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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. Urteil
  4. 4 StR 487/09
  5. vom
  6. 4. Februar 2010
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen Verdachts des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
  10. nicht geringer Menge u.a.
  11. -2-
  12. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Februar
  13. 2010, an der teilgenommen haben:
  14. Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
  15. Dr. Tepperwien,
  16. Richter am Bundesgerichtshof
  17. Maatz,
  18. Athing,
  19. Richterin am Bundesgerichtshof
  20. Solin-Stojanović,
  21. Richter am Bundesgerichtshof
  22. Dr. Ernemann
  23. als beisitzende Richter,
  24. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  25. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  26. Rechtsanwältin
  27. als Verteidigerin,
  28. Justizangestellte
  29. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  30. für Recht erkannt:
  31. -3-
  32. 1.
  33. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
  34. des Landgerichts Bochum vom 27. März 2009 mit den
  35. Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
  36. 2.
  37. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  38. Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  39. Von Rechts wegen
  40. Gründe:
  41. 1
  42. Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen
  43. wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
  44. Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
  45. nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Ferner hat es den Wertersatzverfall in Höhe
  46. von 2.700 Euro angeordnet. Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
  47. Das – von dem Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat Erfolg.
  48. 2
  49. 1. Nach den zu den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen war der Angeklagte im Rahmen der sog. Nigeria-Connection, die
  50. sich mit dem internationalen Handel von Kokain befasste, als Kurier tätig. Neben den genannten beiden Fällen, die die Verurteilung tragen, hat die Anklage
  51. dem Angeklagten unter der laufenden Nr. 12 (Fallakte 15) zur Last gelegt, in
  52. -4-
  53. Amsterdam von dem Lieferanten "Sunny" mindestens 400 g Heroin übernommen, inkorporiert und am 21. Juni 2008 nach Deutschland eingeführt zu haben;
  54. auf dem Weg zur Wohnung
  55. in M.
  56. sei er fest-
  57. genommen, jedoch bereits am nächsten Tag wieder freigelassen worden, nachdem eine Röntgenuntersuchung nicht zum Auffinden des inkorporierten
  58. Rauschgifts geführt habe; nach seiner Freilassung habe er sich zu der gesondert verfolgten A.
  59. begeben und das inkorporierte Kokain ausge-
  60. schieden, das durch die Tätergruppe gewinnbringend in den Handel gelangt sei.
  61. 3
  62. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Ohne den Anklagesachverhalt mitzuteilen, führt es in dem
  63. angefochtenen Urteil zur Begründung lediglich aus, der Angeklagte habe sich
  64. dahin eingelassen, er habe kein Kokain transportiert, insbesondere habe er kein
  65. Kokain inkorporiert. Diese Einlassung sei - so das Landgericht - dem Angeklagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu widerlegen, nachdem inkorporiertes Rauschgift bei seiner Festnahme nicht festgestellt worden sei. Nach dem
  66. Inhalt eines kurz vor der Festnahme des Angeklagten zwischen "Sunny" und
  67. dem früheren Mitangeklagten O.
  68. geführten Telefonats sei es vielmehr in
  69. hohem Maße wahrscheinlich, dass der Angeklagte sich bei seiner Festnahme
  70. auf dem Wege zu O.
  71. befunden habe, um dort das Rauschgift als Kurier
  72. zu übernehmen; "der Angeklagte hatte mithin mutmaßlich die Absicht, für ein
  73. Rauschgiftgeschäft
  74. tätig
  75. zu
  76. werden,
  77. hatte
  78. diese
  79. Absicht
  80. aber noch nicht umgesetzt" (UA 9). Auch eine Einfuhr von Rauschgift durch den
  81. Angeklagten nach Deutschland sei nicht sicher feststellbar; die Telefongespräche des "Sunny" mit O.
  82. beträfen lediglich Tatplanungen über Kurierfahr-
  83. ten, belegten jedoch nicht deren Durchführung durch den Angeklagten.
  84. -5-
  85. 4
  86. 2. Diese knappen Ausführungen werden bereits den formellen Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind, nicht gerecht. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der
  87. Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch
  88. erforderlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr.; vgl.
  89. BGH NJW 1980, 2423; NStZ 1985, 184; BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch
  90. 4, 10; Senat, Urt. vom 20. März 2008 - 4 StR 5/08).
  91. 5
  92. Diese gebotene Darstellung der festgestellten Tatsachen enthält das angefochtene Urteil nicht. Schon der Tatvorwurf lässt sich dem Urteil - wie erwähnt - nicht, jedenfalls nicht hinreichend deutlich, entnehmen. Ebenso fehlt
  93. eine zusammenfassende Darstellung der Einlassung des Angeklagten. Dessen
  94. hätte es aber hier schon deshalb bedurft, um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob die Strafkammer den Anklagesachverhalt erschöpfend erfasst und
  95. gewürdigt hat. Insoweit hätte das Landgericht, wenn es sich in diesem Fall
  96. schon nicht von einem durch den Angeklagten tatsächlich durchgeführten
  97. Rauschgifttransport zu überzeugen vermochte, jedenfalls - wie die Beschwerdeführerin und der Generalbundesanwalt zu Recht geltend machen - eine Strafbarkeit des Angeklagten nach der subsidiären Vorschrift des § 30 Abs. 2 StGB
  98. (vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 30 Rdn. 16 m.N.) wegen Verabredung eines
  99. Verbrechens des - täterschaftlichen - Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht
  100. geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Betracht ziehen müssen.
  101. 6
  102. 3. Die Sache bedarf deshalb in dem den Freispruch betreffenden Fall
  103. umfassend neuer Prüfung und Entscheidung.
  104. -6-
  105. 7
  106. Der Gesamtstrafenausspruch des angefochtenen Urteils bleibt von der
  107. Aufhebung des freisprechenden Teils des angefochtenen Urteils unberührt. Die
  108. Beschwerdeführerin wendet mit ihrer wirksam auf den Freispruch beschränkten
  109. Revision gegen den Gesamtstrafenausspruch auch nichts ein. Sofern der neue
  110. Tatrichter im Fall 12 (Fallakte 15) der Anklage zu einer Verurteilung des Angeklagten kommt, wird er entsprechend § 55 Abs. 1 StGB unter Einbeziehung der
  111. in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe rechtskräftig erkannten Einzelstrafen
  112. und Auflösung der bisherigen Gesamtstrafe eine neue Gesamtstrafe zu bilden
  113. haben (vgl. BGH NJW 1983, 1130, 1131 f.).
  114. Tepperwien
  115. Maatz
  116. Solin-Stojanović
  117. Athing
  118. Ernemann