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5.2 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. 1 StR 145/02
  3. BESCHLUSS
  4. vom
  5. 26. Juni 2002
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. 1.
  9. 2.
  10. wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
  11. -2-
  12. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juni 2002 gemäß § 349
  13. Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  14. 1. Auf die Revisionen der Angeklagten S.
  15. und A.
  16. wird das
  17. Urteil des Landgerichts Traunstein vom 26. Oktober 2001, soweit es diese Angeklagten betrifft, im Rechtsfolgenausspruch
  18. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
  19. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere
  20. Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  21. 2. Die weitergehenden Revisionen dieser Angeklagten gegen das
  22. vorbezeichnete Urteil werden als unbegründet verworfen.
  23. Gründe:
  24. Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und die
  25. Angeklagte S.
  26. deshalb zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs
  27. Monaten, den Angeklagten A.
  28. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
  29. und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichteten Revisionen dieser
  30. Angeklagten sind zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
  31. StPO, führen jedoch zur Aufhebung der Rechtsfolgenaussprüche.
  32. -3-
  33. 1. Der Rechtsfolgenausspruch gegen beide Angeklagte kann aus sachlich-rechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Das Landgericht versagt dem
  34. Angeklagten A.
  35. eine Strafrahmenmilderung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB
  36. und der Angeklagten S.
  37. eine entsprechend begründbare Milderung der
  38. Jugendstrafe (vgl. dazu BGH StV 1989, 545), weil deren Steuerungsfähigkeit
  39. zur Tatzeit nicht erheblich vermindert gewesen sei. Dafür gibt die Strafkammer
  40. jedoch keine tragfähige und nachvollziehbare Begründung. Das erweist sich
  41. hier angesichts der festgestellten Blutalkoholkonzentrationen der Angeklagten
  42. zur Tatzeit als Erörterungsmangel und als Lücke in der Beweiswürdigung.
  43. Aufgrund der tatzeitnahe genossenen alkoholischen Getränke hat das
  44. Landgericht - sachverständig beraten - für die Angeklagte S.
  45. eine maxi-
  46. male Blutalkoholkonzentration von 2,86 Promille, für den Angeklagten A.
  47. eine
  48. solche von 3,25 Promille zur Tatzeit festgestellt (UA S. 16). In seiner Würdigung zur Schuldfähigkeit führt es lediglich an, die Angeklagten seien zur Tatzeit für ihr strafrechtlich relevantes Verhalten voll verantwortlich gewesen.
  49. Nach dem "überzeugenden, nachvollziehbaren, schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten" des vernommenen Sachverständigen habe zur Tatzeit keine Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB vorgelegen, und zwar auch nicht "wegen deren Alkoholisierung" (UA S. 26). Weitere Ausführungen mit sachlichem Gehalt sind dem Urteil zu dieser Frage nicht
  50. zu entnehmen.
  51. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß das
  52. Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung infolge übermäßigen Alkoholkonsums regelmäßig bei einem Blutalkoholwert von 2,0 Promille aufwärts der
  53. Erörterung im Urteil bedarf. Bei schwerwiegenden Gewalttaten, die sich gegen
  54. Leib oder Leben des Opfers richten, ist dies mit Blick auf die Überschreitung
  55. -4-
  56. einer höheren Hemmschwelle ab einem Blutalkoholwert von 2,2 Promille zur
  57. Tatzeit anzunehmen. Das gilt auch für die gefährliche Körperverletzung mittels
  58. einer das Leben gefährdenden Behandlung (siehe nur BGHSt 43, 66, 69). Dieser Erörterungspflicht hat das Landgericht nicht genügt. Auch die im übrigen
  59. festgestellten Umstände belegen unter dem Gesichtspunkt sog. psychodiagnostischer Kriterien einen Ausschluß erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit
  60. nicht sicher; vielmehr wäre auch insoweit eine entsprechende Würdigung geboten gewesen. Die bloße Mitteilung des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens hierzu vermag eine nachvollziehbare Erörterung durch den
  61. Tatrichter nicht zu ersetzen. Die Frage muß deshalb neu verhandelt und entschieden werden.
  62. Da angesichts der Feststellungen im übrigen und im Blick auf das Tatverhalten sicher auszuschließen ist, daß die Angeklagten zur Tatzeit schu ldunfähig gewesen sein könnten, unterliegt lediglich der Rechtsfolgenausspruch
  63. der Aufhebung. Eine Erstreckung der Entscheidung auf die nicht revisionsführenden Mitangeklagten R.
  64. § 357 StPO). R.
  65. und Ar.
  66. kommt hier nicht in Betracht (vgl.
  67. hatte lediglich eine maximale Blutalkoholkonzentration
  68. von 1,54 Promille zur Tatzeit. Bei Ar.
  69. belief sich diese zwar auf 2,35 Promille.
  70. Der Senat schließt jedoch aus, daß der ihn betreffende Rechtsfolgenausspruch
  71. auf dem bezeichneten Erörterungsmangel beruhen kann. Das Landgericht hat
  72. gegen ihn lediglich drei Freizeitarreste ausgesprochen und ihm die Weisung
  73. erteilt, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.
  74. 2. Der Senat weist überdies darauf hin, daß das Urteil auch unter einem
  75. von der Revision des Angeklagten A.
  76. beanstandeten Verfahrensmangel lei-
  77. det. Die Strafkammer hat versäumt, den von der Verteidigung dieses Angeklagten gestellten Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines weiteren medizini-
  78. -5-
  79. schen Sachverständigengutachtens zur Frage einer etwaigen Einschränkung
  80. der Schuldfähigkeit des Angeklagten zu bescheiden (vgl. dazu die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. April 2002, S. 4 unter Ziffer II. 1.).
  81. Schäfer
  82. Wahl
  83. Schluckebier
  84. Boetticher
  85. Kolz