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404 lines
10 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. Urteil
  4. 4 StR 144/08
  5. vom
  6. 31. Juli 2008
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. 1.
  10. 2.
  11. 3.
  12. 4.
  13. wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
  14. -2-
  15. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Juli 2008,
  16. an der teilgenommen haben:
  17. Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
  18. Dr. Tepperwien,
  19. Richter am Bundesgerichtshof
  20. Prof. Dr. Kuckein,
  21. Athing,
  22. Richterin am Bundesgerichtshof
  23. Solin-Stojanović,
  24. Richter am Bundesgerichtshof
  25. Dr. Ernemann
  26. als beisitzende Richter,
  27. Staatsanwalt
  28. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  29. Rechtsanwalt
  30. für den Angeklagten
  31. W. ,
  32. Rechtsanwalt
  33. für den Angeklagten
  34. S.
  35. ,
  36. Rechtsanwalt
  37. für den Angeklagten Mat. W.
  38. B. ,
  39. Rechtsanwalt
  40. für den Angeklagten Man. V.
  41. B. ,
  42. als Verteidiger,
  43. Justizangestellte
  44. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  45. für Recht erkannt:
  46. -3-
  47. I.
  48. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
  49. des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Juni 2007
  50. 1.
  51. in den Schuldsprüchen dahin abgeändert, dass
  52. a)
  53. der Angeklagte W. des Wohnungseinbruchsdiebstahls, des Diebstahls in drei Fällen, des
  54. schweren Bandendiebstahls in neun Fällen,
  55. des Computerbetruges in zwei Fällen und des
  56. versuchten Computerbetruges,
  57. b)
  58. der Angeklagte S.
  59. des Wohnungsein-
  60. bruchsdiebstahls, des Diebstahls in drei Fällen
  61. und des schweren Bandendiebstahls in drei
  62. Fällen,
  63. c)
  64. der Angeklagte Mat.
  65. B.
  66. des schweren
  67. Bandendiebstahls in sieben Fällen, des Diebstahls in drei Fällen, der Sachbeschädigung,
  68. der Brandstiftung und der schweren Brandstiftung in Tateinheit mit Wohnungseinbruchsdiebstahl,
  69. d)
  70. der Angeklagte Man.
  71. B.
  72. des schweren
  73. Bandendiebstahls in fünf Fällen, des Computerbetruges in zwei Fällen und des versuchten
  74. Computerbetruges
  75. schuldig sind,
  76. -4-
  77. 2.
  78. in den Aussprüchen über die gegen die Angeklagten W.
  79. und S.
  80. in den Fällen des schweren
  81. Bandendiebstahls (W. : Fälle III, VI, VII, VIII, IX,
  82. XIII, XIV, XV und XVII; S.
  83. : Fälle III, VI und
  84. VII) verhängten Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafen aufgehoben.
  85. II.
  86. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
  87. die Angeklagten W.
  88. und S.
  89. betreffenden Rechts-
  90. mittel der Staatsanwaltschaft, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  91. III.
  92. Die Angeklagten Mat.
  93. B.
  94. und Man.
  95. B.
  96. tra-
  97. gen die Kosten der sie betreffenden Revisionen der
  98. Staatsanwaltschaft.
  99. IV.
  100. Die Revisionen der Angeklagten W.
  101. B.
  102. und Mat.
  103. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verwor-
  104. fen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines
  105. Rechtsmittels zu tragen.
  106. Von Rechts wegen
  107. Gründe:
  108. 1
  109. Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
  110. -5-
  111. Den Angeklagten W.
  112. 2
  113. wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls, wegen
  114. Diebstahls in drei Fällen, wegen Bandendiebstahls in neun Fällen, wegen Computerbetruges in zwei Fällen und wegen versuchten Computerbetruges zu einer
  115. Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten,
  116. den Angeklagten S.
  117. 3
  118. wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls, wegen
  119. Diebstahls in drei Fällen und wegen Bandendiebstahls in drei Fällen zu einer
  120. Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung
  121. zur Bewährung ausgesetzt wurde,
  122. den Angeklagten Mat.
  123. 4
  124. B.
  125. wegen Bandendiebstahls in sieben Fällen,
  126. wegen Diebstahls in drei Fällen, wegen Brandstiftung, wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Wohnungseinbruchsdiebstahl und wegen Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und neun Monaten und
  127. den Angeklagten Man.
  128. 5
  129. B.
  130. wegen Bandendiebstahls in fünf Fällen,
  131. wegen Computerbetruges in zwei Fällen und wegen versuchten Computerbetruges unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Saarlouis vom
  132. 14. Februar 2007 zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung
  133. zur Bewährung ausgesetzt wurde.
  134. Im Übrigen hat es die Angeklagten W.
  135. 6
  136. und Mat.
  137. B.
  138. freige-
  139. sprochen.
  140. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten W.
  141. 7
  142. B.
  143. und Mat.
  144. mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und materiel-
  145. len Rechts rügen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren zu Ungunsten
  146. -6-
  147. der Angeklagten eingelegten Revisionen, dass die Angeklagten in den Fällen
  148. der Verurteilung wegen Bandendiebstahls nicht wegen schweren Bandendiebstahls gemäß § 244 a StGB verurteilt worden sind. Sie erstrebt hinsichtlich der
  149. Angeklagten Mat.
  150. und Man.
  151. B.
  152. jeweils eine entsprechende Schuld-
  153. spruchänderung unter Aufrechterhaltung der erkannten Jugendstrafen; bezüglich der Angeklagten W.
  154. und S.
  155. begehrt sie neben der Verschärfung
  156. der Schuldsprüche die Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen sowie
  157. der Gesamtstrafen.
  158. 8
  159. I. Revisionen der Staatsanwaltschaft
  160. 9
  161. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Zu Recht rügt die
  162. Beschwerdeführerin, dass das Landgericht die vier Angeklagten jeweils nur wegen Bandendiebstahls und nicht wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt
  163. hat.
  164. 1. Nach den Feststellungen fassten die Angeklagten W.
  165. 10
  166. sowie die gesondert verfolgte
  167. L.
  168. und S.
  169. im Juni 2005 den Entschluss, ihre de-
  170. solate finanzielle Situation künftig durch Einbruchsdiebstähle zu verbessern und
  171. sich so eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen, wobei
  172. L.
  173. nur Gehilfendienste leistete. Im Juli 2005 schlossen sich ihnen die
  174. Angeklagten Mat.
  175. und Man.
  176. B.
  177. , die Brüder der gesondert verfolgten
  178. L. , an, denen es ebenfalls um die Erzielung dauerhafter Einnahmen ging.
  179. Im August 2005 kam schließlich noch die gesondert verfolgte
  180. P.
  181. hin-
  182. zu, die ihnen in Kenntnis der geplanten Straftaten Unterschlupf gewährte und
  183. sie bei den Tatausführungen unterstützte. In der Zeit vom 24. Juni 2005 bis zum
  184. 20. August 2005 begingen die Angeklagten in wechselnder Besetzung neben
  185. anderen Straftaten in neun Fällen (Fälle III, VI, VII, VIII, IX, XIII, XIV, XV und
  186. -7-
  187. XVII der Urteilsgründe) Einbrüche in Schulen und Kindergärten, wobei jeweils
  188. zumindest zwei der Angeklagten am Tatort agierten.
  189. 11
  190. Das Landgericht hat in den genannten Fällen das Vorliegen eines Bandendiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 bejaht. Es hat auch festgestellt, dass die
  191. jeweils beteiligten Angeklagten in allen Fällen die Bandendiebstähle unter den
  192. in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen haben.
  193. Dennoch hat es die Angeklagten nicht wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar die Anwendbarkeit des
  194. § 244 a StGB auf Jugendbanden durch die höchstrichterliche Rechtsprechung
  195. anerkannt sei; hier scheide eine Anwendung aber deswegen aus, weil es sich
  196. um eine Bande handele, die in einem örtlich begrenzten Bereich tätig gewesen
  197. und lediglich in Schulen oder vergleichbaren Einrichtungen eingebrochen sei
  198. und die dort nur geringe Beute gemacht habe. Auf solche Banden sei § 244 a
  199. StGB nicht anzuwenden, weil die Vorschrift allein der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität diene, wobei insbesondere die "ins Ausland reichenden Verbindungen reisender Verbrecherbanden getroffen werden" sollen.
  200. 12
  201. 2. Die Nichtanwendung des § 244 a StGB durch das Landgericht beanstandet die Beschwerdeführerin zu Recht. Die von der Jugendkammer vorgenommene Auslegung der Vorschrift ist mit deren Wortlaut nicht vereinbar. Wie
  202. der Senat in seinem Beschluss vom 6. Juni 2000 - 4 StR 91/00 (= NStZ-RR
  203. 2000, 343, 344) bezüglich der Jugendbande ausgeführt hat, lassen auch weder
  204. die Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch ihr Normzweck eine Intention
  205. des Gesetzgebers erkennen, nicht dem Bereich der Organisierten Kriminalität
  206. zuzurechnende Banden aus dem Anwendungsbereich des § 244 a StGB
  207. herauszunehmen. Der Gesetzgeber hat das Problem erkannt, dass die in erster
  208. Linie zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität gedachte Vorschrift auch
  209. -8-
  210. auf andere Banden, etwa Jugend-Diebesbanden, anzuwenden sein wird. Er hat
  211. u.a. deshalb davon abgesehen, den - ohne erschwerte Umstände begangenen - Bandendiebstahl allgemein als Verbrechenstatbestand umzugestalten
  212. (BTDrucks. 12/989 S. 25). Der Verbrechenstatbestand des schweren Bandendiebstahls sollte vielmehr an zusätzliche Kriterien geknüpft werden. Wenn aber
  213. diese erfüllt sind und der Bandendiebstahl etwa unter den in § 243 Abs. 1
  214. Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen wird, findet § 244 a StGB
  215. auf alle Diebesbanden Anwendung (vgl. zur Jugendbande auch BGH, Urteil
  216. vom 22. März 2006 - 5 StR 38/06 = NStZ 2006, 574). Es kommt mithin nicht
  217. darauf an, ob es sich um eine Jugendbande, eine im örtlich begrenzten Bereich
  218. tätige oder auf bestimmte Objekte spezialisierte Bande handelt.
  219. 13
  220. 3. Der Senat ändert die Schuldsprüche dahingehend ab, dass die Angeklagten jeweils nicht des Bandendiebstahls, sondern des schweren Bandendiebstahls, § 244 a StGB, schuldig sind.
  221. 14
  222. Die Änderung der Schuldsprüche führt bezüglich der Angeklagten W.
  223. und S.
  224. zur Aufhebung der entsprechenden Einzelstrafen. Der Senat
  225. kann angesichts der höheren Mindeststrafe des § 244 a Abs. 1 StGB nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung auf höhere Einzelstrafen erkannt hätte. Das zieht die Aufhebung der gegen diese Angeklagten erkannten Gesamtstrafen nach sich. Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Die gegen die
  226. Angeklagten Mat.
  227. und Man. B.
  228. verhängten Jugendstrafen können be-
  229. stehen bleiben, da diese maßgeblich am unverändert bestehenden Erziehungsbedarf ausgerichtet sind.
  230. -9-
  231. Da sich das Verfahren nunmehr nur noch gegen Erwachsene richtet,
  232. 15
  233. verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück (vgl.
  234. BGHSt 35, 267).
  235. 16
  236. II. Revisionen der Angeklagten W. und Mat.
  237. 17
  238. Die Revisionen der Angeklagten W.
  239. B.
  240. und Mat.
  241. B.
  242. erweisen
  243. sich im Ergebnis als unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund
  244. der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben
  245. hat.
  246. 18
  247. Zu dem vom Angeklagten W.
  248. geltend gemachten Verstoß gegen
  249. Art. 6 Abs. 1 MRK bemerkt der Senat: Zwar ist durch die um zwei Monate verzögerte Fertigstellung des Protokolls eine der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung eingetreten. Einer über diese Feststellung hinausgehenden Kompensation durch den Senat bedarf es jedoch nicht, zumal das Landgericht der
  250. - 10 -
  251. durch die lange Dauer der Untersuchungshaft entstandenen Belastung des Angeklagten bereits durch eine Reduzierung der Einzelstrafen um jeweils drei Monate Rechnung getragen hat.
  252. Tepperwien
  253. Kuckein
  254. Solin-Stojanović
  255. Athing
  256. RiBGH Dr. Ernemann
  257. ist infolge Urlaubs gehindert
  258. zu unterschreiben
  259. Tepperwien