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423 lines
20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 5 StR 125/16
  5. vom
  6. 14. September 2016
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. 1.
  10. 2.
  11. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
  12. ECLI:DE:BGH:2016:140916U5STR125.16.0
  13. -2-
  14. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. September 2016, an der teilgenommen haben:
  15. Richter Prof. Dr. Sander
  16. als Vorsitzender,
  17. Richterin Dr. Schneider,
  18. Richter Dr. Berger,
  19. Richter Bellay,
  20. Richter Dr. Feilcke
  21. als beisitzende Richter,
  22. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  23. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  24. Rechtsanwalt D.
  25. als Verteidiger des Angeklagten K.
  26. Rechtsanwalt Do.
  27. B.
  28. ,
  29. ,
  30. Rechtsanwalt S.
  31. als Verteidiger des Angeklagten J.
  32. B.
  33. Justizangestellte
  34. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  35. ,
  36. -3-
  37. für Recht erkannt:
  38. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
  39. Landgerichts Berlin vom 9. Dezember 2015 im Ausspruch über
  40. den erweiterten Verfall des Wertersatzes aufgehoben, soweit das
  41. Landgericht von einer den Betrag von 415.800 Euro übersteigenden Verfallsanordnung abgesehen hat. Die weitergehenden
  42. Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
  43. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
  44. und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  45. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil
  46. werden verworfen. Die Angeklagten haben jeweils die Kosten
  47. ihres Rechtsmittels zu tragen.
  48. - Von Rechts wegen -
  49. Gründe:
  50. 1
  51. Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu einer Freiheitsstrafe von fünf
  52. Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen die Angeklagten als
  53. Gesamtschuldner in Höhe von 14.000 Euro den Verfall des Wertersatzes und in
  54. -4-
  55. Höhe von 415.800 Euro den erweiterten Verfall des Wertersatzes angeordnet,
  56. wobei es einzelne näher bezeichnete Ansprüche des Angeklagten K.
  57. B.
  58. sowie die gemeinsame Eigentumswohnung der Angeklagten von diesen Anordnungen ausgenommen hat. Gegen das Urteil wenden sich sowohl die Staatsanwaltschaft mit ihren auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und mit
  59. der Sachrüge begründeten Revisionen als auch die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Während die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, im Hinblick auf die Anordnung des erweiterten Verfalls des Wertersatzes einen Teilerfolg erzielen, bleiben die Revisionen der Angeklagten erfolglos.
  60. I.
  61. 2
  62. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
  63. 3
  64. Die Angeklagten betrieben seit dem Jahr 2012 in Berlin-Schöneberg eine
  65. überwiegend von homosexuellen männlichen Paaren besuchte Pension. Aufgrund von Anfragen ihrer Gäste nach Potenz- und Aufputschmitteln sowie
  66. Crystal Meth und Ecstasy entschlossen sich die Angeklagten, sich entsprechende Mittel zu verschaffen und an ihre Gäste zu veräußern. Nach Schließung
  67. der Pension im Oktober 2014 verkauften sie Crystal Meth und Ecstasy aus ihrer
  68. gemeinsamen Wohnung heraus.
  69. 4
  70. Im Zeitraum September 2014 bis Juli 2015 veräußerten die Angeklagten
  71. rund 99,5 g Crystal Meth und 216 Ecstasytabletten. Zudem bewahrten sie in
  72. ihrer eigenen sowie einer weiteren Wohnung einen Vorrat zum Verkauf bestimmter Betäubungsmittel auf. Dieser umfasste zum Zeitpunkt ihrer Festnahme
  73. im Juli 2015 rund 4.530 g Crystal Meth, die der Angeklagte J.
  74. B.
  75. im Ju-
  76. -5-
  77. ni 2015 in der Tschechischen Republik für einen Kaufpreis von 200.000 Euro
  78. von einem Händler vietnamesischer Herkunft erworben hatte, sowie 314 Ecstasytabletten.
  79. 5
  80. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagten aus dem Handel
  81. mit Crystal Meth, Ecstasy, Arzneimitteln und „sonstigen Hilfsmitteln“ insgesamt
  82. Einnahmen in Höhe von rund 680.000 Euro erzielten, von denen 70 Prozent
  83. (476.000 Euro) auf den Handel mit Crystal Meth und Ecstasy und die restlichen
  84. 30 Prozent auf den Verkauf anderer Substanzen wie „Poppers, GBL und SKAT“
  85. entfielen (UA S. 28).
  86. 6
  87. Von dem so ermittelten Verkaufserlös für Crystal Meth und Ecstasy in
  88. Höhe von 476.000 Euro hat die Strafkammer zunächst einen Betrag von
  89. 14.000 Euro wegen des in dieser Höhe angeordneten Verfalls des Wertersatzes
  90. sowie einen weiteren Betrag von 35.000 Euro aufgrund des Verzichts der Angeklagten auf bereits gepfändete Gegenstände und Bankguthaben abgezogen.
  91. Darüber hinaus hat sie „zum Ausgleich etwaiger Berechnungsungenauigkeiten“
  92. einen Sicherheitsabschlag von zwei Prozent (8.540 Euro) vorgenommen und so
  93. einen dem erweiterten Verfall des Wertersatzes unterliegenden Betrag von
  94. 418.640 Euro errechnet (UA S. 32). Schließlich hat sie „aus Gründen des Vertrauensschutzes“ die Anordnung über den erweiterten Verfall des Wertersatzes
  95. auf den von ihr „im Rahmen eines Hinweises in Aussicht gestellten Betrag von
  96. 415.800 Euro beschränkt“ (UA S. 33).
  97. -6-
  98. II.
  99. 7
  100. Revisionen der Staatsanwaltschaft:
  101. 8
  102. 1. Soweit sich die Staatsanwaltschaft gegen die Strafzumessung des
  103. Landgerichts wendet und insbesondere die gegen die Angeklagten verhängten
  104. Freiheitsstrafen als zu niedrig beanstandet, bleiben ihre Rechtsmittel erfolglos.
  105. 9
  106. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine
  107. Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die
  108. wesentlichen ent- und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten
  109. und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in
  110. diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die
  111. Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen
  112. rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe
  113. nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu
  114. sein. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des
  115. § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 17. September 1980
  116. – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, und vom 29. Juni 2005 – 1 StR 149/05,
  117. NStZ 2006, 568; Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345,
  118. 349).
  119. 10
  120. Einen Rechtsfehler in diesem Sinne zeigen die Revisionen der Staatsanwaltschaft nicht auf. Die Strafzumessungserwägungen sind entgegen der
  121. Ansicht der Beschwerdeführerin weder lückenhaft noch widersprüchlich. Das
  122. Landgericht hat vielmehr alle für die Strafzumessung wesentlichen Gesichtspunkte bedacht und in seine Abwägung eingestellt. Insbesondere hat es er-
  123. -7-
  124. sichtlich nicht verkannt, dass es sich bei der von den Angeklagten in ihren
  125. Wohnungen zum Verkauf vorgehaltenen Menge von etwa 4,5 kg Crystal Meth
  126. mit einem Wirkstoffgehalt von etwa 3,454 kg Methamphetamin-Base um eine
  127. außerordentlich große Menge dieses Rauschgifts handelte; die Strafkammer
  128. hat insoweit ausdrücklich zu Ungunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass
  129. das von den Angeklagten vorgehaltene Crystal Meth den Grenzwert zur nicht
  130. geringen Menge „um ein hohes Vielfaches“ überstieg und es sich bei Methamphetamin um ein gefährliches Betäubungsmittel mit hohem Suchtpotential
  131. handelt (UA S. 31).
  132. 11
  133. Der Senat vermag sich auch nicht der Auffassung der Beschwerdeführerin anzuschließen, dass die gegen die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen
  134. von jeweils fünf Jahren und drei Monaten unvertretbar niedrig seien und sich
  135. von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach unten lösten.
  136. Dem stehen bereits – trotz der außerordentlich großen Menge des in Rede stehenden Rauschgifts – erhebliche zugunsten der Angeklagten sprechende Strafzumessungsgesichtspunkte entgegen. Dies sind namentlich die umfassenden
  137. Geständnisse der Angeklagten, die noch über den konkreten Tatvorwurf hinaus
  138. Angaben zu ihrem Handel mit Arzneimitteln und Betäubungsmitteln sowie zu
  139. ihren hierdurch erzielten Einnahmen gemacht haben, der Umstand, dass die
  140. bislang unbestraften Angeklagten aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch HIV-Infektionen besonders haftempfindlich sind, und die Sicherstellung eines wesentlichen Teils der Betäubungsmittel (UA S. 30 f.).
  141. 12
  142. 2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben hingegen Erfolg, soweit
  143. sie beanstandet, das Landgericht hätte den erweiterten Verfall des Wertersatzes (§ 73d StGB) nicht lediglich in Höhe von 415.800 Euro anordnen dürfen.
  144. -8-
  145. 13
  146. a) Keinen Rechtsfehler lässt das Urteil zunächst insoweit erkennen, als
  147. die Strafkammer in Übereinstimmung mit den Einlassungen der Angeklagten
  148. davon ausgegangen ist, dass sie aus dem Handel mit Crystal Meth, Ecstasy,
  149. Arzneimitteln und sonstigen Hilfsmitteln insgesamt Einnahmen in Höhe von
  150. (abgerundet) 680.000 Euro erzielt haben und hiervon 70 Prozent auf den Handel mit Crystal Meth und Ecstasy und 30 Prozent auf den Verkauf von Arzneimitteln und sonstigen Hilfsmitteln entfielen (UA S. 14, 20). Auch soweit das
  151. Landgericht bei der Berechnung des dem erweiterten Verfall des Wertersatzes
  152. unterliegenden Betrages Abzüge von 14.000 Euro wegen des in dieser Höhe
  153. angeordneten Verfalls des Wertersatzes und weiterer 35.000 Euro für den Verzicht der Angeklagten auf bereits gepfändete Gegenstände und Bankguthaben
  154. vorgenommen hat (UA S. 32), begegnet dies keinen Bedenken.
  155. 14
  156. b) Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin jedoch, dass das
  157. Landgericht bei der Ermittlung des dem erweiterten Verfall des Wertersatzes
  158. unterliegenden Geldbetrages einen weiteren erheblichen Teil der von den Angeklagten erzielten Gesamteinnahmen von 680.000 Euro unberücksichtigt gelassen hat.
  159. 15
  160. aa) Dies gilt zunächst für den auf den Verkauf von Arznei- und sonstigen
  161. Hilfsmitteln entfallenden Anteil von 30 Prozent der Gesamteinnahmen. Das
  162. Landgericht hat rechtsfehlerhaft von einer Prüfung abgesehen, inwieweit auch
  163. im Hinblick auf diesen Teil der Einnahmen die Voraussetzungen für die Anordnung des erweiterten Verfalls des Wertersatzes gemäß § 73d Abs. 2, § 73a
  164. StGB vorlagen.
  165. 16
  166. Im Urteil ist festgestellt, dass die Angeklagten ihre über den Erlös aus
  167. dem Handel mit Crystal Meth und Ecstasy hinausgehenden Einnahmen durch
  168. den Verkauf von Potenz- und Aufputschmitteln – darunter Substanzen wie Pop-
  169. -9-
  170. pers, GBL und SKAT (UA S. 5, 13, 28) – und damit jedenfalls in weitgehendem
  171. Umfang aus strafbarem gewerbsmäßigen Handel mit Arzneimitteln erzielt haben. Soweit es sich hierbei um nicht angeklagte und auch nicht hinreichend
  172. konkretisierbare Straftaten nach dem Arzneimittelgesetz (u.a. nach § 95 Abs. 1
  173. Nr. 2a AMG aF) handelt, unterliegen die von den Angeklagten erzielten Einnahmen dem erweiterten Verfall des Wertersatzes gemäß § 98a AMG i.V.m.
  174. § 73d Abs. 2, § 73a StGB.
  175. 17
  176. Sofern die Angeklagten auch mit gefälschten Arzneimitteln gehandelt
  177. haben sollten, kann allerdings – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend hinweist – die auch auf den erweiterten Verfall nach § 73d
  178. StGB anwendbare Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB der Verfallsanordnung entgegenstehen (vgl. Raum in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz,
  179. 2. Aufl., § 98a Rn. 5); dies wird das neue Tatgericht zu beachten haben.
  180. 18
  181. bb) Darüber hinaus beanstandet die Beschwerdeführerin ebenfalls zu
  182. Recht, dass die Strafkammer bei der Berechnung des dem erweiterten Verfall
  183. des Wertersatzes unterliegenden Betrages einen „Sicherheitsabschlag“ in Höhe
  184. von zwei Prozent und „aus Gründen des Vertrauensschutzes“ einen weiteren
  185. Abzug von 2.660 Euro vorgenommen hat (UA S. 32 f.).
  186. 19
  187. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich nicht, warum sich die Strafkammer veranlasst sah, einen (nochmaligen) „Sicherheitsabschlag“ vorzunehmen, nachdem bereits bei der Ermittlung der Gesamteinnahmen von
  188. 680.000 Euro Abrundungen nach unten erfolgt waren (UA S. 20, 23). Auch eine
  189. sachliche Rechtfertigung für die von der Kammer aus „Vertrauensschutzgründen“ vorgenommene Begrenzung des dem erweiterten Verfall des Wertersatzes
  190. unterliegenden Betrages auf 415.800 Euro lässt sich dem Urteil nicht entnehmen; der im Urteil erwähnte Hinweis der Kammer in der Hauptverhandlung,
  191. - 10 -
  192. dass dieser Betrag „in Aussicht gestellt“ sei (UA S. 33), vermag eine Beschränkung des Verfallsbetrages wegen des – ungeachtet des § 73c StGB – zwingenden Charakters des erweiterten Verfalls gemäß § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB
  193. („ordnet … an“) nicht zu rechtfertigen.
  194. III.
  195. 20
  196. Revisionen der Angeklagten:
  197. 21
  198. 1. Die Verfahrensrügen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
  199. 22
  200. a) Die Verfahrensbeanstandung, mit der die Beschwerdeführer gemäß
  201. § 338 Nr. 1 StPO i.V.m. § 21e Abs. 3 GVG eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts geltend machen, weil mangels Überlastung die
  202. Ableitung des Verfahrens von der zunächst zuständig gewesenen 4. Großen
  203. Strafkammer auf die erkennende Hilfsstrafkammer 4a unzulässig gewesen sei,
  204. ist unbegründet. Denn schon aus der Überlastungsanzeige des Vorsitzenden
  205. Richters der 4. Großen Strafkammer vom 11. September 2015 ergibt sich, dass
  206. die Strafkammer zumindest bis einschließlich Februar 2016 derart mit Hauptverhandlungsterminen ausgelastet war, dass das neu eingegangene Verfahren
  207. nicht vor Anfang März 2016 hätte verhandelt werden können. Die beanstandete
  208. Entlastungsmaßnahme durch das Präsidium des Landgerichts erwies sich auch
  209. als wirksam, denn mit der Hauptverhandlung konnte bereits am 16. November 2015 – nur etwa zwei Monate nach Anklageerhebung – begonnen werden,
  210. mithin mehr als drei Monate vor dem frühestmöglichen Hauptverhandlungsbeginn vor der 4. Großen Strafkammer.
  211. - 11 -
  212. 23
  213. b) Die auf eine Verletzung des § 338 Nr. 1 StPO i.V.m. § 21f Abs. 2 GVG
  214. gestützte Verfahrensrüge, mit der die Beschwerdeführer geltend machen, die
  215. erkennende Hilfsstrafkammer habe in vorschriftswidriger Besetzung verhandelt
  216. – nämlich nicht unter dem Vorsitz der Vorsitzenden Richterin am Landgericht
  217. R.
  218. und mit den Richtern am Landgericht F.
  219. und L.
  220. den Richtern, sondern mit Richter am Landgericht F.
  221. sowie Richter am Landgericht L.
  222. als beisitzenals Vorsitzendem
  223. und Richterin am Landgericht K. als
  224. Beisitzern – ist in zulässiger Weise erhoben, jedoch unbegründet.
  225. 24
  226. Die Vorsitzende Richterin am Landgericht R.
  227. war gemäß § 21f Abs. 2
  228. Satz 1 GVG an einer Teilnahme an der Hauptverhandlung verhindert, da sie
  229. während des hierfür vorgesehenen Zeitraums an einer ihr bewilligten einwöchigen dienstlichen Fortbildungsveranstaltung teilnahm. Dies stellt einen Verhinderungsgrund im Sinne des § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG dar (vgl. Kissel/Mayer, GVG,
  230. 8. Aufl., § 21e Rn. 144 zur Dienstreise).
  231. 25
  232. Die Strafkammervorsitzende war bei der Terminierung der Hauptverhandlung auch nicht gehalten, diese erst in die Zeit nach Ende ihrer Fortbildungsveranstaltung zu legen oder ausschließlich Hauptverhandlungstage außerhalb der Fortbildungswoche zu bestimmen. Dem steht bereits der Umstand
  233. entgegen, dass sich beide Angeklagte während der Dauer der Hauptverhandlung in Untersuchungshaft befanden und daher das Beschleunigungsgebot in
  234. Haftsachen eine besonders zügige Terminierung verlangte. Im Übrigen sind die
  235. Möglichkeiten eines Vorsitzenden zur Terminierung einer Hauptverhandlungssache schon faktisch durch die weiteren bei dem jeweiligen Spruchkörper anhängigen Verfahren und durch die nicht uneingeschränkte terminliche Verfügbarkeit der weiteren Verfahrensbeteiligten begrenzt.
  236. - 12 -
  237. 26
  238. Da der Verhinderungsgrund offensichtlich und unzweifelhaft war, bedurfte er auch keiner besonderen Feststellung (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 1989 – 2 StR 39/89, BGHR StPO § 338 Nr. 1 Vertreter 2; Breidling in
  239. Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 21f GVG Rn. 20). Infolge der Verhinderung
  240. der Vorsitzenden Richterin oblag es nach dem Geschäftsverteilungsplan des
  241. Landgerichts Berlin ihrem Vertreter Richter am Landgericht F.
  242. , in der
  243. Hauptverhandlung den Vorsitz zu führen, und Richterin am Landgericht K. , als
  244. weitere Beisitzerin neben Richter am Landgericht L.
  245. an dem Verfahren
  246. mitzuwirken.
  247. 27
  248. c) Ohne Erfolg bleibt schließlich die Verfahrensbeanstandung, mit der die
  249. Beschwerdeführer eine „Verletzung des § 31 BtMG i.V.m. §§ 261, 267 StPO
  250. und § 244 Abs. 2 StPO“ rügen. Die Beschwerdeführer machen insoweit geltend,
  251. das Landgericht habe den Inhalt von Schreiben ihrer Verteidiger vom 11. August 2015 und vom 16. September 2015 nicht im Wege der Verlesung zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht. Bei Berücksichtigung insbesondere
  252. des Schreibens vom 16. September 2015 wäre die Kammer zu dem Ergebnis
  253. gelangt, dass zeitlich noch vor dem Eröffnungsbeschluss vom 26. Oktober 2015
  254. durch beide Angeklagte Aufklärungshilfe im Sinne des § 31 BtMG geleistet
  255. worden sei, was zur Folge gehabt hätte, dass die verhängten Strafen gemäß
  256. § 49 Abs. 1 StGB zu mildern gewesen wären.
  257. 28
  258. Die Rüge ist bereits unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob das Vorbringen der Beschwerdeführer sich nicht schon in der Behauptung eines Widerspruchs zwischen dem Inhalt der Akten und dem Urteil und damit einer Rüge
  259. der Aktenwidrigkeit der Urteilsgründe erschöpft, die nach der Rechtsprechung
  260. des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht mit einer Verfahrensbeschwerde
  261. beanstandet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2006
  262. - 13 -
  263. – 2 StR 268/06, NStZ 2007, 115; Beschluss vom 7. August 2007
  264. – 4 StR 142/07, Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 337 Rn. 15a). Denn
  265. die Verfahrensbeanstandung ist auch bei getrennter Betrachtung eines etwaigen Verstoßes gegen § 261 StPO und einer möglichen Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO jeweils unzulässig.
  266. 29
  267. Einen Verstoß gegen § 261 StPO können die Beschwerdeführer schon
  268. deshalb nicht geltend machen, weil der Senat die behauptete Unrichtigkeit der
  269. Urteilsgründe im Hinblick auf die Frage, ob die Angeklagten Aufklärungshilfe im
  270. Sinne des § 31 BtMG geleistet haben, ohne eine Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht überprüfen kann; eine solche Rekonstruktion widerspräche jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Ordnung des
  271. Revisionsverfahrens (BGH, Urteil vom 2. November 1982 – 5 StR 622/82,
  272. BGHSt 31, 139, 140; Beschlüsse vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29,
  273. 18, 20, und vom 7. August 2007 – 4 StR 142/07).
  274. 30
  275. Als Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO ist die Verfahrensbeanstandung ebenfalls unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 344
  276. Abs. 2 Satz 2 StPO, weil die Beschwerdeführer jedenfalls nicht den Vermerk
  277. des Polizeibeamten KOK St.
  278. vom 2. November 2015 vorgetragen haben, in
  279. welchem der Beamte die Plausibilität der Angaben des Angeklagten J.
  280. B.
  281. zu seinem Erwerb von 4,5 kg Crystal Meth von der durch ihn benannten
  282. Person „Ki. “ bewertet.
  283. - 14 -
  284. 31
  285. 2. Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils hat ebenfalls keinen
  286. Rechtsfehler zum Nachteil eines der Angeklagten ergeben.
  287. 32
  288. Insbesondere ist gegen die Verneinung einer Strafmilderung bei den Angeklagten gemäß § 31 BtMG i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB von Rechts wegen nichts
  289. zu erinnern. Denn nach der insoweit maßgeblichen und unter Berücksichtigung
  290. des Zusammenhangs der Urteilsgründe hinreichend begründeten Überzeugung
  291. des Tatgerichts haben die Angaben der Angeklagten – unabhängig von der
  292. Frage, ob die Angaben vor oder nach dem Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses erfolgt sind – insgesamt zu keinen nennenswerten oder gar wesentlichen
  293. Ermittlungsergebnissen geführt (UA S. 11 f., 18, 30).
  294. IV.
  295. 33
  296. Mit Blick auf die neue Verhandlung und Entscheidung über die Anordnung des erweiterten Verfalls des Wertersatzes über einen Betrag von
  297. 415.800 Euro hinaus bedarf es nicht der Aufhebung der zugehörigen Feststellungen. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht darf ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bisher getroffenen nicht widersprechen. Der
  298. Senat weist auf die Möglichkeit einer Schätzung gemäß § 73d Abs. 2 i.V.m.
  299. § 73b StGB hin.
  300. Sander
  301. Schneider
  302. Bellay
  303. Berger
  304. Feilcke