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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 1 StR 487/00
  4. vom
  5. 17. Januar 2001
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen gefährlicher Körperverletzung
  9. -2-
  10. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Januar 2001 gemäß
  11. § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
  12. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 4. Juli 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
  13. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
  14. über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  15. Gründe:
  16. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und
  17. die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die
  18. Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
  19. Der Angeklagte hatte an einer Hochzeitsfeier teilgenommen und wartete
  20. gegen 0.30 Uhr am Straßenrand auf ein Taxi. Der Zeuge Y.
  21. hatte ein soge-
  22. nanntes Siedlerfest besucht und befand sich auf dem Heimweg. Er hörte aus
  23. der Richtung des Angeklagten Rufe, durch die er sich provoziert fühlte. Mit den
  24. Worten “Den mach ich fertig!” rannte er zum Angeklagten, den er - zu Unrecht
  25. - für den Rufer hielt. Der Zeuge Y.
  26. , der etwas größer als der Angeklagte ist
  27. und etwa einmal wöchentlich an einem Taekwondo-Unterricht teilnahm, versetzte dem Angeklagten sogleich einen Fußtritt gegen den Oberkörper, packte
  28. -3-
  29. ihn mit beiden Händen am Hals, zog ihn in den Schwitzkasten und versetzte
  30. ihm erneut mehrere Fußtritte gegen den Oberkörper. Um sich weiterer Tritte
  31. oder Schläge zu erwehren, nahm der Angeklagte ein Messer und fügte dem
  32. Zeugen Y.
  33. eine Stichverletzung am rechten Unterbauch zu. Ohne sich da-
  34. von merklich beeinträchtigt zu zeigen, griff der Zeuge Y.
  35. den Angeklagten
  36. weiterhin mit erhobenen Fäusten und einem “Fußkick” an.
  37. Der Angeklagte entschloß sich nun, den Zeugen Y.
  38. “für seinen unbe-
  39. rechtigten Angriff zur Rechenschaft zu ziehen”. Um dem Zeugen Y.
  40. Kampfbereitschaft zu zeigen, forderte er nunmehr [den Zeugen] Y.
  41. “seine
  42. mit den
  43. Worten ‚Komm, komm her, ich mach Dich fertig, ich stech Dich ab!‘ und heranwinkenden Handbewegungen auf, sich gleichfalls dem weiteren Kampf zu stellen. Sowohl (der Zeuge) Y.
  44. als auch der Angeklagte nahmen ab dann den
  45. offenen Zweikampf auf” (UA S. 6, 7),
  46. in dessen Verlauf der Zeuge Y.
  47. dem
  48. Angeklagten mehrere Fußtritte und Faustschläge gegen den Körper versetzte
  49. und der Angeklagte dem Zeugen Y.
  50. mehrere Stiche und Schnittverletzun-
  51. gen an den Unterarmen, der linken Leiste und am Rücken zufügte.
  52. Die Ansicht des Landgerichts, die erste Stichverletzung sei durch Notwehr gerechtfertigt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
  53. Soweit das Landgericht für die anschließenden Stich- und Schnittverletzungen eine Rechtfertigung des Angeklagten wegen Notwehr gemäß § 32
  54. StGB ablehnt, bedarf die Frage dagegen erneuter Prüfung. Das Landgericht
  55. hat Notwehr verneint, weil ab dann nicht mehr der Verteidigungswille, sondern
  56. andere Motive das Handeln des Angeklagten bestimmten (UA S. 15) und weil
  57. die Angriffe des Angeklagten nicht mehr als Trutzwehr vom Verteidigungswillen
  58. maßgeblich bestimmt waren und es diesem in erster Linie darum ging, den ihm
  59. aufgedrängten Zweikampf aufzunehmen (UA S. 16).
  60. -4-
  61. Mit dieser Begründung kann dem Angeklagten die Berufung auf das
  62. Notwehrrecht des § 32 StGB nicht versagt werden, weil das Landgericht auch
  63. feststellt, daß der Zeuge Y.
  64. “ihm gleichfalls kampfbereit gegenüberstand”
  65. (UA S. 14) und “der Angriff durch den Zeugen Y.
  66. trotz der ersten Stichver-
  67. letzung noch nicht beendet war, so daß objektiv die Notwehrlage weiterhin bestand” (UA S. 15).
  68. Notwehr scheidet nicht schon dann ohne weiteres aus, wenn der Angeklagte - auch - aus anderen Motiven das Messer eingesetzt hat. Tritt ein anderes Motiv zu einem nach wie vor vorhandenen Verteidigungswillen hinzu, steht
  69. dieser neue Beweggrund der Annahme von Notwehr nur dann entgegen, wenn
  70. das subjektive Rechtfertigungselement des Willens zur Verteidigung hierdurch
  71. völlig in den Hintergrund gedrängt wird (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz,
  72. bedingter 33; BGH NStZ 1983, 117; 2000, 365). Das Urteil läßt nicht ausreichend erkennen, ob dieser Prüfungsmaßstab beachtet worden ist.
  73. -5-
  74. Nach Wegfall des die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründenden
  75. Tatvorwurfs des versuchten Totschlags verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts
  76. zurück.
  77. Schäfer
  78. Wahl
  79. Hebenstreit
  80. Schluckebier
  81. Schaal