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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 3 StR 399/02
  5. vom
  6. 5. Dezember 2002
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
  10. -2-
  11. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Dezember
  12. 2002, an der teilgenommen haben:
  13. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  14. Prof. Dr. Tolksdorf,
  15. die Richter am Bundesgerichtshof
  16. Winkler,
  17. von Lienen,
  18. Becker,
  19. Hubert
  20. als beisitzende Richter,
  21. Staatsanwältin
  22. in der Verhandlung,
  23. Bundesanwalt
  24. bei der Verkündung
  25. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  26. Justizamtsinspektorin
  27. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  28. für Recht erkannt:
  29. -3-
  30. 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 11. Juni 2002 wird verworfen.
  31. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
  32. Von Rechts wegen
  33. Gründe:
  34. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit räuberischem Angriff
  35. auf Kraftfahrer zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten
  36. verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, daß die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe "für die Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten unter Einschluß der
  37. anzurechnenden Untersuchungshaft vor der Maßregel zu vollziehen" ist. Die
  38. auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
  39. Nach den Feststellungen hat der seit mehreren Jahren von Heroin und
  40. Kokain abhängige Angeklagte jeweils im Zustand starken Entzugs zur Beschaffung von Drogen zwei Überfälle begangen.
  41. 1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand; insbesondere
  42. hat das Landgericht seine Feststellungen zur nicht aufgehobenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten zu den Tatzeiten in Übereinstimmung
  43. -4-
  44. mit dem entsprechenden Gutachten des Sachverständigen S.
  45. getroffen. Allerdings hat das Landgericht in seiner Beweiswürdigung am Ende
  46. des ersten Absatzes der Darstellung des Gutachtens zur Schuldfähigkeit des
  47. Angeklagten formuliert, der Sachverständige habe folgendes ausgeführt: "Es
  48. müsse deshalb für die erste von ihm begangene Tat davon ausgegangen werden, daß insoweit zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, daß seine
  49. Steuerungsfähigkeit aufgehoben war, während für die zweite Tat sicher davon
  50. auszugehen sei, daß dabei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben war" (UA S. 6). Diese Formulierungen beruhen aber offensichtlich auf einem Versehen. Denn bereits eingangs des Absatzes, an dessen Ende der zitierte Satz steht, hat die Strafkammer ausgeführt, sie habe "ihren Feststellungen zur - wenn auch erheblich verminderten - Schuldfähigkeit" die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S
  51. zu Grunde gelegt.
  52. Zudem ergeben sich aus den ausführlichen und detaillierten Darlegungen des
  53. Landgerichts zu Inhalt und Ergebnis des Schuldfähigkeitsgutachtens, das auch
  54. den vor der zweiten Tat stattgefundenen Kokainkonsum berücksichtigt hat, in
  55. den beiden, dem zitierten Satz unmittelbar folgenden Absätzen, daß der Sachverständige jeweils mit überzeugenden Argumenten im ersten Fall von einer
  56. nicht aufgehobenen, im zweiten Fall von einer erhaltenen, wenn auch eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist und daß
  57. das Landgericht in Übereinstimmung mit diesen Ausführungen des Sachverständigen eine Aufhebung der Schuldfähigkeit ausgeschlossen hat. Danach
  58. ergibt die Würdigung der gesamten tatrichterlichen Beweiswürdigung, daß das
  59. Landgericht zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten keine widersprüchliche Feststellungen getroffen und die Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht anders bewertet hat als der Sachverständige. Die Sachverhaltsfeststellungen des Landgerichts, daß nicht ausgeschlossen werden kann, daß
  60. -5-
  61. die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der ersten Tat erheblich vermindert gewesen und wegen des danach geschehenen Kokainkonsums
  62. hinsichtlich der zweiten Tat von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit sicher auszugehen ist, stehen vielmehr im Einklang mit Inhalt und Ergebnis
  63. des Sachverständigengutachtens.
  64. 2. Auch die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe und seine bestimmte Dauer begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
  65. a) Zwar weicht die Strafkammer von der gesetzlichen Regel des § 67
  66. Abs. 1 StGB ab, wonach grundsätzlich die Maßregel vor der Strafe vollzogen
  67. werden soll, weil die möglichst umgehende Behandlung des süchtigen Rechtsbrechers am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht (BGHR StGB § 67
  68. Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 4, 12). Die Strafe oder ein Teil von ihr kann
  69. aber vor der Maßregel vollzogen werden, wenn ihr Zweck dadurch leichter erreicht wird (§ 67 Abs. 2 StGB). In diesem Fall bedarf es der Darlegung nachvollziehbarer Gründe, weshalb der sich an die Maßregel anschließende Strafvollzug den Therapieerfolg gefährden und wie sich dies bei dem Angeklagten
  70. konkret auswirken könnte (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 12).
  71. b) Bei längerer Dauer des Vorwegvollzugs muß das Urteil zusätzlich die
  72. hierfür wesentlichen Gründe erkennen lassen, was insbesondere für die Fälle
  73. gilt, in denen die Zeit des Vorwegvollzugs - wie hier - zusammen mit der zu
  74. erwartenden anrechenbaren (§ 67 Abs. 4 StGB) Dauer der Unterbringung zwei
  75. Drittel der verhängten Strafe und damit den Zeitpunkt übersteigt, von dem an
  76. -6-
  77. regelmäßig eine Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe in Betracht kommt (§ 57 Abs. 1 StGB), da dann die Gefahr besteht,
  78. daß der spätere Vollzug der Unterbringung sich wie ein zusätzliches Strafübel
  79. auswirkt (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 7).
  80. Die entsprechenden Erwägungen der insoweit sachverständig beratenen
  81. Strafkammer, die wegen der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten und seiner für seine Lebensgestaltung positiv wirkenden familiären Verhältnisse in
  82. dem Vorwegvollzug eine Bedingung für den Erfolg der Maßregel sieht, werden
  83. diesen Anforderungen zu Anordnung und Dauer des Vorwegvollzugs insgesamt noch gerecht.
  84. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
  85. Tolksdorf
  86. Winkler
  87. von Lie-
  88. nen
  89. Becker
  90. Hubert