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8.3 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 4 StR 88/14
  4. vom
  5. 6. Mai 2014
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
  9. -2-
  10. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu Ziff. 1 a und 2 auf dessen Antrag –
  11. am 6. Mai 2014 gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO
  12. beschlossen:
  13. 1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
  14. Landgerichts Bielefeld vom 28. Oktober 2013 wird
  15. a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im
  16. Fall II.12
  17. der
  18. Urteilsgründe
  19. wegen
  20. Verletzung
  21. des
  22. höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
  23. b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert,
  24. dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zehn Fällen jeweils in Tateinheit
  25. mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, des
  26. sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen
  27. jeweils in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und des Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig ist.
  28. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
  29. -3-
  30. 3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines
  31. Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
  32. Gründe:
  33. 1
  34. Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zehn Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes
  35. in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen und wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen jeweils in
  36. Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben“, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiervon hat es „als
  37. Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer“ drei Monate für vollstreckt
  38. erklärt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und
  39. materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Teileinstellung in einem Fall der
  40. Urteilsgründe; im verbleibenden Umfang erweist es sich im Ergebnis als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
  41. 2
  42. 1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts
  43. gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.12 der
  44. Urteilsgründe wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch
  45. -4-
  46. Bildaufnahmen verurteilt worden ist. Dies hat die Änderung des Schuldspruchs
  47. sowie den Wegfall der für diese Tat festgesetzten Einzelgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 Euro zur Folge.
  48. 3
  49. Die Teileinstellung des Verfahrens lässt den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe unberührt. Der Senat schließt in Übereinstimmung mit dem
  50. Generalbundesanwalt im Hinblick auf die verbleibenden Einzelstrafen aus, dass
  51. das Landgericht ohne die im eingestellten Fall verhängte Geldstrafe auf eine
  52. mildere Gesamtstrafe erkannt hätte.
  53. 4
  54. 2. Die Überprüfung des nach der Teileinstellung verbleibenden Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
  55. 5
  56. Der Anregung des Generalbundesanwalts, den Schuldspruch im
  57. Fall II.15 der Urteilsgründe dahin abzuändern, dass der Angeklagte nicht des
  58. Besitzes, sondern des Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften
  59. schuldig ist, war nicht nachzukommen. Durch die Verurteilung allein wegen des
  60. Auffangtatbestands des Besitzes (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2008
  61. – 3 StR 215/08, BGHR StGB § 184b Konkurrenzen 1, und vom 4. August 2009
  62. – 3 StR 174/09, Rn. 25; Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10) ist der Angeklagte nicht beschwert.
  63. 6
  64. 3. Auch der Strafausspruch hat im verbleibenden Umfang Bestand.
  65. 7
  66. a) Allerdings hat das Landgericht bei der Strafzumessung in den Fällen II.1 bis 10 der Urteilsgründe gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. In diesen
  67. Fällen ist der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
  68. -5-
  69. gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer
  70. Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu Einzelfreiheitsstrafen in
  71. Höhe von einem Jahr und drei Monaten (Fälle II.1 bis 3 der Urteilsgründe) bzw.
  72. einem Jahr und neun Monaten (Fälle II.4 bis 10 der Urteilsgründe) verurteilt
  73. worden. Das Landgericht hat jeweils einen minder schweren Fall gemäß § 176a
  74. Abs. 4 – 2. Alt. – StGB angenommen; in den ersten drei Fällen hat es diesen
  75. Strafrahmen nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Zu Lasten des Angeklagten
  76. hat es u.a. berücksichtigt: „Die Taten 1. – 10. sind mit dem Eindringen in den
  77. Körper des Opfers verbunden gewesen.“ Damit hat es die Verwirklichung der
  78. Qualifikation in § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB strafschärfend verwertet und das in
  79. § 46 Abs. 3 StGB normierte Doppelverwertungsverbot verletzt.
  80. 8
  81. b) Zwar kann der Senat nicht ausschließen, dass die Bemessung der
  82. gegen den Beschwerdeführer in den Fällen II.1 bis 10 erkannten Einzelstrafen
  83. auf diesem Rechtsfehler beruht. Der Strafausspruch hat aber gleichwohl auch
  84. insoweit Bestand, weil die vom Landgericht ausgesprochenen Einzelstrafen
  85. angemessen sind (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO).
  86. 9
  87. aa) Die bei verfassungskonformer Auslegung erforderlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung des Revisionsgerichts nach der vorgenannten
  88. Vorschrift (vgl. dazu BVerfG, NStZ 2007, 598) liegen vor. Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit zur Stellungnahme zur Frage einer etwaigen Aufrechterhaltung der Einzelstrafen gemäß § 354 Abs. 1a StPO. Dem Senat steht ein zutreffend ermittelter, vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur
  89. Verfügung. Auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Verteidigers
  90. ergeben sich keine Anhaltspunkte für erst nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung eingetretene Entwicklungen oder Ereignisse, die ein neuer Tatrichter
  91. -6-
  92. nahe liegend feststellen und zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigen würde (vgl. zusammenfassend KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 354 Rn. 26g mwN).
  93. 10
  94. bb) Die vom Beschwerdeführer in seiner Gegenerklärung vom 3. April
  95. 2014 vorgetragenen Bedenken stehen der Anwendung des § 354 Abs. 1a
  96. Satz 1 StPO nicht entgegen. Zwar ist eine Strafzumessungsentscheidung des
  97. Revisionsgerichts ausgeschlossen, wenn „zugleich eine Neuentscheidung über
  98. einen – fehlerhaften – Schuldspruch erfolgen muss“ (vgl. BVerfG, NStZ 2007,
  99. 598, 601). So liegt es hier aber nicht. In den Fällen II.1 bis 10 der Urteilsgründe
  100. beruhen die fehlerhaften Strafaussprüche nicht auf Fehlern in den Schuldsprüchen; diese bleiben in den genannten Fällen vielmehr unverändert. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 354 Abs. 1a StPO scheidet auch nicht
  101. wegen einer Vielzahl von Strafzumessungsfehlern aus (vgl. BGH, Beschluss
  102. vom 7. Februar 2007 – 2 StR 577/06, StV 2007, 408). Das Landgericht hat nicht
  103. das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes schärfend verwertet. Mit der Erwägung, das Alter des Opfers habe sich nicht im oberen Bereich des “strafbewehrten Alters“ befunden, hat der Tatrichter lediglich das vom Angeklagten schuldhaft verwirklichte Unrecht sachgerecht in die zur Verfügung stehenden Strafrahmen eingeordnet. Auch hat das Landgericht die bisherige Unbestraftheit des
  104. Angeklagten nicht aus dem Blick verloren. Diesen Umstand hat es vielmehr
  105. ausdrücklich festgestellt und mit der strafmildernden Erwägung, der Angeklagte
  106. sei als Erstverbüßer besonders haftempfindlich, in der Strafzumessung hinreichend zum Ausdruck gebracht.
  107. -7-
  108. 11
  109. cc) Unter Abwägung aller für die Strafzumessung in den Fällen II.1 bis 10
  110. der Urteilsgründe bedeutsamen Urteilsfeststellungen hält der Senat die erkannten Einzelstrafen für angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO.
  111. Bestimmend hierfür ist der Unrechts- und Schuldgehalt der Taten auf der
  112. Grundlage der nicht von einem Rechtsfehler betroffenen Zumessungserwägungen des Landgerichts.
  113. Sost-Scheible
  114. Cierniak
  115. Mutzbauer
  116. Franke
  117. Bender