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8.5 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. 2 StR 273/01
  4. URTEIL
  5. vom
  6. 5. Dezember 2001
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
  10. -2-
  11. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Dezember
  12. 2001, an der teilgenommen haben:
  13. Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
  14. Dr. Jähnke
  15. als Vorsitzender
  16. und die Richterin am Bundesgerichtshof
  17. Dr. Otten,
  18. die Richter am Bundesgerichtshof
  19. Rothfuß,
  20. Prof. Dr. Fischer,
  21. die Richterin am Bundesgerichtshof
  22. Elf
  23. als beisitzende Richter,
  24. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  25. Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
  26. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  27. Rechtsanwalt
  28. als Verteidiger,
  29. Justizhauptsekretärin
  30. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  31. für Recht erkannt:
  32. in der Verhandlung,
  33. bei der Verkündung
  34. -3-
  35. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
  36. Köln vom 13. Februar 2001 wird verworfen.
  37. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
  38. die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
  39. Von Rechts wegen
  40. Gründe:
  41. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und Körperverletzung zu
  42. einer Einzelstrafe von drei Jahren und unter Einbeziehung einer zur Bewährung ausgesetzten Einzelstrafe von einem Jahr vier Monate aus einer Verurteilung des Landgerichts Köln vom 22. Februar 2000 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es gegen
  43. ihn wegen eines weiteren erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit
  44. schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung eine
  45. Freiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt. Dagegen wendet sich die auf den
  46. Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge.
  47. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
  48. -4-
  49. Nach den Urteilsfeststellungen brachte der Angeklagte - im zweiten Fall
  50. gemeinsam mit den Mitangeklagten - am 31. März 1999 und am 23. Juni 2000
  51. das Tatopfer, einen eher zurückhaltenden und ängstlichen jungen Mann, jeweils über 12 Stunden in seine Gewalt, nötigte ihn zu Chauffeurdiensten und
  52. - um an das Geld des Tatopfers zu kommen - zwang diesen mit Drohungen und
  53. Schlägen, sein Bargeld herauszugeben und am Geldautomaten und vom Sparbuch Geld abzuheben (Fall II.1) bzw. die Abhebung durch die Täter zu dulden
  54. (Fall II.2). Im ersten Fall wurden 6.500,-- DM, im zweiten Fall 2.000,-- DM erlangt. Der Versuch, weitere 20.000,-- DM vom Konto des Tatopfers abzuheben,
  55. mißlang.
  56. Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts, das für beide Taten
  57. einen minder schweren Fall des erpresserischen Menschenraubs (im Fall II.2
  58. auch der schweren räuberischen Erpressung und der gefährlichen Körperverletzung) bejaht hat, lassen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
  59. erkennen.
  60. Zu erörtern ist lediglich folgendes:
  61. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, daß das Landgericht die ihn
  62. treffenden ausländerrechtlichen Folgen nicht erörtert hat, läßt er außer acht,
  63. daß nur die bestimmenden Strafzumessungsgründe im Urteil anzugeben sind
  64. und aus dem Schweigen der Urteilsgründe regelmäßig nicht gefolgert werden
  65. kann, daß für die Strafzumessung möglicherweise bedeutsame Umstände
  66. übersehen wurden. Ausländerrechtliche Folgen einer Tat sind in der Regel keine bestimmenden Strafzumessungsgründe. Nur besondere Umstände können
  67. im Einzelfall eine andere Beurteilung rechtfertigen (BGH NStZ-RR 2000, 297;
  68. -5-
  69. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Ausländer 5; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 37; BGH NStZ 1997, 77; 1996, 595). Dies gilt auch dann, wenn ein
  70. zwingender Ausweisungsgrund nach § 47 Abs. 1 AuslG in Betracht kommt. Ist
  71. die Ausweisung nicht zwingend geboten, ist ohnehin davon auszugehen, daß
  72. die Ausländerbehörden etwaige Härten im Rahmen ihres - gerichtlich überprüfbaren - Ermessens zu bedenken haben.
  73. Die Urteilsgründe legen bereits nicht nahe, daß die Ausweisung hier als
  74. zwingende Rechtsfolge eingreift. Zwar ist der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und einer Freiheitsstrafe von
  75. fünf Jahren verurteilt worden, so daß die Voraussetzungen nach § 47 Abs. 1
  76. AuslG vorliegen. Bei dem Angeklagten, der als türkischer Staatsbürger schon
  77. im Säuglingsalter mit seiner Familie nach Deutschland kam und hier aufwuchs,
  78. ist aber grundsätzlich davon auszugehen, daß ihm der besondere Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Ziff. 2 AuslG zugute kommt. Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer, der eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt
  79. und als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist, nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Daß die Aufenthaltserlaubnis des Angeklagten - wie von der Revision vorgetragen - schon vor der Verurteilung auf drei Monate befristetet war und deshalb diese Voraussetzungen bei ihm nicht erfüllt sind, läßt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Da die Versagung oder Befristung einer Aufenthaltserlaubnis für Personen, die - wie der Angeklagte - nach § 26 Abs. 1 AuslG
  80. einen Anspruch auf die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis haben, zwar nach § 26 Abs. 3 Nr. 2 AuslG bei strafrechtlichen Verurteilungen
  81. möglich ist, aber im pflichtgemäßem Ermessen der Ausländerbehörde steht,
  82. mußte sich der Tatrichter mit dieser Möglichkeit trotz der Verurteilungen von
  83. -6-
  84. einer Jugendstrafe von sechs Monaten und einer Freiheitsstrafe von einem
  85. Jahr und vier Monaten - jeweils zur Bewährung ausgesetzt - ohne weitere Anhaltspunkte auch nicht auseinandersetzen.
  86. Unter diesen Umständen kann auch die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge keinen Erfolg haben, weil sich die Aufklärung im Hinblick auf eine Befristung der Aufenthaltserlaubnis nicht aufdrängte.
  87. 2. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts und der Revision begegnet es auch keinen durchgreifenden Bedenken, daß sich das Landgericht nicht ausdrücklich mit dem Gesamtstrafübel auseinandergesetzt hat.
  88. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Nachteil auszugleichen, der sich für einen Angeklagten möglicherweise dadurch ergibt, daß
  89. wegen der Zäsurwirkung früherer Urteile die Bildung einer Gesamtstrafe nicht
  90. möglich ist und dadurch das Gesamtstrafübel dem Unrechts- und Schuldgehalt
  91. der Taten nicht mehr gerecht wird. Dies wird insbesondere dann in Betracht
  92. kommen, wenn die durch die Zäsurwirkung erzwungene Bildung von mehreren
  93. Strafen statt einer Gesamtstrafe zu einer in ihrer Summe außergewöhnlich hohen Strafe oder zu einer voraussichtlichen Gesamtvollstreckungsdauer führt,
  94. die diejenige einer lebenslangen Freiheitsstrafe erreicht oder überschreitet
  95. (BGH NStZ 2000, 137 m.w.N.). Bei derartigen Fallgestaltungen hat der
  96. Tatrichter in den Urteilsgründen darzulegen, daß er sich seiner Verpflichtung
  97. bewußt ist, ein zu hohes Gesamtstrafübel ausgleichen zu müssen.
  98. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
  99. -7-
  100. Eine besonders nachteilige Auswirkung der Zäsur, die vor allem dann
  101. eintreten kann, wenn die die Zäsur begründende Strafe nur ganz geringfügig
  102. ist, ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil die einbezogene Strafe von einem Jahr vier Monaten aus der Verurteilung des Landgerichts Köln - im Verhältnis zu den in dieser Sache verhängten Freiheitsstrafen - keineswegs geringfügig war und ihrerseits zu einer dem Angeklagten günstigen Gesamtstrafenbildung mit der für die erste Tat verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren
  103. führte. Daß die einbezogene Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt war, die
  104. durch die Einbeziehung entfiel, kann dabei außer acht bleiben, da es andernfalls aufgrund der neuen Straftat zu einem Bewährungswiderruf gekommen wäre. Zwar hinderte diese Gesamtstrafenbildung eine sonst mögliche andere Gesamtstrafenbildung für die in dieser Sache verhängten beiden Freiheitsstrafen.
  105. Selbst wenn dies zu einer dem Angeklagten noch günstigeren Gesamtstrafenbildung hätte führen können, begründete dies allein aber keinen auszugleichenden Nachteil. Dies wäre erst dann gegeben, wenn die Summe der tatsächlich verhängten Gesamtstrafe und der weiteren Freiheitsstrafe von fünf
  106. Jahren für die begangenen Taten nicht mehr als schuldangemessen angesehen werden
  107. -8-
  108. könnte. Davon kann jedoch keine Rede sein. Dabei ist auch zu bedenken, daß
  109. der Angeklagte die zweite Tat trotz der die Zäsur bewirkenden Verurteilung
  110. begangen hat. Unter diesen Umständen bedurfte es aber auch keiner Erörterung der Schuldangemessenheit des Gesamtstrafübels in den Urteilsgründen.
  111. Jähnke
  112. Otten
  113. Fischer
  114. Rothfuß
  115. Elf