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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 4 StR 56/11
  4. vom
  5. 29. Juni 2011
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Raubes u.a.
  9. -2-
  10. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 29. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 2
  11. und 4 StPO beschlossen:
  12. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 30. Juni 2010, soweit es den Angeklagten betrifft,
  13. a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die tateinheitliche
  14. Verurteilung wegen versuchten Betrugs entfällt;
  15. b) im Strafausspruch und hinsichtlich der Feststellung über
  16. das Absehen von der Verfallsanordnung sowie den Wert
  17. des Erlangen mit den jeweils zugehörigen Feststellungen
  18. aufgehoben.
  19. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  20. Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  21. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
  22. Gründe:
  23. 1
  24. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit
  25. versuchtem Betrug und Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren
  26. und drei Monaten verurteilt. Zugleich hat es festgestellt, dass wegen entgegenstehender Ansprüche des Verletzten nicht auf Verfall erkannt worden ist und
  27. der Wert des Erlangten 25.000 Euro beträgt. Hiergegen wendet sich die auf
  28. -3-
  29. eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen
  30. Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
  31. 2
  32. 1. Die Verfahrensrüge, mit welcher eine Verletzung des § 261 StPO
  33. durch Verwertung des nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführten Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. November 2009 geltend gemacht wird, dringt nicht durch.
  34. 3
  35. Die Revision beanstandet zwar zu Recht, dass das gegen den mitangeklagten Bruder des Angeklagten ergangene Urteil des Landgerichts NürnbergFürth vom 17. November 2009 im Wege des Selbstleseverfahrens nicht zum
  36. Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden ist, weil die Vorsitzende
  37. keine Feststellung darüber getroffen hat, dass auch die Berufsrichter vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom
  38. 30. September 2009 – 2 StR 280/09, StV 2010, 225, 226; vom 28. Januar 2010
  39. – 5 StR 169/09, BGHR StPO § 249 Abs. 2 Selbstleseverfahren 5; vom
  40. 22. Dezember 2010 – 2 StR 386/10, StV 2011, 267, 268). Für die revisionsgerichtliche Prüfung durch den Senat ist das Protokoll in der ursprünglichen Fassung maßgebend. Denn die vom Landgericht durchgeführte Protokollberichtigung entspricht weder in verfahrensmäßiger noch in sachlicher Hinsicht den
  41. Anforderungen, die der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs in
  42. seiner Entscheidung zur Rügeverkümmerung (Beschluss vom 23. April 2007
  43. – GSSt 1/06, BGHSt 51, 298 Rn. 58, 60 ff.) für eine wirksame Berichtigung des
  44. Hauptverhandlungsprotokolls entwickelt hat.
  45. 4
  46. Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil jedoch nicht, weil das
  47. Landgericht seine Feststellungen zu den einschlägigen Vortaten des Angeklag-
  48. -4-
  49. ten durch Verlesung des gegen den Angeklagten ergangenen Urteils des Amtsgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. September 2008 getroffen hat. Lediglich zur
  50. Darstellung des Gegenstands der Vorverurteilung hat die Strafkammer auch auf
  51. die in den Urteilsgründen wiedergegebenen Passagen aus dem Urteil des
  52. Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. November 2009 gegen den Bruder des
  53. Angeklagten verwiesen. Zum Verständnis des Urteils sind diese Passagen indes nicht erforderlich, da die übrigen Urteilsausführungen in einer für die sachlich-rechtliche Prüfung des Urteils hinreichenden Weise erkennen lassen, was
  54. für Taten dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. September 2008
  55. zu Grunde lagen. So ist den Urteilsgründen zu entnehmen, dass der Angeklagte wegen der Begehung von – mit der neu abgeurteilten Tat vergleichbaren –
  56. Rip-Deals verurteilt wurde, wobei der in erster Linie als Fahrer fungierende Angeklagte zu den Bandenmitgliedern gehört hatte und mit den anderen Tatbeteiligten übereingekommen war, zum Erwerb der begehrten Gelder notfalls Gewalt
  57. anzuwenden, falls ein Betrug scheitern sollte.
  58. 5
  59. 2. Die materiell-rechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils auf die
  60. Sachrüge hin führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung
  61. der verhängten Freiheitsstrafe sowie der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO.
  62. 6
  63. a) Die Verurteilung auch wegen tateinheitlich begangenen versuchten
  64. Betrugs hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
  65. 7
  66. Nach den Feststellungen war für den Tattag ein Treffen verabredet, bei
  67. welchem
  68. nach
  69. den
  70. vorausgegangenen
  71. Absprachen
  72. der
  73. Geschädigte
  74. 25.000 Euro übergeben und im Gegenzug (vermeintlich) 50.000 Schweizer
  75. Franken erhalten sollte. Nachdem der Angeklagte am verabredeten Ort erschienen und in das Fahrzeug des Geschädigten eingestiegen war, packte er
  76. -5-
  77. ein Bündel Papierscheine aus, das oben und unten jeweils mit einem echten
  78. 1.000 Schweizer-Franken-Schein versehen war, im Übrigen aber Falschgeld
  79. enthielt. Der Geschädigte entnahm seinerseits seiner Brusttasche einen Briefumschlag mit 25.000 Euro und „wollte“ nunmehr um die Schweizer Franken
  80. bitten, um diese zu zählen. „Stattdessen“ packte der Angeklagte mit festem und
  81. schmerzhaftem Griff die den Umschlag haltende Hand des Geschädigten, hielt
  82. diese kurzzeitig fest und entriss ihr dann den Umschlag, wobei er dem Geschädigten eine leichte Kratzwunde am Handrücken zufügte. Anschließend floh der
  83. Angeklagte mit der Beute.
  84. 8
  85. Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung des Angeklagten wegen
  86. Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung gemäß § 249 Abs. 1, § 223 Abs. 1,
  87. § 52 StGB, nicht aber einen Schuldspruch auch wegen tateinheitlich begangenen versuchten Betrugs. Dass der Angeklagte nicht von vornherein eine gewaltsame Wegnahme des Geldes vorhatte, sondern zunächst (nur) die irrtumsbedingte Übergabe des Geldes anstrebte und sich erst nach dem Scheitern
  88. dieses Vorhabens dazu entschloss, den Umschlag mit Gewalt an sich zu bringen, ist der Sachverhaltsschilderung der Strafkammer nicht zu entnehmen. Bei
  89. den im Vorfeld des Treffens am Tattag entfalteten vielfältigen Täuschungshandlungen handelt es sich schließlich lediglich um bloße Vorbereitungshandlungen,
  90. die eine Strafbarkeit wegen versuchten Betrugs nicht zu begründen vermögen.
  91. Da auszuschließen ist, dass noch weiter gehende tatsächliche Feststellungen
  92. zum Tatgeschehen getroffen werden können, ändert der Senat den Schuldspruch und lässt die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchten Betrugs entfallen.
  93. 9
  94. b) Die Änderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung der verhängten
  95. Freiheitsstrafe zur Folge. Da die Strafkammer ausdrücklich strafschärfend be-
  96. -6-
  97. rücksichtigt hat, dass der Angeklagte sich tateinheitlich auch wegen versuchten
  98. Betrugs strafbar gemacht habe, kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass sich der fehlerhafte Schuldspruch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
  99. 10
  100. c) Die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO über das Absehen von der
  101. Anordnung des Wertersatzverfalls und den Wert des Erlangten kann keinen
  102. Bestand haben.
  103. 11
  104. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Regelung des § 73c Abs. 1 StGB im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu beachten ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010
  105. - 4 StR 215/10, NJW 2011, 624 Rn. 15 m.w.N.). Wird in Anwendung des § 73c
  106. Abs. 1 StGB teilweise von der Anordnung des Verfalls abgesehen, hat dies zur
  107. Folge, dass der in der Urteilsformel allein zu bezeichnende Vermögensgegenstand bzw. Geldbetrag, den der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen des
  108. § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt, hinter dem
  109. Erlangten bzw. dessen Wert zurückbleibt (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010
  110. - 4 StR 215/10, aaO, Rn. 12 ff.). Die Strafkammer hat die - hier nicht fern liegenden - Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 StGB nicht erkennbar geprüft.
  111. Hierzu hätte sie nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen
  112. -7-
  113. des Angeklagten treffen und sich mit der Frage auseinandersetzen müssen,
  114. inwieweit der Wert des Erlangten noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist.
  115. Ernemann
  116. Roggenbuck
  117. RiBGH Dr. Franke
  118. befindet sich im
  119. Urlaub und ist daher
  120. gehindert zu
  121. unterschreiben.
  122. Ernemann
  123. Mutzbauer
  124. Bender