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338 lines
20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 1 StR 651/10
  4. vom
  5. 8. Februar 2011
  6. BGHSt:
  7. ja
  8. BGHR:
  9. ja
  10. Nachschlagewerk: ja
  11. Veröffentlichung: ja
  12. _________________________
  13. AO § 370 Abs. 1
  14. EStG § 41a
  15. StPO § 267 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1
  16. Treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Schwarzlohnabrede, nach der für
  17. das gesamte dem Arbeitnehmer gezahlte Gehalt weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden sollen, bedarf es im Falle der Verurteilung des Arbeitgebers wegen Hinterziehung von Lohnsteuer weder Feststellungen zu den individuellen Besteuerungsmerkmalen der einzelnen Arbeitnehmer, noch ist die Höhe der von den Arbeitnehmern hinterzogenen Einkommensteuer im Urteil zu quantifizieren. Die Höhe der durch die Arbeitnehmer verkürzten Einkommensteuer ist bei der Verurteilung des Arbeitgebers weder für den
  18. Schuldspruch, noch für den Strafausspruch relevant.
  19. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 651/10 - LG Münster
  20. in der Strafsache
  21. gegen
  22. wegen Untreue u.a.
  23. -2-
  24. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Februar 2011 beschlossen:
  25. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
  26. Münster vom 12. April 2010 wird als unbegründet verworfen.
  27. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
  28. Gründe:
  29. 1
  30. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 66 Fällen, wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Tateinheit
  31. mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen sowie wegen Vereitelung
  32. der Zwangsvollstreckung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht
  33. Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat das Landgericht festgestellt, dass der
  34. Angeklagte aus den Untreuetaten 205.927,39 Euro sowie die Verfallsbeteiligte
  35. A.
  36. aus der Vereitelung der Zwangsvollstreckung weitere
  37. - im Tenor des angefochtenen Urteils näher aufgeführte - Vermögenswerte erlangt hat und lediglich deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt werden
  38. kann, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB).
  39. 2
  40. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision; er rügt
  41. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist erfolglos
  42. i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.
  43. -3-
  44. 3
  45. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
  46. 4
  47. 1. In den Fällen B. I. der Urteilsgründe (Beihilfe zum Vorenthalten und
  48. Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Tateinheit mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen) hat das Landgericht der Strafzumessung im Ergebnis den
  49. zutreffenden Strafrahmen zu Grunde gelegt.
  50. 5
  51. a) Zwar führt die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung bezüglich
  52. dieser Taten zur Strafrahmenwahl aus, dass hinsichtlich der tateinheitlich begangenen Beihilfe zur Steuerhinterziehung einerseits und zum Vorenthalten und
  53. Veruntreuen von Arbeitsentgelt andererseits der identische, sich sowohl aus §
  54. 370 Abs. 1 AO, als auch aus § 266a Abs. 1 StGB ergebende Strafrahmen zu
  55. Grunde zu legen und dieser nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1
  56. StGB zu mildern sei. Insoweit hat das Landgericht ersichtlich nicht bedacht,
  57. dass hier hinsichtlich der Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt neben der Strafrahmenverschiebung nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB
  58. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB an sich eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß
  59. § 28 Abs. 1 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen war. Hiervon hätte nur
  60. dann abgesehen werden können, wenn das Landgericht die Täterschaft des
  61. Angeklagten allein schon wegen Fehlens eines besonderen persönlichen
  62. Merkmals verneint hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 1975
  63. - 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53, 54; BGH, Beschluss vom 22. April 1988 - 2 StR
  64. 111/88, wistra 1988, 303; BGH, Beschluss vom 1. März 2005 - 2 StR 507/04,
  65. NStZ-RR 2006, 109). Den Urteilsgründen lässt sich - auch in der Gesamtschau
  66. - nicht entnehmen, dass das Landgericht sich bei der Strafrahmenwahl von diesem Gesichtspunkt leiten ließ.
  67. -4-
  68. b) Allerdings war hier nach § 52 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StGB der Strafzu-
  69. 6
  70. messung der allein nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO zu Grunde zu legen. Denn die in
  71. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO angesprochene Pflicht, die vorliegend für die Haupttäter
  72. als Arbeitgeber aus § 41a EStG folgte, ist kein besonderes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 1 StGB (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94,
  73. BGHSt 41, 1). Weder insoweit, noch in anderem Zusammenhang hat sich damit
  74. die rechtsfehlerhafte Bestimmung des Strafrahmens für die Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt zum Nachteil des Angeklagten
  75. ausgewirkt.
  76. 2. Das Landgericht hat auch die Höhe der Lohnsteuer, zu deren Hinter-
  77. 7
  78. ziehung der Angeklagte durch seine Tatbeiträge Hilfe geleistet hat, zutreffend
  79. bestimmt. Mit der sachlich-rechtlichen Beanstandung, die Strafkammer hätte
  80. auf der Grundlage der ihr bekannten Anzahl der auf den Baustellen eingesetzten Arbeiter und der von diesen erbrachten Arbeitsstunden den jeweils an die
  81. illegal beschäftigten Arbeitnehmer konkret gezahlten Lohn und - davon ausgehend - die von jedem einzelnen Arbeitnehmer hinterzogene Einkommensteuer
  82. bestimmen können und den Betrag der Strafzumessung zu Grunde legen müssen, deckt die Revision keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler
  83. auf.
  84. 8
  85. In Fällen der vorliegenden Art, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
  86. eine Schwarzlohnabrede dergestalt treffen, dass für das gesamte dem Arbeitnehmer gezahlte Gehalt weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge
  87. abgeführt werden sollen, ist im Falle der Verurteilung des Arbeitgebers wegen
  88. Hinterziehung von Lohnsteuer die Höhe der durch die Arbeitnehmer verkürzte
  89. Einkommensteuer weder für den Schuldspruch, noch für den Strafausspruch
  90. -5-
  91. bedeutsam. Es bedarf daher keiner Feststellungen zu den individuellen Besteuerungsmerkmalen der einzelnen Arbeitnehmer. Die Höhe der von den Arbeitnehmern hinterzogenen Einkommensteuer ist im Urteil nicht zu quantifizieren.
  92. 9
  93. a) Insoweit gilt Folgendes:
  94. 10
  95. aa) Die Lohnsteuer entspricht der Höhe nach der Einkommensteuer, die
  96. der Arbeitnehmer schuldet, wenn er ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt (vgl. § 38a Abs. 2 EStG). Bei der Lohnsteuer handelt es sich
  97. um eine Abzugssteuer i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, die gemäß § 38 Abs. 1
  98. EStG durch Steuerabzug vom Lohn erhoben wird. Die nach § 36 Abs. 2 Nr. 2
  99. EStG vorgesehene Anrechnung der vom Arbeitgeber einbehaltenen Lohnsteuer
  100. ist dabei nicht der materiell-rechtlichen Bestimmung des festzusetzenden Steueranspruchs des Staates gegenüber dem Arbeitnehmer, sondern dem verfahrensrechtlichen Bereich des Erhebungsverfahrens nach Festsetzung der vom
  101. Arbeitnehmer geschuldeten Einkommensteuer zuzuordnen (vgl. Brenner in
  102. Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG [Stand: Juli 2002], § 36 Rn. A 2, A 232 mwN).
  103. Dabei tilgt die nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzurechnende Lohnsteuer die
  104. Steuerschuld, mindert aber nicht die festgesetzte Einkommensteuerschuld
  105. (Heuermann in Blümich EStG [Stand: Oktober 2010], § 46 Rn. 19). Nach § 36
  106. Abs. 2 Nr. 2 EStG wird zudem nur die erhobene Abzugssteuer, d.h. die vom
  107. Arbeitgeber einbehaltene Lohnsteuer (vgl. Brenner aaO Rn. D 80 mwN), angerechnet. Wurde die Lohnsteuer einbehalten, aber nicht an das Finanzamt abgeführt, besteht die Möglichkeit der Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nur,
  108. wenn der Arbeitnehmer davon keine Kenntnis hatte (BFH, DStRE 1999, 864).
  109. Die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG setzt zudem eine Veranlagung
  110. des Arbeitnehmers voraus, die die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, für
  111. die die Lohnsteuer einbehalten wurde, erfasst.
  112. -6-
  113. 11
  114. Diese systemimmanente Trennung von Lohnsteuerabzug und Einkommensteuerveranlagung setzt sich auch im Haftungsverfahren nach § 42d EStG
  115. fort. Während des laufenden Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) haftet der
  116. Arbeitgeber für die Lohnsteuer des einzelnen Lohnzahlungszeitraums, selbst
  117. wenn zu vermuten ist, dass eine entsprechende Jahreslohnsteuerschuld des
  118. Arbeitnehmers nicht oder nicht in dieser Höhe bestehen wird (BFHE 74, 97 ff.).
  119. Wegen des Prinzips der Maßgeblichkeit der vom Arbeitgeber zu verwendenden
  120. Lohnsteuer-Abzugsmerkmale, das in § 39b EStG (Lohnsteuerkarte) und § 39e
  121. EStG (elektronische Lohnsteuer-Abzugsmerkmale) zum Ausdruck kommt, sind
  122. während des Abzugsjahres der Haftungsanspruch gegen den Arbeitgeber und
  123. der Steueranspruch gegen den Arbeitnehmer dem Umfang nach grundsätzlich
  124. identisch (BFHE 113, 157; vgl. auch Wagner in Blümich EStG [Stand: Oktober
  125. 2010], § 42d Rn. 31). Nach Ablauf des Kalenderjahres haftet der Arbeitgeber für
  126. die Jahreslohnsteuerschuld (§ 38a Abs. 1 Satz 1 EStG). Das ist die Lohnsteuer,
  127. die sich nach den Besteuerungsmerkmalen für den Jahresarbeitslohn ergibt (§
  128. 38a Abs. 2 EStG). Steuermindernde Faktoren, die erst im Rahmen einer Veranlagung des Arbeitnehmers zu Tage treten, können insoweit bei einer Haftungsinanspruchnahme zugunsten des Arbeitgebers frühestens nach Abschluss des
  129. Veranlagungszeitraums berücksichtigt werden (im Einzelnen str.; vgl. Wagner
  130. aaO Rn. 32 ff.).
  131. 12
  132. bb) In steuerstrafrechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass der Arbeitgeber,
  133. wenn er der ihm nach § 41a EStG obliegenden Pflicht zur Anmeldung der
  134. Lohnsteuer nicht ordnungsgemäß nachkommt, eine Steuerhinterziehung nach §
  135. 370 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO begeht. An diesen jeweils eigenständigen Taten
  136. im materiell-rechtlichen Sinn kann sich der Arbeitnehmer als Täter oder Gehilfe
  137. beteiligen. Nach den Umständen des Einzelfalls kommt auch allein eine
  138. -7-
  139. - dann in mittelbarer Täterschaft begangene - Steuerhinterziehung durch den
  140. Arbeitnehmer in Betracht (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht,
  141. 7. Aufl., § 370 AO Rn. 201). Je nach dem, welche Lohnsteuer-Anmeldungszeiträume nach § 41a Abs. 2 EStG betroffen sind, kann es in einem Veranlagungszeitraum zu bis zu zwölf Hinterziehungstaten kommen.
  142. 13
  143. Daneben tritt als weitere eigenständige Tat die Hinterziehung von Einkommensteuer durch den Arbeitnehmer, wenn eine Veranlagung des Arbeitnehmers nach dem Einkommensteuergesetz durchzuführen ist und der Arbeitnehmer insoweit unrichtige Erklärungen i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO abgibt
  144. oder die Abgabe einer Steuererklärung i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO unterlässt.
  145. An dieser Tat kann sich der Arbeitgeber gegebenenfalls als Täter, regelmäßig
  146. aber als Gehilfe beteiligen.
  147. 14
  148. cc) Das Nebeneinander von Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber
  149. und dem Bestehen einer Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers führt in
  150. steuerstrafrechtlicher Hinsicht weiter dazu, dass die Hinterziehung der
  151. Lohnsteuer grundsätzlich eine „auf Zeit“ angelegte Tat ist, wenn aufgrund der
  152. konkreten Umstände des Einzelfalles damit zu rechnen ist, dass nach der Vorstellung der Tatbeteiligten eine Veranlagung des Arbeitnehmers und daran anschließend eine Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG erfolgen sollte (vgl.
  153. Joecks aaO § 370 AO Rn. 201, 204). Der Umfang der tatbestandlich verkürzten
  154. Lohnsteuern bemisst sich gleichwohl nach deren Nominalbetrag (vgl. zu dem
  155. ähnlich gelagerten Fall der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe unrichtiger Unsatzsteuervoranmeldungen BGH, Urteil vom 17. März 2009
  156. - 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221 Rn. 21 ff.), der bei vollumfänglich illegalen Beschäftigungsverhältnissen auf der Grundlage des tatsächlich gezahlten
  157. Schwarzlohns nach den Steuersätzen der Lohnsteuerklasse VI (BGH, Urteil
  158. -8-
  159. vom 13. Mai 1992 - 5 StR 38/92, BGHSt 38, 285 ff.; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 Rn. 16, 18; vgl. auch BFH/NV 2009,
  160. 1809 mwN), im Übrigen nach der jeweiligen Steuerklasse des betroffenen Arbeitnehmers zu berechnen ist. Dem Umstand, dass die lohnsteuerrechtlichen
  161. Pflichten des Arbeitgebers im Ergebnis der Durchsetzung der einkommensteuerrechtlichen Pflichten des Arbeitnehmers dienen und insoweit derselbe Steueranspruch betroffen ist, ist allein bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen.
  162. 15
  163. (1) In Fällen der Hinterziehung von Lohnsteuer „auf Zeit“, die tatsächlich
  164. freilich selten gegeben sein dürften, ist bei der Strafzumessung grundsätzlich zu
  165. beachten, dass sich die dem Fiskus auf Dauer entzogenen Steuern nach den
  166. tatsächlichen Verhältnissen der Arbeitnehmer bemessen. Das Tatgericht muss
  167. sich hierüber erkennbar bewusst sein; es ist indes nicht gehalten, hierzu umfangreiche Beweiserhebungen und Darlegungen anzustellen. Ist die genaue
  168. Berechnung der endgültig geschuldeten Einkommensteuern nicht ohne weiteres
  169. möglich, kann das Tatgericht von geschätzten, niedrigeren Durchschnittssteuersätzen ausgehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1985 - 1 StR 284/85, NStZ
  170. 1986, 79; BGH, Urteil vom 13. Mai 1992 - 5 StR 38/92, NJW 1992, 2240). Wird
  171. sowohl die Hinterziehung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber als auch dessen Beteiligung an der Hinterziehung von Einkommensteuer durch den Arbeitnehmer geahndet, muss das Tatgericht zudem erkennbar zum Ausdruck bringen, dass es sich dem Verhältnis von Lohn- und Einkommensteuer bewusst
  172. war; die Höhe der durch die einzelnen Hinterziehungstaten verkürzten Steuern
  173. darf namentlich nicht addiert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2002
  174. - 5 StR 448/01, NStZ 2002, 485, 487). Nämliches gilt, soweit die Beteiligung
  175. des Arbeitnehmers an der Hinterziehung von Lohnsteuer einerseits und Einkommensteuer andererseits geahndet wird.
  176. -9-
  177. 16
  178. (2) Ist die Hinterziehung der Lohnsteuer demgegenüber „auf Dauer“ angelegt, ist die Höhe der durch die Arbeitnehmer verkürzten Einkommensteuer
  179. auch für den Strafausspruch nicht relevant. Denn dann besteht für die ordnungsgemäße Besteuerung eine besondere Gefahrenlage, der durch die Ausgestaltung der Lohnsteuer als Abzugssteuer gerade entgegengewirkt werden
  180. soll. Diese Gefahrenlage soll bei der auf Dauer angelegten Lohnsteuerhinterziehung nach dem Tatplan der an ihr Beteiligten auch nicht nachträglich wieder
  181. beseitigt werden.
  182. 17
  183. (a) Eine solche Hinterziehung der Lohnsteuer „auf Dauer“ ist regelmäßig
  184. dann gegeben, wenn der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer eine Schwarzlohnabrede treffen, sie sich mithin darüber einig sind, dass der Arbeitgeber für den
  185. gezahlten Barlohn weder Lohnsteuer, noch Sozialversicherungsbeiträge zahlen
  186. soll. In diesen Fällen sind die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG
  187. nicht gegeben. Insoweit wird weder Lohnsteuer durch den Arbeitgeber einbehalten, noch wird - was dem Arbeitnehmer bekannt ist - Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt. Der Arbeitnehmer wird die Einkünfte aus dem illegalen Beschäftigungsverhältnis auch nicht gegenüber den Finanzbehörden (sei es nach
  188. § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG, sei es nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) erklären. Eine
  189. Anrechnung der Lohnsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG scheidet demnach
  190. aus. Die grundsätzlich für eine Hinterziehung auf Zeit sprechenden Gesichtspunkte des Lohnsteuerverfahrens, namentlich die Anrechung der einbehaltenen
  191. Lohnsteuer auf die vom Arbeitnehmer geschuldete Einkommensteuer, sind in
  192. diesen Fällen nicht gegeben (vgl. bereits BGH, Urteil vom 24. September 1986 3 StR 336/86, NStZ 1987, 78).
  193. 18
  194. Der Umstand, dass nach Bekanntwerden der Taten ein Haftungsbescheid nach § 42d EStG gegenüber dem Arbeitgeber unter Umständen auf die
  195. - 10 -
  196. Höhe der vom Arbeitnehmer geschuldeten Einkommensteuer begrenzt wäre,
  197. steht dem nicht entgegen. Denn diese zwangsläufig nach Beendigung der einzelnen Hinterziehung von Lohnsteuer eintretende Reduzierung der Lohnsteuerhaftung und der im Vergleich zum Arbeitgeber unter Umständen geringere
  198. Schuldumfang der Einkommensteuerhinterziehung des Arbeitnehmers ergeben
  199. sich in Fällen der Schwarzlohnabrede regelmäßig allein aus der Entdeckung der
  200. Tat. Vor diesem Hintergrund stellen diese Umstände keinen bestimmenden
  201. Strafzumessungsgrund dar. Der möglicherweise geringere Umfang der vom
  202. Arbeitnehmer hinterzogenen Einkommensteuer ist daher in Fällen der Schwarzlohnabrede regelmäßig nicht zu quantifizieren, wenn allein die Hinterziehung
  203. der Lohnsteuer geahndet wird.
  204. 19
  205. (b) Gleiches gilt regelmäßig in Fällen sog. Teilschwarzlohnabreden, bei
  206. denen einvernehmlich nur ein Teil des Lohns beim zuständigen Finanzamt angemeldet wird, während ein weiterer Teil des tatsächlich - regelmäßig bar ausgezahlten Lohns nicht angemeldet wird. Auch hier ist eine Hinterziehung auf
  207. Dauer beabsichtigt. Freilich ist in diesen Fällen diejenige Lohnsteuerklasse bei
  208. der Berechnung der hinterzogenen Lohnsteuer zu Grunde zu legen, die sich
  209. aus der vorgelegten Lohnsteuerkarte ergibt. Das wird in den meisten Fällen
  210. nicht die Lohnsteuerklasse VI sein.
  211. 20
  212. (c) Als eine „auf Dauer“ angelegte Hinterziehung von Lohnsteuer wird regelmäßig auch der Fall anzusehen sein, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer
  213. vom Bruttoarbeitsentgelt des Arbeitnehmers einbehält, diese aber ohne Wissen
  214. des Arbeitnehmers nicht abführt.
  215. 21
  216. Auch hier wird nach der Vorstellung des Arbeitgebers eine Gefahrenlage
  217. für die ordnungsgemäße Besteuerung des Einkommens des Arbeitnehmers
  218. - 11 -
  219. geschaffen, die - auch durch steuerehrliches Verhalten des Arbeitnehmers - in
  220. der überwiegenden Zahl dieser Fälle nicht nachträglich wieder beseitigt wird. Da
  221. der Arbeitnehmer auch in diesen Fällen die einbehaltene, aber nicht angemeldete und nicht abgeführte Lohnsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anrechnen
  222. kann - was u.U. gar zu einer Erstattung von Einkommensteuer führt, obwohl der
  223. Fiskus die zu erstattende Steuer überhaupt nicht vereinnahmt hat (vgl. BFH
  224. DStRE 1999, 864) - verbleibt es bei der Haftung des Arbeitgebers nach § 42d
  225. EStG. Nur wenn der Arbeitgeber diese Haftungsschuld erfüllt, wird der bereits
  226. eingetretene Hinterziehungsschaden nachträglich beseitigt. Allein dieser Umstand ist dann - als nachträgliche Schadenswiedergutmachung - auch strafzumessungsrelevant.
  227. b) Den vorgenannten Grundsätzen wird das landgerichtliche Urteil ge-
  228. 22
  229. recht:
  230. 23
  231. aa) Bei der Ermittlung des tatbestandlichen Hinterziehungsumfangs hat
  232. das Landgericht die tatsächlich gezahlten Schwarzlöhne, deren Höhe sich aus
  233. den sichergestellten Lohnaufzeichnungen des Haupttäters ergab, zu Grunde
  234. gelegt und davon ausgehend unter Anwendung des Eingangssteuersatzes der
  235. Steuerklasse VI die hinterzogene Lohnsteuer, die der Arbeitgeber nach § 41a
  236. EStG anzumelden hatte, berechnet.
  237. 24
  238. Dieses Vorgehen begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Aufgrund der
  239. Tatsache, dass das Landgericht bei der Ermittlung der hinterzogenen
  240. Lohnsteuer den Eingangssteuersatz der Steuerklasse VI zu Grunde gelegt hat,
  241. war die Höhe der den einzelnen Arbeitnehmern ausgezahlten Schwarzlöhne für
  242. die Bestimmung des Steuerschadens ohne Bedeutung.
  243. - 12 -
  244. 25
  245. bb) Auch den der Strafzumessung zu Grunde zu legenden Steuerschaden hat das Landgericht zutreffend bestimmt.
  246. 26
  247. (1) Da vorliegend zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine
  248. Schwarzlohnabrede getroffen worden war, sollte die Lohnsteuer auf Dauer hinterzogen werden. Das Tatgericht war daher - wie oben dargelegt - nicht gehalten, bei der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten die Höhe der tatsächlich von den Arbeitnehmern geschuldeten Einkommensteuer zu berücksichtigen.
  249. 27
  250. (2) Dessen ungeachtet hat das Landgericht - ohne dass dies erforderlich
  251. gewesen wäre - die auf der genannten Grundlage berechnete Lohnsteuerverkürzung dem dauerhaft dem Fiskus verbleibenden Steuerschaden gegenüber
  252. gestellt. Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Steuerbelastung für die zu
  253. Grunde zulegenden Monatseinkommen der einzelnen Arbeitnehmer den Eingangssteuersatz der Lohnsteuerklasse VI übersteigt. Die insoweit maßgeblichen Monatseinkommen der Arbeitnehmer hat das Landgericht dabei - wie sich
  254. - 13 -
  255. aus der Gesamtschau der Urteilsgründe ergibt - im Wege der Schätzung gewonnen. Die diesbezüglichen Angriffe der Revision erschöpfen sich in dem im
  256. Revisionsverfahren unbeachtlichen Versuch, die - bei der Schätzung vorzunehmende - Beweiswürdigung des Tatgerichts durch eine eigene zu ersetzen.
  257. Rechtsfehler werden insoweit nicht aufgezeigt.
  258. Herr RiBGH Dr. Wahl ist
  259. wegen Urlaubsabwesenheit
  260. an der Unterschrift gehindert.
  261. Nack
  262. Nack
  263. Jäger
  264. Hebenstreit
  265. Sander