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8.2 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 3 StR 441/10
  4. vom
  5. 11. Januar 2011
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Betruges u.a.
  9. -2-
  10. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
  11. 11. Januar 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
  12. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26. Mai 2010 im Strafausspruch mit
  13. den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
  14. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
  15. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  16. Gründe:
  17. Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 21 Fäl-
  18. 1
  19. len, versuchten Betruges und Verletzung von Dienstgeheimnissen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
  20. StPO.
  21. -3-
  22. 2
  23. Nach den Feststellungen war der Angeklagte Berufssoldat und als sog.
  24. Resident des Bundesnachrichtendienstes in Pristina tätig. Er setzte den Mitangeklagten A. , zu dem er eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft unterhielt, als Sprachmittler ein und machte für diesen in 22 Fällen Verdienstausfall in Höhe von 100 € pro Tag geltend, obwohl er wusste, dass der Mitangeklagte hierauf keinen Anspruch hatte. Im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben gab der zuständige Führungsstellenleiter in 21 Fällen
  25. den jeweils beantragten Verdienstausfall zur Auszahlung frei. Die Beträge in
  26. Höhe von 100 € bis 1.500 € wurden dem Angeklagten anschließend zur Weiterleitung an den Mitangeklagten A.
  27. ausbezahlt. Der Gesamtschaden belief sich
  28. auf 14.700 €. Außerdem übergab der Angeklagte dem Mitangeklagten A.
  29. ein
  30. als "geheim" eingestuftes Schaubild mit einer schematischen Darstellung
  31. extremistischer Strukturen im Kosovo, damit dieser Recherchen im Internet anstellen konnte, und nannte diesem Namen und Funktionen mehrerer BNDMitarbeiter, ohne jeweils zu diesen Handlungen berechtigt gewesen zu sein.
  32. 3
  33. I. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des
  34. Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob die von Beamten des Bundeskriminalamts in der Privatwohnung des Angeklagten in Pristina vorgenommene Durchsuchung rechtmäßig war und das Oberlandesgericht
  35. gegen ein Beweisverwertungsverbot und den Grundsatz des fairen Verfahrens
  36. dadurch verstoßen hat, dass es das bei dieser Durchsuchung aufgefundene
  37. Schaubild seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt hat; denn jedenfalls
  38. beruht das Urteil nicht auf dem von der Revision geltend gemachten Verfahrensverstoß. Das Oberlandesgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung nicht
  39. auf die Augenscheinnahme des Schaubildes abgestellt. Es hat seine
  40. Überzeugung in diesem Zusammenhang vielmehr darauf gestützt, dass der
  41. Angeklagte und der Mitangeklagte A.
  42. sich in der Hauptverhandlung dahin ge-
  43. -4-
  44. ständig eingelassen haben, der Angeklagte habe dem Mitangeklagten das Dokument gezeigt. Den Inhalt des Schaubilds hat das Oberlandesgericht der Einlassung des Angeklagten und den Bekundungen des Zeugen W. entnommen.
  45. 4
  46. II. Die auf die Sachrüge veranlasste materiellrechtliche Überprüfung des
  47. Urteils deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf; demgegenüber kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben.
  48. 5
  49. 1. Die Strafzumessung ist Sache des Tatgerichts. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle durch das Revisionsgericht ist ausgeschlossen.
  50. Dieses kann nur eingreifen, wenn ein Rechtsfehler vorliegt, namentlich das Tatgericht von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, seine Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer
  51. acht lassen oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter
  52. Schuldausgleich zu sein, so weit nach oben oder unten löst, dass ein grobes
  53. Missverhältnis von Schuld und Strafe offenkundig ist. In Zweifelsfällen hat das
  54. Revisionsgericht die Wertung des Tatgerichts hinzunehmen (st. Rspr.; vgl.
  55. schon BGH, Urteil vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319,
  56. 320; Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Dies gilt
  57. in gleicher Weise für die Bildung der Gesamtstrafe (BGH, Urteile vom
  58. 30. Oktober 1986 - 4 StR 456/86, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen
  59. 1; vom 1. März 1990 - 4 StR 61/90, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 5).
  60. Liegt die verhängte (Gesamt-)Freiheitsstrafe in der Nähe zu einer solchen, bei
  61. der eine Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung in Betracht kommt, bedarf es allerdings regelmäßig einer besonders sorgfältigen Begründung der
  62. Strafzumessung (BGH, Beschluss vom 13. Mai 1992 - 5 StR 440/91, BGHR
  63. StGB § 46 Abs. 1 Begründung 18).
  64. -5-
  65. 6
  66. 2. Gemessen an diesen Maßstäben begegnen die Strafzumessungserwägungen des Oberlandesgerichts durchgreifenden Bedenken.
  67. 7
  68. a) Das Oberlandesgericht hat seine Auffassung, die Gesamtstrafe könne
  69. nicht mehr in einem Bereich liegen, in dem sie zur Bewährung ausgesetzt werden könne, u.a. damit begründet, "dass sich der Angeklagte sehenden Auges
  70. über alle Dienstvorschriften hinweggesetzt" habe. Damit hat es gegen § 46 Abs.
  71. 3 StGB verstoßen. Nach dieser Vorschrift dürfen die Merkmale des Tatbestands, welche die Strafbarkeit begründen und der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens zugrunde liegen, nicht nochmals bei der Strafzumessung zu
  72. Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden.
  73. 8
  74. Der Tatbestand der Verletzung des Dienstgeheimnisses nach § 353b
  75. StGB setzt u.a. voraus, dass der Täter vorsätzlich ein ihm anvertrautes oder
  76. sonst bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, d.h. öffentlich bekannt macht
  77. oder einem Unbefugten mitteilt, obwohl er durch eine generelle Rechtsnorm
  78. oder besondere Anordnung zum Schweigen verpflichtet ist (Fischer, StGB,
  79. 58. Aufl., § 353b Rn. 7a, 9). Der Tathandlung ist somit ein Verstoß gegen die
  80. dienstlichen Vorschriften des Angeklagten immanent; dieser Verstoß durfte
  81. nicht bei der Strafzumessung erneut zu dessen Lasten verwertet werden.
  82. 9
  83. Entsprechendes gilt für die Fälle des hier abgeurteilten Betrugs nach
  84. § 263 StGB. Das Oberlandesgericht hat jeweils einen besonders schweren Fall
  85. nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 StGB angenommen, weil der Angeklagte
  86. gewerbsmäßig gehandelt und seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht habe. Bei der Strafzumessung hat es ausdrücklich zum
  87. Nachteil des Angeklagten darauf abgestellt, er habe zwei Regelbeispiele des
  88. besonders schweren Betruges erfüllt. Vor diesem Hintergrund stellt es einen
  89. durchgreifenden Rechtsfehler dar, dass das Oberlandesgericht den Verstoß
  90. -6-
  91. gegen die Dienstvorschriften noch einmal strafschärfend berücksichtigt hat;
  92. denn § 46 Abs. 3 StGB gilt bei Merkmalen von Regelbeispielen entsprechend
  93. (BGH, Beschluss vom 22. April 2004 - 3 StR 113/04, NStZ-RR 2004, 262).
  94. 10
  95. b) Das Landgericht hat gegen den nicht vorbestraften Angeklagten wegen der vollendeten Betrugstaten Einzelfreiheitsstrafen zwischen acht und zehn
  96. Monaten verhängt und dabei zu dessen Lasten die Höhe des jeweils verursachten Schadens gewertet. Diese Würdigung wird jedenfalls in den Fällen von den
  97. Feststellungen nicht getragen, in denen der Schaden lediglich 100 € oder 200 €
  98. betrug.
  99. 11
  100. c) Der Senat muss nicht entscheiden, ob darüber hinaus ein entscheidungserheblicher rechtlicher Mangel des Urteils darin zu sehen ist, dass das
  101. Oberlandesgericht das Entfallen der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 StGB verneint, in seine diesbezügliche Würdigung indes nur einen Teil der zahlreichen,
  102. von ihm selbst an anderer Stelle aufgeführten und damit als bestimmend im
  103. Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO angesehenen Strafmilderungsgründe eingestellt hat.
  104. -7-
  105. 12
  106. III. Der Senat hebt den gesamten Strafausspruch und die zugehörigen
  107. Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht die Gelegenheit zu geben, die
  108. Rechtsfolgen für den Angeklagten auf der Grundlage in sich stimmiger Feststellungen insgesamt neu zu bemessen.
  109. Becker
  110. von Lienen
  111. Schäfer
  112. Hubert
  113. Mayer