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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 3 StR 366/12
  4. vom
  5. 2. Oktober 2012
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen besonders schwerer Brandstiftung
  9. -2-
  10. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 2. Oktober 2012 gemäß § 349
  11. Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
  12. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
  13. Aurich vom 18. April 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
  14. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
  15. über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
  16. des Landgerichts zurückverwiesen.
  17. Gründe:
  18. 1
  19. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer
  20. Brandstiftung zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision
  21. des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das
  22. Verfahren. Mit der Rüge, das Landgericht habe einen Beweisantrag auf Einholung eines Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes zu Unrecht abgelehnt,
  23. hat das Rechtsmittel Erfolg.
  24. 2
  25. 1. Nach den Feststellungen hielt sich der Angeklagte am 2. Dezember
  26. 2009 ab etwa 21.30 Uhr in einer Gaststätte auf Norderney auf. Zu einem nicht
  27. bekannten Zeitpunkt begab er sich von dort in die Räume des von ihm betriebenen, etwa 130 Meter entfernten Internet-Cafés und entzündete, um dieses in
  28. Brand zu setzen, in einem neben einer mit Holz verkleideten Wand stehenden
  29. geöffneten Kühlschrank eine brennbare Flüssigkeit. Danach verließ er das In-
  30. -3-
  31. ternet-Café, verschloss die Eingangstür und eilte zurück in die Gaststätte, wo er
  32. bis 2.45 Uhr des Folgetags verblieb. Der Brand wurde gegen 2.00 Uhr von den
  33. im Stockwerk über dem Internet-Café wohnenden, aus dem Schlaf erwachten
  34. Hauseigentümern entdeckt; er hatte bereits auf die Tragbalken der hölzernen
  35. Deckenkonstruktion übergegriffen.
  36. 3
  37. In der Hauptverhandlung beantragte der Verteidiger, zum Beweis dafür,
  38. dass es in der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 2009 "geregnet und gestürmt" habe, einen "Wetterbericht" des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach einzuholen. Hätte der Angeklagte die Gaststätte für längere Zeit verlassen, so hätte er nass werden müssen, was keiner der zu seinem Aufenthalt dort
  39. befragten Zeugen erwähnt habe.
  40. 4
  41. Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die unter
  42. Beweis gestellte Tatsache könne so behandelt werden, als wäre sie wahr. Insbesondere ergebe sich aus einem Polizeibericht, dass "Nieselregen" geherrscht
  43. habe. Im Übrigen sei die behauptete Tatsache bedeutungslos, weil die Strafkammer "aus der Indizwirkung dieses Umstands die gewünschte Beweisbehauptung nicht zu ziehen" beabsichtige.
  44. 5
  45. Im Urteil hat das Landgericht sodann die Einlassung des Angeklagten,
  46. es habe außerordentlich schlechtes Wetter geherrscht, als widerlegt angesehen. Der Polizeibericht stelle für die Tatzeit "lediglich Nieselregen" fest, gegen
  47. den sich der Angeklagte überdies noch durch einen Regenschirm oder durch
  48. Bedecken des Kopfes mit einer Jacke hätte schützen können.
  49. -4-
  50. 6
  51. 2. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
  52. "Die Sachbehandlung des Beweisantrags begegnet - in mehrfacher Hinsicht - durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
  53. Der Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung, der nur bei erheblichen
  54. Tatsachen in Betracht kommt, und der Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit schließen einander aus (BGH NStZ-RR 2003, 269; BGH
  55. NStZ 2004, 51; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl. § 244 Rdnr. 70; Fischer
  56. in KK StPO, 6. Aufl. § 244 Rdnr. 185 m.w.N.). Mit Recht beanstandet
  57. der Beschwerdeführer, dass die Kammer die Beweisbehauptung nicht
  58. in ihrer vollen, aus Sinn und Zweck sich ergebenden Bedeutung als
  59. wahr behandelt, sondern in unzulässiger Weise eingeengt hat (vgl.
  60. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 6; Meyer-Goßner,
  61. StPO 55. Aufl. § 244 Rdnr. 71 m.w.N.). Das Gericht hat die unter Beweis gestellte Tatsache, dass es in der fraglichen Nacht geregnet und
  62. gestürmt habe, unzulässig abgeändert, indem es unterstellt, es hätte
  63. lediglich Nieselregen geherrscht, mithin von einer niedrigeren Niederschlagsintensität ausgeht. Die Niederschlagsmenge war - aus Sicht der
  64. Verteidigung - jedoch ersichtlich entscheidend für die Frage, ob der
  65. Angeklagte bei Regenwetter sich zum Tatort hätte begeben können,
  66. ohne dass seine Kleidung durchnässt gewesen wäre, was den in der
  67. Gaststätte befindlichen Besuchern - nach Auffassung der Revision - jedoch aufgefallen wäre.
  68. Dass das Landgericht in seinem angefochtenen Beschluss nicht mitteilt, ob es die Beweisbehauptung aus tatsächlichen oder rechtlichen
  69. Gründen für bedeutungslos erachtet, begegnet grundsätzlich erheblichen rechtlichen Bedenken (vgl. Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl. § 244
  70. Rdnr. 43a m.w.N.). Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen
  71. Umständen gefolgert, wovon vorliegend auszugehen ist, so müssen die
  72. Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, warum die unter
  73. Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Nov. 2007 - 3 StR 430/07); auch dies hat das Landgericht versäumt."
  74. 7
  75. Dem schließt sich der Senat an.
  76. -5-
  77. 8
  78. 3. Nicht folgen kann der Senat indes der Auffassung des Generalbundesanwalts, es könne ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem
  79. Rechtsfehler beruhe.
  80. 9
  81. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten darauf gestützt, dass die Fenster und die Türen des Internet-Cafés
  82. beim Eintreffen der Feuerwehr verschlossen waren und nur die Hauseigentümer und der Angeklagte über Schlüssel verfügten. Dass sich die Hauseigentümer auf solche Weise selbst gefährdeten, sei auszuschließen. Demgegenüber
  83. habe der Angeklagte ein Motiv für die Tat gehabt. Er habe sich in schlechten
  84. finanziellen Verhältnissen befunden; das Inventar des Internet-Cafés sei mit
  85. 41.000 € gegen Feuer versichert gewesen. Über ein Alibi verfüge er nicht. Keiner der Zeugen, die den Angeklagten in der Gaststätte beobachtet hätten, habe
  86. dessen kurzzeitige Abwesenheit ausschließen können.
  87. 10
  88. Damit hat das Landgericht für den Tatnachweis vorrangig solche Umstände herangezogen, die gegen eine Brandlegung durch andere Personen
  89. sprechen. Indizien, die positiv auf eine Täterschaft des Angeklagten hinweisen,
  90. hat es, abgesehen von der Motivlage, nicht feststellen können. Bei dieser Sachlage hat das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung der Frage eines
  91. Alibis des Angeklagten zu Recht eine wesentliche Bedeutung beigemessen und
  92. eingehend untersucht, ob nach den Aussagen der hierzu vernommenen Zeugen von einer ununterbrochenen Anwesenheit des Angeklagten in der Gast-
  93. -6-
  94. stätte auszugehen ist. Dem widerspräche - jedenfalls aus objektiver Sicht - die
  95. Annahme, das Landgericht hätte sich zweifelsfrei auch dann von der Täterschaft überzeugt, wenn keiner der Zeugen ein äußeres Erscheinungsbild des
  96. Angeklagten bekundet hätte, wie es zu erwarten gewesen wäre, wenn dieser
  97. zwischendurch den Tatort aufgesucht hätte.
  98. Becker
  99. Pfister
  100. Gericke
  101. Mayer
  102. Spaniol