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232 lines
8.7 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 2 StR 206/12
  5. vom
  6. 27. Februar 2013
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
  10. -2-
  11. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Februar
  12. 2013, an der teilgenommen haben:
  13. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  14. Becker
  15. und die Richter am Bundesgerichtshof
  16. Prof. Dr. Fischer,
  17. Dr. Berger,
  18. Prof. Dr. Krehl,
  19. die Richterin am Bundesgerichtshof
  20. Dr. Ott,
  21. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  22. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  23. Rechtsanwalt
  24. Rechtsanwalt
  25. als Verteidiger,
  26. Rechtsanwältin
  27. als Vertreterin der Nebenklägerin,
  28. Justizangestellte
  29. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  30. für Recht erkannt:
  31. ,
  32. -3-
  33. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 19. Dezember 2011 im Adhäsionsausspruch aufgehoben.
  34. Von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge wird abgesehen.
  35. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  36. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
  37. die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
  38. notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der
  39. Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren
  40. entstandenen Auslagen trägt jeder Beteiligte selbst.
  41. Von Rechts wegen
  42. Gründe:
  43. 1
  44. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zehn Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines
  45. Kindes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer
  46. Schutzbefohlenen, sowie wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohle-
  47. -4-
  48. nen in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
  49. 2
  50. Von einem weiteren Tatvorwurf hat es ihn freigesprochen. Die auf die
  51. Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des
  52. Angeklagten hat nur im Adhäsionsausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
  53. I.
  54. 3
  55. Nach den Feststellungen des Landgerichts lebte der Angeklagte seit Ende der neunziger Jahre mit S.
  56. M.
  57. , seiner späteren Ehefrau, und ihrer
  58. im Jahr 1992 geborenen Tochter M.
  59. zusammen. Mit seiner Stieftochter
  60. verband ihn alsbald ein sehr enges Verhältnis, das von großer emotionaler und
  61. auch körperlicher Nähe geprägt war. Dem Angeklagten waren weitgehende
  62. Mitspracherechte bei ihrer Erziehung eingeräumt.
  63. 4
  64. Während der beruflich bedingten Abwesenheit der Mutter kam es ab Juni 2005 zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf die zu Tatbeginn knapp
  65. 13 Jahre alte Nebenklägerin.
  66. 5
  67. Kurz vor ihrem 13. Geburtstag hielten der Angeklagte und die Nebenklägerin im Schlafzimmer der Eheleute ein gemeinsames Mittagsschläfchen. Dort
  68. streichelte der Angeklagte in der Absicht, sich sexuell zu erregen, seine nur mit
  69. Unterhose und BH bekleidete Stieftochter am ganzen Körper, mit Ausnahme
  70. des Genitalbereichs und ihrer Brust. Auf eine Bemerkung des Angeklagten hin
  71. tat sie dasselbe bei ihm, wobei er allerdings nicht ausgezogen war (Fall 1).
  72. 6
  73. Zwei bis drei Wochen später rieb der Angeklagte die unbekleidete Nebenklägerin mit einem Massageöl ein, wobei er ihre Brüste und auch die äußeren Schamlippen berührte (Fall 2).
  74. -5-
  75. 7
  76. Einige Wochen später, spätestens im August 2005, kam es zu einem
  77. ähnlichen Vorfall, wobei der Angeklagte nun auch die Klitoris des Mädchens
  78. streichelte und mit einem Finger in ihre Scheide eindrang (Fall 3).
  79. 8
  80. Im Zeitraum von September 2005 bis März 2006 kam es regelmäßig,
  81. zeitweise zwei bis drei Mal in der Woche, zu weiteren Übergriffen der geschilderten Art. Dabei kam es mindestens einmal im Monat vor, dass der Angeklagte mit dem Finger in die Scheide der Nebenklägerin eindrang (Fälle 4-10).
  82. 9
  83. Ein weiterer Übergriff ereignete sich im April 2006 bei einem Familienbesuch in England. Die Nebenklägerin begab sich für eine kurze Zeit in das
  84. Schlafzimmer des Angeklagten, wo sie sich auszog, der Angeklagte sie daraufhin streichelte und erneut mit einem Finger in ihre Scheide eindrang (Fall 11).
  85. 10
  86. Im Mai 2006 kam es in einem Schlafzimmer der ehelichen Wohnung zu
  87. einem weiteren Übergriff, bei dem der Angeklagte die Klitoris des Mädchens
  88. streichelte und mit einem Finger in ihre Scheide eindrang (Fall 12).
  89. 11
  90. Nach dem 14. Geburtstag der Nebenklägerin setzten sich die Geschehnisse in der beschriebenen Weise fort, wobei der Angeklagte mindestens einmal im Monat mit dem Finger in die Scheide der Nebenklägerin eindrang. Bis
  91. zu ihrem 16. Geburtstag im Juni 2008 kam es insoweit zu insgesamt 24 Vorfällen (Fälle 13-36).
  92. 12
  93. Der letzte Übergriff erfolgte am 2. Januar 2010. Dabei streichelte der
  94. Angeklagte das Geschlechtsteil der Nebenklägerin, bis sie zum Höhepunkt
  95. kam. Diese sowie die weiteren ab Juni 2008 begangenen Taten hat die Kammer nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
  96. 13
  97. Auf Geheiß des Angeklagten befriedigte das Mädchen den Angeklagten
  98. auch mehrmals manuell bis zum Samenerguss. Er übte des Weiteren bei
  99. -6-
  100. M.
  101. wiederholt Oralverkehr aus, verlangte dies auch von ihr, wozu es aber
  102. nicht kam, weil sie dies wie auch seinen Wunsch nach Geschlechtsverkehr ablehnte. Zu einer Verurteilung dieser Fälle sah sich das Landgericht außerstande, weil nicht auszuschließen war, dass es sich um eingestellte Vorfälle im Juni
  103. 2008 handelte.
  104. 14
  105. Hinsichtlich eines weiteren Vorfalls in England hat es den Angeklagten
  106. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil sich die Nebenklägerin in der
  107. Hauptverhandlung lediglich noch an ein einziges Geschehen dort erinnern
  108. konnte.
  109. II.
  110. 15
  111. Die Revision des Angeklagten führt lediglich zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Adhäsionsausspruch; insoweit war von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen.
  112. 16
  113. 1. Die Verfahrensrügen greifen aus den vom Generalbundesanwalt in
  114. seiner Antragsschrift genannten Gründen nicht durch.
  115. 17
  116. 2. Die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat Rechtsfehler
  117. zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Insbesondere hält die Beweiswürdigung, aufgrund derer sich die Strafkammer die Überzeugung von der
  118. Täterschaft des Angeklagten verschafft hat, revisionsrechtlicher Nachprüfung
  119. stand. Insoweit sind durchgreifende Rechtsfehler nicht zu erkennen.
  120. 18
  121. Die Beweiswürdigung entspricht den Anforderungen, die in der vorliegenden Beweiskonstellation, in der der Einlassung des Angeklagten allein die
  122. Aussage der Nebenklägerin gegenübersteht, zu erfüllen sind. Das Landgericht
  123. hat ihre Angaben einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen und
  124. dabei erkennen lassen, dass es alle Umstände, welche die Entscheidung be-
  125. -7-
  126. einflussen können, gesehen und in seine Überlegungen einbezogen hat. Es
  127. genügt mit seiner hypothesengestützten Glaubhaftigkeitsprüfung den methodischen Qualitätsanforderungen, die der Bundesgerichtshof insoweit den Tatgerichten abverlangt. Dass die Strafkammer dabei vor allem im Rahmen der Prüfung der Aussagekonstanz immer wieder (allgemein) auf „natürliche Vergessens-, Vermengungs- und Verschmelzungsprozesse“ sowie (irreführend) auf
  128. das „Inkadenzphänomen“ abgestellt hat, lässt vorliegend noch nicht besorgen,
  129. das ihr dabei die Bedeutung des Prüfungskriteriums „Aussagekonstanz“ in
  130. rechtlich bedenklicher Weise aus dem Blick geraten sein könnte.
  131. 19
  132. 3. Der Adhäsionsausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht
  133. stand.
  134. 20
  135. Soweit das Landgericht der Nebenklägerin Schmerzensgeld zuerkannt
  136. hat, ist diese Entscheidung schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Strafkammer, wie es regelmäßig erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010
  137. - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344), die persönlichen und wirtschaftlichen
  138. Verhältnisse des Angeklagten und der Nebenklägerin nicht erörtert hat.
  139. 21
  140. Im Hinblick auf die getroffene Feststellung der Strafkammer, der Angeklagte habe der Nebenklägerin sämtliche materiellen und immateriellen
  141. Schäden, die ihr in Zukunft infolge der abgeurteilten Taten entstehen würden,
  142. zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen seien oder übergehen würden, sind Verletzungen der Nebenklägerin, die einen
  143. Dauer- oder Zukunftsschaden wahrscheinlich machen, den Urteilsgründen nicht
  144. zu entnehmen. Insoweit ist für ein Feststellungsurteil kein Raum (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 4 StR 222/03).
  145. -8-
  146. 22
  147. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, § 472a Abs. 2 StPO.
  148. Eine Entscheidung gemäß § 473 Abs. 4 StPO kam angesichts des nur geringfügigen Erfolges des Rechtsmittels nicht in Betracht.
  149. Becker
  150. Fischer
  151. RiBGH Dr. Berger befindet sich im Urlaub und ist
  152. daher gehindert zu unterschreiben.
  153. Becker
  154. Ri'inBGH Dr. Ott befindet sich im Urlaub und
  155. ist daher gehindert zu
  156. unterschreiben.
  157. Krehl
  158. Becker