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845 lines
38 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 481/17
  4. vom
  5. 6. März 2018
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. 1.
  9. 2.
  10. 3.
  11. wegen (versuchten) schweren Bandendiebstahls u.a.
  12. ECLI:DE:BGH:2018:060318B2STR481.17.0
  13. -2-
  14. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. März 2018 gemäß § 132
  15. Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
  16. 1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:
  17. Bei (vollendetem) schwerem Bandendiebstahl (§ 244a Abs. 1,
  18. § 244 Abs. 1 Nr. 3, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Var. 1 StGB) oder
  19. (vollendetem) Wohnungseinbruchdiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3
  20. Var. 1 StGB) steht eine zugleich begangene Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) stets im Verhältnis der Tateinheit
  21. (§ 52 Abs. 1 StGB); sie tritt nicht im Wege der Gesetzeseinheit
  22. in Form der Konsumtion hinter den schweren Bandendiebstahl
  23. oder den Wohnungseinbruchdiebstahl zurück.
  24. 2. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob der beabsichtigten Entscheidung Rechtsprechung der anderen Strafsenate entgegensteht und ob gegebenenfalls an dieser festgehalten wird.
  25. Gründe:
  26. Das
  27. 1
  28. Landgericht
  29. hat
  30. den
  31. Angeklagten S.
  32. wegen
  33. schweren
  34. Bandendiebstahls in neun Fällen, wobei es in sechs Fällen bei einem Versuch
  35. blieb, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, sowie wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in vier Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb,
  36. jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
  37. -3-
  38. fünf Jahren und drei Monaten, den Angeklagten G.
  39. wegen schweren
  40. Bandendiebstahls in sechs Fällen, wobei es in drei Fällen bei einem Versuch
  41. blieb, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, sowie wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in drei Fällen, wobei es in einem Fall bei einem Versuch blieb,
  42. jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung und wegen Computerbetrugs in
  43. zwei Fällen unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
  44. Jahren und sechs Monaten, die Angeklagte
  45. J.
  46. wegen versuchten
  47. schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung, wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in fünf Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch
  48. blieb, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, sowie wegen Computerbetrugs in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
  49. Überdies hat das Landgericht Einziehungsentscheidungen getroffen. Gegen
  50. dieses Urteil richten sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten.
  51. I.
  52. 2
  53. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen brachen die
  54. Angeklagten in wechselnder Besetzung – teilweise unter Hinzuziehung weiterer
  55. Mittäter – im Zeitraum vom 10. April bis 22. Oktober 2016 in 19 Fällen im K.
  56. Umland in Einfamilienhäuser bzw. Wohnungen sowie in einem Fall in die
  57. Sakristei einer Kirche ein und stahlen Bargeld, Schmuck und andere Wertgegenstände. In einigen Fällen wurden die Angeklagten bei ihrem Vorgehen
  58. gestört oder es gelang ihnen nicht, bestehende Schließvorrichtungen bzw.
  59. Zugangshindernisse zu überwinden, so dass sie gezwungen waren, von der
  60. Fortführung der Tatbegehung abzusehen. In allen Fällen entstanden durch das
  61. gewaltsame Eindringen der Angeklagten an bzw. in den jeweiligen Tatobjekten
  62. Sachschäden in unterschiedlichem Ausmaß.
  63. -4-
  64. 3
  65. Gegenstand des Anfrageverfahrens ist die rechtliche Bewertung des
  66. Konkurrenzverhältnisses beim Zusammentreffen von vollendetem schweren
  67. Bandendiebstahl bzw. vollendetem Wohnungseinbruchdiebstahl und Sachbeschädigung.
  68. 4
  69. 1. Im Einzelnen hat das Landgericht folgende anfragerelevante Tatgeschehen festgestellt:
  70. 5
  71. Am 10. April 2016 hebelte die Angeklagte
  72. J.
  73. gemeinsam
  74. mit unbekannten Mittätern die Terrassentür am Haus des Geschädigten
  75. B.
  76. in K.
  77. auf. Sie durchsuchten die Räume des Hauses nach
  78. Schmuck und Bargeld und hebelten einen Waffenschrank auf, ließen die darin
  79. befindlichen Waffen jedoch vor Ort zurück. Bei der Suche nach Beute beschädigten bzw. zerstörten die Täter mehrere Schubladen. Sie entwendeten 380 €
  80. Bargeld sowie das Portemonnaie des Geschädigten, indem sich dessen
  81. EC-Karte nebst PIN befanden (Fall II.2.1 der Urteilsgründe), mit deren Hilfe die
  82. Angeklagte
  83. J.
  84. am selben Abend bei zwei Geldinstituten 860 und
  85. 1.630 € abhob (Fall II.2.2 der Urteilsgründe).
  86. 6
  87. Am 7. Mai 2016 schlug der Angeklagte G.
  88. Terrassentür am
  89. Haus
  90. der Geschädigten
  91. F.
  92. mit einem Stein die
  93. ein,
  94. durchsuchte
  95. die
  96. Wohnung und entwendete Bargeld, Schmuck und elektronische Geräte im Wert
  97. von 8.567 €. An der Terrassentür entstand ein Schaden von mehreren hundert
  98. Euro (Fall II.2.3 der Urteilsgründe).
  99. -5-
  100. Am 21. Mai 2016 fuhr der Angeklagte S.
  101. 7
  102. tern zum Haus der Familie L.
  103. mit unbekannten Mittä-
  104. in K. , wo diese mit erheblichem Kraftaufwand
  105. die durch Pilzkopfbeschläge besonders gesicherte Terrassentür aufhebelten
  106. und aus der Erdgeschosswohnung Schmuck und Bargeld im Wert von 13.950 €
  107. entwendeten. Sodann brachen sie innen die Tür zum Treppenhaus auf und
  108. begaben sich in die im Obergeschoss liegende Wohnung der Mutter des
  109. Geschädigten L. , wo sie Schmuck und Bargeld im Wert von weiteren
  110. 12.500 € erbeuteten (Fall II.2.4 der Urteilsgründe).
  111. 8
  112. Am 10. Juni 2016 begaben sich die Angeklagten S.
  113. und G.
  114. mit einem weiteren Mittäter entsprechend einer zuvor getroffenen Bandenabrede im Fahrzeug des S.
  115. . Während S.
  116. ten G.
  117. zum Haus des Geschädigten Ga.
  118. in Be.
  119. im Fahrzeug die Umgebung absicherte, versuch-
  120. und der Mittäter zunächst die Terrassentür und ein Fenster aufzu-
  121. hebeln. Als dies nicht gelang, schlugen sie mit einem Stein das Fenster ein. Sie
  122. entwendeten Uhren und Elektrogeräte im Wert von 5.578,25 €. Die Terrassentür wurde durch die Hebelversuche nicht unerheblich beschädigt (Fall II.2.7 der
  123. Urteilsgründe).
  124. 9
  125. Am 17. Juni 2016 begaben sich die Angeklagten S.
  126. und G.
  127. gemeinsam mit einem weiteren Mittäter entsprechend der getroffenen Bandenabrede
  128. mit
  129. Während S.
  130. G.
  131. dem
  132. Fahrzeug
  133. des
  134. S.
  135. zum
  136. N.
  137. in
  138. R.
  139. .
  140. die Umgebung sicherte und im Fahrzeug wartete, hebelten
  141. und der Mittäter ein Fenster des dortigen Pfarrhauses auf. Sie gelang-
  142. ten in das Haus und entwendeten aus dem Arbeitszimmer des
  143. Ro.
  144. Münzgeld im Wert von rund 100 € sowie einen Schlüsselbund mit den
  145. Schlüsseln zur Kirche und zu einem Tresor in der Sakristei. An dem Fenster
  146. entstand ein nicht unerheblicher Sachschaden (Fall II.2.10 der Urteilsgründe).
  147. -6-
  148. 10
  149. Am 18. Juni 2016 begaben sich die Angeklagten S.
  150. und G.
  151. mit einem weiteren Mittäter entsprechend der getroffenen Bandenabrede mit
  152. dem Fahrzeug des S.
  153. nach Si.
  154. zu einem Mehrfamilienhaus. Als
  155. die Bewohner der Erdgeschosswohnung zum Einkaufen fuhren, hebelten
  156. G.
  157. und der Mittäter das Badezimmerfenster auf, wobei sie dieses beschä-
  158. digten. S.
  159. G.
  160. sicherte währenddessen vor dem Haus das Tatgeschehen ab.
  161. und der Mittäter kletterten sodann in die Wohnung und entwendeten
  162. Uhren und Schmuck im Wert von 1.250 € (Fall II.2.13 der Urteilsgründe).
  163. 11
  164. Am Abend desselben Tages fuhr der Angeklagte S.
  165. unbekannten Mittätern nach Le.
  166. Während S.
  167. mit zwei
  168. zum Haus des Geschädigten Kr. .
  169. die Umgebung sicherte, versuchten die unbekannten Mittä-
  170. ter zunächst, die Haustür aufzubrechen. Sie hebelten dann ein rückwärtig gelegenes Fenster auf, durchsuchten das Haus und entwendeten Schmuck und
  171. Bargeld im Wert von 2.100 €. Durch das Hebeln an Tür und Fenster entstand
  172. ein Sachschaden in Höhe von 7.400 € (Fall II.2.14 der Urteilsgründe).
  173. 12
  174. Am 24. September 2016 begaben sich die Angeklagten G.
  175. J.
  176. in K.
  177. und
  178. mit einem weiteren Mittäter zur Wohnung der Eheleute Ka.
  179. , um dort einzubrechen. Während G.
  180. auf der Straße Wache
  181. hielt, hebelte der Mittäter die Wohnungstür auf. Nachdem
  182. J.
  183. und
  184. der Mittäter bereits in der Wohnung Schmuck und Goldmünzen im Wert von
  185. 740 € an sich genommen hatten, entdeckten sie einen Tresor, den alle drei Mittäter abtransportierten und in der Wohnung von G.
  186. und
  187. J.
  188. aufflexten. Sie fanden zwei EC-Karten. Die zugehörige PIN befand sich in
  189. Aktenordnern, die sie ebenfalls entwendet hatten (Fall II.2.18 der Urteilsgründe). Unter Nutzung der erbeuteten EC-Karten hoben die Angeklagten G.
  190. -7-
  191. und
  192. J.
  193. kurze Zeit später insgesamt 2.000 € an zwei Geldautoma-
  194. ten ab (Fälle II.2.19 und 20 der Urteilsgründe).
  195. 13
  196. 2. Das Landgericht hat die vollendeten Einbruchtaten als schweren Bandendiebstahl bzw. Wohnungseinbruchdiebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung – die Staatsanwaltschaft hatte das besondere öffentliche Interesse an der
  197. Strafverfolgung in allen Fällen angenommen – abgeurteilt und im Rahmen der
  198. Strafzumessung bei allen drei Angeklagten neben der Höhe des Sachschadens
  199. strafschärfend berücksichtigt, dass bei den einzelnen Taten jeweils tateinheitlich eine Sachbeschädigung verwirklicht worden sei.
  200. II.
  201. 14
  202. Den Anträgen des Generalbundesanwalts folgend hält der Senat die
  203. Revisionen der Angeklagten in allen Fällen für unbegründet.
  204. 15
  205. Den Revisionen der Angeklagten bleibt der Erfolg in den – nicht anfragerelevanten – Fällen II.2.2, 5, 6, 8, 9, 11, 12, 15, 16, 17, 19, 20, 21 und 22 der
  206. Urteilsgründe versagt, in denen entweder Computerbetrugstaten oder neben
  207. einer vollendeten Sachbeschädigung lediglich ein versuchter schwerer Bandendiebstahl bzw. versuchter Wohnungseinbruchdiebstahl durch die Angeklagten verwirklicht wurde. Die vollendete Sachbeschädigung steht nach der Rechtsprechung des Hauses, der der Senat folgt, im Verhältnis der Tateinheit zu dem
  208. versuchten Diebstahlsdelikt (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2001 – 1 StR
  209. 470/00, NJW 2002, 150, 152; Beschluss vom 11. Oktober 2016 – 1 StR 462/16,
  210. BGHSt 61, 285; vgl. auch LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 243 Rn. 79; SSWStGB/Kudlich, 3. Aufl., § 243 Rn. 51; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl., § 243
  211. Rn. 62; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, 29. Aufl., § 243 Rn. 59).
  212. -8-
  213. 16
  214. Hinsichtlich der vollendeten Einbruchtaten ist der Senat – in Übereinstimmung mit dem Landgericht – der Ansicht, dass eine zugleich verwirklichte
  215. Sachbeschädigung – wie auch bei einem Diebstahl in einem besonders
  216. schweren Fall gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Var. 1 StGB – stets im Verhältnis der Tateinheit zu schwerem Bandendiebstahl (§ 244a Abs. 1, § 244 Abs. 1
  217. Nr. 3, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Var. 1 StGB) bzw. Wohnungseinbruchdiebstahl
  218. (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB) steht. Soweit er bisher eine abweichende
  219. Auffassung vertreten hat (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 2 StR 14/17,
  220. NStZ-RR 2017, 340), beabsichtigt er, diese aufzugeben.
  221. 17
  222. 1. Der Senat hat in der genannten Entscheidung die Ansicht vertreten,
  223. dass grundsätzlich Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion vorliege, wenn
  224. vollendeter Einbruchdiebstahl (in Form des schweren Bandendiebstahls bzw.
  225. Wohnungseinbruchdiebstahls)
  226. und
  227. Sachbeschädigung
  228. zusammentreffen.
  229. Gesetzeseinheit scheide zugunsten der Klarstellungsfunktion von Tateinheit nur
  230. dann aus, wenn die Sachbeschädigung bei konkreter Betrachtung von dem
  231. regelmäßigen Ablauf der Einbruchtat abweiche, von einem eigenständigen
  232. Unrechtsgehalt geprägt sei und sich nicht mehr als typische Begleittat erweise.
  233. Der Senat hat diese Voraussetzungen insbesondere dann angenommen, wenn
  234. der durch die Sachbeschädigung verursachte Schaden den Wert der Diebesbeute deutlich übersteigt oder gegebenenfalls weitere Sachbeschädigungen
  235. von den Tätern vorgenommen werden, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Überwinden von Zugangshindernissen stehen und damit
  236. vom typischen Verlauf eines Einbruchdiebstahls abweichen (vgl. Senat,
  237. Beschluss vom 14. Juni 2017 – 2 StR 14/17, NStZ-RR 2017, 340, 341, zum
  238. Zusammentreffen von Wohnungseinbruchdiebstahl mit Sachbeschädigung).
  239. -9-
  240. 18
  241. a) Nach dieser Auffassung bliebe der Revision des Angeklagten
  242. S.
  243. im Fall II.2.14 der Urteilsgründe der Erfolg versagt. Denn bei dem
  244. vollendeten Wohnungseinbruchdiebstahl entstand durch das Aufhebeln eines
  245. Fensters und einer Tür ein Sachschaden in Höhe von 7.400 €, der den Wert der
  246. Diebesbeute von insgesamt 2.100 € deutlich übersteigt. Dasselbe gilt für die
  247. Revision der Angeklagten J.
  248. im Fall II.2.1 der Urteilsgründe, da neben
  249. dem Schaden an der Terrassentür bei der Suche nach Beute auch mehrere
  250. Schubladen beschädigt oder zerstört wurden, so dass diese Sachbeschädigung
  251. nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Einbruchgeschehen steht und
  252. damit von dem regelmäßigen Verlauf eines Wohnungseinbruchdiebstahls
  253. abweicht.
  254. 19
  255. b) Hingegen wiesen die Verurteilungen der Angeklagten wegen Sachbeschädigung in den Fällen II.2.3, 4, 7, 10, 13, 18 der Urteilsgründe nach bisheriger Auffassung des Senats einen Rechtsfehler auf. Denn in diesen sechs Fällen
  256. kam es unter wechselnder Beteiligung der Angeklagten zu vollendeten schweren Bandendiebstählen (Fälle II.2.7, 10 und 13 der Urteilsgründe) bzw. vollendeten Wohnungseinbruchdiebstählen (Fälle II.2.3, 4 und 18 der Urteilsgründe), bei denen zugleich jeweils Sachbeschädigungen durch das Aufhebeln von
  257. Haus- bzw. Terrassentüren oder Fenstern verwirklicht wurden. Unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des Senats trügen die Feststellungen
  258. den Schuldspruch wegen Sachbeschädigung nicht, da in diesen Fällen eine
  259. „Begleittypik“ der Sachbeschädigung nicht auszuschließen wäre, mit der Folge,
  260. dass die Sachbeschädigung in diesen Fällen im Wege der Konsumtion hinter
  261. die vollendete Diebstahlstat zurücktreten würde.
  262. - 10 -
  263. 20
  264. 2. An dieser Rechtsauffassung will der Senat nicht festhalten und beabsichtigt zu entscheiden, dass bei (vollendetem) schwerem Bandendiebstahl
  265. (§ 244a Abs. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Var. 1 StGB) oder
  266. (vollendetem) Wohnungseinbruchdiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB)
  267. eine zugleich begangene Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) stets im
  268. Verhältnis der Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) steht; sie tritt nicht im Wege der
  269. Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion hinter den schweren Bandendiebstahl
  270. oder den Wohnungseinbruchdiebstahl zurück, gleichgültig in welchem Verhältnis der verursachte Sachschaden zu dem Wert der Diebesbeute steht.
  271. 21
  272. a) Der Senat knüpft dabei an zwei Entscheidungen des 1. Strafsenats
  273. (Urteil vom 7. August 2001 – 1 StR 470/00, NJW 2002, 150 ff. und Beschluss
  274. vom
  275. 21. August 2013
  276. – 1 StR 332/13, NStZ 2014, 40) an.
  277. In
  278. der
  279. ersten Entscheidung hatte der 1. Strafsenat – allerdings nicht tragend – ausgeführt, er neige aus grundsätzlichen Erwägungen zu der Auffassung, dass beim
  280. rechtlichen Zusammentreffen von Einbruchdiebstahl und Sachbeschädigung
  281. von vornherein die (vollendete) Diebstahlstat nicht geeignet sei, die Sachbeschädigung durch Konsumtion zu verdrängen; vielmehr sei stets von Tateinheit
  282. auszugehen (BGH, Urteil vom 7. August 2001 – 1 StR 470/00, aaO). Diese
  283. grundsätzlichen Erwägungen wiederholte der 1. Strafsenat in einer Folgeentscheidung (BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 332/13, aaO), konnte die Rechtsfrage zur möglichen Konsumtion der Sachbeschädigung durch
  284. eine Diebstahlstat jedoch dahin stehen lassen. Denn in dem Fall schied die
  285. Annahme einer „Begleittypik“ der Sachbeschädigung bereits deshalb aus, weil
  286. der Täter einen Sachschaden verursacht hatte, der deutlich über die erlangte
  287. Diebesbeute hinausging. Jedenfalls in einer derartigen Fallkonstellation war
  288. nach Auffassung des 1. Strafsenats das Unrecht der Sachbeschädigung durch
  289. den unter den Voraussetzungen von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB
  290. - 11 -
  291. verwirklichten schweren Bandendiebstahl nicht aufgezehrt, so dass von Tateinheit auszugehen war (BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 332/13,
  292. aaO).
  293. 22
  294. b) Die Auffassung, dass beim Zusammentreffen von vollendetem Einbruchdiebstahl und Sachbeschädigung generell von Tateinheit auszugehen sei,
  295. wird auch von weiten Teilen der Literatur vertreten (MüKo-StGB/Schmitz,
  296. 3. Aufl., § 243 Rn. 93; Schönke/Schröder/Stree/Hecker, aaO, § 303 Rn. 25;
  297. Matt/Renzikowski-Schmidt, StGB, § 243 Rn. 23; Gössel in Tröndle-FS (1989),
  298. S. 357, 366; Kargl/Rüdiger, NStZ 2002, 202; Hecker, JuS 2014, 181; Maurach/
  299. Schroeder/Maiwald,
  300. Strafrecht BT Teilband 1,
  301. 10. Aufl.,
  302. § 33 III
  303. Rn. 109;
  304. Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht BT Band 2, 17. Aufl., § 1 Rn. 140; Rengier,
  305. Strafrecht BT I, 19. Aufl., § 3 Rn. 61; aA LK-StGB/Vogel, aaO, § 243 Rn. 79;
  306. NK-StGB/Kindhäuser, aaO, § 243 Rn. 62; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, aaO,
  307. § 243 Rn. 59; von Heintschel-Heinegg-StGB/Wittig, 2. Aufl., § 243 Rn. 33,
  308. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 243 Rn. 30; AnwK-StGB/Kretschmer, § 243 Rn. 34;
  309. Wessels in Maurach-FS (1972), S. 295, 308; Geerds, Zur Lehre von der
  310. Konkurrenz im Strafrecht (1961), S. 218; Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl.,
  311. 31. Abschn. Rn. 31; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 5. Aufl., S. 737; Blei,
  312. Strafrecht I, 18. Aufl., S. 360 f.; Fahl, JA 1995, 654, 658; SSW-StGB/Kudlich,
  313. aaO, § 243 Rn. 51; vgl. zur gegenteiligen Auffassung auch BayObLG NJW
  314. 1991, 3292, 3293).
  315. 23
  316. c) Für den Senat sind folgende Erwägungen maßgebend:
  317. - 12 -
  318. 24
  319. Gemäß § 52 Abs. 1 StGB ist grundsätzlich von Tateinheit auszugehen,
  320. wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt. Anders kann es sich nur
  321. ausnahmsweise in den Fällen einer sogenannten unechten Konkurrenz (Gesetzeseinheit) verhalten, die in den vorliegenden Konstellationen in der Erscheinungsform der Konsumtion in Betracht kommt. Ihre Anwendung setzt voraus,
  322. dass der Unrechtsgehalt der strafbaren Handlung durch einen der anwendbaren Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst wird. Bei dieser Beurteilung
  323. sind die Rechtsgüter zugrunde zu legen, die der Täter angreift, daneben die
  324. Tatbestände, die der Gesetzgeber zu deren Schutz geschaffen hat. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muss eine
  325. – wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige – Erscheinungsform der
  326. Verwirklichung des anderen Tatbestandes sein (vgl. hierzu Senat, Urteil vom
  327. 21. April 1978 – 2 StR 686/77, BGHSt 28, 11, 15; BGH, Urteil vom 10. Mai 1983
  328. – 1 StR 98/83,
  329. BGHSt
  330. 31,
  331. 380 f.;
  332. Beschluss
  333. vom
  334. 20. Oktober
  335. 1992
  336. – GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 108; Urteil vom 30. März 1995 – 4 StR 768/94,
  337. BGHSt 41, 113, 115; Urteil vom 7. August 2001 – 1 StR 470/00, NJW 2002,
  338. 150, 151; Fischer, aaO, Vor § 52 Rn. 39; LK-StGB/Rissing-van Saan, aaO,
  339. Vor § 52 Rn. 144; Lackner/Kühl, 28. Aufl., Vor § 52 Rn. 27; Jescheck/Weigend,
  340. aaO, S. 735 f.; Fahl, GA 1996, 476, 480 ff., ders., ZStW 111 (1999), S. 156,
  341. 166; vgl. zur rechtlichen Struktur der Konsumtion auch Klug, ZStW 68 (1956),
  342. S. 399, 401 f.; Vogler in Bockelmann-FS (1979), S. 715, 735; von HeintschelHeinegg in Jakobs-FS (2007), S. 131, 143; krit. zur Konstruktion der
  343. Konsumtion NK-StGB/Puppe, aaO, Vor § 52 Rn. 25, SSW-StGB/Eschelbach,
  344. aaO, § 52 Rn. 21).
  345. - 13 -
  346. 25
  347. Nach diesen Maßstäben, an denen der Senat dem Grunde nach festhält,
  348. ist die Annahme einer Konsumtion für das Verhältnis der Tatbestände des
  349. schweren Bandendiebstahls (§ 244a Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Var. 1
  350. oder § 244a Abs. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB) bzw. des Wohnungseinbruchdiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB) einerseits und der Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) andererseits nicht geboten. Die Annahme
  351. einer Gesetzeseinheit begegnet vielmehr unter mehreren Gesichtspunkten
  352. durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Im Einzelnen:
  353. 26
  354. aa) Eine Einbruchtat im Sinne von § 244a Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 2
  355. Nr. 1 Var. 1 StGB oder § 244a Abs. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 bzw. § 244
  356. Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB geht nicht „regelmäßig“ oder „typischerweise“ mit einer
  357. Sachbeschädigung einher. Schon in rechtlicher Hinsicht setzt die Tathandlungsvariante des Einbrechens eine Substanzverletzung im Sinne von § 303
  358. Abs. 1 StGB nicht voraus. Vielmehr genügt, dass der Täter Schließvorrichtungen oder andere Zugangshindernisse unter Aufwendung von nicht unerheblicher Kraftentfaltung überwindet (RGSt 4, 353, 354; 13, 200, 206; 60, 378, 379;
  359. Senat, Urteile vom 5. Juli 1961 – 2 StR 264/61 und vom 22. Mai 1963 – 2 StR
  360. 144/63; LK-StGB/Vogel, aaO, § 243 Rn. 20; Fischer, aaO, § 243 Rn. 5). So
  361. bricht der Täter ein, wenn er ein (nicht) verriegeltes Fenster kraftvoll aufdrückt,
  362. ohne es zu beschädigen (vgl. zu diesem Vorgehen im Zusammenhang mit
  363. einem Diebstahl aus einem Kraftfahrzeug BGH, Urteil vom 15. Dezember 1955
  364. – 1 StR 494/55, NJW 1956, 389; Senat, Urteil vom 22. Mai 1963 – 2 StR
  365. 144/63). Mit dieser einfachen Vorgehensweise können Täter sich Zugang etwa
  366. zu Wohnmobilen, Wohnwagen, Bootskajüten oder anderen Fahrzeugen, die
  367. sich durch Leichtbauweise auszeichnen, verschaffen.
  368. - 14 -
  369. 27
  370. Auch das mechanische Öffnen von Türen, die nur ins Schloss gezogen,
  371. nicht aber verschlossen sind, kann durch einen Täter durch Überwinden der
  372. Schließfalle mit einfachen Hilfsmitteln regelmäßig ohne weitere Beschädigungen bewerkstelligt werden und verwirklicht in rechtlicher Hinsicht das Merkmal
  373. des Einbrechens (vgl. zu diesem Beispiel BGH, Urteil vom 7. August 2001
  374. – 1 StR 470/00, NJW 2002, 150, 151). So begeht auch derjenige einen
  375. Einbruch, der die Flügel einer Scheunentür – ohne jede Beschädigung – derart
  376. weit auseinanderdrückt, dass ihm das Hindurchkriechen durch den so geschaffenen Spalt möglich ist, um in dem Gebäude zu stehlen (RGSt 4, 353, 354 f.;
  377. vgl. auch RGSt 60, 378, 379 zum bloßen Verrücken eines Schranks, der den
  378. Zugang zu einer Tür versperrt). Auch heute noch hebeln Täter die Sperrvorrichtung von Schwingtorgaragen mit nicht unerheblichem Kraftaufwand auf, ohne
  379. dass dies eine Substanzverletzung nach sich zieht. Bei in der Praxis häufig vorkommenden Einbrüchen in Mehrfamilienhäuser finden Täter vielfach einfache
  380. Schließvorrichtungen an Holzlattentüren von Kellerabteilen vor, deren Schutzmechanismus sie häufig durch einfache Gewalt – beispielsweise durch Lockerung des angenagelten Riegels – ohne Substanzverletzung überwinden. Ähnliches Tätervorgehen findet sich bei Einbrüchen in Lauben und Schuppen in
  381. Kleingartenanlagen oder anderen Nebengebäuden, deren Sicherheitseinrichtungen gegen unbefugten Zutritt typischerweise einfach gehalten sind.
  382. Von einer regelmäßigen „Begleittypik“ der Sachbeschädigung kann
  383. 28
  384. daher – auch wenn es eine Reihe von zur Aburteilung gelangenden Sachverhaltsgestaltungen gibt, die mit Sachbeschädigungen einhergehen – in einer
  385. Reihe von Einbruchkonstellationen nicht ohne weiteres ausgegangen werden.
  386. Die
  387. tatbestandliche
  388. Verwirklichung
  389. des
  390. § 303 Abs. 1 StGB
  391. ist
  392. bei
  393. einem Einbruchdiebstahl nicht vorgezeichnet. Sie hängt vielmehr im Einzelfall
  394. - 15 -
  395. vom individuellen Vorgehen des Einbruchtäters und der Beschaffenheit des
  396. Tatobjekts ab.
  397. 29
  398. bb) Gesetzessystematisch ist zu bedenken, dass bei den dem Einbruchdiebstahl gleichgestellten Begehungsvarianten des „Einsteigediebstahls“, des
  399. „Nachschlüsseldiebstahls“ und des „Verweildiebstahls“ (auch im Falle des
  400. schweren Bandendiebstahls bzw. des Wohnungseinbruchdiebstahls) eine
  401. Sachbeschädigung fern liegt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urteil vom
  402. 7. August 2001 – 1 StR 470/00, NJW 2002, 150, 151; MüKo-StGB/Schmitz,
  403. aaO, § 243 Rn. 93; Krey/Hellmann/Heinrich, aaO, Rn. 140). Eine „Begleittypik“
  404. des § 303 Abs. 1 StGB ist bei diesen Begehungsvarianten regelmäßig ausgeschlossen. Soweit der Täter untypischerweise dennoch eine Sachbeschädigung
  405. verwirklicht, wird stets von Idealkonkurrenz auszugehen sein. Die „Konsumtionslösung“ beim Einbruchdiebstahl führt damit zu dem systematischen Bruch,
  406. dass verschiedene Begehungsweisen innerhalb ein und derselben Tatbestandsgruppe konkurrenzrechtlich unterschiedlich zu beurteilen wären,
  407. obwohl vom Gesetzgeber eine Gleichstellung von „einbrechen“, „einsteigen“,
  408. „eindringen“ und „verborgen halten“ ersichtlich gewollt ist, wie die einheitliche
  409. Normierung in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB und der einheitliche Strafrahmen
  410. belegen.
  411. 30
  412. cc) Gegen die – für die Annahme von Gesetzeseinheit erforderliche –
  413. erschöpfende Erfassung des Unrechts einer Sachbeschädigung durch eine
  414. Verurteilung wegen schweren Bandendiebstahls oder Wohnungseinbruchdiebstahls spricht auch, dass die geschützten Rechtsgüter und Rechtsgutsträger in
  415. vielen Fällen nicht identisch sind (BGH, Urteil vom 7. August 2001 – 1 StR
  416. 470/00, NJW 2002, 150, 151; Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 332/13,
  417. NStZ 2014, 40; Krey/Hellmann/Heinrich, aaO, Rn. 140; Eisele, Strafrecht
  418. - 16 -
  419. BT II, 4. Aufl., Rn. 167). Der Eigentümer der weggenommenen Sache oder der
  420. Inhaber des Gewahrsams (zum geschützten Rechtsgut beim Diebstahl vgl.
  421. Fischer, aaO, § 242 Rn. 2 mwN) sind nicht immer zugleich Eigentümer der zerstörten oder beschädigten Sache. Dies betrifft alltägliche Fälle wie Einbruchdiebstähle in Mietwohnungen (vgl. vorstehende Fälle II.2.10, 13 und 18 der
  422. Urteilsgründe) oder auch unter Eigentumsvorbehalt stehende bzw. geleaste
  423. Kraftfahrzeuge. Gleiches gilt für Konstellationen, in denen der Einbruchtäter
  424. Sachen entwendet, die dem Partner des Wohnungseigentümers oder infolge
  425. Eigentumsvorbehalt bzw. Sicherungsübereignung einem Dritten zustehen.
  426. 31
  427. Eine Verurteilung nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Diebstahls erfasst den Unrechtsgehalt des Gesamtgeschehens, bei dem es zur
  428. Beeinträchtigung eines weiteren Rechtsgutsträgers gekommen ist, nicht vollständig. Die Konsumtion setzt die Verletzung mehrerer Rechtsgüter desselben
  429. Rechtsgutsträgers voraus (vgl. LK-StGB/Rissing-van Saan, aaO, Vor § 52
  430. Rn. 150). Demgegenüber ist mit der Verletzung eines weiteren Rechtsgutsträgers infolge der Sachbeschädigung eine vom Diebstahl zu unterscheidende
  431. Unrechtsdimension eröffnet, die im Schuldspruch durch die Annahme von Tateinheit zwischen Diebstahlstat und Sachbeschädigung zum Ausdruck kommen
  432. muss (vgl. zum Konkurrenzverhältnis von EC-Kartendiebstahl und Computerbetrug bei unterschiedlichen Rechtsgutsträgern BGH, Beschluss vom 30. Januar
  433. 2001 – 1 StR 512/00, NJW 2001, 1508, 1509; krit. Fahl, JA 2002, 541, 543, der
  434. dem Aspekt der „Rechtsgutsidentität“ im Rahmen der Begleittat – ohne nähere
  435. Begründung – keine Bedeutung zumisst, jedoch darauf hinweist, dass beim
  436. Auseinanderfallen der Rechtsgutsträger die Konsumtion ausnahmsweise zu
  437. verneinen sein könnte).
  438. - 17 -
  439. 32
  440. Eine Beschränkung der Annahme von Idealkonkurrenz auf die häufigen
  441. Fälle fehlender Identität betroffener Rechtsgutsträger erscheint nicht sachgerecht. Sie führt je nach Zahl der betroffenen Rechtsgutsträger zu zufälligen
  442. Ergebnissen im Schuldspruch, ohne dass sich Handlungs- und Erfolgsunrecht,
  443. letzteres mit Ausnahme der Rechtsgutsträgerschaft, unterscheiden. Die konsequente Annahme von Idealkonkurrenz in Fällen des Einbruchdiebstahls stellt
  444. demgegenüber die erschöpfende Erfassung des verwirklichten Tatunrechts zum
  445. Nachteil aller Geschädigten im Schuldspruch sicher und trägt dadurch der Klarstellungsfunktion des Schuldspruchs Rechnung (vgl. zu diesem Aspekt BGH,
  446. Beschluss vom 20. Oktober 1992 – GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 109; Urteil vom
  447. 30. März 1995 – 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 116; Urteil vom 23. März 2000
  448. – 4 StR 650/99, BGHSt 46, 24, 28; aA von Heintschel-Heinegg in Jakobs-FS
  449. (2007), S. 131, 140 f.). Gleichzeitig erübrigen sich bei der generellen Annahme
  450. von Idealkonkurrenz aufwändige Ermittlungen und Feststellungen zu den
  451. Eigentumsverhältnissen an gestohlenen bzw. beschädigten Sachen. Sie
  452. gewährleistet eine einheitliche Handhabung bei der konkurrenzrechtlichen Einordnung des in der Praxis häufigen Zusammentreffens von Einbruchdiebstahl
  453. und Sachbeschädigung.
  454. 33
  455. dd) Überdies eröffnen die konkurrenzrechtlichen Überlegungen zur
  456. Gesetzeseinheit zwischen Einbruchdiebstahl und Sachbeschädigung unter dem
  457. Gesichtspunkt der „Begleittypik“ der Sachbeschädigung praktische Abgrenzungsschwierigkeiten (BGH, Urteil vom 7. August 2001 – 1 StR 470/00, NJW
  458. 2002, 150, 151). Denn die „Konsumtionslösung“ geht bisher davon aus, dass
  459. die Sachbeschädigung jedenfalls dann keine „typische Begleittat“ darstellt,
  460. wenn sie im konkreten Fall vom regelmäßigen Verlauf der Diebstahlstat
  461. abweicht (vgl. LK-StGB/Vogel, aaO, § 243 Rn. 79; LK-StGB/Rissing-van Saan,
  462. aaO, Vor § 52 Rn. 147; NK-StGB/Kindhäuser, aaO, § 243 Rn. 62; Fischer, aaO,
  463. - 18 -
  464. § 243
  465. Rn. 30;
  466. LPK-StGB/Kindhäuser,
  467. 7. Aufl.,
  468. § 243
  469. Rn. 58;
  470. Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf-Heinrich, Strafrecht BT, 3. Aufl., § 14 Rn. 52;
  471. Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT 2, 40. Aufl., § 3 Rn. 245). Dies zwingt in
  472. jedem Einzelfall zu einem wertenden Vergleich des Unrechtsgehalts, der in der
  473. Wegnahme des Diebstahlsobjekts einerseits und in der Substanzverletzung
  474. durch den Einbruch anderseits zum Ausdruck kommt. So wäre zu klären, ob die
  475. Sachbeschädigung in ihrem Unrechtsgehalt aus dem regelmäßigen Verlauf des
  476. Einbruchdiebstahls heraussticht, was zum Entfallen der „Begleittypik“ und zur
  477. Annahme von Tateinheit führen würde (zum Ansatz dieser wertenden Betrachtung im Bereich der Konsumtion vgl. Fahl, JA 1995, 654, 658; ders., GA 1996,
  478. 476, 483; ders., Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der
  479. Strafe (1996), S. 299 ff.; vgl. auch Tiedemann, JuS 1987, L 17, L 19, der in der
  480. Konsumtion ebenfalls ein „wertendes Verhältnis“ sieht).
  481. 34
  482. Dieser wertende Vergleich setzt letztlich eine zweistufige Prüfung voraus.
  483. Zunächst ist in einem ersten Schritt darüber zu befinden, ob die Sachbeschädigung in ihrer konkreten Form allgemein „typisch“ für einen Einbruchdiebstahl ist.
  484. Ist dies der Fall, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die konkrete Sachbeschädigung in ihrem spezifischen Unrechtsgehalt aus dem konkreten Einbruchtatgeschehen heraussticht. Dieser Ansatz, der eine doppelt wertende Betrachtung erfordert, birgt Unschärfen (BGH, Urteil vom 7. August 2001 – 1 StR
  485. 470/00, NJW 2002, 150, 151), die dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und
  486. Rechtsklarheit nur eingeschränkt entsprechen. Auf dieser Grundlage ist eine
  487. rechtlich einheitliche und vorhersehbare Behandlung vergleichbarer Sachverhaltskonstellationen nur schwer zu gewährleisten.
  488. - 19 -
  489. 35
  490. (1) Zunächst ist offen, in welchem Umfang eine Sachbeschädigung als
  491. allgemein „typisch“ bei einem Einbruch eingestuft werden soll. Es ist fraglich, ob
  492. sich die „Typik“ der Sachbeschädigung allein darin erschöpft, dass sich der
  493. Täter gewaltsam Zugang verschafft und hierdurch Substanzverletzungen an
  494. Türen und Fenstern verursacht. Denkbar wäre auch die Beschädigung und
  495. Zerstörung von Alarmanlagen, Überwachungskameras und anderen Sicherungseinrichtungen, die nicht unmittelbar physische Zugangshindernisse darstellen oder eventuell auch Sachschäden bei der Durchsuchung der Wohnung
  496. nach Beute (vgl. vorstehend Fall II.2.1 der Urteilsgründe), als „typische“
  497. Begleiterscheinungen
  498. eines
  499. Einbruchdiebstahls
  500. anzusehen.
  501. Bereits
  502. die
  503. Bestimmung des „Normalfalles“ der Sachbeschädigung als „typische“ Begleittat
  504. ist Wertungsvorgängen unterworfen, deren Ergebnisse im Einzelfall für den
  505. Normadressaten nur schwer abzuschätzen sind (vgl. zur Problematik um die
  506. Bestimmung eines „Normalfalles“ Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei
  507. der Bemessung der Strafe (1996), S. 121 ff.).
  508. 36
  509. (2) Diese Unsicherheiten in der rechtlichen Bewertung erfahren eine
  510. Steigerung bei der Prüfung, ob die konkret festgestellte „typische“ Sachbeschädigung in ihrem spezifischen Unrechtsgehalt von der konkreten Einbruchtat erfasst wird. Denn es ist ungeklärt, welche Kriterien für diese erneute wertende
  511. Betrachtung herangezogen werden sollen (vgl. Klug, ZStW 68 (1956), S. 399,
  512. 409, der zutreffend darauf hinweist, dass es an „eindeutigen Richtlinien“ für die
  513. Abgrenzung zur Idealkonkurrenz fehlt; vgl. auch Vogler in Bockelmann-FS
  514. (1979), S. 715, 736).
  515. - 20 -
  516. 37
  517. Wenn die „Konsumtionslösung“ insoweit eine wertende Betrachtung
  518. durch einen Vergleich des wirtschaftlichen Wertes der Diebesbeute mit der
  519. Höhe des eingetretenen (wirtschaftlichen) Sachschadens vornehmen will, ist ihr
  520. entgegenzuhalten, dass sowohl Diebstahl als auch Sachbeschädigung in ihrer
  521. tatbestandlichen Ausgestaltung einen wirtschaftlichen Vermögensverlust nicht
  522. zwingend voraussetzen. Weder die in Zueignungsabsicht weggenommene
  523. fremde bewegliche Sache noch die zerstörte oder beschädigte Sache müssen
  524. von wirtschaftlich messbarem Vermögenswert sein (vgl. zum Diebstahl
  525. RGSt 51, 97, 98; BGH, Urteil vom 24. Mai 1960 – 1 StR 184/60, MDR 1960,
  526. 689; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 115, 116; LK-StGB/Vogel, aaO, § 242 Rn. 44;
  527. Schönke/Schröder/Eser/Bosch, aaO, § 242 Rn. 4; vgl. zur Sachbeschädigung
  528. RGSt 10, 120, 121; BayObLG, NJW 1993, 2760, 2761; Fischer, aaO, § 303
  529. Rn. 3; differenzierend LK-StGB/Wolff, aaO, § 303 Rn. 4, wonach die beschädigte oder zerstörte Sache für den Eigentümer zumindest einen Gebrauchs- oder
  530. Affektionswert haben muss). Zwar kennt das Gesetz mit § 248a StGB und
  531. § 243 Abs. 2 StGB Regelungen, die an den Verkehrswert der entwendeten
  532. Sache anknüpfen, soweit der Sache ihrer Art nach überhaupt ein solcher zuzumessen ist (Fischer, aaO, § 248a Rn. 3; NK/StGB-Kindhäuser, aaO, § 248a
  533. Rn. 4). Jedoch geht es bei diesen Vorschriften um die Verfolgbarkeit der Diebstahlstat als solche oder um Aspekte der Strafzumessung. An den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Diebstahls – der auch fremde bewegliche Sachen
  534. ohne wirtschaftlichen Vermögenswert (bspw. Personalausweis, Führerschein,
  535. EC-Karte) dem Rechtsgüterschutz unterstellt – ändern diese gesetzlichen
  536. Regelungen nichts. Im systematischen Zusammenhang ergibt sich damit aus
  537. dem Gesetz kein Anhaltspunkt dafür, dass sich für die Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses zwischen Einbruchdiebstahl und Sachbeschädigung der wirtschaftliche Wert der betroffenen Gegenstände heranziehen lässt.
  538. - 21 -
  539. 38
  540. ee) Die „Konsumtionslösung“ birgt, insbesondere im Hinblick auf die
  541. Ermittlung und den Vergleich der wirtschaftlichen Vermögenswerte der
  542. betroffenen Rechtsgüter, die erhebliche Gefahr zufälliger Ergebnisse bei der
  543. Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse zwischen Einbruchdiebstahl und Sachbeschädigung. Daneben treten Wertungswidersprüche, die zeigen, dass der
  544. wirtschaftliche Wert der gestohlenen bzw. beschädigten Sache – als außertatbestandlicher Umstand – für die rechtssichere Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses wenig geeignet ist. Folgende Überlegungen verdeutlichen dies:
  545. 39
  546. (1) Bisweilen ist die Höhe des vom Einbruchtäter vorsätzlich verursachten Sachschadens von einer Reihe zufälliger Komponenten abhängig (bspw.
  547. Art und Bauweise von Türen, Fenstern und anderen Zugangshindernissen;
  548. Abhängigkeit von fachhandwerklichen Arbeitsleistungen zur Schadensbeseitigung). Deren präzise Ermittlung und Feststellung sind auf dem Boden der
  549. „Konsumtionslösung“ unverzichtbar, was im Einzelfall einen zusätzlichen nicht
  550. unerheblichen Aufwand für die Ermittlungsbehörden und den Tatrichter mit sich
  551. bringen und zu einer Verzögerung des Verfahrens während laufender Hauptverhandlung führen kann. Fälle mit unzureichenden Feststellungen zur
  552. Schadenshöhe (vgl. hier die Fälle II.2.10, 13 und 18 der Urteilsgründe) wären
  553. nach der „Konsumtionslösung“ unter Umständen nicht entscheidungsreif.
  554. 40
  555. Zufälligkeiten können sich auch bei der Höhe des wirtschaftlichen Wertes
  556. der Diebesbeute ergeben, da in einigen Fällen (insbesondere bei Wohnungen)
  557. die potentielle Tatbeute für den Einbruchtäter im Vorfeld kaum abschätzbar sein
  558. wird. Die Problematik verschärft sich, wenn sich präzise Feststellungen zum
  559. wirtschaftlichen Wert der Diebesbeute aus tatsächlichen Gründen (bspw.
  560. - 22 -
  561. mangels eines Handelsmarktes) als unmöglich erweisen oder die gestohlene
  562. Sache nur über einen ideellen Wert verfügt. Eine vergleichende Betrachtung
  563. der wirtschaftlichen Vermögenswerte scheidet dann gänzlich aus. In diesen
  564. Fällen versagt der Ansatz der „Konsumtionslösung“ bei der Bestimmung des
  565. Konkurrenzverhältnisses zwischen Einbruchdiebstahl und Sachbeschädigung.
  566. 41
  567. (2) Daneben führt die vergleichende Betrachtung der wirtschaftlichen
  568. Vermögenswerte
  569. zu
  570. Wertungswidersprüchen,
  571. die
  572. auf
  573. Grundlage
  574. der
  575. „Konsumtionslösung“ nicht aufzulösen sind. So wird der Täter, der neben
  576. hohem Sachschaden auch noch einen erheblichen Diebstahlsschaden verursacht, nicht mit einem Schuldspruch wegen Sachbeschädigung belegt. Hingegen droht demjenigen Täter, der lediglich eine geringere Diebesbeute realisieren kann, zusätzlich eine tateinheitliche Verurteilung wegen § 303 Abs. 1
  577. StGB. Der Täter, der auf einem Laubengang in zwei nebeneinander liegende
  578. identische Wohnungen einbricht, in dem er jeweils das Badezimmerfenster aufhebelt und hierdurch je einen Sachschaden von 500 € verursacht, wäre in dem
  579. Fall, in dem er nur zwei Schachteln Zigaretten und einen Personalausweis als
  580. Diebesbeute vorfindet, wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit
  581. Sachbeschädigung zu verurteilen. Entwendet derselbe Täter in der Nachbarwohnung hingegen einen Laptop im Wert von 1.500 €, wäre er, aufgrund der
  582. dann greifenden Konsumtion, „nur“ des Wohnungseinbruchdiebstahls schuldig.
  583. 42
  584. Ähnlich gravierend erscheint der Wertungswiderspruch bei einem Vergleich von versuchter und vollendeter Einbruchtat. Der Täter, der infolge des
  585. Einbruchs einen Sachschaden verursacht, dem anschließend jedoch eine
  586. Wegnahme nicht gelingt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
  587. (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2001 – 1 StR 470/00, NJW 2002, 150, 152;
  588. Beschluss vom 11. Oktober 2016 – 1 StR 462/16; BGHSt 61, 285), die auch in
  589. - 23 -
  590. der Literatur Zustimmung erfahren hat (vgl. LK-StGB/Vogel, aaO, § 243 Rn. 79;
  591. NK-StGB/Kindhäuser, aaO, § 243 Rn. 62), wegen tateinheitlicher Sachbeschädigung zu verurteilen. Vollendet der Täter hingegen die Wegnahme mit „hinreichender“ Tatbeute, entfällt nach der „Konsumtionslösung“ die Verurteilung
  592. wegen Sachbeschädigung. Die Konsumtion führt damit zu dem nicht angemessenen Ergebnis, dass der Täter, der mit der Vollendung der Diebstahlstat sogar
  593. zusätzliches Erfolgsunrecht verwirklicht, mit einem – bezogen auf die Sachbeschädigung – weniger umfassenden Schuldspruch belegt würde.
  594. III.
  595. 43
  596. Der Senat kann aufgrund der in der Praxis häufig auftretenden Fallkonstellationen, in denen vollendete Einbruchdiebstahlstaten und Sachbeschädigungen zusammentreffen, nicht ausschließen, dass der beabsichtigten Entscheidung Rechtsprechung eines anderen Strafsenats entgegensteht. Er fragt
  597. - 24 -
  598. deshalb bei den anderen Strafsenaten an, ob dies der Fall ist und ob an gegebenenfalls entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird (§ 132 Abs. 3
  599. Satz 1 GVG).
  600. Schäfer
  601. Appl
  602. Bartel
  603. Krehl
  604. Schmidt