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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. 1 StR 138/02
  4. URTEIL
  5. vom
  6. 30. Juli 2002
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
  10. Menge u.a.
  11. -2-
  12. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Juli 2002,
  13. an der teilgenommen haben:
  14. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  15. Dr. Schäfer
  16. und die Richter am Bundesgerichtshof
  17. Nack,
  18. Dr. Wahl,
  19. Dr. Boetticher,
  20. Hebenstreit,
  21. Staatsanwalt
  22. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  23. Rechtsanwalt
  24. als Verteidiger,
  25. Justizangestellte
  26. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  27. für Recht erkannt:
  28. -3-
  29. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 29. November 2001 wird verworfen.
  30. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch
  31. entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur
  32. Last.
  33. Von Rechts wegen
  34. Gründe:
  35. I.
  36. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG)
  37. in 35 Fällen und wegen der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine
  38. halbautomatische Selbstladekurzwaffe (§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a lit. a WaffG)
  39. zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Außerdem wurde der
  40. Verfall von insgesamt 110.000,-- DM (§ 73 und § 73a StGB) angeordnet. Die
  41. zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist
  42. wirksam beschränkt. Sie richtet sich allein gegen den Schuld- und Strafausspruch in den Fällen 37 (Verstoß gegen das BtMG) und 38 (Verstoß gegen das
  43. WaffG) sowie gegen die Gesamtstrafe. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit
  44. -4-
  45. der Sachrüge, daß der Angeklagte nicht wegen bewaffneten Handeltreibens
  46. mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) verurteilt wurde. Der Revision bleibt der Erfolg versagt.
  47. II.
  48. Gemeinsam mit anderen handelte der Angeklagte als Zwischenhändler
  49. im großen Stil mit Haschisch, jeweils in Mengen bis zu 100 kg. Im Fall 37 lag
  50. der Verurteilung nach den Feststellungen des Landgerichts folgendes zugrunde:
  51. Ende März oder Anfang April 2001 bestellte der Angeklagte bei seinem
  52. Lieferanten 50 kg Haschisch zum Preis von 120.000,-- DM. Dieses wurde am
  53. 6. April 2001 in zwei Tragetaschen zu dem Anwesen in Mannheim, in dem der
  54. Angeklagte wohnte, geliefert. Der Angeklagte stellte die Taschen mit den Haschischpaketen im Keller ab. Von dort aus sollte das Rauschmittel zeitnah in
  55. die "Bunkerwohnungen" verbracht werden. Die Zwischenlagerung bei oder in
  56. der Wohnung des Angeklagten war die Ausnahme. Von dort aus hat der Angeklagte nie Rauschmittel vertrieben.
  57. Zum Weitertransport kam es jedoch nicht mehr. Noch am selben Tag
  58. wurde beim Angeklagten durchsucht und das Haschisch - 48,5 kg mit 3,65 kg
  59. THC - im Keller sichergestellt. Daneben fand die Polizei unter einer Decke eine
  60. Pistole Baretta 950, Kaliber 22, mit einem eingeführten leeren und einem weiteren nicht für diese Waffe geeigneten Magazin sowie zwei Päckchen zur Pistole
  61. -5-
  62. passender Munition. Diese Gegenstände hatte der Angeklagte (Fall 38) im Februar 2001 für 600,-- DM in Mannheim gekauft und seither nie in Gebrauch gehabt. Im Zusammenhang mit den Haschischgeschäften stand der Erwerb nicht.
  63. An die Schußwaffe hat der Angeklagte am 6. April 2001 nicht mehr gedacht;
  64. deren Vorhandensein war ihm nicht bewußt, als er das Haschisch im Keller
  65. verstaute.
  66. Damit folgte die Strafkammer den "unwiderlegbaren" Einlassungen des
  67. - im übrigen - umfassend geständigen Angeklagten und verneinte in der Konsequenz die Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG. Zwar habe die
  68. Schußwaffe dem Angeklagten während des Handeltreibens objektiv zur Verfügung gestanden, jedoch könne ein entsprechender Vorsatz nicht positiv festgestellt werden.
  69. II.
  70. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
  71. Eine Schußwaffe führt schon mit sich, wer sie - samt Munition - in Griffweite hat. Der Wille, diese gegebenenfalls einzusetzen, ist nicht erforderlich.
  72. Für die subjektive Seite genügt das Bewußtsein, über den gefährlichen Gegenstand jederzeit verfügen zu können. All dies hat die Strafkammer nicht verkannt. Sie hat festgestellt, daß der Angeklagte die Pistole samt geeigneten Patronen griffbereit hatte, als er die Taschen mit den Haschischpaketen daneben
  73. ablegte, daß ihm dies - das Vorhandensein der Schußwaffe - damals aber nicht
  74. bewußt war. Damit entfällt bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Satz 2 BtMG).
  75. -6-
  76. Die den getroffenen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung
  77. ist rechtsfehlerfrei. Sie verstößt nicht gegen Denkgesetze, ist widerspruchsfrei
  78. und weist insbesondere keine Lücken auf. Mit der räumlichen Nähe zwischen
  79. Waffe samt Munition und Haschisch sowie den nicht allzuweit auseinanderliegenden Erwerbsdaten setzte sich die Strafkammer in der Beweiswürdigung und
  80. in der rechtlichen Würdigung auseinander. Wenn sie gleichwohl der Einlassung des Angeklagten, ihm sei das Vorhandensein der Pistole nicht gegenwärtig gewesen, als er die Taschen mit Haschisch im Keller abstellte, folgte, ist
  81. dies frei von Rechtsfehlern.
  82. Je ferner die Gefahr des Einsatzes der Waffe liegt, desto höhere Anforderungen sind an die Prüfung und Darlegung des subjektiven Merkmals des
  83. Bewußtseins der Verfügbarkeit der Waffe zu stellen (BGH NStZ 2000, 433). Mit
  84. einem Gebrauch der Waffe war hier nicht zu rechnen. Erwerb und Besitz der
  85. Pistole standen in keinem Zusammenhang mit den Betäubungsmittelgeschäften des Angeklagten, der schon einmal im Jahre 1993 wegen eines Waffendelikts verurteilt wurde. Auch seinerzeit ergab sich kein Bezug zu dem schon
  86. damals von ihm betriebenen Haschischhandel. Zum Abstellen der - alsbald
  87. danach beschlagnahmten - Taschen hielt sich der Angeklagte nur kurze Zeit im
  88. -7-
  89. Keller auf. Daß er in diesem Moment nicht an die unter einer Decke verborgene
  90. Pistole samt Magazin und Munition dachte, durfte die Strafkammer hinnehmen,
  91. ohne damit überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche
  92. Überzeugungsbildung zu stellen.
  93. Schäfer
  94. Nack
  95. Boetticher
  96. Wahl
  97. Hebenstreit