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162 lines
8.2 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 332/02
  4. vom
  5. 4. Dezember 2002
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Betruges
  9. -2-
  10. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Dezember 2002 gemäß
  11. § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  12. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 27. Februar 2002 im Schuldspruch mit den
  13. Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt
  14. worden ist; ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in den Fällen 1 bis 33 und 35 bis 42 der Urteilsgründe, welche bestehen bleiben.
  15. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts
  16. Koblenz zurückverwiesen.
  17. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
  18. Gründe:
  19. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 42 Fällen zu
  20. einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und
  21. ihn im übrigen freigesprochen. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die
  22. Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Urteil ist in dem aus dem
  23. Tenor ersichtlichen Umfang auf die Sachrüge aufzuheben, so daß es auf die
  24. Verfahrensrügen, die ausschließlich die Feststellungen des Landgerichts zur
  25. subjektiven Tatseite betreffen, nicht ankommt.
  26. -3-
  27. I.
  28. Nach den Feststellungen vermittelte der Angeklagte vom Sommer 1992
  29. bis
  30. August
  31. 1995
  32. als
  33. Mitarbeiter
  34. der
  35. GmbH"
  36. (im
  37. "L.
  38. folgenden:
  39. L.
  40. GmbH) neben anderen Vermögensanlageformen auch Kapitalanlagen im sogenannten Bankgarantiehandel. Anbieter des angeblich hochverzinslichen
  41. Handels mit sogenannten "Prime Bank Guarantees" und "Standby Letters of
  42. Credit" waren die Firma "S.
  43. "H.
  44. " mit Sitz in Z.
  45. Bank" mit Sitz in V.
  46. und P.
  47. (
  48. der kleinere Anlagebeträge über Treuhandgesellschaften ("S.
  49. sowie die
  50. ), bei
  51. ", "V. ") an-
  52. gelegt werden mußten. Tatsächlich gibt es einen Handel mit Banksicherheiten
  53. nicht. Zinsen und gekündigte Kapitalbeträge wurden aus Neueinzahlungen von
  54. Anlagekapital entnommen ("Schneeballsystem"). Ende 1995 wurden die Zahlungen eingestellt.
  55. Der Angeklagte vermittelte Kapitalanlagen dieser Art einer Vielzahl von
  56. Anlegern. Soweit er die Anleger über Risiken bis hin zum Kapitalverlust informierte, wurde er vom Vorwurf des Betruges freigesprochen. In den Fällen, in
  57. denen er verurteilt worden ist, hat der Angeklagte gegenüber den Anlegern die
  58. Möglichkeit eines Kapitalverlustes entweder ausdrücklich ausgeschlossen oder
  59. jedenfalls verschwiegen. Die Geschädigten schlossen die Verträge im Vertrauen auf die Angaben des Angeklagten zur Sicherheit und Seriosität der Anlage
  60. und händigten ihm das Anlagekapital in bar aus. In einigen Fällen haben die
  61. Geschädigten Zinszahlungen erhalten; das Anlagekapital ist in keinem der Urteilsfälle zurückgezahlt worden. Der Angeklagte wollte mit den für die Vermittlung gezahlten Provisionsbeträgen von 3 Prozent des Anlagekapitals seinen
  62. -4-
  63. Lebensunterhalt sichern. Das Landgericht konnte nicht feststellen, ob die Provisionen unmittelbar dem Anlagekapital entnommen wurden, bevor dieses an
  64. die Betreibergesellschaften weitergeleitet wurde, oder erst später den Zinszahlungen der Betreibergesellschaften.
  65. Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht ausgeführt, daß dem Angeklagten nicht positiv bekannt gewesen sei, daß es sich bei dem Handel mit
  66. Banksicherheiten um ein nicht existierendes, betrügerisches Anlagesystem
  67. gehandelt habe. Der Angeklagte habe aber aufgrund des Fehlens von verläßlichen Produktinformationen, der ungewöhnlichen Abwicklung der Transaktionen
  68. in bar und der Warnhinweise in der Presse gewußt, daß er verläßliche und seriöse Angaben nicht machten konnte und daß die Anlageformen Risiken bis hin
  69. zum Verlust des Anlagekapitals einschlossen, wenngleich er diese Gefahr für
  70. gering hielt. Indem er seine Unkenntnis über die tatsächliche Natur der Anlage
  71. und die von ihm erkannte, wenngleich als fernliegend eingeschätzte Möglichkeit eines Kapitalverlustes verbarg – möglicherweise auch "zum Besten" seiner
  72. Kunden – habe er sich von seriöser Beratung weit entfernt und daher mit bedingtem Täuschungs- und Schädigungsvorsatz gehandelt.
  73. II.
  74. Die Verurteilung wegen Betruges hält der rechtlichen Nachprüfung nicht
  75. stand.
  76. 1. Der Tatbestand des Betruges setzt voraus, daß der vom Täter erstrebte Vermögensvorteil und der verursachte Vermögensschaden einander
  77. entsprechen (BGHSt 6, 115, 116). Der Vorteil muß die Kehrseite des Schadens, d. h. unmittelbare Folge der täuschungsbedingten Vermögensverfügung
  78. sein und dem Täter direkt aus dem geschädigten Vermögen zufließen ("Stoff-
  79. -5-
  80. gleichheit"; vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl. § 263 Rdn. 108 m. w. N.).
  81. Daran fehlt es hier. Nach den alternativ gefaßten Feststellungen des Landgerichts ist zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, daß die erstrebten
  82. Provisionszahlungen den Zinszahlungen der Betreibergesellschaften entnommen wurden, also nicht unmittelbar dem aufgrund der Täuschung übergebenen
  83. Anlagekapital der Geschädigten entstammten, sondern den Einzahlungen
  84. späterer Anleger.
  85. Betrug zugunsten der Betreibergesellschaften ist nicht angeklagt und
  86. vom dem Landgericht nicht geprüft worden, obwohl die bisherigen Feststellungen dazu drängen. Es liegt nahe, daß der Angeklagte den Betreibergesellschaften das Anlagekapital verschaffen wollte, um so selbst einen Anspruch
  87. auf die Provision zu erwerben. Bei einem fremdnützigen Betrug bestünde ohne
  88. weiteres Stoffgleichheit zwischen dem Schaden der Anleger in Form des Kapitalverlustes und dem Vorteil der Betreibergesellschaften in Form des vereinnahmten Kapitals. Einer Schuldspruchänderung durch den Senat steht schon
  89. § 265 StPO entgegen.
  90. 2. Unklar und fehlerhaft sind auch die Feststellungen des Landgerichts
  91. zum Betrugsvorsatz des Angeklagten. Die Feststellungen rechtfertigen zwar
  92. die Annahme, daß der Angeklagte die Anleger in den Urteilsfällen bewußt getäuscht hat. Darüber hinaus erfordert eine Verurteilung wegen Betrugs jedoch,
  93. daß der Angeklagte auch eine Schädigung der Anleger in seinen Vorsatz aufgenommen hätte. Dabei reicht es für den Betrugsvorsatz bereits aus, daß der
  94. Täter die schadensbegründenden Umstände kannte. Der Betrugsvorsatz wird
  95. nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Täter hoffte, es werde letzten Endes
  96. alles gutgehen und das Risiko werde sich nicht realisieren (vgl. BGHR StGB
  97. § 263 Abs. 1 Vorsatz 1 und 2). Die Feststellung, daß der Angeklagte die Anle-
  98. -6-
  99. ger über das Verlustrisiko getäuscht hat, ist an sich geeignet, die Annahme
  100. eines Schädigungsvorsatzes im Sinne eines Gefährdungsvorsatzes zu tragen.
  101. Wer einem anderen eine sichere Kapitalanlage vorspiegelt, obwohl er tatsächlich mit der Möglichkeit eines Totalverlustes rechnet, kann eine täuschungsbedingte Gefährdung des eingesetzten Geldes des Getäuschten billigen.
  102. Dem steht hier aber entgegen, daß nach den Urteilsfeststellungen der
  103. Angeklagte selbst 10.000 DM und sein Vater
  104. der "S.
  105. sogar 100.000 DM bei
  106. " angelegt und verloren haben. Dies läßt es nicht ausgeschlossen
  107. erscheinen, daß der Angeklagte davon überzeugt war, das Anlagekapital werde ordnungsgemäß zurückgezahlt werden. Dieser Umstand hätte näherer Erörterung bedurft. Weiterhin glaubt die Strafkammer dem Angeklagten, daß seine Tätigkeit von dem Wunsch einer guten Beratung seiner größtenteils finanzunerfahrenen Kunden getragen war und er diesen deshalb die vermeintlich
  108. hochrentierlichen Anlagen empfohlen und ihnen die für ihn fernliegende Möglichkeit des Kapitalverlustes zu ihrem Besten verschwiegen habe. Auch diese
  109. Feststellung verträgt sich nicht mit der Annahme, der Angeklagte habe den
  110. möglichen Kapitalverlust der Anleger billigend in Kauf genommen.
  111. III.
  112. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der Einzeltaten können
  113. mit Ausnahme des Falles 34 (Betrug zum Nachteil der Zeugin R.
  114. im Som-
  115. mer 1992) bestehen bleiben. Im Fall 34 war nach den Feststellungen möglicherweise bereits im Zeitpunkt der ersten zur Unterbrechung der Verjährung
  116. geeigneten Handlung am 28. Juli 1997 die Verfolgungsverjährung eingetreten.
  117. -7-
  118. Der Senat hat das Verfahren nicht selbst eingestellt, weil nicht auszuschließen
  119. ist, daß in der neuen Hauptverhandlung genauere Feststellungen zum Anlagezeitpunkt getroffen werden können.
  120. Rissing-van Saan
  121. Otten
  122. Fischer
  123. Rothfuß
  124. Roggenbuck