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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 4 StR 304/02
  4. vom
  5. 5. November 2002
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Vergewaltigung u.a.
  9. -2-
  10. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. November 2002 gemäß § 349
  11. Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  12. 1.
  13. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
  14. Landgerichts Halle vom 12. April 2002 mit den Feststellungen aufgehoben,
  15. a)
  16. soweit der Angeklagte in den Fällen II 3 bis 12 der
  17. Urteilsgründe verurteilt worden ist,
  18. b)
  19. 2.
  20. im gesamten Rechtsfolgenausspruch.
  21. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  22. Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer - Jugendschutzkammer - des Landgerichts zurückverwiesen.
  23. 3.
  24. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
  25. Gründe:
  26. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Vergewaltigung in
  27. 12 Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und einer Schutzbefohlenen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren sowie zur
  28. Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 Euro an die Geschädigte
  29. verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen
  30. Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen
  31. Umfang Erfolg.
  32. -3-
  33. 1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat
  34. hinsichtlich der Schuldsprüche in den Fällen II 1 und 2 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
  35. 2. Dagegen tragen die zu den Fällen II 3 bis 12 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen die Verurteilung wegen jeweils tateinheitlich begangener Vergewaltigung nicht.
  36. a) Hinsichtlich der Fälle II 3 und 12 hat das Landgericht lediglich festgestellt, daß der Angeklagte die am 16. Juli 1988 geborene Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin im Juni 2001 und am 3. Oktober 2001 zum Oralverkehr
  37. mit ihm "zwang" [UA 8, 9]; worin dieser Zwang bestand, teilt das Urteil nicht mit.
  38. Es mangelt mithin an der hinreichenden Feststellung, daß der Angeklagte bei
  39. diesen Taten eines der in § 177 Abs. 1 Nr. 1 - 3 StGB beschriebenen Nötigungsmittel eingesetzt hat. Daher kann die Verurteilung wegen Vergewaltigung
  40. in diesen Fällen keinen Bestand haben, was auch zur Aufhebung der - für sich
  41. genommen rechtsfehlerfreien - jeweils tateinheitlichen Verurteilung wegen
  42. schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes und sexuellen Mißbrauchs einer
  43. Schutzbefohlenen führt (vgl. Kuckein in KK 4. Aufl. § 353 Rdn. 12).
  44. b) Bezüglich der Fälle II 4 bis 11 belegen die Urteilsfeststellungen nicht,
  45. daß der Angeklagte - wie vom Landgericht angenommen - die Geschädigte
  46. jeweils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Vaginalverkehrs bzw. zur Durchführung des Oralverkehrs genötigt
  47. hat.
  48. -4-
  49. Das Landgericht hat insoweit lediglich allgemein und ohne Bezug zu einer bestimmten Einzeltat festgestellt, der Angeklagte habe "mehrmals" seine
  50. Drohung wiederholt, er werde die Geschädigte sowie ihre Familie umbringen;
  51. auch habe er sie "mehrfach" darauf hingewiesen, daß er Waffen habe und es
  52. ihm ein Leichtes sei, diese Waffen auch zu benutzen [UA 8]. Damit ist nicht
  53. belegt, daß der Angeklagte jeweils das in § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB beschriebene Nötigungsmittel eingesetzt hat. Schon deshalb ist die Verurteilung wegen
  54. dieser Taten aufzuheben, denn auch bei Serienstraftaten bedürfen die besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen des Verbrechens der Vergewaltigung
  55. wegen der erfahrungsgemäß nicht gleichen Handlungsabläufe genauer Feststellungen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 42, 107, 111 m.w.N.).
  56. 3. Darüber hinaus könnte die Verurteilung in den Fällen II 4 bis 11 der
  57. Urteilsgründe keinen Bestand haben, weil die Ermittlung der Tathäufigkeit und
  58. die Festlegung auf acht zeitlich zwischen den Fällen II 3 und II 12 begangene
  59. Taten rechtsfehlerhaft ist.
  60. Das Landgericht hat die Anzahl der Taten letztlich rechnerisch ermittelt,
  61. was - unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes - gerade bei über einen längeren Zeitraum begangenen Serienstraftaten zum Nachteil von Kindern und
  62. Schutzbefohlenen nicht grundsätzlich unzulässig ist. Es stützt seine Überzeugung, daß von Mai 2001 bis zum 3. Oktober 2001 insgesamt 12 Taten begangen wurden, auf die Angaben der Geschädigten und das daraufhin erfolgte
  63. "pauschale" Geständnis des Angeklagten. Die Geschädigte konnte sich zwar
  64. nicht mehr genau erinnern, wie häufig es zu Mißbrauchshandlungen gekommen war; sie konnte jedoch Beginn und Ende der Taten anhand besonderer
  65. Vorkommnisse, welche ihre Mutter bestätigt hat, eingrenzen und darüber hin-
  66. -5-
  67. aus angeben, daß der Mißbrauch "mindestens alle 2 Wochen" (UA 10) stattgefunden habe.
  68. Ausgehend von diesen Angaben und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß zwischen der letzten Maiwoche 2001 [die erste Tat wurde an einem
  69. nicht mehr genau feststellbaren Tag im Mai 2001 begangen] und dem
  70. 3. Oktober 2001 18 Wochen liegen, ergeben sich vielmehr nur 10 Taten, da
  71. von den Mindestangaben der Geschädigten auszugehen ist. Die weitere Feststellung, daß die Abstände zwischen den einzelnen Mißbrauchstaten immer
  72. kürzer wurden (UA 8), ist zu unbestimmt, als daß sie zur Bestimmung der Mindestanzahl herangezogen werden kann. Die Verteidigungsmöglichkeit des Angeklagten würde unzulässig beschränkt werden, wenn eine Verurteilung auch
  73. auf eine derart vage Angabe eines Zeugen gestützt werden könnte. Daran ändert auch die Tatsache, daß der Angeklagte ein pauschales Geständnis abgelegt hat, nichts. Auch zur Anzahl der Taten bedarf es daher neuer Feststellungen (vgl. auch BGH StGB § 176 Abs. 1 Mindestfeststellungen 4; StPO § 267
  74. Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 9).
  75. 4. Der Senat hebt auch die für die Taten II 1 und 2 verhängten Einzelstrafen auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu umfassender Würdigung
  76. aller Taten zu geben.
  77. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß der Gesamtstrafausspruch im schriftlichen Urteil um so eingehender zu begründen ist, je
  78. mehr sich die Gesamtstrafe der oberen oder der unteren Grenze des Zulässigen nähert (vgl. BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 8). Insbesondere erscheint es widersprüchlich, wenn der Tatrichter einerseits von minder schweren
  79. -6-
  80. Fällen der Vergewaltigung und des schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes ausgeht, andererseits aber eine Gesamtfreiheitsstrafe verhängt, die nahezu an die Höchststrafe heranreicht.
  81. Tepperwien
  82. Maatz
  83. 
  84. Kuckein
  85.