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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 4 StR 304/10
  4. vom
  5. 20. Juli 2010
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
  9. -2-
  10. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juli 2010 nach Anhörung
  11. des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2
  12. und 4 StPO beschlossen:
  13. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 3. März 2010 mit den Feststellungen aufgehoben
  14. a) im Schuldspruch in den Fällen II 10 und 11 der Urteilsgründe,
  15. b) im gesamten Strafausspruch.
  16. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an
  17. eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  18. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
  19. Gründe:
  20. 1
  21. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von
  22. Kindern in sechs Fällen (Fälle II 1 – 5 und 9), wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen (Fälle II 6 – 8), wegen Vergewaltigung (Fall
  23. II 10) und wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen (Fall II 11) zu einer
  24. Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
  25. -3-
  26. 2
  27. 1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist unbegründet. Das Landgericht hat den Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens rechtsfehlerfrei wegen Offenkundigkeit der Beweistatsachen abgelehnt.
  28. Die Strafkammer war daher auch nicht unter Aufklärungsgesichtspunkten
  29. gehalten, den beantragten Beweis zu erheben.
  30. 3
  31. 2. Mit der Sachrüge hat die Revision in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349
  32. Abs. 2 StPO.
  33. 4
  34. a) Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 30. Juni
  35. 2010 im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, belegen die Feststellungen des
  36. Landgerichts nicht, dass der Angeklagte im Fall II 10 die Geschädigte mit Gewalt zur Duldung des Geschlechtsverkehrs genötigt hat. Danach zerrte der Angeklagte die zur Tatzeit 14jährige Geschädigte vom Stuhl ins nahe Bett, zog ihr
  37. Hose und Slip nach unten und schob ihre Oberbekleidung hoch. Dann legte er
  38. sich auf sie, wogegen sie sich körperlich nicht zu wehren wusste.
  39. 5
  40. Ob das Zerren und das Drauflegen zur Überwindung erwarteten Widerstands erfolgten, ist nicht ausdrücklich festgestellt. Dies versteht sich hier auch
  41. nicht von selbst, weil sich die Geschädigte gegen andere - vor den abgeurteilten Taten vorgenommene - sexuelle Handlungen nicht gewehrt hat. Danach
  42. musste der Angeklagte Widerstand nicht erwarten. Dass der Angeklagte den
  43. Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Geschädigten vollzogen hat, reicht
  44. für sich allein noch nicht aus.
  45. 6
  46. b) Auch die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen nach § 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F. im Fall II 11 der Urteilsgründe hält der
  47. rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Den Feststellungen lässt sich nicht hinreichend entnehmen, dass der Geschädigten die Fähigkeit zu sexueller Selbstbe-
  48. -4-
  49. stimmung gefehlt hat. Allein der im Urteil hierfür angeführte, offenbar altersgemäße sexuelle Reifeprozess reicht hierfür nicht aus. Im Übrigen spricht der Gesamtzusammenhang der einzelnen Taten eher dagegen, dass die sexuellen
  50. Handlungen des Angeklagten einverständlich geschehen sind, wie es § 182
  51. Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F. voraussetzt (vgl. BGH Beschluss vom 18. April 2007
  52. – 2 StR 589/06 – Rn. 2).
  53. 7
  54. c) Schließlich ist auch der Strafausspruch in den Fällen II 1 - 9 der Urteilsgründe aufzuheben. Das Landgericht hat bei der Bemessung der Einzelstrafen fehlerhaft strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte vorbestraft
  55. gewesen sei. Die Taten wurden bis September 2004 begangen, also vor der
  56. ersten Vorverurteilung durch das Amtsgericht Bochum vom 30. Juni 2005. Der
  57. neue Tatrichter wird mit Blick auf § 55 StGB auch Gelegenheit haben festzustellen, ob die Vorverurteilungen erledigt sind.
  58. Ernemann
  59. Solin-Stojanović
  60. Mutzbauer
  61. Roggenbuck
  62. Bender