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469 lines
21 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 3 StR 197/14
  5. vom
  6. 2. April 2015
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung
  10. im Ausland
  11. -2-
  12. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. April 2015,
  13. an der teilgenommen haben:
  14. Richter am Bundesgerichtshof
  15. Dr. Schäfer
  16. als Vorsitzender,
  17. die Richter am Bundesgerichtshof
  18. Pfister,
  19. Mayer,
  20. Gericke,
  21. Richterin am Bundesgerichtshof
  22. Dr. Spaniol
  23. als beisitzende Richter,
  24. Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
  25. Staatsanwalt
  26. - bei der Verkündung -
  27. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  28. Rechtsanwalt
  29. Rechtsanwalt
  30. aus Berlin,
  31. aus Berlin
  32. als Verteidiger,
  33. Justizamtsinspektor
  34. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
  35. für Recht erkannt:
  36. - in der Verhandlung - ,
  37. -3-
  38. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 8. November 2013 wird verworfen.
  39. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
  40. tragen.
  41. Von Rechts wegen
  42. Gründe:
  43. 1
  44. Das Kammergericht Berlin hat den Angeklagten wegen Werbens um
  45. Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland in
  46. vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten
  47. verurteilt sowie zu seinen Lasten zwei PCs, einen Laptop, zwei externe Festplatten und einen Memorystick eingezogen. Die Revision des Angeklagten rügt
  48. die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das
  49. Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
  50. I.
  51. 2
  52. Nach den Feststellungen begeisterte sich der als Palästinenser im Libanon aufgewachsene Angeklagte mehr und mehr für die terroristische Organisation Al Qaida, die sich nach seiner Auffassung als einzige wirklich für die Sache
  53. der Palästinenser einsetzt. Ab dem Jahre 2008 schloss er sich dem Internetforum "Ansar al-Mujahideen" an, einem Netzwerk aus mehreren jihadistischen
  54. -4-
  55. Websites, das die Unterstützung des gewaltsamen "Jihad" im Sinne der Ideologie von Al Qaida zum Ziel hat und dessen sich auch die Al QaidaMedienorganisationen regelmäßig für ihre Veröffentlichungen bedienen. Unter
  56. Nutzung seiner Kenntnisse über computergestützte Filmbearbeitung beteiligte
  57. er sich dort zunächst an der Gestaltung der Internetauftritte. Im Jahre 2009
  58. entschloss er sich, Al Qaida durch eigene Medienarbeit zu unterstützen. Hierzu
  59. fertigte er mehrere Videobeiträge an und stellte diese im Forum "Ansar alMujahideen" bzw. in dessen Unterforen mittels Links zum Herunterladen bereit
  60. "in der Hoffnung, eine möglichst große Zahl von Nutzern zur Teilnahme am
  61. Jihad als Mitglied von Al Qaida oder zu deren Unterstützung, insbesondere
  62. durch Spenden, zu bewegen."
  63. 3
  64. 1. Am 12. April 2009 stellte er eine selbst gefertigte Videocollage mit
  65. dem Titel "Wir sind Angehörige des Monotheismus, Knechte des Einen" in das
  66. offen zugängliche "Forum für islamische Videos und Audios" ein (Fall B. IV. 1.
  67. der Urteilsgründe). Sie reiht unter Einblendung des Logos des AnsarNetzwerkes in rascher Folge Kampfszenen aus Filmen über die Kreuzzüge sowie Aufnahmen vom Kampf jihadistischer Gruppen gegen russische Soldaten in
  68. Afghanistan, von den Anschlägen des 11. September 2001 und vom Training
  69. jihadistischer Gruppierungen in der Gegenwart aneinander. Unterlegt ist die
  70. Darstellung mit Aufnahmen Usama Bin Ladens, mit Texten und mit Gesang.
  71. Unter anderem singt ein Männerchor: "Für Dich opfern wir unsere Seelen und
  72. werden nicht davon ablassen, oh Du Heimat, für Dich und Deinetwegen sind
  73. wir bereit, unser Leben zu geben". Im Abspann folgt der Appell "Vergesst nicht,
  74. Eure Brüder, die Mujahideen, und alle Muslime mit Eurem Gebet zu unterstützen".
  75. -5-
  76. 4
  77. 2. Am 19. April 2009 stellte er - wiederum unter Verwendung des Logos
  78. des Netzwerkes "Ansar al-Mujahideen" - die von ihm bearbeitete Aufzeichnung
  79. eines Interviews von
  80. J.
  81. mit Usama Bin Laden ein (Fall B. IV. 2. der Ur-
  82. teilsgründe). In dem Interview erklärt Bin Laden die Teilnahme am Jihad angesichts der antiislamischen Aggression des Westens zur Pflicht eines jeden Muslim. Jeder solle hervortreten und Juden und Amerikaner töten. Angefügt sind
  83. u.a. Bildsequenzen von den Anschlägen des 11. September 2001. Im Abspann
  84. folgt der Aufruf, "unsere Brüder, die Mujahideen, nicht zu vergessen hinsichtlich
  85. Eures aufrichtigen Bittgebets und Eurer Geldmittel und Eurer Leben".
  86. 5
  87. 3. Am 8. Juli 2009 stellte er eine selbst gefertigte Videocollage mit dem
  88. Titel "Nur nicht meinen Liebling, Ihr ungläubigen Flegel" in ein offenes Forum
  89. ein (Fall B. IV. 3. der Urteilsgründe). Sie befasst sich mit den Veröffentlichungen der sog. Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Tageszeitung im September 2005. Wiedergegeben werden Aufrufe zur Rache für die "Verunglimpfung des Propheten", daneben werden Bildersequenzen mit Sprengstoffanschlägen und kämpfenden Mujahideen gezeigt. In Gesängen wird zum Jihad
  90. aufgerufen. Es folgen Bilder von sieben "Märtyrern" aus dem Umfeld von Al
  91. Qaida auf dem Totenbett, eine Aufnahme des Attentäters des Anschlags von Al
  92. Qaida auf die dänische Botschaft in Islamabad am 2. Juni 2008 sowie die Abschiedserklärung des Selbstmordattentäters auf die US-amerikanische Botschaft in Khost/Afghanistan am 2. Juli 2008, die dieser ausdrücklich als Rache
  93. für die "Verhöhnung des Gesandten" verübt hatte. Auch hier folgt im Abspann
  94. der Aufruf, "unsere Brüder, die Mujahideen, nicht zu vergessen hinsichtlich Eures aufrichtigen Bittgebets und Eurer Geldmittel und Eurer Leben".
  95. -6-
  96. 6
  97. 4. Schließlich stellte er die bearbeite Fassung eines am 26. August 2009
  98. erschienenen Videofilms über einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation
  99. in Nazran/Inguschetien in das Forum ein (Fall B. IV. 4. der Urteilsgründe). In
  100. den Originalfilm eingefügt hatte der Angeklagte u.a. den Ruf "Hier spricht die
  101. Stimme des Kaukasus, Du unser Scheich Bin Laden", die Einblendung des
  102. Schriftzuges "Scheich der Mujahideen, Usama Bin Laden. Möge ihn Allah beschützen und am Leben erhalten" sowie eine Rede Bin Ladens mit einem Aufruf zur Teilnahme am gewaltsamen Jihad.
  103. II.
  104. 7
  105. Die erhobenen Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
  106. StPO.
  107. III.
  108. 8
  109. Auch die Sachrüge bleibt ohne Erfolg.
  110. 9
  111. 1. Die Annahme des Kammergerichts, der Angeklagte habe mit der Einstellung der Videobeiträge in die Internet-Foren jeweils um Mitglieder und
  112. Unterstützer der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida geworben
  113. (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB), hält rechtlicher
  114. Überprüfung stand.
  115. -7-
  116. 10
  117. a) Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 16. Mai 2007
  118. - AK 6/07, StB 3/07, BGHSt 51, 345, 353; vom 19. Juli 2012 - 3 StR 218/12,
  119. StV 2013, 303) wirbt im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB um Mitglieder für
  120. eine terroristische Vereinigung, wer sich um die Gewinnung von Personen bemüht, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation einer bestimmten derartigen Vereinigung einfügen. Um Unterstützer wirbt, wer bei anderen die Bereitschaft wecken will, die Tätigkeit oder die Bestrebungen einer solchen Vereinigung direkt oder über eines ihrer Mitglieder zu fördern, ohne sich selbst als Mitglied in die Organisation einzugliedern. Dies bedeutet eine Umgrenzung des
  121. Tatbestandes in zweifacher Hinsicht:
  122. 11
  123. Erforderlich ist zunächst eine Gedankenäußerung, die sich nach dem
  124. Verständnis des Adressaten als Werbung zugunsten einer konkreten
  125. terroristischen Vereinigung darstellt. Ein allgemein gefasster Aufruf, sich an
  126. nicht näher gekennzeichneten terroristischen Aktivitäten zu beteiligen, reicht für
  127. den
  128. hiernach
  129. notwendigen
  130. Organisationsbezug
  131. nicht
  132. aus.
  133. Auch
  134. die
  135. Aufforderung, sich dem "Jihad" anzuschließen, genügt für sich genommen
  136. nicht, da dieser Begriff nicht allein für den Kampf einer oder mehrerer
  137. bestimmter terroristischer Vereinigungen steht, sondern für eine Vielzahl von
  138. islamistischen Aktivitäten, selbst wenn diese nicht durch terroristische
  139. Vereinigungen unternommen werden. Etwas anderes kann für den Aufruf zum
  140. "Jihad" nur gelten, wenn er durch eine Person vorgenommen wird, die eine
  141. Vereinigung derartig herausgehoben repräsentiert, dass sich allein daraus
  142. ausreichend konkret ergibt, die Aufforderung gelte zu allererst oder zumindest
  143. auch zu Gunsten der repräsentierten Vereinigung (BGH aaO).
  144. -8-
  145. 12
  146. Notwendig ist daneben die Abgrenzung zum bloßen Werben um
  147. Sympathie. Nicht ausreichend ist das befürwortende Eintreten für eine konkrete
  148. terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus
  149. begangenen Straftaten sowie die Verherrlichung der Ideologie, aus der
  150. verschiedene derartige Vereinigungen ihre Tätigkeit legitimieren und die
  151. gegebenenfalls auch Einzelpersonen zur Legitimation der Begehung von
  152. Straftaten dient (BGH aaO). Dass derartige Äußerungen regelmäßig auch mit
  153. der stillschweigenden Erwartung einhergehen werden, beim Adressaten
  154. Überlegungen hin zu einem Anschluss an die Vereinigung oder zu deren
  155. Unterstützung auszulösen und dieser so neuen Zulauf zu verschaffen, kann
  156. hieran nichts ändern. Um die gebotene Abgrenzung zur straflosen bloßen
  157. Sympathiewerbung zu gewährleisten, muss vielmehr festgehalten werden am
  158. Erfordernis eines sich dem Adressaten - wenn auch nur aus den
  159. Gesamtumständen - erschließenden eigenen Inhalts der Erklärung dahin, sie
  160. diene gezielt der Gewinnung von Mitgliedern oder Unterstützern zu Gunsten
  161. einer konkreten Organisation (BGH aaO).
  162. 13
  163. Für die Beurteilung, ob der Äußerung ein in diesem Sinne werbender
  164. Charakter zukommt, gelten die allgemein an die Ermittlung des Inhalts einer
  165. Erklärung anzulegenden Maßstäbe (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September
  166. 2012 - 3 StR 314/12, StraFo 2013, 123, 125). Die Auslegung von schriftlichen
  167. und mündlichen Äußerungen auf ihren tatsächlichen Gehalt ist Sache des
  168. Tatrichters (BGH, Urteil vom 15. März 1994 - 1 StR 179/93, BGHSt 40, 97, 101;
  169. Beschluss vom 16. Mai 2012 - 3 StR 33/12, NStZ 2012, 564). Kriterien für die
  170. Auslegung sind der Wortlaut, der sprachliche Kontext der Äußerung sowie die
  171. für die Zuhörer erkennbaren Begleitumstände, unter denen die Äußerung fällt
  172. (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2002 - 3 StR 446/01, NStZ 2002, 592).
  173. Maßgeblich ist das Verständnis des Durchschnittsadressaten (BGH, Urteil vom
  174. -9-
  175. 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 19). Schon nach einfach-rechtlichen,
  176. im
  177. Hinblick
  178. auf
  179. Meinungsfreiheit
  180. die
  181. wertsetzende
  182. (Art.
  183. 5
  184. GG)
  185. Bedeutung
  186. insbesondere
  187. des
  188. Grundrechts
  189. aber
  190. auch
  191. der
  192. nach
  193. verfassungsrechtlichen Anforderungen ist dabei zu beachten, dass einer
  194. Aussage keine Bedeutung beigelegt werden, die sie objektiv nicht hat, und
  195. dass im Falle der Mehrdeutigkeit einer Aussage nicht von der zur Verurteilung
  196. führenden
  197. Deutung
  198. ausgegangen
  199. werden
  200. darf,
  201. ohne
  202. dass
  203. andere
  204. Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen worden sind
  205. (BVerfG, Beschlüsse vom 19. April 1990 - 1 BvR 40/86 u.a., BVerfGE 82, 43;
  206. vom 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 u.a., BVerfGE 93, 266, 295 f.; vom
  207. 29. Juli 1998 - 1 BvR 287/93, NJW 1999, 204, 205; BGH, Beschluss vom
  208. 7. Februar 2002 - 3 StR 446/01, NStZ 2002, 592). Lässt eine Sinngebung
  209. danach Verstöße gegen Denk- oder Sprachgesetze oder gegen das Gebot
  210. umfassender Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände nicht erkennen,
  211. so muss sie vom Revisionsgericht als rechtsfehlerfrei hingenommen werden
  212. (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 19).
  213. 14
  214. b) Nach diesen Maßstäben ist die Bewertung des Kammergerichts, den
  215. festgestellten Inhalten der Veröffentlichungen sei jeweils eine Aufforderung an
  216. die Adressaten zu entnehmen, auf der Seite von Al Qaida an Gewaltakten
  217. teilzunehmen oder die Vereinigung zu unterstützen, nicht zu beanstanden.
  218. 15
  219. aa) Die unter B. IV. 1. der Urteilsgründe beschriebene Collage vermischt
  220. in schneller Abfolge Szenen aus Filmen über die Kreuzzüge, Darstellungen von
  221. Kampfhandlungen heutiger "Jihadisten" sowie Bilder von den Anschlägen des
  222. 11. September 2001 und blendet dabei wiederholt auch Aufnahmen von Usama
  223. bin Laden ein. Akustisch begleitet wird das Video von Tonaufnahmen, die das
  224. "Märtyrertum" verherrlichen. Der vom Kammergericht aus einer Gesamtschau
  225. dieser Umstände gezogene Schluss, der Angeklagte habe dem Adressaten
  226. - 10 -
  227. vermitteln wollen, die Teilnahme am gewaltsamen "Jihad" unter Führung von Al
  228. Qaida und Usama bin Laden sei die legitime Fortsetzung eines seit den
  229. Kreuzzügen andauernden Abwehrkampfs der Muslime gegen Aggressionen der
  230. westlichen Welt und damit Pflicht eines jeden Gläubigen, lässt Rechtsfehler
  231. nicht erkennen. Dieser Gesamteindruck wird insbesondere mit Blick auf den
  232. Adressatenkreis nicht dadurch entscheidend relativiert, dass der Angeklagte im
  233. Abspann zu der 6:20 Minuten langen Kollage (lediglich) noch dazu aufforderte,
  234. "die Mujahideen und alle Muslime" durch Gebete zu unterstützen.
  235. 16
  236. bb) In dem unter B. IV. 2. der Urteilsgründe dargestellten Video fordert
  237. Usama Bin Laden zur Teilnahme am "Jihad" und damit - nach dem
  238. Gesamtzusammenhang - zu gewaltsamen Aktionen an der Seite von Al Qaida
  239. auf. Diesen Aufruf machte sich der Angeklagte erkennbar dadurch zu eigen,
  240. dass er seinerseits an die Adressaten mit der Bitte herantrat, die "Brüder" mit
  241. Geldmitteln und unter Einsatz ihres Leben zu unterstützen.
  242. 17
  243. cc) Entsprechendes gilt im Falle B. IV. 3. der Urteilsgründe. Die Collage
  244. stellt Aufrufe zur Rache wegen der Veröffentlichung der MohammedKarikaturen in einen engen Zusammenhang mit terroristischen Aktionen gerade
  245. von Al Qaida; auch hier appellierte der Angeklagte an die Adressaten, die
  246. "Brüder" mit Geldmitteln und unter Einsatz ihres Leben zu unterstützen.
  247. 18
  248. dd) Auch im Falle B. IV. 4. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte
  249. schließlich den wiedergegebenen Aufruf Usama Bin Ladens zur Teilnahme am
  250. "Jihad" und damit zu gewaltsamen Aktionen an der Seite von Al Qaida
  251. erkennbar zu Eigen gemacht. Seine Einfügungen bezeichnen Usama Bin
  252. Laden als "unseren Scheich" sowie als "Scheich der Muhajideen" und betonen
  253. so dessen von ihm anerkannte führende Rolle im gewaltsamen "Jihad" ebenso
  254. wie dessen Autorität in Glaubensfragen.
  255. - 11 -
  256. 19
  257. 2. Auch der Strafausspruch hat Bestand.
  258. 20
  259. a) Dies gilt auch, soweit das Kammergericht zu Lasten des Angeklagten
  260. berücksichtigt hat, dass dieser nach der Hausdurchsuchung am 28. September
  261. 2009 seine jihadistischen Aktivitäten fortsetzte. Auch wenn für die Zeit nach der
  262. Begehung der letzten abgeurteilten Tat im August 2009 keine Straftaten des
  263. Angeklagten mehr festgestellt wurden, hat der Strafsenat ausreichend dargelegt, dass der Angeklagte sich auch danach nicht, wie die Revision meint, auf
  264. seine Information über jihadistische Aktivitäten beschränkte, sondern seinerseits Aktivitäten im Hinblick auf die Fertigung neuer Videofilme über jihadistische Themen entwickelte. Dies durfte der Tatrichter als Nachtatverhalten werten, aus dem sich Rückschlüsse auf die Einstellung des Angeklagten zu seinen
  265. Taten ziehen lassen.
  266. 21
  267. b) Ebenso wenig unterliegt die straferschwerende Berücksichtigung des
  268. Umstandes, dass der Angeklagte nicht davor zurückschreckte, seinen Sohn in
  269. seine gewaltverherrlichenden Aktivitäten einzubeziehen und dessen kindliche
  270. Entwicklung durch rigide Glaubensvorstellungen "in Art einer Gehirnwäsche" zu
  271. beeinflussen, einem Rechtsfehler. Zwar garantiert Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG den
  272. Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder und umfasst zusammen mit Art. 4
  273. Abs. 1 GG auch das Recht zur Kindererziehung in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02,
  274. BVerfGE 108, 282, 301 mwN; Beschluss vom 21. Juli 2009 - 1 BvR 1358/09,
  275. NJW 2009, 3151, 3152 mwN), wobei die Grundrechte auch bei der Strafzumessung als Wertmaßstäbe Beachtung verlangen (vgl. BVerfG, Beschluss vom
  276. 5. März 1968 - 1 BvR 579/67, BVerfGE 23, 127, 133 f.). Doch ergibt der Zu-
  277. - 12 -
  278. sammenhang der Urteilsdarlegungen des Kammergerichts, dass es zu Lasten
  279. des Angeklagten nicht die religiöse Erziehung seines Sohnes, sondern dessen
  280. Einbeziehung in seine gewaltverherrlichenden Aktivitäten berücksichtigt hat, die
  281. vom Erziehungsrecht nicht umfasst sind. Diese Bewertung wird von den Feststellungen auch getragen, wonach der Angeklagte als Arbeitsmaterial für seine
  282. jihadistischen Beiträge im Internet auch Bilder seines achtjährigen Sohnes erstellt hat, die diesen mit wollener Gesichtsmaske und einer Gewehrattrappe in
  283. der Hand zeigen, die ungefähr seine Größe erreicht (UA S. 45).
  284. IV.
  285. 22
  286. Schließlich hält auch die Einziehung zweier näher bezeichneter PC, eines Laptop, zweier externer Festplatten und eines Memorystick der rechtlichen
  287. Überprüfung stand. Das Kammergericht ist zutreffend davon ausgegangen,
  288. dass die Computer nebst Zubehör vorliegend als Tatmittel anzusehen sind und
  289. deshalb nach § 74 Abs. 1 Alt. 2 StGB als Einziehungsgegenstand in Betracht
  290. kommen (BGH, Beschlüsse vom 28. August 2012 - 4 StR 278/12, BGHR StGB
  291. § 74b Abs. 2 Einziehung 1; vom 8. Februar 2012 - 4 StR 657/11, NStZ 2012,
  292. 319). Entgegen dem Revisionsvorbringen ist es auch nicht rechtsfehlerhaft,
  293. dass der Strafsenat die Einziehung nicht mit der Auflage, die Festplatten zu
  294. löschen, nach § 74b Abs. 2 StGB lediglich vorbehalten hat.
  295. 23
  296. Gemäß § 74b Abs. 2 StGB hat das Gericht anzuordnen, dass die Einziehung lediglich vorbehalten bleibt und eine weniger einschneidende Maßnahme
  297. zu treffen ist, wenn der Zweck der Einziehung auch durch sie erreicht werden
  298. kann. Die Einziehung dient allerdings keinem einzelnen Zweck. Sie verfolgt
  299. nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung vielmehr eine mehrspurige Konzeption
  300. - 13 -
  301. verschiedener repressiver und präventiver Zwecke und hat damit je nach den
  302. Umständen des Falles Straf- und/oder Sicherungscharakter. Soweit im Einzelfall sowohl die Voraussetzungen einer personen- als auch objektbezogenen
  303. Einziehung gegeben sind, bestimmt sich der Rechtscharakter der Sanktion
  304. nach dem Zweck, dem unter Berücksichtigung der konkreten Umstände das
  305. entscheidende Gewicht beizumessen ist (S/S-Eser, 29. Aufl., vor § 73 ff.,
  306. Rn. 13 ff.). Im Fall der Einziehung nach § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB steht
  307. regelmäßig deren Strafcharakter im Vordergrund, da diese hier im Wesentlichen an täterbezogene Merkmale - die Schuld und das Eigentum des Täters anknüpft, während der eingezogene Gegenstand an sich keine Gefährlichkeit
  308. aufweist (S/S-Eser, 29. Aufl., vor § 73 ff., Rn. 14). Das Strafübel ist im Verlust
  309. des Eigentums an dem eingezogenen Gegenstand zu sehen. Dieses lässt sich
  310. indes nur durch die Einziehung des Gegenstandes erreichen, während denkbare weniger einschneidende Maßnahmen zwar den Sicherungszweck, nicht aber
  311. den Strafzweck der Einziehung erfüllen können (S/S-Eser, 29. Aufl., § 74b,
  312. Rn. 6; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 74b Rn. 3).
  313. 24
  314. So liegt der Fall hier. Das Kammergericht hat die Einziehung auf § 74
  315. Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB gestützt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich entnehmen, dass die Einziehung der Computer samt Zubehör, die dem Angeklagten nicht allein zur Vorbereitung und Begehung der abgeurteilten Taten dienten, sondern ihn umfassend in das Ansar-Netzwerk als
  316. einen der wesentlichen Moderatoren einbanden (vgl. UA S. 42 ff.), als Strafsanktion dienen sollte. Dieser Zweck konnte mit weniger einschneidenden
  317. Maßnahmen wie der Löschung der Festplatten nicht erreicht werden, zumal
  318. sich der Angeklagte von der Durchsuchung in vorliegender Sache nicht davon
  319. abhalten ließ, mit neuen Geräten seine Aktivitäten zur Herstellung von
  320. Videocollagen und dergleichen wieder aufzunehmen. Im Hinblick auf die her-
  321. - 14 -
  322. vorragende Bedeutung der eingezogenen Computer nebst Zubehör für die Begehung der abgeurteilten Taten und des nicht allzu hohen Wertes der - vom
  323. Angeklagten bald wieder ersetzten - Geräte stellt es auch keinen Rechtsfehler
  324. dar, dass das Kammergericht die Einziehung nicht ausdrücklich mildernd bei
  325. der Strafzumessung berücksichtigt hat.
  326. 25
  327. Der Einziehung steht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
  328. wonach bei Verurteilungen wegen des Herunterladens oder Vorführens kinderpornographischen Materials regelmäßig ein Vorbehalt der Einziehung der verwendeten Computer bei Auflage weniger einschneidender Maßnahmen zu erörtern ist (BGH, Beschlüsse vom 28. November 2008 - 2 StR 501/08, BGHSt 53,
  329. 69, 70 f.; vom 1. Januar 2012 - 4 StR 612/11; vom 8. Februar 2012 - 4 StR
  330. 657/11, NStZ 2012, 319; vom 28. August 2012 - 4 StR 278/12, BGHR StGB
  331. § 74b Abs. 2 Einziehung 1), nicht entgegen. Die Entscheidung des 2. Senats,
  332. auf die diese Rechtsprechung jeweils verweist (BGH, Beschluss vom
  333. - 15 -
  334. 28. November 2008 - 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69 ff.), sah in dem beschlagnahmten Computer einen individualgefährlichen Gegenstand nach § 74 Abs. 2
  335. Nr. 2 StGB, so dass der Sicherungscharakter der Einziehung im Vordergrund
  336. stand, dem gegebenenfalls auch mit weniger einschneidenden Maßnahmen
  337. Rechnung getragen werden kann.
  338. Schäfer
  339. Pfister
  340. Gericke
  341. Mayer
  342. Spaniol