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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 1 StR 73/09
  4. vom
  5. 21. April 2009
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen versuchten Mordes u.a.
  9. -2-
  10. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. April 2009 gemäß § 349
  11. Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  12. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 4. Dezember 2008
  13. a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des
  14. versuchten Totschlags in Tateinheit mit Misshandlung
  15. Schutzbefohlener und tateinheitlich begangener gefährlicher
  16. Körperverletzung schuldig ist;
  17. b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
  18. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  19. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  20. Gründe:
  21. 1
  22. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes (durch
  23. Unterlassen) in Tateinheit mit Misshandlung Schutzbefohlener und gefährlicher
  24. Körperverletzung zu einer Jugendstrafe in Höhe von fünf Jahren und sechs
  25. -3-
  26. Monaten verurteilt. Den zunächst verwirklichten versuchten Totschlag (durch
  27. aktives Tun) hat die Strafkammer dem Schuldspruch nicht zu Grunde gelegt,
  28. weil sie bei Annahme von natürlicher Handlungseinheit dem Unterlassungsdelikt das größere Gewicht beigemessen hat. Die gegen dieses Urteil gerichtete
  29. Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
  30. 2
  31. Die Ausführungen des Landgerichts halten teilweise revisionsrechtlicher
  32. Nachprüfung nicht stand. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe
  33. sich wegen eines versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen strafbar
  34. gemacht, trifft nicht zu. Nach der Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs fehlt es an einer für das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht
  35. erforderlichen „anderen“ Straftat, wenn der Täter das Tatopfer zunächst mit
  36. (bedingtem) Tötungsvorsatz misshandelt und es anschließend unterlässt, zur
  37. Verdeckung dieses Geschehens Maßnahmen zur Rettung des überlebenden
  38. Opfers einzuleiten, selbst wenn zwischen dem Handlungs- und Unterlassensteil
  39. eine zeitliche Zäsur liegt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 15; BGH
  40. StraFo 2007, 123, 124). Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung des 4. Strafsenats abzuweichen, auch wenn beachtliche Gründe dagegen sprechen (vgl. hierzu Freund in NStZ 2004, 123, 124). Eine Verurteilung
  41. des Angeklagten wegen eines versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen kam deshalb im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
  42. 3
  43. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen
  44. ist der Angeklagte jedoch neben den tateinheitlich verwirklichten Delikten der
  45. Misshandlung Schutzbefohlener und der gefährlichen Körperverletzung eines
  46. versuchten Totschlags schuldig. Insbesondere die Annahme des Landgerichts,
  47. -4-
  48. der Angeklagte habe bereits bei Ausführung des Faustschlags auf den Hinterkopf seines zwei Monate alten Sohnes mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, begegnet angesichts der ausführlichen Beweiswürdigung zu der Gefährlichkeit der Gewalthandlung, den erheblichen Verletzungsfolgen und der Persönlichkeit des Angeklagten keinen rechtlichen Bedenken. Die Annahme eines
  49. strafbefreienden Rücktritts ist im vorliegenden Fall ausgeschlossen. Nach den
  50. Feststellungen der Kammer rechnete der Angeklagte nach dem Faustschlag
  51. „mit dem Schlimmsten“; er wollte weder sehen noch wissen, was er seinem
  52. Sohn angetan hatte. Es lag damit ein beendeter Versuch vor (vgl. BGHSt 40,
  53. 304, 306), so dass der Angeklagte erfolgreiche Bemühungen zur Verhinderung
  54. des drohenden Erfolgseintritts hätte entfalten müssen, um strafbefreiend zurücktreten zu können (§ 24 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. StGB). Dies hat er aber nicht
  55. getan. Da in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende als die aus dem
  56. Urteil ersichtlichen Feststellungen nicht zu erwarten sind, war der Schuldspruch
  57. entsprechend zu ändern (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Eines Hinweises nach
  58. § 265 StPO bedurfte es hierzu nicht.
  59. 4
  60. Der Strafausspruch kann im Hinblick auf die Änderung des Schuldspruchs keinen Bestand haben. Die vom Landgericht verhängte Jugendstrafe
  61. und deren Höhe erscheinen zwar angesichts der Persönlichkeitsdefizite des
  62. Angeklagten, des von erheblicher Rohheit und Brutalität geprägten Tatbildes
  63. (wuchtiger Faustschlag auf den Hinterkopf eines Säuglings) und der schweren
  64. Folgen für das Opfer auch unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens
  65. durchaus angemessen. Jedoch kann der Senat nicht ausschließen, dass das
  66. Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine andere Jugendstrafe
  67. verhängt hätte. Da es bei der Bemessung der Jugendstrafe wiederholt auf das
  68. Unterlassungsdelikt abgestellt hat, war der Strafausspruch mit den dazu gehörenden Feststellungen aufzuheben und an eine andere Strafkammer des Land-
  69. -5-
  70. gerichts zurückzuverweisen. Der Senat weist daraufhin, dass bei der erneuten
  71. Strafzumessung insbesondere das Nachtatverhalten des Angeklagten (UA S. 9)
  72. strafschärfend berücksichtigt werden darf.
  73. Nack
  74. Elf
  75. Jäger
  76. Graf
  77. Sander