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128 lines
4.2 KiB

  1. 2 StR 163/14
  2. Verfügung
  3. In der Strafsache
  4. gegen
  5. BGHR:
  6. BGHSt:
  7. Nachschlagewerk:
  8. Veröffentlichung:
  9. ja
  10. ja
  11. ja
  12. ja
  13. StPO §§ 140 Abs. 2 Satz 1, 350 Abs. 2 Satz 1; MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. c
  14. Die Praxis, wonach Revisionshauptverhandlungen ohne Anwesenheit des vom
  15. Angeklagten gewählten Verteidigers durchgeführt werden, genügt den Anforderungen
  16. des Art. 6 Absatz 3 Buchst. c MRK nicht. Erscheint ein Wahlverteidiger, dem der
  17. Termin der Hauptverhandlung gemäß § 350 Absatz 1 StPO mitgeteilt wurde, zur
  18. Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht nicht, oder teilt er vorab mit, das er nicht
  19. erscheinen werde, ist er in der Regel zum Pflichtverteidiger für die
  20. Revisionshauptverhandlung zu bestellen, um das Recht des Angeklagten auf
  21. Verteidigung aus Art. 6 III c MRK zu wahren.
  22. BGH, Verfügung vom 25. September 2014 - 2 StR 163/14 - LG Fulda
  23. 1.
  24. 2.
  25. wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung u.a.
  26. Der Termin vom 26. November 2014 wird aufgehoben.
  27. 1. Neuer Termin zur Hauptverhandlung über die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten C.
  28. :
  29. Mittwoch, 7. Januar 2015, 11.00 Uhr.
  30. 2. Für den Angeklagten C.
  31. F.
  32. wird Herr Rechtsanwalt
  33. H.
  34. zum Pflichtverteidiger für die Revisionshauptverhandlung bestimmt.
  35. aus
  36. -2-
  37. Gründe:
  38. 1
  39. In der Hauptverhandlung des Senats am 20. August 2014 ist für den Angeklagten R.
  40. der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt K.
  41. erschienen. Der Wahlverteidiger des Angeklagten C.
  42. H.
  43. aus B.
  44. H.
  45. , Herr Rechtsanwalt
  46. , hatte mit Schreiben vom 19. August 2014 mitgeteilt, dass er zur
  47. Hauptverhandlung nicht anreisen werde; das Schreiben lag dem Senat erst am
  48. 20. August 2014 vor.
  49. 2
  50. Der Senat hat die Hauptverhandlung über die Revisionen der Staatsanwaltschaft ausgesetzt, weil der Angeklagte C.
  51. 3
  52. nicht verteidigt war.
  53. Nach dem Wortlaut des § 350 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StPO ist die Anwesenheit eines gewählten Verteidigers in der Revisionshauptverhandlung
  54. grundsätzlich nicht erforderlich. Nach der bisherigen Rechtsprechung und
  55. Übung ist ein Pflichtverteidiger für die Revisionshauptverhandlung nur dann zu
  56. bestellen, wenn ein "schwerwiegender Fall" vorliegt (BVerfGE 46, 202) oder die
  57. Rechtslage besonders schwierig ist (vgl. BGHSt 19, 258; Meyer-Goßner/
  58. Schmitt StPO 57. Aufl. § 350 Rn. 7 f. mit weiteren Nachweisen).
  59. 4
  60. Nach Auffassung des 2. Strafsenats genügt die bisherige Praxis, wonach
  61. zahlreiche Revisionshauptverhandlungen ohne Anwesenheit der Angeklagten
  62. und ihrer gewählten Verteidiger durchgeführt werden, den Anforderungen des
  63. Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c MRK nicht. In Anbetracht des Umstands, dass die
  64. Revision zum Bundesgerichtshof das einzige Rechtsmittel gegen Urteile der
  65. großen Strafkammer der Landgerichte und der erstinstanzlichen Senate der
  66. Oberlandesgerichte ist, erscheint es nicht vertretbar, den Angeklagten in
  67. Hauptverhandlungen, an deren Ende eine ihn beschwerende Entscheidung ergehen kann, ohne jegliche Vertretung und - bei regelmäßiger Abwesenheit des
  68. Angeklagten selbst - jedenfalls faktisch ohne rechtliches Gehör zu lassen. Das
  69. -3-
  70. gilt vor allem bei Hauptverhandlungen über Revisionen der Staatsanwaltschaft
  71. oder von Nebenklägern, muss aber gleichermaßen für solche über Revisionen
  72. des Angeklagten gelten.
  73. 5
  74. Dem steht nicht entgegen, dass es dem Angeklagten freigestellt ist, sich
  75. in der Hauptverhandlung durch einen Wahlverteidiger vertreten zu lassen
  76. (§ 350 Abs. 2 Satz 1 StPO) und dass dem Nichterscheinen eines Verteidigers
  77. auch ein Kosteninteresse des Angeklagten zugrunde liegen kann.
  78. 6
  79. Die Gründe, aus welchen ein Wahlverteidiger nicht zur Revisionshauptverhandlung erscheint, können vielfältig sein und müssen mit den Interessen
  80. des Angeklagten nicht übereinstimmen. Auf das mögliche Interesse des Angeklagten, nicht mit Pflichtverteidigerkosten als Verfahrenskosten belastet zu werden, kommt es nach der gesetzlichen Wertung des § 140 StPO nicht an.
  81. 7
  82. Teilt ein Wahlverteidiger mit, dass er zur Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht nicht erscheinen werde, ist er daher in der Regel zum Pflichtverteidiger für die Revisionshauptverhandlung zu bestellen, um die Durchführung
  83. des Verfahrens zu sichern.
  84. 8
  85. Das hierin möglicherweise liegende berufstypische Sonderopfer hat er
  86. hinzunehmen.
  87. Karlsruhe, den 25. September 2014
  88. Bundesgerichtshof
  89. Der Vorsitzende des 2. Strafsenats
  90. Prof. Dr. Fischer