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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. 3 StR 89/02
  3. BESCHLUSS
  4. vom
  5. 7. Mai 2002
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
  9. Menge
  10. -2-
  11. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. Mai 2002 gemäß § 349 Abs. 4
  12. StPO einstimmig beschlossen:
  13. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 13. November 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
  14. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
  15. über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
  16. des Landgerichts zurückverwiesen.
  17. Gründe:
  18. Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
  19. Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner Revision
  20. rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das
  21. Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so daß es eines Eingehens auf die
  22. verfahrensrechtlichen Beanstandungen nicht bedarf.
  23. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung
  24. nicht stand. Sie enthält Widersprüche, die der Verurteilung des Angeklagten
  25. die Grundlage entziehen. Das Landgericht stützt seine Überzeugung davon,
  26. daß der Angeklagte als Auftraggeber und Organisator an dem von den Zeugen
  27. S.
  28. und E.
  29. in seiner Abwesenheit in Rotterdam durchgeführten Ko-
  30. kainerwerb täterschaftlich beteiligt war, neben der Aussage des Zeugen
  31. -3-
  32. S.
  33. (UA S. 17 ff.) gleichwertig darauf, daß der Angeklagte den Pkw Opel
  34. Astra angemietet hatte, in dem die Zeugen S.
  35. , E.
  36. und G.
  37. die
  38. Fahrt nach Rotterdam unternahmen und in dem bei deren Wiedereinreise in
  39. die Bundesrepublik das Kokain gefunden wurde. Dabei schließt es aus einer
  40. Mehrzahl von Indizien, daß der Angeklagte dieses Fahrzeug zunächst angemietet habe, um damit die Beschaffungsfahrt nach Rotterdam selbst durchzuführen. Als er dann unerwartet nach Italien habe reisen müssen, habe er den
  41. Mietwagen dem Zeugen S.
  42. überlassen, um mit dessen Hilfe seinen Plan
  43. noch verwirklichen zu können (UA S. 5 und 12 ff.). Hiermit unvereinbar ist jedoch schon die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte sei erst, als er
  44. sich schon in Italien befunden habe, von den Zeugen S.
  45. G.
  46. , E.
  47. und
  48. informiert worden, daß sie eine Reise nach Rotterdam planten.
  49. Zum anderen spricht gegen den vom Landgericht angenommenen Zweck der
  50. Anmietung des Opel Astra und dessen Überlassung an den Zeugen S.
  51. dessen Aussage, der Angeklagte habe den Ankauf des Kokains nicht bereits
  52. vorab geregelt, sondern erst durch Telefonate mit dem Zeugen E.
  53. organi-
  54. siert, als man sich bereits in der Wohnung des Drogenhändlers Y.
  55. in Rot-
  56. terdam befunden habe (UA S. 27). Diese Widersprüche werden vom Landgericht nicht erkannt, so daß es an einer rechtlich tragfähigen Begründung mangelt, aus welchen Gründen das Landgericht dennoch zu seiner Überzeugung
  57. von der Täterschaft des Angeklagten gelangt ist. Schon deswegen kann das
  58. angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
  59. Lediglich ergänzend weist der Senat daher darauf hin, daß die Beweiswürdigung des Landgerichts auch im übrigen in weiten Teilen nicht nachvollziehbar ist. So ist beispielsweise schwer verständlich, wenn das Landgericht
  60. dem Zeugen S.
  61. unter anderem deswegen glaubt, weil dessen Aussage
  62. -4-
  63. sich in weiten Teilen mit seinen Angaben in früheren Vernehmungen decke
  64. (UA S. 26). Denn diese Bewertung ist kaum damit vereinbar, daß der Zeuge
  65. S.
  66. den Angeklagten eingestandenermaßen bei früheren Vernehmungen
  67. wahrheitswidrig eines weiteren Betäubungsmittelgeschäftes bezichtigte (hieraus resultiert der Teilfreispruch) und daß sich zwischen der Aussage des Zeugen bei seiner richterlichen Vernehmung vom 14. Dezember 2000 und seinen
  68. Angaben in der Hauptverhandlung weitere bemerkenswerte Abweichungen
  69. ergaben. Auch bleibt das Landgericht beispielsweise jede Erklärung dafür
  70. schuldig, wie es miteinander zu vereinbaren ist, daß einerseits nach der Aussage des Zeugen S.
  71. der Angeklagte telefonisch die Anweisung erteilt ha-
  72. ben soll, das erworbene Kokain in Rotterdam den Paßfälschern als Entgelt für
  73. den Ausweis zu übergeben, den diese für den Bruder des Zeugen G.
  74. hergestellt
  75. hatten, und dieser Paß dem Zeugen E.
  76. in Rotterdam auch ausgehändigt
  77. worden sei, andererseits aber das Kokain bei der Einreise der Zeugen S.
  78. E.
  79. und G.
  80. ,
  81. in die Bundesrepublik in dem Pkw Opel Astra auf-
  82. gefunden wurde.
  83. Sollte der Angeklagte tatsächlich - was das Landgericht nicht ausschließt - die von dem Zeugen S.
  84. behauptete Weisung bezüglich der Ver-
  85. wendung des Kokains erteilt haben, wäre im übrigen nicht erkennbar, welchen
  86. Vorteil der Angeklagte aus diesem Umsatz des Rauschgifts hätte ziehen können. Daher ist die für täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
  87. vorausgesetzte Eigennützigkeit des Betäubungsmittelumsatzes in der Person
  88. des Angeklagten nicht belegt.
  89. -5-
  90. Die Sache muß somit neu verhandelt werden. Im Falle einer erneuten Verurteilung des Angeklagten wird der Maßstab für die Anrechnung der
  91. vom Angeklagten in den Niederlanden erlittenen Auslieferungshaft (§ 51 Abs. 4
  92. Satz 2 StGB) in den Urteilstenor aufzunehmen sein.
  93. Tolksdorf
  94. Rissing-van Saan
  95. von Lienen
  96. Pfister
  97. Becker