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518 lines
22 KiB

  1. 5 StR 268/05
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. IM NAMEN DES VOLKES
  4. URTEIL
  5. vom 2. Dezember 2005
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Beihilfe zur Untreue
  9. -2-
  10. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 1. und 2. Dezember 2005, an der teilgenommen haben:
  11. Vorsitzende Richterin Harms,
  12. Richter Häger,
  13. Richter Basdorf,
  14. Richterin Dr. Gerhardt,
  15. Richter Dr. Raum
  16. als beisitzende Richter,
  17. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  18. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  19. Rechtsanwalt
  20. als Verteidiger,
  21. Justizhauptsekretärin
  22. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  23. -3-
  24. in der Sitzung vom 2. Dezember 2005 für Recht erkannt:
  25. 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
  26. des Landgerichts Köln vom 14. Dezember 2004 mit den
  27. Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
  28. 2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft und
  29. die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen.
  30. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
  31. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  32. Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere
  33. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  34. – Von Rechts wegen –
  35. Gründe
  36. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Untreue zu
  37. einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur
  38. Bewährung
  39. ausgesetzt.
  40. Vom
  41. Vorwurf
  42. einer
  43. Steuerhinterziehung
  44. im
  45. Jahr 1996 hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
  46. -4-
  47. Die Staatsanwaltschaft begehrt mit ihrer auf die Sachrüge gestützten
  48. Revision anstelle des Freispruchs eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung und bei der Beihilfetat eine Erweiterung des Schuldspruchs auf eine
  49. tateinheitliche Beihilfe zur Bestechlichkeit bzw. Bestechung; zudem wendet
  50. sie sich gegen die Strafzumessung und die Strafaussetzung zur Bewährung.
  51. Der Angeklagte wendet sich mit der Sachrüge umfassend gegen seine Verurteilung. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet; die Revision der
  52. Staatsanwaltschaft hat lediglich hinsichtlich des Freispruchs vom Vorwurf der
  53. Steuerhinterziehung Erfolg.
  54. I.
  55. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
  56. Im Jahr 1990 beschloss der Rat der Stadt Köln die Gründung einer
  57. Abfallverwertungsgesellschaft in Form einer städtisch beherrschten Mischgesellschaft unter maßgeblicher Beteiligung der Privatwirtschaft. Die Einbeziehung eines privaten Unternehmers sollte dessen Fachwissen und wirtschaftliche Erfahrung nutzbar machen sowie zur Kostenersparnis beitragen. Als
  58. Mitgesellschafter wurde der gesondert Verfolgte T
  59. gewonnen, der
  60. über verschiedene Gesellschaften eine beherrschende Stellung auf dem Abfallsektor im Rheinland besaß. Die Stadt Köln (Anteil am Stammkapital
  61. 50,1 %), die S
  62. G
  63. K
  64. V
  65. G
  66. (Anteil 24,8 %) und die T
  67. E
  68. (Anteil 25,1 %) gründeten 1992 die „AVG
  69. “ (nachfolgend: AVG). Al-
  70. leiniger Geschäftsführer der AVG wurde der gesondert Verfolgte E
  71. .
  72. Eine der zentralen Aufgaben der AVG war in den folgenden Jahren
  73. der Bau einer Restmüllverbrennungsanlage (nachfolgend: RMVA) in Köln
  74. zum Zweck der thermischen Müllentsorgung. Nach der Ausschreibung der
  75. Aufträge zur Planung und zum Bau der RMVA gaben mehrere Firmen Ange-
  76. -5-
  77. bote ab und stellten teilweise auch die Zahlung von Schmiergeldern zwischen 2 % und 3 % des Auftragsvolumens bei Auftragsvergabe in Aussicht.
  78. Einer der Mitwettbewerber war die L & C
  79. (nachfolgend:
  80. LCS), deren Geschäftsführer der gesondert Verfolgte
  81. M
  82. Unter maßgeblicher Einflussnahme des Angeklagten Wi
  83. war.
  84. , der seit meh-
  85. reren Jahren als Unternehmensberater für die LCS tätig war und durch seine
  86. politische Laufbahn zahlreiche Kontakte zu den Entscheidungsträgern der
  87. Stadt Köln hatte, wurde schließlich im Herbst 1993 – einige Zeit vor dem
  88. Submissionstermin – zwischen E
  89. ,T
  90. und
  91. M
  92. vereinbart, dass im Falle der Auftragsvergabe von der LCS ein Schmiergeld
  93. in Höhe von insgesamt 3 % des Auftragswerts in gleichen Teilen an E
  94. ,T
  95. und Wi
  96. gezahlt werde. E
  97. und
  98. M
  99. manipulierten die Ausschreibung, so dass die LCS nach Kenntnis der
  100. anderen Angebote als günstigster Bieter schließlich den Zuschlag erhielt. In
  101. dem durch Verhandlungsgeschick von E
  102. schließlich erzielten, für
  103. die AVG insgesamt günstigen Festpreis von 792 Mio. DM war durch verschiedene Aufschläge auf einzelne Bau-Lose eine schmiergeldbedingte Erhöhung des Werklohns um rund 24 Mio. DM enthalten. Da sich dieser Betrag
  104. aus Sicht der LCS lediglich als Durchlaufposten darstellte, wäre
  105. M
  106. auch bereit gewesen, zu einem um den Schmiergeldbetrag verminderten Preis abzuschließen.
  107. Die AVG zahlte den vereinbarten Werklohn einschließlich des darin
  108. enthaltenen Schmiergeldanteils bis August 2000 fast vollständig an die LCS.
  109. Die Abwicklung der Schmiergeldzahlungen, die in Höhe von insgesamt
  110. 21,6 Mio. DM flossen, erfolgte über verschiedene Schweizer Firmen, die der
  111. gesondert Verfolgte T
  112. absprachegemäß zur Verschleierung der
  113. Zahlungsflüsse vermittelte, nachdem zuvor Wi
  114. über einen Züricher No-
  115. tar einen Zahlungsweg hatte organisieren wollen. Von dem Geld erhielt E
  116. insgesamt 14,29 Mio. DM. Einen weiteren Betrag von mindestens
  117. 1 Mio. DM gab E
  118. und Wi
  119. 1995 oder 1996 an
  120. M
  121. weiter; T
  122. erhielten zumindest 1994 jeweils ca. 2 Mio. DM. Dass
  123. -6-
  124. Wi
  125. weitere Millionen-Beträge in unverjährter Zeit erhielt, konnte das
  126. Landgericht nicht sicher feststellen.
  127. II.
  128. Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft erzielt lediglich hinsichtlich des Freispruchs vom Vorwurf der
  129. Steuerhinterziehung im Jahr 1996 einen Teilerfolg.
  130. 1. Unbegründet ist die Revision, soweit die Staatsanwaltschaft eine
  131. Verurteilung wegen einer zum abgeurteilten Delikt tateinheitlich begangenen
  132. Beihilfe zur Bestechung bzw. Bestechlichkeit (§§ 332, 334 StGB) begehrt.
  133. (Eine Teilnahme an einem Vergehen nach § 299 StGB ist bei Wi
  134. , an-
  135. ders als bei den gesondert Verfolgten E
  136. , ver-
  137. und
  138. M
  139. jährt.) Das Landgericht hat eine Amtsträgerstellung des gesondert Verfolgten
  140. E
  141. als Geschäftsführer der AVG nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c
  142. StGB zutreffend verneint, weil es sich bei der AVG nicht um eine „sonstige
  143. Stelle“ im Sinne dieser Vorschrift handelt.
  144. a) Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tage (5 StR 119/05, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) ausgeführt hat, liegt die Gleichstellung
  145. eines im Mehrheitsbesitz der öffentlichen Hand befindlichen, privatrechtlich
  146. organisierten Unternehmens mit einer Behörde jedenfalls dann fern, wenn
  147. ein Privater an dem Unternehmen durch seine Beteiligung über derart weitgehende Einflussmöglichkeiten verfügt, dass er wesentliche unternehmerische Entscheidungen mitbestimmen kann. Räumt der Gesellschaftsvertrag
  148. dem Privaten aufgrund der Höhe seiner Beteiligung eine „Sperrminorität“ für
  149. wesentliche unternehmerische Entscheidungen ein, kann das Unternehmen
  150. nicht mehr als „verlängerter Arm“ des Staates und sein Handeln damit nicht
  151. mehr als unmittelbar staatliches Handeln verstanden werden.
  152. -7-
  153. b) Nach diesen Kriterien ist die AVG nicht als „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB anzusehen: Die Gesellschafterin
  154. T
  155. besaß aufgrund ihrer Beteiligung in Höhe von 25,1 % eine
  156. Sperrminorität für wesentliche unternehmerische Entscheidungen der AVG.
  157. Der Gesellschaftsvertrag der AVG sah vor, dass wesentliche Angelegenheiten der Gesellschaft nur mit Dreiviertel-Mehrheit beschlossen werden können. Dazu zählten insbesondere die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils,
  158. die Änderung des Gesellschaftsvertrages, die Abberufung des Geschäftsführers, die Investitions- und Darlehensaufnahme, der Abschluss und die Kündigung von Unternehmensverträgen, die Bestellung eines Abschlussprüfers
  159. und die Feststellung des Wirtschaftsplans.
  160. 2. Die Strafzumessung des Landgerichts weist im Ergebnis ebenfalls
  161. keine Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten Wi
  162. auf.
  163. a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ihm
  164. obliegt es, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der
  165. Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen
  166. hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen,
  167. sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in
  168. sich fehlerhaft sind, wenn der Tatrichter gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängten Strafen nach oben oder unten von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt
  169. 34, 345, 349; st. Rspr.).
  170. b) Solche Rechtsfehler zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf.
  171. Der Senat besorgt insbesondere nicht, dass das Landgericht dem
  172. Teilgeständnis von Wi
  173. ein übermäßiges Gewicht beigemessen hat.
  174. Vielmehr hat das Landgericht in diesem Zusammenhang ausdrücklich bemerkt, dass das Geständnis vornehmlich aus prozesstaktischen Gründen
  175. -8-
  176. abgegeben wurde, der Angeklagte mehrfach versucht hat, sein Verhalten zu
  177. beschönigen, und von echter Reue nichts zu bemerken war. Der erhebliche
  178. Schadensumfang wurde ersichtlich durch die Annahme eines besonders
  179. schweren Falls der Untreue trotz Vorliegens erheblicher Milderungsgründe
  180. (§§ 27, 28 Abs. 1 StGB) hinreichend berücksichtigt. Der Senat schließt letztlich aus, dass der Strafausspruch schärfer ausgefallen wäre, wenn dem Angeklagten nach insoweit hinreichend begründeter Beweiswürdigung (dazu
  181. unten 3) den Tatbestand nicht unmittelbar berührende höhere, ihm in Folge
  182. seiner Tatbeteiligung zugewachsene wirtschaftliche Vorteile festgestellt worden wären. Das gilt umso mehr, als der Senat auf der anderen Seite ebenfalls ausschließt, dass die Zurechnung eines zu hohen Schuldumfangs der
  183. Haupttat sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat (dazu unten II 1
  184. a bb). Dass das Landgericht eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe verhängt
  185. und deren Vollstreckung tatsächlich zur Bewährung ausgesetzt hat, ist namentlich im Hinblick auf Alter und massive Erkrankung des von ungewöhnlich schweren Schicksalsschlägen getroffenen Angeklagten hinzunehmen
  186. und hat vor § 56 Abs. 2 StGB und letztlich auch § 56 Abs. 3 StGB Bestand.
  187. 3. Der Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung im Jahr 1996 kann hingegen nicht bestehen bleiben.
  188. Einziges Beweismittel für den Vorwurf der Anklage, Wi
  189. seien im
  190. Jahr 1996 aus der Schmiergeldvereinbarung 2,4 Mio. DM zugeflossen, die er
  191. nicht versteuert habe, waren frühere belastende Angaben des gesondert
  192. Verfolgten E
  193. . Der Generalbundesanwalt hat zutreffend darauf hin-
  194. gewiesen, dass die Darstellung der Beweiswürdigung in diesem Fall unzureichend ist.
  195. a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO muss jedes Strafurteil aus sich heraus verständlich sein (st. Rspr., vgl. BGHSt 30, 225, 227; 33, 59, 60; BGHR
  196. StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Bezugnahme 1). Gebotene eigene Urteilsfeststellungen oder Würdigungen dürfen nicht durch Bezugnahmen ersetzt werden,
  197. -9-
  198. da es ansonsten sachlichrechtlich an der Möglichkeit einer Nachprüfung
  199. durch das Revisionsgericht fehlt (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 304; Engelhardt
  200. in KK 5. Aufl. § 267 Rdn. 3 m.w.N.). Auch durch Bezugnahme auf ein eigenes früheres Urteil können die notwendigen eigenen Darlegungen im Urteil
  201. nicht ersetzt werden (Engelhardt aaO Rdn. 4 m.w.N.).
  202. b) Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Landgerichts
  203. nicht gerecht.
  204. Das Landgericht hat in diesem Teil der Beweiswürdigung umfassend
  205. auf ein 546 Seiten (zzgl. 92 Seiten Anlagen) langes Urteil derselben Wirtschaftsstrafkammer vom 13. Mai 2004 Bezug genommen, das dem angegriffenen Urteil als unterschriebene Anlage beigefügt ist. Zugrunde lag dieser
  206. Verfahrensweise, dass Wi
  207. M
  208. und R
  209. ursprünglich gemeinsam mit E
  210. ,
  211. wegen der verfahrensgegenständlichen Tat an-
  212. geklagt und das Verfahren gegen ihn aufgrund seines Gesundheitszustands
  213. vor Verhandlungsbeginn abgetrennt worden war. In dem früheren Urteil
  214. (hierzu das oben genannte Urteil des Senats vom heutigen Tage
  215. – 5 StR 119/05) war die Wirtschaftsstrafkammer in teilweise anderer Besetzung – es waren ein anderer Berufsrichter und unterschiedliche Schöffen
  216. tätig – zu dem Ergebnis gelangt, dass sich im Hinblick auf weitere Geldübergaben an Wi
  217. konkrete Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des
  218. dortigen Mitangeklagten E
  219. nicht ausräumen ließen.
  220. An entscheidenden Stellen der Beweiswürdigung hat das Landgericht
  221. pauschal auf das genannte, zu dieser Zeit noch nicht rechtskräftige frühere
  222. Urteil der Kammer Bezug genommen. Dies ist schon angesichts des Umfangs des in Bezug genommenen Urteils mit § 267 StPO unvereinbar, wie
  223. etwa folgende Formulierung verdeutlicht: „Soweit die Kammer in ihrer alten
  224. Besetzung dem früheren Mitangeklagten E
  225. in der Darstellung be-
  226. stimmter Zahlungsflüsse nicht gefolgt ist, beruht dies darauf, dass aus den im
  227. Kammerurteil vom 13.05.2004 dargestellten Gründen konkrete Zweifel blie-
  228. - 10 -
  229. ben, ob E
  230. nicht doch einen höheren Schmiergeldanteil selbst behal-
  231. ten hat“ (UA S. 53). Dies schließt die gebotene sachlichrechtliche Überprüfung solcher Beweiswürdigung durch das Revisionsgericht aus, da das in
  232. Bezug genommene weitere Urteil nicht Gegenstand dieses Prüfungsschritts
  233. sein darf.
  234. Danach kommt es nicht einmal darauf an, dass es nicht Aufgabe des
  235. Revisionsgerichts sein kann, sich derart in Bezug genommene Gründe aus
  236. einem umfangreichen Urteil selbst herauszusuchen, und dass eine solche
  237. Urteilsfassung von vorneherein grundlegende Bedenken eröffnet, ob das
  238. Landgericht seiner verfahrensrechtlichen Pflicht, gemäß § 261 StPO nach
  239. seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung
  240. zu entscheiden, genügt haben kann. Andere Urteile können allenfalls begrenzt im Rahmen des Urkundenbeweises zur Entscheidungsfindung beitragen. Nur in wenigen Ausnahmefällen hat eine rechtskräftige Entscheidung
  241. auch in anderen Verfahren und gegen andere Beschuldigte bindende Feststellungswirkung (vgl. etwa § 190 StGB). In allen anderen Fällen muss der
  242. Richter auf Grund eigener selbständiger Prüfung die Überzeugung von dem
  243. Vorhandensein der Tatbestandsmerkmale gewinnen. Dieser Prüfung darf er
  244. sich nicht durch die Bezugnahme auf Entscheidungen entziehen, die in anderen Strafsachen ergangen sind (vgl. BGHSt 17, 388, 390 f. m.w.N.). Dies gilt
  245. erst recht, wenn die in Bezug genommene Entscheidung – wie hier – nicht
  246. einmal rechtskräftig ist.
  247. III.
  248. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
  249. 1. Das Landgericht hat den Angeklagten Wi
  250. Beihilfe zur Untreue verurteilt.
  251. zu Recht wegen
  252. - 11 -
  253. a) Die Darstellung der Beweiswürdigung ist in diesem Fall – anders als
  254. beim Freispruch – für die sachlichrechtliche revisionsgerichtliche Überprüfung noch ausreichend.
  255. aa) Der Angeklagte Wi
  256. hat sich zu diesem Vorwurf teilgeständig
  257. eingelassen; der Inhalt seiner Einlassung ist im Urteil ausführlich wiedergegeben. Danach beteiligte sich Wi
  258. an der Schmiergeldabrede, wonach
  259. ihm 1 % der Auftragssumme zukommen sollte, obwohl er durch seine Tätigkeit für LCS dieser gegenüber allenfalls einen Provisionsanspruch in Höhe
  260. von 0,5 % der Auftragssumme hatte. Dabei war ihm klar, dass der Zuschlag
  261. an die LCS nur durch Manipulation der Auftragsvergabe zustande kommen
  262. und die AVG im Ergebnis durch die Notwendigkeit einer Finanzierung des
  263. Schmiergeldanteils belastet werden konnte. Er wusste auch, dass ihm keine
  264. Vermittlungsprovision zustand, da ein Zuschlag nur durch die verabredeten
  265. kriminellen Machenschaften zustande gekommen war. Zudem kümmerte
  266. sich Wi
  267. anfangs um die Abwicklung von Zahlungen über die Schweiz.
  268. Erhalten hat er nach eigenen Angaben zumindest 1,8 Mio. DM im Jahr 1994.
  269. bb) Durch dieses Teilgeständnis sind die für die Beihilfe zur Untreue
  270. wesentlichen Umstände auch jenseits der zweifelhaften Bezugnahme auf
  271. das Urteil der Kammer vom 13. Mai 2004 belegt: Die Beteiligung an der
  272. Schmiergeldabrede stellt die Beihilfe zu der – zumindest mit bedingtem Vorsatz erwarteten – Untreue des gesondert Verfolgten E
  273. durch Wi
  274. dar; auch
  275. s Schmiergeldforderung kam es zu dem in Höhe des
  276. Schmiergeldanteils überteuerten Vertragsabschluss. Der Schadensumfang
  277. war durch den Umfang des Gesamtprojekts in Höhe von ca. 800 Mio. DM
  278. und die Vereinbarung des prozentualen Schmiergeldanteils in Höhe von 3 %
  279. mit ca. 24 Mio. DM vorgezeichnet. Lediglich zur letztlich hier nicht erheblichen genauen Berechnung des schließlich eingetretenen Untreueschadens
  280. in Höhe von rund 24 Mio. DM hat die Kammer auf konkrete Seitenzahlen des
  281. in Anlage beigefügten Urteils verwiesen (vgl. zum Verweis auf Berechnungsgrundlagen auch BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Bezugnahme 1; BGH
  282. - 12 -
  283. wistra 2005, 227). Dass der Schuldumfang auch vom (Eventual-)Vorsatz des
  284. Angeklagten Wi
  285. erfasst war, ergibt sich aus seiner Kenntnis vom Um-
  286. fang des Projekts und vom Umfang der Schmiergeldabrede. Auch wenn
  287. Wi
  288. – was das Landgericht nicht sicher auszuschließen vermochte –
  289. irrigerweise davon ausgegangen sein sollte, ihm stünden zumindest 0,5 %
  290. der Auftragssumme als Vermittlungsprovision zu, die zu Lasten von AVG
  291. erwirtschaftet würden, hatte er doch zumindest Vorsatz bezüglich einer
  292. Schädigung der AVG in Höhe der verbliebenen 2,5 % des Auftragsvolumens,
  293. also in Höhe von rund 20 Mio. DM. Für die Strafzumessung bliebe solches
  294. ersichtlich ohne Auswirkung.
  295. b) Entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten begegnet
  296. die Annahme einer Untreue zu Lasten der AVG durch den gesondert Verfolgten E
  297. – die von Wi
  298. geförderte Haupttat – keinen Bedenken.
  299. aa) Zwar ist die Annahme des Landgerichts unzutreffend, der gesondert Verfolgte E
  300. habe mit seinem Verhalten die Missbrauchalterna-
  301. tive des § 266 Abs. 1 StGB erfüllt. Weil der auch für den Vertragspartner
  302. M
  303. offensichtliche rechtsgeschäftliche Missbrauch der Verpflich-
  304. tungsbefugnis vorliegend nicht zu einer wirksamen Verpflichtung des Treugebers geführt hat, ist lediglich die Treubruchalternative erfüllt (vgl. BGH, Urt.
  305. vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05). Der Senat kann von sich aus dahin
  306. erkennen, dass der Angeklagte nicht eine Beihilfe zum Missbrauchtatbestand, sondern eine Beihilfe zum Treubruchtatbestand des § 266 StGB verwirklicht hat (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Missbrauch 2). Es ist auszuschließen, dass sich der insoweit geständige Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können.
  307. bb) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass E
  308. durch den Abschluss des Vertrages mit der LCS zum Gesamtpreis von
  309. 792 Mio. DM seine gegenüber der AVG als deren Geschäftsführer bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt und hierdurch der AVG einen Ver-
  310. - 13 -
  311. mögensnachteil in Höhe von rund 24 Mio. DM – also in Höhe des vereinbarten Schmiergeldaufschlags – zugefügt hat.
  312. (1) Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tage (5 StR 119/05) entschieden hat, bildet bei der Auftragserlangung durch Bestechung im geschäftlichen Verkehr der auf den Preis aufgeschlagene Betrag, der lediglich
  313. der Finanzierung des Schmiergelds dient, regelmäßig die Mindestsumme
  314. des beim Auftraggeber entstandenen Vermögensnachteils im Sinne von
  315. § 266 Abs. 1 StGB. Die Vermögensbetreuungspflicht gebietet in diesen Fällen, dass der Treupflichtige die Möglichkeit des vorteilhaften Vertragsschlusses im Interesse des betreuten Vermögens nutzt und den Vertrag zu dem
  316. günstigeren Preis – ohne den Schmiergeldanteil – abschließt. Inwieweit andere Anbieter noch teurere Angebote eingereicht haben, bleibt demgegenüber unerheblich. Vorzuwerfen ist dem Treupflichtigen in diesen Fällen der
  317. Abschluss des um den Schmiergeldanteil überteuerten Vertrages trotz konkreter Möglichkeit eines günstigeren Abschlusses und die damit einhergehende Verlagerung der Schmiergeldzahlungen zugunsten des Geschäftsführers auf die vertretene Gesellschaft durch Vereinbarung entsprechend überhöhter Zahlungsverpflichtungen mit Dritten (vgl. BGH aaO).
  318. (2) Zutreffend hat das Landgericht den Nachteilsumfang mit dem aufgeschlagenen Schmiergeldanteil in Höhe von rund 24 Mio. DM angesetzt.
  319. Vorteile, die E
  320. durch besonders nachdrückliche und ge-
  321. schickte Verhandlungen bei der Preisgestaltung erreicht hat oder die zur Ermöglichung einer Vergabe des Auftrags an die LCS notwendig waren, können nicht gegengerechnet werden. Dies gilt insbesondere für die Absenkung
  322. des Preises beim Los Bauteil um 9 Mio. DM im Rahmen der Vergabemanipulation. Denn es kommt allein darauf an, ob – was das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat –
  323. M
  324. letztendlich bereit war, im Zeitpunkt
  325. des Vertragsschlusses den Vertrag auch ohne den Schmiergeldanteil abzuschließen oder nicht. Es kann deshalb dahinstehen, ob der abweichende An-
  326. - 14 -
  327. satz der Verteidigung auch im Blick auf die zur Schmiergeldfinanzierung
  328. überhöhte Kalkulation des Gesamtpreises im ersten Angebot der LCS verfehlt ist.
  329. 2. Auch im Übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler zu Lasten des
  330. Angeklagten auf. Soweit bei dem Strafmaß auf das Ausmaß der von ihm tatsächlich empfangenen, teilweise bestrittenen Schmiergeldzahlungen Bedacht genommen worden ist, beruht die Feststellung auf einer allein dem
  331. angefochtenen Urteil ohne Berücksichtigung der Bezugnahme entnehmbaren
  332. Beweiswürdigung.
  333. IV.
  334. Damit erwächst die Verurteilung des Angeklagten Wi
  335. in Rechts-
  336. kraft.
  337. Der Senat weist auf Folgendes hin: Entgegen der Auffassung der
  338. Staatsanwaltschaft ist die Beweiswürdigung in dem in Bezug genommenen
  339. Urteil hinsichtlich der konkreten Zweifel an den Angaben E
  340. Geldübergabe an Wi
  341. nicht
  342. zu
  343. beanstanden
  344. s zur
  345. und andere für sich betrachtet sachlichrechtlich
  346. (vgl.
  347. BGH,
  348. Urt.
  349. vom
  350. 2.
  351. Dezember
  352. 2005
  353. – 5 StR 119/05). Diesem Umstand wird – auch angesichts des Zeitablaufs
  354. und der krankheitsbedingten Einschränkungen der Verhandlungsfähigkeit
  355. - 15 -
  356. des Angeklagten – gegebenenfalls durch ein Vorgehen nach § 154 Abs. 2
  357. StPO Rechnung zu tragen sein, so dass das Verfahren mit der Verurteilung
  358. Wi
  359. s im bisherigen Umfang seinen Abschluss finden könnte.
  360. Harms
  361. Häger
  362. Gerhardt
  363. Basdorf
  364. Raum