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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- 3 StR 370/05
- vom
- 8. November 2005
- in der Strafsache
- gegen
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- alias:
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- wegen schwerer räuberischer Erpressung
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- Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 8. November 2005 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
- 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 27. Juni 2005 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- a) soweit er wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und mit unerlaubtem Führen
- einer Schusswaffe verurteilt worden ist,
- b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Sicherungsverwahrung.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
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- Gründe:
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und mit unerlaubtem Führen
- einer Schusswaffe (Fall II. 1. der Urteilsgründe - Einzelfreiheitsstrafe: sieben
- Jahre und sechs Monate) sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Fall II. 2. der Urteilsgründe - Einzelfreiheitsstrafe: ein Jahr und sechs
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- Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine
- Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Mit seiner Revision
- rügt der Angeklagte allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
- 1. Soweit sich die Revision gegen die Verurteilung wegen Besitzes von
- Betäubungsmitteln und die insoweit verhängte Einzelstrafe wendet, ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2. Dagegen hält die Verurteilung wegen (vollendeter) schwerer räuberischer Erpressung rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Den getroffenen Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass das Tatopfer A.
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- einen
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- Vermögensnachteil - und sei es auch nur in Form einer schadensgleichen konkreten Vermögensgefährdung - erlitten hat, wie es für die Annahme einer vollendeten Tat erforderlich wäre und was das Landgericht anzunehmen scheint
- (allerdings ohne die hier gebotene nähere Subsumtion unter die einzelnen Tatbestandsmerkmale). Danach ging der Angeklagte zwar nach der erzwungenen
- Unterzeichnung der Kaufvertragsurkunde mit einem Kaufpreis von nur 2.500 €
- davon aus, dass - wie von ihm beabsichtigt - A.
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- seine Kaufpreisforde-
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- rung von 8.000 € in Zukunft nicht mehr geltend machen würde. Es ist aber nicht
- festgestellt, dass A.
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- auf seine Kaufpreisforderung ausdrücklich oder
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- konkludent verzichtet hatte oder auch nur bereit war, diese auf Dauer oder auch
- nur vorübergehend nicht geltend zu machen. Unter den gegebenen Umständen
- versteht es sich auch nicht ohne weiteres, dass sich das Vermögen des
- A.
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- - mit der Folge einer schadensgleichen Vermögensgefährdung -
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- durch die Unterzeichnung und Aushändigung der Kaufvertragsurkunde mit dem
- Kaufpreis von nur 2.500 € (unter dem Gesichtspunkt einer Verschlechterung
- seiner Beweisposition) entsprechend gemindert hätte. Auch im Hinblick auf die
- vom Angeklagten geforderte Übergabe des Cabriolets und der Cabrioletschlüs-
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- sel ist A.
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- ein Vermögensnachteil nicht entstanden, weil der Angeklagte
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- weder das Fahrzeug noch die Schlüssel an sich genommen hat.
- Der Rechtsfehler führt auch zur Aufhebung der - im Übrigen nicht zu beanstandenden - Verurteilung wegen der tateinheitlich begangenen Delikte der
- Nötigung und des Führens einer Schusswaffe. Als Folge können auch die Gesamtstrafe und die Anordnung der Sicherungsverwahrung keinen Bestand haben.
- 3. Die Sache bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Dass Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen vollendeter
- oder versuchter schwerer räuberischer Erpressung tragen, erscheint nicht von
- vornherein ausgeschlossen.
- 4. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls auch die Frage der Anordnung von Sicherungsverwahrung erneut zu prüfen haben. Insofern geben die
- Gründe des angefochtenen Urteils Anlass zu folgenden Hinweisen:
- Die Feststellung: "Die formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 1 und
- 4 StGB sind erfüllt" genügt nicht den Anforderungen. Wenn das Urteil eine Vielzahl von früheren Taten und Vorstrafen schildert und der Angeklagte mehrfach
- Strafhaft verbüßt hat, muss im einzelnen dargelegt werden, mit Blick auf welche
- Vorstrafen und Verbüßungszeiten die formellen Voraussetzungen als gegeben
- erachtet werden.
- Soweit die Annahme des erforderlichen Hangs zu erheblichen Straftaten
- mit dem Hinweis auf ein "konstantes Verhalten" des Angeklagten und "Handlungsstereotype" begründet wird, erschließt sich dies aus den Feststellungen zu
- seinen früheren Taten nicht ohne weiteres. Im Übrigen lässt die Würdigung eine
- Auseinandersetzung damit vermissen, dass die letzte Verurteilung des Ange-
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- klagten zu einer Einzelstrafe von mehr als einem Jahr etwa zehn Jahre zurückliegt und er nach seiner letzten Entlassung aus Strafhaft im Mai 2001 mehrere
- Jahre im Wesentlichen straffrei gelebt hat, bevor es zu den abgeurteilten Taten
- gekommen ist.
- Die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit im Sinne des § 66
- Abs. 1 Nr. 3 StGB ist nur gegeben, wenn die bestimmte Wahrscheinlichkeit (vgl.
- BGHSt 25, 59, 61) besteht, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen wird,
- die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen. Die bloße Feststellung, dass die Begehung solcher Straftaten "wahrscheinlich" sei, genügt nicht.
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