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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 4 StR 348/17
  4. vom
  5. 25. April 2018
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen schweren Raubes u.a.
  9. ECLI:DE:BGH:2018:250418B4STR348.17.0
  10. -2-
  11. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. April 2018 gemäß
  12. § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  13. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 26. April 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
  14. a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte in den Fällen II.4. und 5. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
  15. und
  16. b) im Gesamtstrafenausspruch.
  17. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  18. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
  19. Gründe:
  20. 1
  21. Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen
  22. wegen (besonders) schweren Raubes, Raubes in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Körperverletzung, wegen Körperverletzung in zwei Fällen, darunter in
  23. einem Fall tateinheitlich mit Nötigung, wegen Nötigung, Urkundenfälschung in
  24. -3-
  25. Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Haftpflichtversicherung sowie wegen
  26. Besitzes und Abgabe von Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von
  27. zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Maßregelentscheidung
  28. nach den §§ 69, 69a StGB getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit
  29. seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen
  30. Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des
  31. § 349 Abs. 2 StPO.
  32. 2
  33. Die Verurteilung des Angeklagten wegen jeweils tateinheitlich begangenen Raubes bzw. schweren Raubes in den Fällen II.4. und 5. der Urteilsgründe
  34. hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
  35. 3
  36. 1. Nach den Feststellungen fand sich der Angeklagte mit der von der
  37. Geschädigten ausgehenden Beendigung der gemeinsamen Beziehung nicht
  38. ab. Er stellte der Geschädigten in vielfältiger Weise nach, wobei er mehrfach
  39. gewaltsam in ihre Wohnung eindrang, der Geschädigten ihr Smartphone wegnahm und es gegen ihren Willen auf neue Nachrichten hin kontrollierte.
  40. 4
  41. Am Abend des 1. Mai 2016 gelangte der Angeklagte erneut gegen den
  42. Willen der Geschädigten in ihre Wohnung. Als die Geschädigte versuchte, aus
  43. der Wohnung zu fliehen, verschloss der Angeklagte von innen die Tür, um sie
  44. im Wohnungsinneren festzuhalten. Der um Hilfe rufenden Geschädigten hielt er
  45. den Mund zu und schlug und trat in der Absicht auf sie ein, sie zu verletzen und
  46. ihr Schmerzen zuzufügen. Sodann ging er in das Schlafzimmer und holte das
  47. dort liegende Smartphone der Geschädigten. Als die Geschädigte ihm das Telefon wegnahm, entriss er es ihr gewaltsam. Außerdem biss er die Geschädigte
  48. -4-
  49. in den Oberarm und schlug oder trat sie erneut, um sie zu demütigen. Gegen
  50. 22.00 Uhr verließ der Angeklagte die Wohnung, wobei er das Smartphone der
  51. Geschädigten und die Telefonschnur zum Festnetzanschluss mitnahm, um eine
  52. anderweitige Kontaktaufnahme insbesondere mit der Mutter der Geschädigten
  53. zu verhindern. Er beabsichtigte, die beiden Gegenstände für sich zu behalten.
  54. Zu einem späteren Zeitpunkt gab er sie an die Geschädigte zurück (Tat II.4. der
  55. Urteilsgründe).
  56. 5
  57. Am 16. Mai 2016 verschaffte sich der Angeklagte wiederum eigenmächtig Zutritt zur Wohnung der Geschädigten und brachte sie unter Bedrohung mit
  58. einer an die Schläfe der Geschädigten gehaltenen ungeladenen Schreckschusspistole dazu, ein gerade geführtes Telefongespräch abrupt zu beenden
  59. und die Frage des Angeklagten nach dem Fortbestand ihrer Beziehung zu bejahen. Anschließend verstaute der zunächst zufriedengestellte Angeklagte die
  60. Schreckschusspistole in einer mitgebrachten Reisetasche. Als wenig später das
  61. Mobiltelefon der Geschädigten klingelte und sie das Gespräch entgegennehmen wollte, geriet der Angeklagte erneut in Wut. Er nahm der Geschädigten
  62. gewaltsam das Smartphone aus der Hand und riss das Kabel der WLAN-Box
  63. aus der Wand. Dabei äußerte er, dass ihm jetzt alles egal sei und er mit der
  64. Pistole schießen werde, wenn jemand hereinkäme. Anschließend verließ er die
  65. Wohnung und nahm das Smartphone und die WLAN-Box mit, um diese Gegenstände für sich zu behalten (Tat II.5. der Urteilsgründe).
  66. 6
  67. 2. Die Feststellungen belegen – vor dem Hintergrund der besonderen
  68. Gegebenheiten des Falles – nicht hinreichend, dass der Angeklagte bei der
  69. Wegnahme der jeweiligen Gegenstände mit der nach § 249 Abs. 1 StGB erforderlichen Zueignungsabsicht handelte.
  70. -5-
  71. 7
  72. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 30. Oktober
  73. 2017 insoweit ausgeführt:
  74. „Die Zueignungsabsicht ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der
  75. Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers
  76. oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für
  77. sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten ‚einverleiben‘ oder
  78. zuführen will (BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 – 2 StR 184/61 = BGHSt
  79. 16, 190 [192] = NJW 1961, 2122; Beschluss vom 5. März 1971 – 3 StR
  80. 231/69 = BGHSt 24, 115 [119] = NJW 1971, 900; Urteil vom 27. Januar
  81. 2011 – 4 StR 502/10 = NStZ 2011, 699 [701]). An dem für eine Aneignung erforderlichen Willen des Täters, den Bestand seines Vermögens
  82. oder den des Vermögens eines Dritten zu mehren, fehlt es dagegen,
  83. wenn er das Nötigungsmittel nur zur Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung einsetzt oder wenn er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie
  84. ‚zu zerstören‘, ‚zu vernichten‘, ‚preiszugeben‘, ‚wegzuwerfen‘, ‚beiseite zu
  85. schaffen‘, ‚zu beschädigen‘, sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer
  86. Forderung zu benutzen oder um den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (vgl. BGH, Urteile vom 26. September 1984 – 3 StR
  87. 367/84 = NJW 1985, 812; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10 = NStZ
  88. 2011, 699, 701 – jeweils mwN; BGH, Beschlüsse vom 28. April 2015
  89. – 3 StR 48/15 (NStZ-RR 2015, 371); vom 9. Juni 2015 – 3 StR 146/15.
  90. Nach diesen Maßstäben ist die Zugeignungsabsicht des Angeklagten bei
  91. den Taten 4. und 5. nicht belegt. Zwar stellt das Landgericht fest, dass
  92. der Angeklagte jeweils beabsichtigte, die Gegenstände ‚für sich zu behalten‘ (UA S. 8, 9). Im Rahmen der Strafzumessung führt das Landgericht
  93. jedoch aus, dass es dem Angeklagten in beiden Fällen nicht in erster
  94. Linie auf die Aneignung der Geräte ankam. Bei der Tat 4. ging es ihm
  95. namentlich um die ‚Kontrolle über die Kontaktaufnahme‘ bei der Geschädigten (UA S. 25). Ähnlich wird im Fall 5. ausgeführt, dass ‚der Angeklagte auch hier nicht in erster Linie die Entwendung des Telefons und der
  96. WLAN-Box bezweckt hatte, sondern die telefonische Kontaktaufnahme
  97. der Geschädigten verhindern wollte‘ (UA S. 26).
  98. Den Feststellungen ist nicht hinreichend zu entnehmen, was weiter mit
  99. dem Handy geschehen sollte und ob der Angeklagte eventuell erst spä-
  100. -6-
  101. ter über den Verbleib der Gegenstände entscheiden wollte. Zwar kann
  102. die Zueignungsabsicht auch bei einer Wegnahme mit dem Willen vorhanden sein, die Sache zunächst zu behalten und sich erst später darüber schlüssig zu werden, wie über sie zu verfügen sei (BGH, Urteil vom
  103. 25. Oktober 1968 – 4 StR 398/68, GA 1969, 306, 307). Doch ergeben die
  104. Feststellungen gerade nicht, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der
  105. Wegnahme der Gegenstände – wenn auch nur vorübergehend – diese
  106. über die für seine Zwecke (hier: Verhinderung der telefonischen Kontaktaufnahme durch die Geschädigte oder deren Kontrolle) benötigte Zeit
  107. hinaus behalten wollte.
  108. Auch eine – bei fehlender Zueignungsabsicht mögliche (vgl. BGH, Urteil
  109. vom 5. Juli 1960 – 5 StR 80/60 = BGHSt 14, 386 = NJW 1960, 1729) –
  110. Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1, § 255 StGB)
  111. kommt auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht in Betracht, denn der Angeklagte handelte nicht in der Absicht, sich oder einen
  112. Dritten zu bereichern. Bloßer Besitz einer Sache bildet einen Vermögensvorteil nur dann, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert
  113. zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen
  114. führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen will. Daran fehlt es
  115. nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach
  116. Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner
  117. Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche
  118. Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10
  119. = NStZ 2011, 699, 701; Beschluss vom 14. Februar 2012 – 3 StR 392/11
  120. = NStZ 2012, 627).“
  121. 8
  122. Dem schließt sich der Senat an, zumal der Angeklagte im Rahmen seiner vom Landgericht als glaubhaft bewerteten Einlassung, auf welche die getroffenen Feststellungen maßgeblich gestützt sind, zur Tat II.5. der Urteilsgründe angegeben hat, die Geschädigte habe sich wegen der mitgenommenen Gegenstände bei ihm melden sollen.
  123. -7-
  124. 9
  125. Die Aufhebung der Verurteilungen in den Fällen II.4. und 5. der Urteilsgründe entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Dagegen wird der Maßregelausspruch hiervon nicht berührt.
  126. Franke
  127. Roggenbuck
  128. Cierniak
  129. RiBGH Dr. Quentin ist urlaubsbedingt gehindert zu
  130. unterschreiben.
  131. Bender
  132. Franke