eintreffenden Geschleusten wurden zunächst in so
  39. genannten „Safehouses“ untergebracht, bis sie dann von in Deutschland ansässigen Verwandten abgeholt und anderweitig einquartiert wurden.
  40. 4
  41. 2. Dem Angeklagten liegt zur Last:
  42. 5
  43. Er begleitete am 18./19. Mai 2010 sechs Vietnamesen im Reisebus
  44. von Paris nach Berlin und brachte sie dort im Lokal einer Mitangeklagten unter, wobei er auch die Pässe der geschleusten Personen übergab; zudem
  45. organisierte er im Zusammenwirken mit anderen Bandenmitgliedern die Unterbringung von weiteren 15 nach Deutschland verbrachten Vietnamesen in
  46. „Safehouses“ (Tat 1). Am 22. Juni 2010 begleitete er drei von insgesamt
  47. neun Vietnamesen von Paris nach Berlin (Tat 2). Alle geschleusten Personen
  48. verfügten – was das Landgericht für Tat 1 ausdrücklich festgestellt hat, was
  49. aber nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe auch für Tat 2 zugrunde
  50. zu legen ist – zur Tatzeit über auf die vorgenannte Weise erlangte Touristen-
  51. -4-
  52. visa, die formal die Einreise in den Schengenraum und den dortigen Aufenthalt erlaubten. Ein Beitrag des Angeklagten zur Erschleichung der Visa bei
  53. der ungarischen Botschaft in Vietnam lässt sich den Urteilsfeststellungen
  54. nicht entnehmen.
  55. 6
  56. 2. Nach Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte dadurch
  57. in zwei selbständigen Fällen des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern nach § 97 Abs. 2 i.V.m. § 96 Abs. 1 Nr. 1 lit. a und b
  58. i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 3 und § 96 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 2 des
  59. Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von
  60. Ausländern im Bundesgebiet – Aufenthaltsgesetz (AufenthG) strafbar gemacht. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist dabei, dass hinsichtlich der geschleusten Personen der Tatbestand der unerlaubten Einreise (§ 95 Abs. 1
  61. Nr. 3 AufenthG) bzw. des unerlaubten Aufenthalts (§ 95 Abs. 1 Nr. 2
  62. AufenthG) erfüllt ist. Wie aus der Zitierung des § 95 Abs. 6 AufenthG im Urteil ersichtlich ist, hat das Landgericht in dem Umstand, dass die geschleusten Personen formell über Visa verfügten, keinen die Strafbarkeit hindernden
  63. Umstand gesehen. Gemäß dieser Vorschrift steht für die Tatbestände des
  64. unerlaubten Aufenthalts und der unerlaubten Einreise nach § 95 Abs. 1 Nr. 2
  65. und 3 AufenthG einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein – hier
  66. gegebenes – Handeln aufgrund eines durch falsche Angaben erschlichenen
  67. Aufenthaltstitels gleich.
  68. 7
  69. 3. Mit seiner Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Er beanstandet, ohne dies näher zu begründen, die Verletzung sachlichen Rechts.
  70. II.
  71. 8
  72. Der Senat hält die Beantwortung der Vorlagefrage für den Erlass seiner Entscheidung über die Revision für erforderlich. Sie ist entscheidungserheblich, ohne dass einschlägige oder übertragbare Rechtsprechung des Eu-
  73. -5-
  74. ropäischen Gerichtshofs ersichtlich wäre (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom
  75. 24. Oktober 2011 – 2 BvR 1969/09 Rn. 25, und vom 22. September 2011
  76. – 2 BvR 947/11 Rn. 14, jeweils mwN). Er legt sie deshalb dem Gerichtshof
  77. der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. a, Abs. 3 AEUV zur Vorabentscheidung vor.
  78. 9
  79. Der Senat geht von Folgendem aus:
  80. 10
  81. 1. Die Voraussetzungen des § 95 Abs. 6 AufenthG sind erfüllt. Die zu
  82. schleusenden Personen gaben – unterstützt durch im angefochtenen Urteil
  83. im Einzelnen benannte Bandenmitglieder – gegenüber den Amtsträgern der
  84. ungarischen Botschaft in Vietnam bewusst wahrheitswidrig vor, zu touristischen Zwecken für einen Kurzaufenthalt in den Schengenraum einreisen zu
  85. wollen (vgl. Art. 21 VK, auch i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. a, c, d und e der Verordnung (EG) – Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
  86. 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der
  87. Grenzen durch Personen, Schengener Grenzkodex – SGK, ABl. L 105 vom
  88. 13. April 2006, S. 1). Demgegenüber hatten sie von Anfang an die Absicht,
  89. dauerhaft in Deutschland zu bleiben, was der Erteilung der Visa zwingend
  90. entgegenstand (vgl. Art. 21 Abs. 1 VK, Art. 5 Abs. 1 lit. e SGK; Dienelt in
  91. Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 6 Rn. 22). Nach den tatgerichtlichen
  92. Feststellungen wurden die Visa nur aufgrund der Fehlvorstellung der Amtsträger über den wahren Zweck der Reisen erteilt.
  93. 11
  94. 2. § 95 Abs. 6 AufenthG stellt für die Fälle des unerlaubten Aufenthalts
  95. und der unerlaubten Einreise (§ 95 Abs. 1 Nr. 2, 3 AufenthG) ein Handeln
  96. aufgrund eines solchermaßen erlangten Aufenthaltstitels einem Handeln ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel gleich. Die Vorschrift bewirkt in den relevanten Fällen trotz Vorhandensein eines verwaltungsrechtlich formell bestandskräftigen Aufenthaltstitels eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 2
  97. und 3 AufenthG, die ihrerseits den Anknüpfungspunkt für die „Schleusungstatbestände“ nach §§ 96, 97 AufenthG bilden kann.
  98. -6-
  99. 12
  100. a) Dass der deutsche Gesetzgeber diese Rechtsfolge herbeiführen
  101. wollte, unterliegt keinem Zweifel. Unter anderem mit der durch Gesetz zur
  102. Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen
  103. Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970, 1988) eingeführten Vorschrift
  104. des § 95 Abs. 6 AufenthG reagierte er auf das Urteil des Bundesgerichtshofs
  105. vom 27. April 2005 (2 StR 457/04, BGHSt 50, 105). Darin hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ausländerrechtlichen Erlaubnissen für die verwaltungsakzessorischen Straftatbestände des Aufenthaltsgesetzes Tatbestandswirkung zukommt, weswegen rechtsmissbräuchlich erlangte, jedoch formell
  106. wirksame Einreise- oder Aufenthaltsgenehmigungen (Visa) die Strafbarkeit
  107. wegen illegaler Einreise und illegalen Aufenthalts (§ 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3,
  108. auch i.V.m. § 96 Abs. 1 AufenthG) ausschließen (BGHSt aaO, S. 110 ff.).
  109. Der Behebung von Strafbarkeitslücken aufgrund dieser Entscheidung dienen
  110. verschiedene im genannten Gesetz enthaltene Maßnahmen (hierzu Gesetzentwurf der deutschen Bundesregierung, BT-Drucks. 16/5065 S. 164, 182 f.,
  111. 199). Mit § 95 Abs. 6 AufenthG wollte der Gesetzgeber sämtliche Fälle erfassen, „in denen die strafbefreiende Genehmigung auf unlautere Weise erlangt
  112. worden ist“ (BT-Drucks. 16/5065 S. 199; vgl. hierzu auch den diesbezüglichen Hinweis in BGHSt aaO, S. 115).
  113. 13
  114. b) In § 95 Abs. 6 AufenthG hat der gesetzgeberische Wille auch unter
  115. dem Blickwinkel des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2
  116. GG) hinreichenden Niederschlag gefunden. Für die illegale Einreise erscheint dies eindeutig und wird im deutschen Schrifttum soweit ersichtlich
  117. auch nicht bestritten (vgl. MünchKomm-StGB/Gericke, Bd. 6/2, 1. Aufl., § 95
  118. AufenthG Rn. 107). Gleiches gilt indessen entgegen vereinzelten Stimmen in
  119. der Literatur (MünchKomm/Gericke aaO § 95 AufenthG Rn. 28; Schott, Einschleusen von Ausländern, 2. Aufl., S. 282 f.) auch in Bezug auf § 95 Abs. 1
  120. Nr. 2 AufenthG (so im Ergebnis der Großteil des Schrifttums: vgl. Senge in
  121. Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand April 2010, § 95
  122. AufenthG Rn. 11a; Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 95 AufenthG
  123. Rn. 22; Mosbacher in GK/AufenthG, Stand Juli 2008, § 95 Rn. 57; Hailbron-
  124. -7-
  125. ner, Ausländerrecht, Stand Oktober 2010, § 95 AufenthG Rn. 110; Brocke,
  126. NStZ 2009, 546, 548).
  127. 14
  128. Allerdings ersetzt § 95 Abs. 6 AufenthG ausdrücklich nur das Fehlen
  129. des erforderlichen Aufenthaltstitels und erwähnt die – vorliegend relevante –
  130. weitere in § 95 Abs. 1 Nr. 2 lit. a AufenthG normierte Voraussetzung einer
  131. vollziehbaren Ausreisepflicht nicht. Der Umstand, dass ein Aufenthaltstitel
  132. grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht hindert, führt indessen nicht
  133. dazu, dass die ausdrücklich auch auf § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zielende
  134. Regelung des § 95 Abs. 6 AufenthG „fehlgeschlagen“ ist (so Gericke aaO;
  135. Schott aaO). Aus der Gleichstellung des Handelns auf Grund eines erschlichenen Aufenthaltstitels mit dem Handeln ohne Aufenthaltstitel folgt vielmehr
  136. auch, dass im Rahmen der Strafvorschriften des § 95 AufenthG die mit einem erschlichenen Aufenthaltstitel erfolgte Einreise als unerlaubt und die
  137. Ausreisepflicht somit als vollziehbar anzusehen ist (vgl. § 58 Abs. 2 Nr. 1
  138. AufenthG). Besonderer Erwähnung im Gesetzestext bedarf dies nicht zwingend.
  139. 15
  140. 3. § 95 Abs. 6 AufenthG lockert im vorbezeichneten Umfang die Akzessorietät der betroffenen deutschen Strafrechtsbestimmungen zu dem
  141. durch Unionsrecht ausgeformten Verwaltungsrecht, indem er für das Strafrecht durch arglistige Täuschung erlangte Visa ungeachtet einer vorherigen
  142. Annullierung als nicht existent betrachtet. Der Senat sieht die – trotz grundsätzlicher Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für das Strafrecht gegebene –
  143. Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Strafrechtsnormen so auszugestalten,
  144. dass die Wahrung des Unionsrechts gewährleistet ist (dazu etwa Europäischer Gerichtshof, Nr. 53 bis 55 des Urteils vom 28. April 2011 – C-61/11
  145. PPU, ABl. C 186 vom 25. Juni 2011, S. 8 mwN), hierdurch jedoch nicht verletzt.
  146. 16
  147. a) Die zu schleusenden Personen haben – unterstützt durch Mitglieder
  148. der Schleuserbande – durch Falschangaben die Erteilung von Visa erschli-
  149. -8-
  150. chen, die ihnen nicht hätten erteilt werden dürfen (Art. 21 Abs. 1 VK, Art. 5
  151. Abs. 1 lit. e SGK) und bei Kenntnis ihrer Absichten durch die zuständigen
  152. Behörden auch nicht erteilt worden wären. Art. 34 Abs. 1 Satz 1 VK schreibt
  153. den zuständigen Behörden vor, unter den hier gegebenen Vorzeichen erteilte
  154. Visa bei Kenntniserlangung zu annullieren, also für von Anfang an ungültig
  155. zu erklären. Daraus ergibt sich, dass ein schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen auf Rechtswirkungen aufgrund nur formellen Bestandes von Visa,
  156. deren bloßer Besitz ohnehin nicht automatisch zur Einreise berechtigt
  157. (Art. 30 VK, Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 1 GK), nicht anzuerkennen ist.
  158. Dementsprechend erscheint es auch auf der Grundlage des Unionsrechts
  159. folgerichtig, dem bestimmten Gebot des deutschen Gesetzgebers entsprechend solchen wegen zurechenbaren eigenen Verhaltens der Betroffenen
  160. von Anfang an schwer fehlerbehafteten Visa eine die Strafbarkeit ausschließende Wirkung zu versagen.
  161. 17
  162. b) Hinzu kommt, dass bei anderweitiger Betrachtung das von der Europäischen Union verfolgte Ziel effektiver Bekämpfung illegaler Einwanderung und der Beihilfe hierzu mit den Mitteln des Strafrechts (vgl. Rahmenbeschluss betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt vom 28. November 2002; Richtlinie 2002/90/EG des Rates zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum
  163. unerlaubten Aufenthalt vom 28. November 2002, ABl. L 328 vom 5. Dezember 2002, S. 1, 17; jeweils Erwägungsgründe 1 und 2) in Fällen wie dem vorliegenden, der nur einen Ausschnitt aus einem Komplex gleichgelagerter
  164. Verfahren bildet, nicht erreicht werden könnte. Denn die hier betroffenen
  165. „Schleusertatbestände“ des deutschen Rechts setzen eine rechtswidrige
  166. Haupttat in Form illegaler Einreise bzw. illegalen Aufenthalts voraus, der infolge formellen Bestands von Visa im Zeitpunkt der Tat des Angeklagten
  167. nicht gegeben wäre. Typischerweise entziehen sich die eingeschleusten
  168. Personen jeglichen Zugriffs der Behörden, so dass eine formell erklärte An-
  169. -9-
  170. nullierung faktisch nicht möglich ist. Dementsprechend müsste zumindest ein
  171. – beachtlicher – Teil der Täter straflos bleiben.
  172. 18
  173. c) Dass die Visa nicht von deutschen Behörden erteilt worden sind,
  174. steht einer Interpretation im vorgenannten Sinne nicht entgegen. Denn die
  175. Entscheidung über die Bestandskraft von Visa wird durch den Visakodex
  176. nicht ausschließlich dem erteilenden Mitgliedstaat vorbehalten. Dies erweist
  177. Art. 34 Abs. 1 Satz 2 VK, wonach Visa von den Behörden eines anderen Mitgliedstaates annulliert werden können, bei positiver Kenntnis von arglistiger
  178. Täuschung sogar müssen (vgl. auch Beschluss der Kommission vom
  179. 19. März 2010 über ein Handbuch für die Bearbeitung von Visumanträgen
  180. und die Änderung von bereits erteilten Visa, K(2010) 1620 endgültig,
  181. S. 119 f.).
  182. Basdorf
  183. Brause
  184. Schneider
  185. Schaal
  186. König