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8.4 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 2 StR 160/03
  5. vom
  6. 20. August 2003
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen Bestechlichkeit u. a.
  10. -2-
  11. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. August
  12. 2003, an der teilgenommen haben:
  13. Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
  14. Dr. Rissing-van Saan,
  15. die Richter am Bundesgerichtshof
  16. Dr. h. c. Detter,
  17. Dr. Bode,
  18. Rothfuß
  19. und die Richterin am Bundesgerichtshof
  20. Roggenbuck,
  21. Bundesanwalt
  22. Staatsanwältin
  23. in der Verhandlung,
  24. bei der Verkündung
  25. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  26. Justizangestellte
  27. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  28. für Recht erkannt:
  29. -3-
  30. 1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
  31. Landgerichts Bonn vom 2. August 2002 wird verworfen.
  32. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil
  33. wird mit der Maßgabe verworfen, daß die Tagessatzhöhe für
  34. die verhängten Einzelgeldstrafen auf 1
  35.   
  36. 
  37. 3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen
  38. notwendigen Auslagen zu tragen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
  39. Von Rechts wegen
  40. Gründe:
  41. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit siebenfacher Untreue, wegen Untreue in drei weiteren Fällen und wegen Vorteilsannahme in sieben Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei
  42. Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen.
  43. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrem vom Generalbundesanwalt nicht
  44. vertretenen Rechtsmittel die Verletzung formellen und materiellen Rechts und
  45. wendet sich gegen den Teilfreispruch des Angeklagten.
  46. -4-
  47. Der Angeklagte rügt ebenfalls die Verletzung formellen und materiellen
  48. Rechts.
  49. I. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist offensichtlich unbegründet.
  50. II. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat ebenfalls keinen Erfolg. Die
  51. Verfahrensrügen sind, soweit sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2
  52. StPO entsprechend ausgeführt sind, offensichtlich unbegründet. Der näheren
  53. Erörterung bedürfen auf die Sachrüge lediglich die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse bei den Komplexen I und III (1.) sowie die Strafzumessung
  54. (2.). Zudem ist die Tagessatzhöhe für die Einzelgeldstrafen zu ergänzen (3.).
  55. 1. a) Der Schuldspruch wegen Bestechlichkeit in einem Fall läßt keinen
  56. Rechtsfehler erkennen. Von dem Beschwerdeführer wird dies auch nicht geltend gemacht. Der Angeklagte hat zwar insgesamt mindestens 26 Bestechungszahlungen entgegengenommen. Gleichwohl hat das Landgericht hier zu
  57. Recht nur einen Fall der Bestechlichkeit angenommen. Mehrere Vorteilsannahmen stehen zwar grundsätzlich untereinander im Verhältnis der Tatmehrheit. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn - wie es das Landgericht hier festgestellt
  58. hat - der für die Unrechtsvereinbarung zu leistende Vorteil zwischen dem Angeklagten und R. von Anfang an genau bestimmt war. In diesen Fällen liegt
  59. hinsichtlich der Annahme aller Teilleistungen auf die Unrechtsvereinbarung
  60. eine tatbestandliche Handlungseinheit vor (vgl. BGHSt 47, 22, 30 = NStZ 2001,
  61. 479, 481; BGH NStZ 95, 92; wistra 1999, 271; BGHR StGB § 332 Abs. 1 Konkurrenzen 5; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 331 Rdn. 39).
  62. Der für die einzelnen Luftrechnungen von R. an den Angeklagten zu
  63. zahlende Betrag war zwar von ihnen für jede Luftrechnung einzeln konkret
  64. -5-
  65. festgelegt worden. Die Höhe des jeweils vereinbarten Vorteils konnte jedoch
  66. nicht festgestellt werden (UA S. 68). Das Landgericht konnte daher weder ausschließen, daß auf eine Unrechtsvereinbarung mehrere Zahlungen erfolgten,
  67. noch konnte es ausschließen, daß R. mit einer Zahlung auf mehrere jeweils bei
  68. Absprache der Luftrechnungen getroffenen Unrechtsvereinbarungen geleistet
  69. hat. Beide Möglichkeiten liegen schon wegen der ständigen finanziellen Bedrängnis des R. gleichermaßen nahe, zumal die Zahlungen teilweise kurz aufeinander erfolgten und ein eindeutiger zeitlicher Zusammenhang zwischen den
  70. Luftrechnungen und den Vorteilszahlungen nicht erkennbar ist. Dies hat zur
  71. Folge, daß sich eine zumindest teilweise Überschneidung der tatbestandsrelevanten Handlungen der jeweiligen Einzelfälle der Bestechlichkeit nicht ausschließen läßt. Daher läßt sich eine bestimmte Mehrzahl von Fällen der Bestechlichkeit nicht feststellen, sondern nur, daß zumindest ein Fall der Bestechlichkeit gegeben ist.
  72. Durch die Annahme nur eines Falls der Bestechlichkeit ist der Angeklagte auch nicht deshalb beschwert, weil dadurch die Tatzeit der Bestechlichkeit bis zur Entgegennahme der letzten Bestechungszahlung am 13. Februar
  73. 1998 andauerte und sich damit in den Geltungsbereich der durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz seit dem 20. August 1997 verschärften Strafdrohung der §§ 332, 335 StGB nF erstreckt. Da das Landgericht zu Recht die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls der Bestechlichkeit (§ 335
  74. Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB nF) angenommen hat, erhöht sich der
  75. Strafrahmen für die vor dem 20. August 1997 angenommenen Bestechungszahlungen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe auf Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren. Andererseits wären bei Anwendung des
  76. Tatzeitrechts aber 26 Taten zu verurteilen, von denen die drei letzten ohnehin
  77. nach der verschärften Gesetzesfassung zu beurteilen waren. Unter diesen Um-
  78. -6-
  79. ständen wirkt sich die Annahme eines Falls der Bestechlichkeit nicht zum
  80. Nachteil des Angeklagten aus, zumal das Landgericht bei der Bemessung der
  81. Einsatzstrafe von zwei Jahren und acht Monaten ausdrücklich zu Gunsten des
  82. Angeklagten berücksichtigt hat, daß nur wenige Zahlungen des R. an den Angeklagten nach dem 19. August 1997 erfolgten.
  83. b) Die Annahme von Tateinheit zwischen der Bestechlichkeit (Komplex
  84. III) und den sieben Fällen der Untreue (Komplex I) ist rechtlich zutreffend, weil
  85. - wie das Landgericht UA S. 71 feststellt - die jeweilige Absprache des Angeklagten mit R., pflichtwidrig die Anweisung der Luftrechnungen zu veranlassen,
  86. sowohl den Beginn des Treubruchs als auch den Abschluß der Unrechtsvereinbarung darstellt (vgl. BGHSt 47, 22, 29). Im übrigen ist der Angeklagte
  87. durch die Annahme von Tateinheit nicht beschwert.
  88. 2. Die Überprüfung der Strafzumessung ergibt keinen Rechtsfehler zum
  89. Nachteil des Angeklagten.
  90. Entgegen der Ansicht der Verteidigung durfte der lange Tatzeitraum, in
  91. dem sich der Angeklagte in erheblichem Umfang wiederholt strafbar gemacht
  92. hat, als Bewertung der Vielzahl der Taten sowie der erheblichen kriminellen
  93. Energie nach § 46 Abs. 2 StGB zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden. Dies schloß notwendigerweise mit ein, daß die Taten teilweise schon länger zurücklagen, so daß zwischen den anfänglichen Taten und dem angefochtenen Urteil ein erheblicher zeitlicher Abstand besteht. Unter den Umständen des vorliegenden Falls mußte dies aber kein bestimmender Strafzumessungsgrund sein, weil der Angeklagte während des gesamten Tatzeitraums
  94. immer wieder erhebliche Straftaten begangen und damit über mehrere Jahre
  95. hinweg kriminelle Energie entwickelt hat.
  96. -7-
  97. Die im Urteil in einem eigenen Abschnitt dargestellte Prozeßgeschichte
  98. (UA S. 47/49) läßt keine überlange Verfahrensdauer im Sinne von Art. 20
  99. Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 MRK erkennen, eine Verfahrensrüge ist insoweit nicht
  100. erhoben. Zwischen der Anzeigeerstattung am 20. März 1998 und dem angefochtenen Urteil vom 2. August 2002 vergingen zwar vier Jahre und fast fünf
  101. Monate. Die Ermittlungen gegen mehrere tatbeteiligte Beschuldigte waren wegen der Schwierigkeit und Komplexität der Tatvorwürfe jedoch umfangreich und
  102. langwierig. Auch die Strafkammer benötigte im Zwischenverfahren Zeit für die
  103. Vorbereitung des Eröffnungsbeschlusses. In Anbetracht der Höhe der verhängten Einzelstrafen, die jeweils im unteren Bereich der zur Verfügung stehenden Strafrahmen liegen, sowie der mäßigen Gesamtfreiheitsstrafe ist auszuschließen, daß die Strafkammer die Verfahrensdauer - trotz ihrer Darstellung
  104. der Prozeßgeschichte - bei der Strafzumessung übersehen hat und bei deren
  105. erneuter und ausdrücklicher Erörterung im Rahmen der Strafzumessung zu
  106. einer milderen Bestrafung gelangt wäre.
  107. 3. Die vom Landgericht unterlassene Bemessung der Tagessatzhöhe für
  108. die Einzelgeldstrafen in den Fällen 20 und 31 hat der Senat nachgeholt und
  109. den Tagessatz in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts
  110. auf den Mindestbetrag von 1
  111. Rissing-van Saan
  112.    
  113. 354 Abs. 1 StPO).
  114. Detter
  115. Rothfuß
  116. Bode
  117. Roggenbuck