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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. Urteil
  4. 4 StR 73/03
  5. vom
  6. 10. April 2003
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen Verdachts der Vergewaltigung
  10. -2-
  11. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. April
  12. 2003, an der teilgenommen haben:
  13. Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
  14. Dr. Tepperwien,
  15. Richter am Bundesgerichtshof
  16. Maatz,
  17. Dr. Kuckein,
  18. Athing,
  19. Dr. Ernemann
  20. als beisitzende Richter,
  21. Staatsanwalt
  22. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  23. Rechtsanwalt
  24. als Verteidiger,
  25. Rechtsanwalt
  26. als Nebenklägervertreter,
  27. Justizangestellte
  28. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  29. für Recht erkannt:
  30. -3-
  31. 1.
  32. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken
  33. vom 18. September 2002 werden verworfen.
  34. 2.
  35. Die Staatskasse und die Nebenklägerin tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte. Die notwendigen Auslagen des Angeklagten in der Revisionsinstanz trägt die Staatskasse allein.
  36. Von Rechts wegen
  37. Gründe:
  38. Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der zum Nachteil der
  39. Nebenklägerin begangenen Vergewaltigung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten
  40. Revisionen. Die - zulässigen - Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
  41. 1. Das Landgericht hat festgestellt:
  42. Am 18. Juli 2000 traf die zu diesem Zeitpunkt drogenabhängige
  43. 19jährige Nebenklägerin gegen 17.30 Uhr an einer Bushaltestelle auf den Angeklagten, der früher ebenfalls Drogenkonsum betrieben hatte. Sie erkundigte
  44. sich bei ihm nach einer nahegelegenen Bezugsquelle für Haschisch. Der Angeklagte suchte daraufhin mit ihr die Wohnung eines "Dealers" auf, in der die
  45. Nebenklägerin etwas Haschisch erwarb. Anschließend begleitete er sie zu ihrer
  46. -4-
  47. Wohnung. Auf wessen Initiative dies geschah, konnte nicht geklärt werden. In
  48. der Wohnung rauchten beide von dem zuvor gekauften Haschisch und tranken
  49. Bier. Während des Haschischkonsums bat die Nebenklägerin den Angeklagten, von dessen Mobiltelefon ihren Freund anrufen zu dürfen, mit dem sie sich
  50. für den Abend verabreden wollte, wozu dieser jedoch keine Zeit hatte. Anschließend kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin zum
  51. ungeschützten Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguß. Danach verließ der
  52. Angeklagte die Wohnung und begab sich zurück zu der besagten Bushaltestelle zu seinen Freunden. Dort wurde er kurze Zeit später von der Polizei festgenommen, nachdem die Nebenklägerin um 18.10 Uhr telefonisch angezeigt
  53. hatte, sie sei vergewaltigt worden.
  54. 2. Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen, weil es sich
  55. nicht davon zu überzeugen vermochte, daß der Angeklagte den Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Nebenklägerin erzwungen hat.
  56. Der Freispruch hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung stand.
  57. a) Spricht das Gericht den Angeklagten frei, weil es vorhandene Zweifel
  58. nicht zu überwinden vermag, so ist das grundsätzlich hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat aufgrund
  59. der Sachrüge nur zu prüfen, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind.
  60. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder
  61. lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gegen gesicherte Erfahrungssätze
  62. verstößt, ferner dann, wenn das Gericht an die zur Verurteilung erforderliche
  63. Gewißheit überspannte Anforderungen stellt. Einen solchen Sachmangel dekken die Revisionen nicht auf.
  64. -5-
  65. b) Der Angeklagte hat den Tatvorwurf bestritten. Eindeutige objektive
  66. Umstände, die einen erzwungenen Geschlechtsverkehr sicher belegen könnten, vermochte das Landgericht nicht festzustellen. Deshalb hängt der Tatnachweis allein davon ab, ob den den Angeklagten belastenden Angaben der
  67. Nebenklägerin zu glauben ist. Daß deren Darstellung - wie das Landgericht
  68. gemeint hat - "wahrscheinlicher als die des Angeklagten" (UA 8) ist, hat die
  69. Strafkammer bei der gegebenen Sachlage, bei der letztlich "Aussage gegen
  70. Aussage" steht, zu Recht nicht als ausreichend für die Überzeugung von der
  71. Tatbegehung durch den Angeklagten erachtet. Entgegen der Auffassung der
  72. Revision fehlt es dem Urteil nicht an der gebotenen umfassenden Würdigung
  73. aller wesentlichen Umstände, die Schlüsse auch zu Ungunsten des Angeklagten ermöglichen (vgl. BGHSt 25, 285, 286). Dies gilt auch für die geringfügigen
  74. Verletzungen, die die sachverständige Zeugin Dr. K.
  75. bei der Untersuchung
  76. der Nebenklägerin festgestellt hat. Wenn das Landgericht, ersichtlich gestützt
  77. auf die Angaben der sachverständigen Zeugin, diese Verletzungen als mit der
  78. Einlassung des Angeklagten vereinbar angesehen hat, so deckt dies weder für
  79. sich noch in der Gesamtschau der Beweisanzeichen einen den Angeklagten
  80. begünstigenden Rechtsfehler auf. Mit ihren Einwendungen unternimmt die
  81. Staatsanwaltschaft demgegenüber lediglich den im Revisionsverfahren untauglichen Versuch, die tatrichterliche Beweiswürdigung durch eine eigene
  82. Wertung zu ersetzen.
  83. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft weist die Beweiswürdigung auch zum Aussageverhalten der Nebenklägerin keine den Bestand des
  84. Freispruchs in Frage stellenden Lücken auf. Das Landgericht war nicht gehalten, im Urteil den wesentlichen Ablauf und Inhalt der Angaben der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren im Urteil wiederzugeben. Auch wenn das Aussage-
  85. -6-
  86. verhalten der Nebenklägerin sich - wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision geltend macht - durch Konstanz auszeichnete, mußte das Landgericht diesem Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung keine besondere Bedeutung
  87. beimessen, die eine ausdrückliche Erörterung erforderlich gemacht hätte. Abgesehen davon, daß dem Senat ohne zulässige Verfahrensrüge die nur durch
  88. Rückgriff auf den Akteninhalt mögliche Überprüfung der von der Revision behaupteten Konstanz der Aussage versperrt ist, weisen die Urteilsgründe selbst
  89. aus, daß die Nebenklägerin jedenfalls in Teilbereichen gerade nicht konstant
  90. ausgesagt, sondern in der Hauptverhandlung gegenüber ihren früheren Aussagen teilweise ergänzende, teilweise abweichende Aussagen gemacht hat.
  91. Das Landgericht hat dem Aussageverhalten entnommen, daß die Nebenklägerin den Inhalt ihrer Aussage so gestaltet habe, daß sie selbst in einem möglichst günstigen Licht erscheine. Zugleich hat das Landgericht darin konkrete
  92. Anknüpfungspunkte für ein mögliches Falschbelastungsmotiv gefunden, zumal
  93. die Nebenklägerin selbst ihr damaliges Verhalten heute mißbilligt und - wie das
  94. Urteil mitteilt - "ihren Umgang mit 'asozialen Typen wie dem Angeklagten' mit
  95. ihrem zur Tatzeit durch den Drogenkonsum getrübten Einschätzungsvermögen
  96. erklärt hat" (UA 8).
  97. c) Wenn die Strafkammer bei dieser Sachlage verbleibende Zweifel an
  98. der Aussage der Nebenklägerin nicht zu überwinden vermochte, so ist dies aus
  99. -7-
  100. Rechtsgründen nicht zu beanstanden, auch wenn eine andere Würdigung
  101. durchaus möglich gewesen wäre.
  102. Tepperwien
  103. Maatz
  104. Athing
  105. Kuckein
  106. Ernemann