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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 1 StR 182/03
  5. vom
  6. 25. November 2003
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u. a.
  10. -2-
  11. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. November 2003, an der teilgenommen haben:
  12. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  13. Nack
  14. und die Richter am Bundesgerichtshof
  15. Dr. Wahl,
  16. Schluckebier,
  17. Dr. Kolz,
  18. die Richterin am Bundesgerichtshof
  19. Elf,
  20. Staatsanwalt
  21. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  22. Rechtsanwalt
  23. als Verteidiger,
  24. Rechtsanwalt
  25. als Vertreter der Nebenklägerin,
  26. Justizangestellte
  27. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  28. für Recht erkannt:
  29. -3-
  30. 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 16. Dezember 2002 wird verworfen.
  31. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die
  32. der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
  33. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
  34. 3. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und
  35. Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
  36. andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  37. Von Rechts wegen
  38. Gründe:
  39. Dem Angeklagten liegen über 160 Sexualdelikte (§§ 174, 176, 177, 178
  40. StGB aF) zur Last, die er zwischen 1989 und 2000 begangen haben soll. Opfer
  41. soll in allen Fällen die 1983 geborene Nebenklägerin, die Tochter seiner früheren Lebensgefährtin, gewesen sein. Verurteilt wurde er wegen zwei im Jahre
  42. 1989 begangener Fälle des sexuellen Mißbrauchs von Kindern, in einem Fall in
  43. Tateinheit mit sexueller Nötigung, zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Im übrigen wurde er freigesprochen.
  44. -4-
  45. Gegen dieses Urteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft zum Nachteil
  46. des Angeklagten als auch der Angeklagte Revision eingelegt. Die auf die
  47. Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft greift durch, während die
  48. auf eine Reihe von Verfahrensrügen und die nicht näher ausgeführte Sachrüge
  49. gestützte Revision des Angeklagten erfolglos bleibt.
  50. I.
  51. Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
  52. 1. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revision mit Schriftsatz vom 5. März
  53. 2003 näher begründet. Dabei werden zu Beginn und am Ende dieses Schriftsatzes nicht deckungsgleiche Anträge (§ 344 Abs. 1 StPO) gestellt. Nach dem
  54. maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung versteht der Senat das Vorbringen der Staatsanwaltschaft dahin, daß sie weder den Schuldspruch noch den
  55. Strafausspruch in den Fällen anfechten will, in denen eine Verurteilung erfolgt
  56. ist. Sie wendet sich jedoch gegen sämtliche Freisprüche, wobei sie die nach
  57. ihrer Ansicht rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung an einigen Beispielsfällen
  58. verdeutlicht.
  59. Der Senat bemerkt, daß – zumal bei einer Revision der Staatsanwaltschaft – die Revisionsanträge klar, widerspruchsfrei und ohne weiteres
  60. deckungsgleich mit den Ausführungen zur Revisionsbegründung sein sollten.
  61. Das Revisionsverfahren wird nicht unerheblich erleichtert, wenn der Umfang
  62. der Anfechtung, also das Ziel des Rechtsmittels, nicht erst durch eine (nicht am
  63. Wortlaut haftende) Erforschung des Sinns des Vorbringens und seines gedanklichen Zusammenhangs unter Berücksichtigung aller Umstände des Ein-
  64. -5-
  65. zelfalls (vgl. zur insoweit gleich zu behandelnden Auslegung einer Berufungsbegründung Gössel in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 318 Rdn. 11 m.w.N.)
  66. ermittelt zu werden braucht.
  67. 2. In der Sache hat das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg. Sie
  68. wendet sich mit Recht gegen die den Freisprüchen zugrunde liegende Beweiswürdigung.
  69. Die Jugendkammer ist nach sachverständiger Beratung mit eingehender
  70. und rechtlich nicht zu beanstandender Begründung zu dem Ergebnis gekommen, daß im Grundsatz keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Geschädigten bestehen. Dennoch sei der Angeklagte nur in zwei Fällen zu verurteilen, im
  71. übrigen nach dem Zweifelssatz aber freizusprechen. Die übrigen Angaben der
  72. Nebenklägerin seien bei der Polizei einerseits und in der Hauptverhandlung
  73. andererseits nicht "identisch, widerspruchsfrei und detailliert" genug geschildert worden. So habe die Nebenklägerin etwa bei der Schilderung des ersten
  74. Oralverkehrs, bei dem sie etwa acht Jahre alt gewesen sei und bei dem der
  75. Angeklagte gesagt habe: "Mach die Fresse auf, du Hure!" und Gewalt mit dem
  76. linken Oberarm angewendet habe, diesen Ablauf, den Tatort und ihren Ekel
  77. immer gleich geschildert, sich jedoch unterschiedlich dazu geäußert, ob sie
  78. dabei vor dem Angeklagten gekniet ist oder gestanden hat. Zu einer Vergewaltigung in der Nacht ihres siebzehnten Geburtstags, bei der er in ihr Schlafzimmer gekommen, sich auf ein Sofa gestellt und sie aus ihrem Hochbett gerissen
  79. habe, habe sie zunächst gesagt, der Angeklagte sei von hinten in ihre Scheide
  80. eingedrungen, später aber nicht mehr sagen können, in welcher Stellung der
  81. Geschlechtsverkehr durchgeführt wurde. Insgesamt seien viele Vorgänge nicht
  82. in Einzelheiten und daher konturenlos geschildert.
  83. -6-
  84. Damit hat die Jugendkammer einen überspannten und schon deshalb
  85. rechtsfehlerhaften Maßstab angelegt. Die Nebenklägerin hat bekundet, ab ihrem siebten Lebensjahr mit Unterbrechungen, die auf Heimaufenthalte zurückgingen, um die sie selbst gebeten hatte, über mehr als zehn Jahre hin in einer
  86. großen Vielzahl von Fällen mißbraucht worden zu sein. Sind derartige Behauptungen, zumal nach weiteren Jahren, zu überprüfen, kann schon wegen
  87. des naheliegend immer wieder ähnlichen Ablaufs des Tatgeschehens nicht für
  88. jeden einzelnen Vorgang eine zeitlich exakte und detailreiche Schilderung erwartet werden. Ebenso wenig kann erwartet werden, daß jedes als solches
  89. erinnerliche Detail auch einem zeitlich exakt fixierten Vorgang zugeordnet werden kann (vgl. nur BGHSt 40, 44, 46; Senatsurteil vom 12. Juni 2001 – 1 StR
  90. 190/01). Im übrigen haben Schwächen einer Aussage, wie etwa fehlende Konstanz und Genauigkeit, nur verhältnismäßig geringes Gewicht, wenn sie nicht
  91. den Kernbereich des Vorwurfs betreffen (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 332, 333).
  92. Was Kernbereich ist und was Randbereich, läßt sich nicht ohne weiteres abstrakt beurteilen, sondern ist Frage des Einzelfalls. Hierbei kommt es auch auf
  93. die Opfersicht an. Daß es objektiv oder aus der subjektiven Sicht eines achtjährigen Mädchens, das heftig an den Haaren gezogen wird und unter Beschimpfungen ("Hure") das Geschlechtsteil eines Erwachsenen gegen seinen Widerstand ("Zähne zusammengebissen") in den Mund gestoßen bekommt, von besonderer Wichtigkeit ist, ob es dabei kniete oder stand, ist sehr fernliegend und
  94. hätte daher eingehender und nachvollziehbarer Begründung bedurft. Für die
  95. Schilderung des Vorgangs vom 17. Geburtstag gilt entsprechendes.
  96. Allerdings kann auch eine an sich nicht unglaubhafte Aussage nicht
  97. Grundlage einer Verurteilung sein, wenn eine Konkretisierung der Vorgänge
  98. praktisch unmöglich ist (vgl. BGHSt 42, 107 ff.; Urteil vom 12. Juni 2001
  99. -7-
  100. – 1 StR 190/01). Dies ist offensichtlich bei den genannten Schilderungen zu
  101. einzelnen Vorgängen nicht der Fall. Aber auch, soweit die Vorwürfe pauschaler
  102. gehalten sind – so habe der Angeklagte zwischen 1994 und 1996 mit der Nebenklägerin mindestens einmal wöchentlich in der Wohnung in M.
  103. Ge-
  104. schlechtsverkehr gehabt – könnten entsprechende Feststellungen durchaus
  105. Urteilsgrundlage sein. Es ist zumindest nicht auszuschließen, daß sich die dargelegten fehlerhaften Maßstäbe der Jugendkammer auf die Freisprüche insgesamt ausgewirkt haben können, so daß die Sache insoweit neuer Verhandlung
  106. und Entscheidung bedarf.
  107. 3. Gegebenenfalls hätte die neu zur Entscheidung berufene Jugendkammer unter Auflösung der bisher gebildeten Gesamtstrafe die für die beiden
  108. abgeurteilten Taten verhängten (von der Staatsanwaltschaft nicht und vom Angeklagten erfolglos – vgl. hierzu III. – angefochtenen) Einzelstrafen in eine etwa neu zu bildende Gesamtstrafe einzubeziehen (§ 55 StGB).
  109. II.
  110. Zur Revision des Angeklagten:
  111. 1. Die Revision macht geltend, die Jugendkammer habe ein gegen den
  112. Sachverständigen Dr. S.
  113. gerichtetes Befangenheitsgesuch (§ 74 StPO)
  114. formal ungenügend und in der Sache zu Unrecht zurückgewiesen. Der Beschluß verweist im wesentlichen auf einen schon vor der Hauptverhandlung
  115. ergangenen Beschluß vom 15. November 2002, mit dem ein auf dasselbe Ziel
  116. gerichteter Antrag zurückgewiesen worden war.
  117. -8-
  118. Dies ist unbedenklich. Liegt im Ergebnis eine bloße Wiederholung eines
  119. früheren Antrags vor, genügt, von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, regelmäßig eine Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung (vgl. MeyerGoßner StPO 46. Aufl. § 34 Rdn. 4). Die Revision macht zwar zutreffend geltend, die Zurückweisung des Befangenheitsantrags könne nur Gegenstand
  120. einer erfolgreichen Verfahrensrüge sein, wenn er in der Hauptverhandlung gestellt worden sei (vgl. BGH StV 2002, 350 m.N.). Daraus folgt jedoch nicht die
  121. Pflicht des Gerichts, einen vor der Hauptverhandlung ergangenen Beschluß
  122. abzuschreiben, wenn es auf dessen Gründe Bezug nehmen will.
  123. Der Hinweis, der Beschluß vom 15. November 2002 sei nicht zugestellt,
  124. sondern formlos übersandt worden, verdeutlicht die Möglichkeit der Fehlerhaftigkeit des späteren Beschlusses nicht. Im übrigen brauchte der Beschluß vom
  125. 15. November 2002 aber auch nicht zugestellt zu werden, § 35 Abs. 2 Satz 2
  126. StPO.
  127. Inhaltlich kann der Senat die Zurückweisung des Antrags nicht überprüfen, da die Revision entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO weder den Inhalt des
  128. Beschlusses vom 15. November 2002 noch die von ihr in Bezug genommenen
  129. Aktenteile (z. B. die Stellungnahme einer Diplompsychologin) mitteilt.
  130. 2. Die Revision macht geltend, der Angeklagte sei in der Hauptverhandlung vom 2. Dezember 2002 zu Unrecht während der Vernehmung der
  131. Nebenklägerin entfernt worden (§ 247 StPO i.V.m. § 338 Nr. 5 StPO), weil sich
  132. während ihrer in Anwesenheit des Angeklagten begonnenen Vernehmung ergeben habe, daß sie sich "ersichtlich schwer tut", in Gegenwart des Angeklagten nähere Angaben zu machen. Die Revision meint, damit sei nicht klar ge-
  133. -9-
  134. nug, "welche konkreten Anhaltspunkte für die entsprechende Befürchtung bestehen".
  135. a) Es bestehen schon Zweifel an der Zulässigkeit der Rüge. Die Revision trägt nämlich nicht vor, daß der Nebenklägerin zu Beginn ihrer Vernehmung
  136. gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 StPO gestattet worden war, nur eingeschränkte Angaben zur Person zu machen. Dies führt dazu, daß die Revision sich nicht mit
  137. Umständen auseinandersetzen muß, die gegen ihr Vorbringen sprechen können (vgl. BGHSt 40, 218, 240; BGH NStZ-RR 1999, 26, 27). Wenn nämlich
  138. sogar schon uneingeschränkte Angaben zur Person (§ 68 Abs. 1 Satz 2 StPO)
  139. eine Gefahr für die Nebenklägerin begründen können, kann dies für die Frage,
  140. ob die Voraussetzungen von § 247 StPO vorliegen können, offensichtlich von
  141. Bedeutung sein.
  142. b) Letztlich kann aber offen bleiben, ob die Rüge zulässig erhoben ist.
  143. Auch wenn man von einem den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO
  144. genügenden Vortrag ausgeht, ist die Rüge unbegründet.
  145. Grundsätzlich müssen allerdings die konkreten Tatsachen und Erwägungen erkennbar sein, aus denen der Ausschlußgrund hergeleitet wird (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 247 Rdn. 35). Der Senat hält den
  146. Hinweis auf das, was das Gericht in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligter
  147. beobachten konnte, für konkret genug. Außerdem läge selbst dann, wenn der
  148. Beschluß zum Ausschluß des Angeklagten überhaupt nicht begründet wäre,
  149. ein Revisionsgrund gemäß § 338 Nr. 5 StPO dann nicht vor, wenn das Gericht
  150. unzweifelhaft von zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist (vgl. BGHR StPO
  151. § 247 Satz 2 Begründungserfordernis 2 m.w.N.). Für eine nur pauschale Be-
  152. - 10 -
  153. gründung kann nichts anderes gelten (in vergleichbarem Sinne auch BGH StV
  154. 2000, 240 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, daß die Jugendkammer unter den gegebenen Umständen nicht von zutreffenden Erwägungen ausgegangen sein
  155. könnte, sind hier nicht erkennbar.
  156. 3. Auch die Rüge einer weiteren Verletzung von § 247 StPO i.V.m. § 338
  157. Nr. 5 StPO bleibt erfolglos.
  158. a) Nach der Entlassung der Zeugin am 2. Dezember 2002 wurde die
  159. Nebenklägerin auf Wunsch des Angeklagten, der zunächst keine Fragen gehabt hatte, am 4. Dezember 2002 nochmals vernommen. Sie erklärte zu Beginn, sie sei in der Lage Fragen in Anwesenheit des Angeklagten zu beantworten. Dementsprechend wurde der Angeklagte nicht erneut ausgeschlossen
  160. und die Zeugin wurde nach Beendigung ihrer Vernehmung wieder entlassen.
  161. Am 10. Dezember 2002 hielt die Jugendkammer eine dritte Vernehmung der
  162. Zeugin für erforderlich. Noch vor ihrem Erscheinen wurde der Angeklagte auf
  163. Antrag des Vertreters der Nebenklägerin erneut ausgeschlossen, die Begründung dieses Beschlusses beschränkt sich auf die Inbezugnahme der Gründe
  164. des Beschlusses vom 2. Dezember 2002.
  165. b) Hierauf stützt sich die Rüge, wobei die Revision jedoch das weitere
  166. Verfahrensgeschehen nicht vorträgt:
  167. Im Verlauf ihrer Vernehmung übergab die Zeugin eine Lohnsteuerkarte
  168. und fertigte eine Skizze an, auf der ein Sofa eingezeichnet ist. Nachdem der
  169. Angeklagte wieder zugelassen und vom Ablauf der Vernehmung unterrichtet
  170. worden war, wurden Lohnsteuerkarte und Skizze erneut zum Gegenstand der
  171. - 11 -
  172. Verhandlung gemacht. Sodann wurde die Zeugin erneut in den Saal gerufen
  173. und sie erklärte sich bereit, in Anwesenheit des Angeklagten Fragen zu beantworten. Sie äußerte sich dann weiter zur Sache und wurde schließlich in allseitigem Einvernehmen entlassen.
  174. c) Es spricht schon viel dafür, daß diese Rüge, ohne daß es auf weiteres
  175. ankäme, jedenfalls deshalb ins Leere geht, weil ein (etwaiger) Verfahrensfehler
  176. ausschließlich einen Teil der Hauptverhandlung beträfe, bei dem es um Vorwürfe ging, von denen der Angeklagte freigesprochen wurde (vgl. BGH Beschluß vom 21. September 1999 – 1 StR 253/99; BGH MDR 1995, 1160
  177. m.w.N.). Bei den abgeurteilten Taten handelt es sich um Sexualstraftaten zum
  178. Nachteil eines sechs Jahre alten Mädchens. Ein wie auch immer beschaffener
  179. Zusammenhang zwischen solchen Taten und einer Lohnsteuerkarte ist kaum
  180. vorstellbar. Hinzu kommt, daß die abgeurteilten Taten im Lagerkühlraum für
  181. Lebensmittel in einer Gaststätte begangen wurden. Es liegt sehr fern, daß sich
  182. in einem solchen Raum ein Sofa befunden haben könnte. Demgegenüber spielt
  183. ein Sofa sowohl hinsichtlich des Vorwurfs vom 17. Geburtstag als auch im
  184. Rahmen eines näher geprüften Vorwurfs aus dem Jahr 1995 während eines
  185. Krankenhausaufenthalts der Mutter, der sich auf dem "Mama-Sofa" abgespielt
  186. haben soll, eine Rolle; von beiden Vorwürfen ist der Angeklagte freigesprochen
  187. worden. Zu alledem äußert sich die Revision nicht.
  188. d) Unabhängig davon ist die Rüge (aber auch) aus einem anderen
  189. Grund wegen nicht genügenden Tatsachenvortrags nicht zulässig erhoben,
  190. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Angesichts der genannten Umstände – die Nebenklägerin wurde am 10. Dezember 2002 zwar zunächst in Abwesenheit, dann
  191. aber auch in Anwesenheit des Angeklagten vernommen, er konnte sie persön-
  192. - 12 -
  193. lich befragen, Lohnsteuerkarte und Skizze wurden in seiner Anwesenheit erneut zum Gegenstand der Verhandlung gemacht und die Zeugin wurde mit seiner Zustimmung entlassen – drängt sich die Annahme jedenfalls einer Heilung
  194. eines etwaigen Verfahrensverstoßes durch Wiederholung (vgl. nur BGHSt 30,
  195. 74, 76 m.w.N.) auf. Jedenfalls deshalb wäre Vortrag dazu erforderlich gewesen, was Gegenstand der dritten Vernehmung war, solange der Angeklagte
  196. ausgeschlossen war und ob es um anderes ging, als bei der Fortsetzung der
  197. Vernehmung in Anwesenheit des Angeklagten. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß in einem Fall, in dem nach dem eigenen Vortrag des
  198. Beschwerdeführers die Möglichkeit der Heilung in Betracht kommt, der Sachverhalt auch in dieser Hinsicht vollständig mitgeteilt werden muß, um dem Revisionsgericht die Beurteilung zu ermöglichen, ob ein bis zum Urteil fortwirkender Mangel vorliegt (BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Abwesenheit 2). In einem
  199. Fall, in dem sich, wie hier, diese Möglichkeit nicht aus dem Vortrag des Revisionsführers, sondern aus dem von ihm nicht vorgetragenen, aus dem Protokoll
  200. der Hauptverhandlung aber ersichtlichen Verfahrensgeschehen ergibt, kann im
  201. Ergebnis nichts anderes gelten.
  202. 4. Die Jugendkammer hat einen Antrag auf Einholung eines weiteren
  203. Gutachtens zur Glaubwürdigkeit der Geschädigten als ungeeignet abgelehnt.
  204. Gestützt ist dies auf die Erklärung des Nebenklägervertreters, die Geschädigte
  205. sei wegen ihres psychischen Zustandes "nicht in der Lage bzw. nicht bereit",
  206. sich einer Begutachtung zu unterziehen. Die Revision meint, es sei, obwohl
  207. rechtlich erheblich, unklar, ob die Zeugin nicht bereit oder nicht in der Lage sei,
  208. sich begutachten zu lassen. Ein Zeuge muß aber überhaupt keinen Grund dafür nennen, wenn er sich nicht begutachten lassen will; im übrigen war die
  209. Zeugin offensichtlich nicht bereit, sich begutachten zu lassen, weil sie sich
  210. - 13 -
  211. hierzu nicht in der Lage fühlte. Ein Rechtsfehler ist aus alledem nicht erkennbar, ebenso aus dem gesamten weiteren Vorbringen der Revision, etwa der
  212. Antrag auf Erstellung eines neuen Gutachtens hätte nicht zurückgewiesen
  213. werden können, ohne daß zuvor ein Gutachten darüber erhoben worden ist, ob
  214. ein Gutachten erstellt werden kann. Darüber hinaus kann der Senat die Rüge
  215. nicht inhaltlich überprüfen, weil in dem Antrag auf eine entgegen § 344 Abs. 2
  216. Satz 2 StPO von der Revision nicht mitgeteilte längere Stellungnahme einer
  217. Psychologin Bezug genommen ist.
  218. - 14 -
  219. 5. Die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat
  220. ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
  221. Nack
  222. Wahl
  223. Kolz
  224. Schluckebier
  225. Elf