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7.8 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 3 StR 115/11
  4. vom
  5. 8. Juni 2011
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Beihilfe zum Betrug u.a.
  9. -2-
  10. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 8. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 4
  11. StPO einstimmig beschlossen:
  12. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
  13. Hannover vom 24. September 2010, soweit es sie betrifft, mit den
  14. Feststellungen aufgehoben.
  15. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
  16. über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
  17. des Landgerichts zurückverwiesen.
  18. Gründe:
  19. 1
  20. Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit "Urkundenfälschung" (aus den Gründen ergibt sich: in Tateinheit mit
  21. Beihilfe zur Urkundenfälschung) in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von einem
  22. Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Weiter
  23. hat es der Angeklagten zur Auflage gemacht, 400 Stunden gemeinnützige Arbeit nach Weisung der Jugendgerichtshilfe abzuleisten. Es hat festgestellt,
  24. dass die Angeklagte aus den Taten 39.700 € erlangt hat, dem Verfall von Wertersatz aber Ansprüche Verletzter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit der auf eine Verfahrensrüge und die Beanstandung der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrüge
  25. kommt es daher nicht an.
  26. -3-
  27. 2
  28. 1. Das Landgericht hat die Verurteilung der Angeklagten auf folgende
  29. Feststellungen gestützt:
  30. 3
  31. Der Ehemann der Angeklagten hatte sich entschlossen, sich in den Besitz von Kraftfahrzeugen gehobener Fahrzeugklassen zu bringen, um sie unter
  32. Vorlage unechter Urkunden zu veräußern.
  33. 4
  34. In Ausführung dieses Entschlusses mietete er am 4. März 2009 durch
  35. Vorspiegeln seiner tatsächlich nicht vorhandenen Absicht, das Kraftfahrzeug
  36. ordnungsgemäß zurückzugeben, bei einem gewerblichen Vermieter einen Pkw
  37. der Marke Daimler Benz 350S im Wert von 55.000 €. Er ließ sich von einem
  38. Dritten passende unechte Zulassungsbescheinigungen auf gestohlenen Blankoformularen herstellen. Am 13. März 2009 verkaufte er das Fahrzeug weiter.
  39. Die Angeklagte unterstützte ihren Ehemann in Kenntnis der Herkunft des Kraftfahrzeugs bei den Verkaufsgesprächen, indem sie dem Käufer und dessen
  40. Ehefrau suggerierte, sie und ihr Ehemann lebten in guten finanziellen Verhältnissen und seien rechtmäßig im Eigenbesitz des Fahrzeugs. Der Käufer, dem
  41. sie den Pkw überließen, zahlte einen Kaufpreis in Höhe von 39.100 €.
  42. 5
  43. Der Ehemann der Angeklagten mietete in weiterer Umsetzung seines
  44. Tatentschlusses am 23. März 2009 ein Kraftfahrzeug der Marke Porsche Carrera im Wert von 68.550 €. Am 26. März 2009 verkaufte er den Pkw an einen
  45. Dritten. Die Angeklagte, die über den Tatentschluss ihres Ehemanns informiert
  46. war, unterstützte ihn bei den Verkaufsverhandlungen, indem sie dem Käufer im
  47. Verein mit ihrem Ehemann zunächst am Telefon und anschließend anlässlich
  48. einer persönlichen Begegnung vorspiegelte, der zweite Schlüssel des Kraftfahrzeugs könne dem Käufer nicht überlassen werden, weil sie ihn zuhause
  49. vergessen habe. Der Käufer, dem der Pkw übergeben wurde, zahlte einen
  50. Kaufpreis von 57.000 €.
  51. -4-
  52. 6
  53. 2. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung in zwei Fällen
  54. nicht; sie sind zum objektiven Tatbestand der Betrugstaten unzureichend. Es
  55. fehlen Angaben zu Art und Höhe des den Käufern der Kraftfahrzeuge entstandenen Schadens. Eine Schädigung der Käufer in Höhe des vollen von ihnen
  56. entrichteten Kaufpreises, auf den das Landgericht jeweils Bezug nimmt, setzte
  57. voraus, dass sie im Gegenzug kein Eigentum an den Kraftfahrzeugen erlangten. Dazu, insbesondere zu den Voraussetzungen des § 932 Abs. 2 BGB unter
  58. besonderer Berücksichtigung des Gutglaubenserwerbs von Kraftfahrzeugen bei
  59. Vorlage unechter Zulassungsbescheinigungen (BGH, Urteil vom 23. Mai 1966
  60. - VIII ZR 60/64, BB 1966, 720 f.; OLG München, Urteil vom 26. Mai 2011
  61. - 23 U 434/11, juris Rn. 20 ff.; MünchKommBGB/Oechsler, 5. Aufl., § 932
  62. Rn. 56), legt das Landgericht nichts dar.
  63. 7
  64. Dies entzieht nicht nur dem Strafausspruch, sondern bereits dem
  65. Schuldspruch die Grundlage. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts
  66. kann dieser nicht deswegen bestehen bleiben, weil bei den Käufern auch im
  67. Falle ihres gutgläubigen Eigentumserwerbs wegen des nicht unerheblichen
  68. Prozessrisikos jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der schadensgleichen Vermögensgefährdung ein Betrugsschaden eingetreten sei (BGH, Urteil vom
  69. 8. Mai 1990 - 1 StR 52/90, JR 1990, 517, 518; Beschluss vom 15. Januar 2003
  70. - 5 StR 525/02, wistra 2003, 230 f.). Denn nach der neueren Rechtsprechung
  71. des Bundesverfassungsgerichts zum Vermögensnachteil im Sinne des § 266
  72. Abs. 1 StGB, die in gleicher Weise für das Merkmal des Vermögensschadens
  73. nach § 263 Abs. 1 StGB relevant ist, ist es im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG erforderlich, eigenständige Feststellungen zum
  74. Vorliegen des Vermögensschadens zu treffen, um so dieses Tatbestandsmerkmal von den übrigen Tatbestandsmerkmalen des § 263 Abs. 1 StGB so-
  75. -5-
  76. wie die Fälle des versuchten von denen des vollendeten Betruges hinreichend
  77. deutlich abzugrenzen. Nur so lässt sich auch eine tragfähige Aussage zur
  78. Stoffgleichheit zwischen der vom Opfer erlittenen Vermögenseinbuße und dem
  79. vom Täter erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteil treffen. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fallgestaltungen abgesehen bedeutet dies, dass der
  80. Schaden der Höhe nach zu beziffern und seine Ermittlung in wirtschaftlich
  81. nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darzulegen ist (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 211 f.).
  82. 8
  83. Daran fehlt es hier. Weder ist ersichtlich, nach welchen wirtschaftlich
  84. nachvollziehbaren Maßstäben ein bezifferbarer Vermögensschaden allein in
  85. dem Bestehen eines zivilrechtlichen Prozessrisikos liegen kann, wenn nach
  86. dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Strafverfahren feststeht oder nicht ausschließbar ist, dass der getäuschte Käufer gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug erworben hat, noch werden Parameter für die Berechnung der Höhe eines
  87. solchen Schadens erkennbar.
  88. 9
  89. 3. Aufgrund der unzureichenden Feststellungen unterliegt das landgerichtliche Urteil der Aufhebung, soweit es die Angeklagte betrifft, ohne dass es
  90. noch auf die Rügen der Revision betreffend die Anwendung der § 17 Abs. 2,
  91. § 8 Abs. 2 Satz 1 JGG und den Angriff gegen die der Revision unterliegende
  92. (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - 2 StR 524/09, BGHSt 55, 62
  93. Rn. 7 ff.) Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO ankäme. Auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts wird insoweit hingewiesen.
  94. Von der Aufhebung nicht betroffen ist die in den Gründen des landgerichtlichen
  95. Urteils enthaltene Entscheidung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 bis 4 StPO, die einer
  96. Überprüfung lediglich auf sofortige Beschwerde zugänglich (BGH, Beschluss
  97. vom 24. Juni 2009 - 4 StR 188/09, BGHSt 54, 30 ff.) und nicht Gegenstand der
  98. -6-
  99. Revision der Angeklagten ist. Eine Erstreckung der Aufhebung auf den wegen
  100. anderer Taten verurteilten Mitangeklagten scheidet aus, § 357 Satz 1 StPO.
  101. 10
  102. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das
  103. Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO das Landgericht nicht
  104. hindert, aufgrund der neu zu treffenden Feststellungen zu einer Verschärfung
  105. des Schuldspruchs zu gelangen. Das Landgericht wird - gegebenenfalls nach
  106. Erteilung eines entsprechenden Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO - das der
  107. Angeklagten zur Last gelegte Tun unter dem Gesichtspunkt der Hehlerei nach
  108. § 259 Abs. 1 StGB in der Variante der Absatzhilfe zu untersuchen haben.
  109. Becker
  110. RiBGH Hubert ist erkrankt
  111. und daher gehindert zu
  112. unterschreiben.
  113. Becker
  114. Mayer
  115. Schäfer
  116. Menges