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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 3 StR 289/10
  4. vom
  5. 12. Oktober 2010
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
  9. -2-
  10. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag - am
  11. 12. Oktober 2010 gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO
  12. beschlossen:
  13. 1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 13. April 2010 wird
  14. a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall
  15. II. 1. der Urteilsgründe wegen Erpressung verurteilt worden
  16. ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der
  17. Staatskasse zur Last;
  18. b) das vorbezeichnete Urteil
  19. aa) im Fall II. 6. der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin
  20. geändert, dass der Angeklagte der Bedrohung schuldig
  21. ist und
  22. bb) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im
  23. Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 6. der Urteilsgründe sowie über die Gesamtfreiheitsstrafe und
  24. soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.
  25. -3-
  26. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten
  27. des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  28. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  29. Gründe:
  30. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Erpressung, gefährlicher
  31. 1
  32. Körperverletzung, Betruges in zwei Fällen, Bedrohung in zwei Fällen, in einem
  33. Fall in Tateinheit mit Nachstellung, Diebstahl in zwei Fällen, versuchten Diebstahls und versuchter Nötigung zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die nicht ausgeführte Formalrüge
  34. ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Auf die Sachrüge hat das Rechtsmittel den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es
  35. unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
  36. 1. Der Senat hat das Verfahren im Fall II. 1. der Urteilsgründe auf Antrag
  37. 2
  38. des Generalbundesanwaltes gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO eingestellt.
  39. 3
  40. 2. Im Fall II. 6. der Urteilsgründe führt die Revision des Angeklagten auf
  41. die Sachrüge zur Änderung des Schuldspruchs. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen Nachstellung in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt.
  42. -4-
  43. Die Feststellungen belegen zwar das Vergehen der Bedrohung gemäß § 241
  44. Abs. 1 StGB, nicht hingegen das der Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 StGB.
  45. Dabei kann offen bleiben, ob der Angeklagte seiner Freundin beharrlich im Sinne dieser Strafvorschrift nachgestellt hat. Jedenfalls führten die entsprechenden
  46. Handlungen des Angeklagten bei dem Opfer nicht zu einer schwerwiegenden
  47. Beeinträchtigung der Lebensgestaltung (BGH, Beschluss vom 19. November
  48. 2009 - 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189). Das nachstellende Verhalten des Angeklagten hatte lediglich zur Folge, dass die Geschädigte auf die Telefonanrufe
  49. des Angeklagten teilweise zurückrief, um ihn zu beruhigen, ihm nach Aufforderung einmal in den frühen Morgenstunden Zigaretten vorbei brachte und sich
  50. anschließend selbst keine neuen Zigaretten besorgte, als sie den Angeklagten,
  51. der sie nach Verlassen des Hauses verfolgt hatte, in ihrer Nähe stehen sah.
  52. Danach ist insoweit schon der objektive Tatbestand der Nachstellung nicht erfüllt. Da weitergehende Feststellungen unter diesem Gesichtspunkt nicht zu
  53. erwarten sind, hat der Senat den Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in diesem Fall (allein) der Bedrohung schuldig ist. Dies bedingt die Aufhebung der zugehörigen Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten, da der Senat
  54. nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher
  55. Würdigung aus dem milderen Strafrahmen des § 241 Abs. 1 StGB eine niedrigere Strafe festgesetzt hätte.
  56. 4
  57. Der mit der Teileinstellung des Verfahrens im Fall II. 1. verbundene Wegfall der zugehörigen Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe und die
  58. Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II. 6. der Urteilsgründe hat die Aufhebung
  59. der Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.
  60. -5-
  61. 5
  62. 3. Auch die Ablehnung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält der rechtlichen Nachprüfung
  63. nicht stand.
  64. 6
  65. Nach Ansicht des Landgerichts kam die Anordnung der Unterbringung
  66. des Angeklagten nicht in Betracht, weil dieser die festgestellten Taten nicht aufgrund seiner Polytoxikomanie begangen habe, sondern bei ihm - nach den
  67. überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen - die diagnostizierte Persönlichkeitsstörung als Ursache für die von ihm begangenen Straftaten anzusehen sei, so dass einer Unterbringung einerseits keinerlei Aussicht auf Erfolg
  68. habe und andererseits nicht geeignet sei, weitere Straftaten des Angeklagten
  69. zu verhindern.
  70. 7
  71. Die Annahme des Landgerichts, die Straftaten des Angeklagten seien
  72. (allein) auf dessen dissoziale Persönlichkeit zurückzuführen, lässt einen wesentlichen Teil der getroffenen Feststellungen außer Betracht. Danach verwendete der Angeklagte das von ihm durch seine Vermögensstraftaten erlangte
  73. Geld auch zum Erwerb von Kokain. Schon dies erfordert eine nähere Prüfung,
  74. ob es sich bei den fraglichen Taten um Beschaffungskriminalität handelt, die auf
  75. die Polytoxikomanie des Angeklagten zurückzuführen ist und daher auf dessen
  76. Hang zu übermäßigem Drogenkonsum beruht (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl.,
  77. § 64 Rn. 13 mwN). Entgegen der Ansicht des Landgerichts setzt der insoweit
  78. erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen den Straftaten des
  79. Angeklagten und seinem Hang zum übermäßigen Konsum von Drogen nicht
  80. voraus, dass der Angeklagte bei Begehung der Vermögensdelikte bereits unter
  81. Entzugserscheinungen litt und daher dringend auf Geld zur Beschaffung von
  82. Betäubungsmitteln
  83. angewiesen
  84. war.
  85. Ebenso
  86. wenig
  87. schließt
  88. es
  89. den
  90. symptomatischen Zusammenhang ohne weiteres aus, dass der Angeklagte auf
  91. -6-
  92. Kokain verzichten konnte, wenn es ihm nicht gelang, sich das erforderliche
  93. Geld zu beschaffen.
  94. 8
  95. Die Urteilsgründe lassen darüber hinaus besorgen, das Landgericht
  96. könnte verkannt haben, dass die Voraussetzungen des § 64 StGB nicht schon
  97. deshalb verneint werden können, weil außer dem Rauschmittelmissbrauch noch
  98. weitere Störungen eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen.
  99. Namentlich steht ein Zusammentreffen von Rauschmittelabhängigkeit mit Persönlichkeitsstörungen der Anordnung nach § 64 StGB nicht von vornherein entgegen (vgl. Fischer, aaO, Rn. 12 mwN). Danach besteht auch für die Verneinung der Erfolgsaussicht einer Entziehungsunterbringung und die durch das
  100. Landgericht getroffene negative Gefahrprognose keine ausreichend tragfähige
  101. Grundlage.
  102. Becker
  103. Pfister
  104. Schäfer
  105. Hubert
  106. Mayer