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326 lines
16 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 1 StR 663/16
  5. vom
  6. 21. März 2017
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen Totschlags
  10. ECLI:DE:BGH:2017:210317U1STR663.16.0
  11. -2-
  12. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. März
  13. 2017, an der teilgenommen haben:
  14. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  15. Dr. Raum,
  16. die Richter am Bundesgerichtshof
  17. Prof. Dr. Jäger,
  18. Bellay,
  19. die Richterin am Bundesgerichtshof
  20. Cirener
  21. und der Richter am Bundesgerichtshof
  22. Prof. Dr. Radtke,
  23. Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
  24. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  25. Rechtsanwalt
  26. – in der Verhandlung –
  27. als Verteidiger,
  28. Justizobersekretärin
  29. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  30. für Recht erkannt:
  31. -3-
  32. Die Revision der Staatsanwaltschaft und die des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom
  33. 12. Juli 2016 werden verworfen.
  34. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
  35. tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen
  36. notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
  37. Von Rechts wegen
  38. Gründe:
  39. 1
  40. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wenden sich sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen. Der Angeklagte
  41. erhebt die allgemeine Sachrüge; das auf den Strafausspruch beschränkte
  42. – vom Generalbundesanwalt nicht vertretene – zu Ungunsten des Angeklagten
  43. eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft beanstandet ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts. Beide Revisionen bleiben erfolglos.
  44. -4-
  45. I.
  46. 2
  47. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
  48. 3
  49. 1. Der 22 Jahre alte Angeklagte wohnte ab Mitte August 2015 bei seinen
  50. Großeltern, die in verwahrlosten häuslichen Verhältnissen lebten. Er hatte dort
  51. von Sommer 2012 bis Sommer 2014 schon einmal Unterschlupf gefunden, war
  52. aber dann zu seiner Mutter zurückgekehrt, bis diese sich in stationäre psychische Behandlung begab. Während die Großmutter des Angeklagten weitgehend antriebslos auf dem Sofa saß, neigte der Großvater
  53. K.
  54. – das spä-
  55. tere Tatopfer – dem übermäßigen Konsum von Alkohol zu. Im alkoholischen
  56. Zustand kam es immer wieder zu verbalen aggressiven Ausfällen, die sich während dessen ersten Aufenthalts vor allem gegen den Angeklagten richteten. So
  57. wurde der tatsächlich beschäftigungslose Angeklagte von seinem Großvater
  58. unter anderem als „Asozialer“, „Gehirnamputierter“ und „faule Sau“ beschimpft.
  59. Der Großvater versuchte gegenüber der Nachbarschaft zudem den unzutreffenden Eindruck zu vermitteln, der Angeklagte schlage ihn. Seit dem erneuten
  60. Einzug des Angeklagten waren den Nachbarn keine weiteren Streitigkeiten
  61. mehr aufgefallen.
  62. 4
  63. Am 30. September 2015 kehrte
  64. K.
  65. in den Abendstunden betrun-
  66. ken nach Hause zu seiner Frau und dem Angeklagten zurück. Er trank dort weiter. In der Nacht stürzte er auf dem Weg vom Wohnzimmer zur Toilette. Der
  67. Angeklagte half ihm auf und führte ihn ins Wohnzimmer zurück. Dabei beschimpfte
  68. K.
  69. ihn als „F.
  70. -Zigeuner“, der „zu faul zum Arbeiten“ und „zu
  71. dumm zum Mausen“ sei. Daraufhin geriet der Angeklagte angesichts des durch
  72. vielfache ähnliche Tiraden belasteten Verhältnisses zu seinem Großvater in
  73. gewaltige Wut. Er empfand diese Beschimpfungen als erneute Zumutung und
  74. -5-
  75. Demütigung, wobei ihn besonders ärgerte, dass er seinen Großvater nicht gereizt hatte, er ihm vielmehr gerade Hilfe leistete. In seiner Wut stieß er seinen
  76. Großvater zu Boden, trat ihm heftig gegen Oberkörper und Kopf und stampfte
  77. mehrmals wuchtig mit dem Fuß auf seine Brust. Anschließend hob er den
  78. schwer Verletzten auf und legte ihn auf das Sofa, wo
  79. K.
  80. in der Folge
  81. verstarb.
  82. 5
  83. 2. Das Landgericht hat einen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 1
  84. StGB angenommen, da der Angeklagte aufgrund der kurz zuvor erfolgten
  85. schweren Kränkungen durch das Tatopfer, die er nicht schuldhaft veranlasst
  86. habe, in Zorn geraten sei. Zwar seien die Vorhaltungen zum „parasitären
  87. Lebensstil“ insoweit nicht relevant, da diese tatsächlich zugetroffen hätten. Aber
  88. bei den übrigen Angriffen, die auf die persönliche Abstammung und die Eignung
  89. zum Geschlechtsverkehr bezogen waren, habe es sich um Beleidigungen gehandelt. Von der „Warte der beiden Kontrahenten untereinander betrachtet“
  90. seien sie für sich genommen nicht als schwer einzustufen, hätten aber den
  91. „Schlusspunkt einer mehrere Jahre langen Reihe von immer wieder ähnlichen
  92. Kränkungen“ dargestellt und somit quasi den Tropfen gebildet, der das Fass der
  93. dem Angeklagten zumutbaren Demütigungen gleichsam zum Überlaufen gebracht habe.
  94. II.
  95. 6
  96. 7
  97. Die Revision des Angeklagten
  98. Das Rechtsmittel bleibt erfolglos. Das Urteil zeigt weder im Schuld- noch
  99. im Strafausspruch einen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler auf.
  100. -6-
  101. 8
  102. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten vor allem auf der Grundlage von dessen Einlassungsverhalten – so hat
  103. er in zahlreichen Varianten der Schilderung des Geschehens entweder angegeben, sich außer an den Sturz des Opfers an nichts zu erinnern, oder die Tätlichkeiten gegenüber seinem Großvater eingeräumt – und der Angaben der
  104. Zeugin J.
  105. , der gegenüber die Großmutter des Angeklagten das Geschehen
  106. geschildert hat, tragfähig belegt. Auch soweit es aufgrund der Vielzahl der jeweils bereits für sich genommen als äußerst gefährlich gewerteten stampfenden
  107. Tritte auf einen bedingten Tötungsvorsatz geschlossen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Soweit das sachverständig beratene Landgericht eine alkoholbedingte relevante Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei
  108. der Tat ausgeschlossen hat, indem es die Angaben des Angeklagten, er sei
  109. deutlich betrunken gewesen, auch aufgrund von deren Widersprüchlichkeit als
  110. Schutzbehauptung widerlegt betrachtet und sich auf das Leistungsverhalten bei
  111. der Tat gestützt hat, ist dies ebenfalls rechtsfehlerfrei dargelegt und begründet.
  112. Auch die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass das Landgericht das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB abgelehnt hat, ergibt sich ausreichend aus
  113. den dargelegten Sachverständigenangaben hierzu, die es als richtig ansieht.
  114. III.
  115. 9
  116. 10
  117. Die Revision der Staatsanwaltschaft
  118. 1. Das zulässig beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft richtet
  119. sich gegen die Annahme der Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB. Die Revisionsführerin macht zum einen geltend, es liege schon keine schwere Beleidigung vor. Denn die festgestellten Beschimpfungen gehörten unter den Beteilig-
  120. -7-
  121. ten zum alltäglichen Umgangston. Der Annahme, dass es sich um den Tropfen
  122. gehandelt habe, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, fehle eine
  123. Grundlage in den Feststellungen. Zum anderen habe der Angeklagte auch nicht
  124. ohne eigene Schuld gehandelt, da er durch die Fortsetzung seines „parasitären
  125. Lebensstils“ trotz Kenntnis der ablehnenden Haltung seines Großvaters hierzu
  126. die Beleidigung vorwerfbar veranlasst habe.
  127. 11
  128. 2. Mit diesen Einwänden zeigt die Revision allein eine abweichende Wertung der vom Landgericht berücksichtigten Umstände, aber keinen Rechtsfehler
  129. bei der Anwendung des § 213 Alt. 1 StGB auf. Das Rechtsmittel kann daher
  130. keinen Erfolg haben. Im Einzelnen gilt:
  131. 12
  132. Die Frage, ob von der Strafzumessungsregel des § 213 Alt. 1 StGB Gebrauch zu machen ist, ist revisionsrechtlich nur auf Rechtsfehler überprüfbar.
  133. Denn die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Das Revisionsgericht darf die der Entscheidung des Tatrichters über das Vorliegen eines
  134. minder schweren Falles unterliegende Wertung nicht selbst vornehmen, sondern lediglich daraufhin überprüfen, ob dem Tatgericht insoweit ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR
  135. 574/14, NStZ 2015, 582 mwN). Solche Rechtsfehler weist das Urteil nicht auf.
  136. 13
  137. a) Das Landgericht hat seine Annahme, dass die der Tat unmittelbar
  138. vorausgehenden Beleidigungen den Angeklagten als Schlusspunkt einer Vielzahl ähnlicher Tiraden zum Zorn gereizt und er hierdurch zur Tat hingerissen
  139. wurde, tragfähig belegt. Dies stützt es auf die vom Angeklagten in verschiedenen geständigen Varianten zum Tathergang angegebene Provokation und die
  140. hierdurch ausgelöste Wut durch die unmittelbar zuvor erfolgten Beleidigungen
  141. und dessen Schilderung der bei seinem früheren Aufenthalt erfolgten Demüti-
  142. -8-
  143. gungen. Diese Einlassung findet in den Angaben der Großmutter gegenüber
  144. der Zeugin J.
  145. Bestätigung. Diese schildert die Tritte als Reaktion darauf,
  146. dass das Tatopfer den Angeklagten trotz der Hilfeleistung „dauernd weiter beschimpft“ habe. Die früheren Beleidigungen und Auseinandersetzungen werden
  147. durch die Angaben der Großmutter und der Nachbarn bestätigt. Auf dieser
  148. Grundlage durfte das Landgericht darauf schließen, dass der dem Tatopfer eigentlich wohlgesonnene Angeklagte, der keinen anderen Anlass hatte, zu dieser „Jähtat“ durch die Beschimpfungen in der Tatsituation, die den zeitlich vorgelagerten Beleidigungen ähnlich waren und hieran anknüpften, zur Tat hingerissen worden ist. Dass der lernbehinderte Angeklagte sich nicht ausdrücklich
  149. selbst darauf berufen hat, dass die Beleidigungen unmittelbar vor der Tat nur
  150. ein letzter Tropfen waren, der das Fass zum Überlaufen brachte, steht dem
  151. nicht entgegen. Diese Verknüpfung kommt angesichts der festgestellten intellektuellen Leistungsfähigkeit ausreichend in seinen Schilderungen der früheren
  152. und der der Tat unmittelbar vorgelagerten Demütigungen zum Ausdruck.
  153. 14
  154. b) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hat das
  155. Landgericht auch den für die Beurteilung des Vorliegens eines minder schweren Falles nach § 213 Alt. 1 StGB rechtlich zutreffenden Maßstab gewählt.
  156. 15
  157. aa) Ob eine „schwere Beleidigung“ vorliegt, beurteilt sich nach einem objektiven Maßstab. Die Handlung muss auf der Grundlage aller maßgeblichen
  158. Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der subjektiven Sicht
  159. des Täters als schwer beleidigend zu beurteilen sein (BGH, Urteil vom 13. Mai
  160. 1981 – 3 StR 42/81, NStZ 1981, 300; Beschluss vom 8. September 2016
  161. – 1 StR 372/16, NStZ-RR 2017, 11), wobei die Anforderungen nicht zu niedrig
  162. anzusetzen sind (BGH, Urteile vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 und
  163. vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582 mwN; Beschluss vom
  164. -9-
  165. 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14, NStZ 2015, 218). Maßgebend ist dafür der konkrete Geschehensablauf unter Berücksichtigung von Persönlichkeit und Lebenskreis der Beteiligten, der konkreten Beziehung zwischen Täter und Opfer sowie
  166. der tatauslösenden Situation (vgl. BGH, Urteile vom 30. Oktober 1984
  167. – 1 StR 597/84, NStZ 1985, 216 und vom 12. Mai 1987 – 1 StR 43/87, NStZ
  168. 1987, 555; Beschluss vom 21. Mai 2004 – 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631; Urteile vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 und vom 26. Februar 2015
  169. – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582). Die Schwere kann sich auch erst aus fortlaufenden, für sich allein noch nicht schweren Kränkungen ergeben, wenn die Beleidigung nach einer Reihe von Kränkungen gleichsam „der Tropfen war, der
  170. das Fass zum Überlaufen brachte“ (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom
  171. 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340 und vom 8. Juli 2014
  172. – 3 StR 228/14, NStZ 2015, 218; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 213 Rn. 5 mwN).
  173. Deswegen ist es geboten, in die erforderliche Gesamtwürdigung auch in der
  174. Vergangenheit liegende Vorgänge als mitwirkende Ursachen miteinzubeziehen
  175. (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14, NStZ 2015, 218; Urteil vom
  176. 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582; Beschluss vom 8. September 2016 – 1 StR 372/16, NStZ-RR 2017, 11).
  177. 16
  178. Diesen Anforderungen genügt das Urteil. Das Landgericht hat ausdrücklich eine objektive Bewertung der seitens des Großvaters geäußerten Beleidigungen vorgenommen und dabei berücksichtigt, dass sie im Kontext der in der
  179. Vergangenheit vielfach wiederholten, immer wieder ähnlichen Kränkungen
  180. standen. Indem es „die Warte der beiden Kontrahenten untereinander betrachtet“, hat es für die Wertung der Schwere auf den Lebenskreis der Beteiligten
  181. abgestellt, was zu dem Ergebnis geführt hat, dass die Beleidigungen unmittelbar vor der Tat für sich genommen nicht als hinreichend schwer gewertet worden sind. Es hat dann im Rahmen der erforderlichen „Ganzheitsbetrachtung“
  182. - 10 -
  183. (vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582)
  184. die Entwicklung des Verhältnisses des Angeklagten zu seinem Großvater, die
  185. Demütigungen und die damit verbundene Motivationsgenese ausführlich und
  186. sorgfältig erörtert, indem es das „Spannungsverhältnis“ zwischen ihnen, die
  187. „Auslösebedingungen ihrer Streitigkeiten“ und die „Art und Weise, wie sie ihre
  188. Streitigkeiten ausgetragen haben“ beschrieben und in die Wertung miteinbezogen hat. Dabei hat es sowohl den Wiedereinzug des Angeklagten berücksichtigt
  189. als auch den Umstand, dass der Angeklagte angegeben hat, mit seinem Großvater gut ausgekommen zu sein, unterbrochen nur von den wiederholten Streitigkeiten. Den ausführlich dokumentierten Inhalt der früheren Kränkungen hat
  190. das Landgericht in die ihm obliegende Bewertung des Schweregrades der der
  191. Tötungshandlung unmittelbar vorausgegangenen Beleidigung einbezogen.
  192. Dass in den wenigen Wochen vor dem abermaligen Einzug des Angeklagten
  193. bei seinen Großeltern bis zur Tat keine weiteren Auseinandersetzungen festgestellt sind, steht dem nicht entgegen. Das Landgericht hat sich damit auseinandergesetzt und ist zu dem Schluss gekommen, dass der Umstand, dass die
  194. Reihe der Demütigungen über etliche Monate vor dem Wiedereinzug unterbrochen war, den Beleidigungen nichts von der Schärfe ihrer Wirkungen auf den
  195. Angeklagten genommen habe. Dies hält sich im Rahmen der dem Tatgericht
  196. obliegenden Wertung und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
  197. 17
  198. Dass das Landgericht dabei die Anforderungen an das der Tat vorausgehende Opferverhalten und an die auf die tatauslösende Situation zulaufende
  199. Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung zu niedrig angesetzt haben könnte, ist
  200. nicht zu besorgen. Dagegen spricht bereits die sorgfältige Auseinandersetzung
  201. mit der Erheblichkeit der Demütigungen unter deutlich relativierender Berücksichtigung des Lebenskreises der Beteiligten, aber auch mit dem Umstand,
  202. dass die Beleidigungen immer wieder auch vor den Nachbarn erfolgten. Dabei
  203. - 11 -
  204. hat es auch den Wiedereinzug des Angeklagten trotz der zu erwartenden weiteren Demütigungen im Blick gehabt. Soweit es dem angesichts der persönlichen
  205. Verhältnisse des Angeklagten keine die Schwere der Beleidigungen weiter abmildernde Wirkung zuerkannt hat, stellt dies eine rechtsfehlerfreie Wertung dar.
  206. 18
  207. bb) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei dargetan, dass der Angeklagte
  208. ohne eigene Schuld gereizt worden ist.
  209. 19
  210. Eigene Schuld des Täters schließt die Annahme einer strafmildernden
  211. Provokation nur aus, wenn sie sich gerade auf die ihm vom Opfer zugefügte
  212. tatauslösende Kränkung bezieht. Ohne eigene Schuld handelt also der Täter,
  213. der die beleidigende Äußerung des Opfers im gegebenen Augenblick entweder
  214. überhaupt nicht oder jedenfalls nicht vorwerfbar veranlasst hat (BGH, Urteile
  215. vom 7. Juli 1983 – 4 StR 218/83, NStZ 1983, 554; vom 11. Januar 1984 – 3 StR
  216. 443/83, NStZ 1984, 216; vom 12. Mai 1987 – 1 StR 43/87, NStZ 1987, 555 und
  217. vom 22. Oktober 1997 – 3 StR 394/97, NStZ 1998, 191; Schönke/Schröder/
  218. Eser/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 213 Rn. 7 mwN). Nach diesen Maßgaben hat das Landgericht für die auf die Abstammung des Angeklagten und
  219. seine Fähigkeiten zum Geschlechtsverkehr abzielenden Beleidigungen, auf die
  220. es allein abstellt, keine vorwerfbare Verursachung festgestellt. Dabei hat es
  221. gewertet, dass der Angeklagte zwar wieder bei seinen Großeltern eingezogen
  222. ist und dadurch eine Situation geschaffen hat, die die späteren Beleidigungen
  223. ermöglicht hat, aber insoweit jedenfalls im Hinblick auf die konkreten Umstände
  224. einen schuldhaften Bezug verneint. Soweit es sich hierbei maßgeblich auf das
  225. - 12 -
  226. auch positive Verhältnis zwischen dem Angeklagten und seinem Großvater sowie auf die konkrete tatauslösende Situation der Hilfeleistung durch den Angeklagten bezieht, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
  227. Raum
  228. RiBGH Prof. Dr. Jäger befindet
  229. sich im Urlaub und ist deshalb
  230. an der Unterschriftsleistung gehindert.
  231. Bellay
  232. Raum
  233. Cirener
  234. Radtke