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7.7 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 4 StR 142/07
  4. vom
  5. 7. August 2007
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
  9. hier: Anhörungsrüge
  10. -2-
  11. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. August 2007 beschlossen:
  12. 1.
  13. Das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende Richterin
  14. am Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien sowie die Richter
  15. am Bundesgerichtshof Maatz und Prof. Dr. Kuckein, die
  16. Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović und
  17. den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann wird
  18. als unzulässig verworfen.
  19. 2.
  20. Der Antrag auf Nachholung rechtlichen Gehörs gegen
  21. den Beschluss des Senats vom 2. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
  22. Der Antragsteller hat die Kosten seines Rechtsbehelfs zu
  23. tragen.
  24. Gründe:
  25. 1
  26. 1. Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten gegen die im Beschlusstenor
  27. genannten Richter ist verspätet (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 StPO) und daher schon aus
  28. diesem Grunde unzulässig. Entscheidet das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege (hier: nach § 349 Abs. 2 StPO), so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO
  29. nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist
  30. (BGH NStZ 1993, 600; BGH bei Kusch NStZ-RR 2001, 130 Nr. 4). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einem Antrag nach § 356 a
  31. StPO verbunden wird, der sich jedoch - wie hier (s. unten 2.) - deswegen als
  32. unbegründet erweist, weil die gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht
  33. vorliegt; denn § 356 a StPO verfolgt allein den Zweck, dem Revisionsgericht,
  34. -3-
  35. das in der Sache entschieden hat, Gelegenheit zu geben, im Falle eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör diesem Mangel durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen, und hierdurch die Notwendigkeit eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu vermeiden. Dagegen dient er nicht dazu,
  36. einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung
  37. einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG doch noch Geltung zu verschaffen
  38. (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06; vgl. auch den diese
  39. Entscheidung bestätigenden Beschluss des BVerfG vom 20. Juni 2007 – 2 BvR
  40. 746/07).
  41. 2
  42. 2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet.
  43. 3
  44. Der Senat hat bei seiner Entscheidung keine Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Antragsteller zuvor nicht gehört wurde, kein
  45. zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen und auch sonst den Anspruch
  46. des Antragstellers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Er hat über die Revision
  47. des Angeklagten eingehend beraten; die Behauptung des Antragstellers, der
  48. Senat habe den Vortrag der Revision "nicht zur Kenntnis genommen bzw. nicht
  49. zur Kenntnis nehmen (wollen)", trifft nicht zu. Der Senat hat auch weder eine
  50. eigene Beweiswürdigung vorgenommen noch war es geboten, dem Beschwerdeführer vor der Entscheidung weiteres rechtliches Gehör zu gewähren. Allein
  51. die Behauptung des Antragstellers, der Senat habe seiner Meinung nach fehlerhaft entschieden, kann der Gehörsrüge nicht zum Erfolg verhelfen (vgl. BGH,
  52. Beschluss vom 9. November 2006 - 1 StR 360/06).
  53. 4
  54. Dennoch merkt der Senat zu den die Verfahrensrüge 2 (keine Aussageidentität) betreffenden Einwendungen des Antragstellers Folgendes an:
  55. -4-
  56. 5
  57. Die von dem - sich auf Notwehr berufenden - Antragsteller beanstandete
  58. Urteilsstelle beginnt (UA 16) mit der Feststellung, dass die Einlassung des Angeklagten, er sei angegriffen worden, von keinem der vernommenen Zeugen
  59. bestätigt worden sei. Die Zeugen aus "beiden Lagern" hätten übereinstimmend
  60. bekundet, dass es zum Tatzeitpunkt (etwa gegen 1 Uhr nachts) keine tätliche
  61. Auseinandersetzung und keinen Angriff, und zwar weder auf Familienangehörige des Angeklagten noch auf den Angeklagten selbst gegeben habe. Es habe
  62. keine Situation vorgelegen, die zu der irrigen Annahme einer Notwehrsituation
  63. hätte führen können. Von der Richtigkeit dieser Bekundungen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen aus dem "gegnerischen Lager" sei die
  64. Kammer überzeugt, weil sie selbst durch den Bruder des Angeklagten, den
  65. Zeugen A. El-K., bestätigt worden seien. Dieser habe eine detailreiche Aussage
  66. getätigt, "die zudem als einzige Aussage eine praktisch vollständige Aussagekonstanz im Vergleich zu seiner polizeilichen Aussage (aufweise)". Die Aussage des Zeugen widerlege die angebliche Notwehr- bzw. Nothilfesituation.
  67. 6
  68. In der von der Revision angegriffenen Urteilspassage ist nicht davon die
  69. Rede, dass eine Aussagekonstanz mit dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll
  70. vorliege, sondern dass eine Aussagekonstanz "im Vergleich" zu der "polizeilichen Aussage" des Zeugen bestehe. Mittel für die Überzeugungsbildung des
  71. Schwurgerichts war somit nicht die Vernehmungsurkunde, sondern der Zeugenbeweis. Das bestritt auch die Revision nicht; denn sie teilte mit (RB S. 4, 5),
  72. dass die Urkunde im Wege des Vorhalts in die Hauptverhandlung eingeführt
  73. worden war.
  74. 7
  75. Die das eigentliche Tatgeschehen betreffenden wenigen Zeilen in dem
  76. polizeilichen Protokoll enthalten teilweise reine Wertungen. So hat der Zeuge
  77. dort angegeben, er sei "der Meinung", dass die Anderen sie weiter hätten an-
  78. -5-
  79. greifen wollen, und dass er "denke", sein Bruder habe sich verteidigen wollen.
  80. Näher ausgeführte Tatsachen, die die Wertungen des Zeugen belegen konnten
  81. - etwa Einzelheiten, wie die Standorte der Beteiligten, die Entfernungen und die
  82. Licht- und Sichtverhältnisse (vgl. UA 9, 11, 21: Dunkelheit) - sind in dem polizeilichen Protokoll nicht genannt. Da alle übrigen vernommenen Zeugen des Vorfalls eine Notwehrsituation des Angeklagten eindeutig ausgeschlossen hatten
  83. (vgl. auch UA 29), liegt es nahe, dass der Zeuge A. El-K. seine in dem Protokoll
  84. niedergelegten pauschalen und wertenden Angaben im Sinne der Feststellungen in der Hauptverhandlung konkretisiert hat und er dabei auch angab, sich in
  85. diesem Sinne schon bei der Polizei geäußert zu haben, was durch den polizeilichen Vernehmungsbeamten M. bestätigt worden sein kann (vgl. BGH StV 1987,
  86. 91; BGH, Beschluss vom 24. November 2000 – 2 StR 361/00 und Urteil vom 5.
  87. Oktober 2005 - 2 StR 94/05).
  88. 8
  89. Da die Revision nicht vorgetragen hatte, dass der Vernehmungsbeamte
  90. in der Hauptverhandlung nach dem Zeugen A. El-K. vernommen worden war,
  91. war die Rüge schon nicht zulässig erhoben worden (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
  92. 9
  93. Sie war aber auch unbegründet:
  94. 10
  95. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Widersprüche zwischen dem Inhalt des Urteils und den Akten, wenn sie sich - wie
  96. hier - nicht aus den Urteilsgründen selbst ergeben, für sich allein regelmäßig
  97. revisionsrechtlich unerheblich (vgl. BGHSt 17, 351; BGH NStZ 1992, 506 f.;
  98. 1995, 27, 29; 1997, 294; BGH, Beschluss vom 24. November 2000 - 2 StR
  99. 361/00 und Urteil vom 13. September 2006 - 2 StR 268/06). Das Herausgreifen
  100. eines Aktendetails, das im Urteil keine Stütze findet, kann ohne Kenntnis dessen, was in der Hauptverhandlung im Einzelnen geschehen ist, zu falschen Er-
  101. -6-
  102. gebnissen führen. Eine Rekonstruktion der tatrichterlichen Beweisaufnahme
  103. durch das Revisionsgericht widerspricht aber - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hatte - der Ordnung des
  104. Revisionsverfahrens (vgl. BGH NStZ 1992, 506, 507; 1997, 296). Der Tatrichter
  105. war auch nicht verpflichtet, etwaige Widersprüche zwischen dem Inhalt der polizeilichen Vernehmungsurkunde und der Aussage des Zeugen A. El-K. in der
  106. Hauptverhandlung im Urteil zu würdigen; denn diese konnten für alle Verfahrensbeteiligten eine solche Erklärung gefunden haben, dass für den Tatrichter
  107. kein Anlass bestand, sie als wesentliche Punkte in der Beweiswürdigung zu
  108. erörtern. Daran ist das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden (vgl. BGH
  109. NStZ 2006, 55, 56).
  110. Tepperwien
  111. Maatz
  112. Kuckein
  113. Ri'inBGH Solin-Stojanović
  114. ist infolge Urlaubs gehindert
  115. zu unterschreiben
  116. Tepperwien
  117. Ernemann