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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 63/05
  4. vom
  5. 10. August 2005
  6. in der Familiensache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. ja
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO §§ 3, 511 Abs. 2 Nr. 1, 643 Abs. 1 und 2; BGB § 1605 Abs. 1
  14. Die Beschwer durch eine Verurteilung zur Auskunft nach § 1605 Abs. 1 BGB über die
  15. Höhe eine gewährten Arbeitnehmerabfindung erhöht sich nicht dadurch, dass der
  16. Rechtsmittelführer ein Geheimhaltungsinteresse wegen einer mit dem Arbeitgeber
  17. vereinbarten Verschwiegenheitspflicht geltend macht.
  18. BGH, Beschluss vom 10. August 2005 - XII ZB 63/05 - OLG Frankfurt am Main
  19. AG Langen
  20. -2-
  21. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. August 2005 durch die
  22. Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
  23. Prof. Dr. Wagenitz und Dose
  24. beschlossen:
  25. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Senats für
  26. Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
  27. 31. März 2005 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
  28. Gründe:
  29. I.
  30. Der im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Kindesunterhalt in Anspruch genommene Beklagte wurde durch Teilurteil des Amtsgerichts verurteilt,
  31. der Klägerin über die Höhe der von seinem Arbeitgeber gezahlten Abfindung
  32. Auskunft zu erteilen und diese durch Vorlage des Abfindungsvertrages zu belegen.
  33. Dagegen legte der Beklagte Berufung ein und machte geltend, seine Beschwer übersteige die erforderliche Erwachsenheitssumme von 600 €, weil sein
  34. besonderes Geheimhaltungsinteresse werterhöhend zu berücksichtigen sei. Er
  35. habe sich nämlich in dem Abfindungsvertrag ausdrücklich zu strengstem Stillschweigen über den Inhalt der Vereinbarung und damit auch über die Höhe der
  36. Abfindung verpflichtet. Bei Erteilung der Auskunft müsse er damit rechnen, dass
  37. -3-
  38. sein Arbeitgeber rechtliche Schritte gegen ihn einleite und Rückzahlung der Abfindung oder Schadensersatz verlange.
  39. Das Berufungsgericht setzte den Berufungswert auf 100 € fest und verwarf die Berufung durch Beschluss als unzulässig (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
  40. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
  41. II.
  42. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 S. 4
  43. ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig.
  44. Insoweit hält der Senat an seiner vorläufigen Beurteilung in seinem Beschluss vom 11. Mai 2005 - XII ZB 63/05 - FamRZ 2005, 1064, mit der er den
  45. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der erstinstanzlichen Entscheidung in
  46. dieser Sache (vor Eingang der Rechtsbeschwerdebegründung) zurückgewiesen
  47. hatte, nicht fest. Wie die Rechtsbeschwerdebegründung inzwischen aufgezeigt
  48. hat, erfordert die Rechtssache eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts. Im Rahmen der Bemessung der Beschwer
  49. eines im Unterhaltsprozess zur Auskunft Verurteilten ist nämlich bislang nicht
  50. hinreichend höchstrichterlich geklärt, ob und in welcher Weise eine dem gesetzlichen Auskunftsanspruch entgegengehaltene Geheimhaltungsvereinbarung mit
  51. einem Dritten zu berücksichtigen ist.
  52. 2. Die Rechtsbeschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
  53. a) Wie der Senat in seinem Beschluss vom 11. Mai 2005 aaO bereits
  54. ausgeführt hat, kommt es nicht darauf an, ob das Amtsgericht den Beklagten zu
  55. -4-
  56. Recht verurteilt hat, Auskunft über die Höhe seiner Abfindung zu erteilen und
  57. diese durch Vorlage des Abfindungsvertrages zu belegen. Unerheblich ist auch,
  58. ob dem Auskunftsanspruch die vom Beklagten mit seinem Arbeitgeber vereinbarte Geheimhaltung des Abfindungsvertrages oder der Umstand entgegensteht, dass die Abfindung für Unterhaltszwecke nicht mehr zur Verfügung steht,
  59. weil sie zur Ablösung von Verbindlichkeiten verbraucht wurde, wie der Beklagte
  60. mit der Berufungsbegründung geltend gemacht hatte.
  61. Zur Überprüfung im Rahmen der Rechtsbeschwerde steht nämlich allein
  62. die Auffassung des Berufungsgerichts, die Berufung sei unzulässig, weil die
  63. Beschwer des Beklagten 600 € nicht übersteige. Für die Höhe dieser Beschwer
  64. ist ohne Belang, ob die Verurteilung zu Recht erfolgte oder nicht, und ob überhaupt ein (hier: über den bereits titulierten Unterhalt hinausgehender) Unterhaltsanspruch besteht (vgl. BGH, Senatsbeschluss vom 6. Mai 1998 - XII ZR
  65. 33/98 - FamRZ 1998, 1577 f.).
  66. b) Zutreffend ist der Ansatzpunkt des Berufungsgerichts, dass es für den
  67. Wert des Beschwerdegegenstandes ausschließlich auf das Abwehrinteresse
  68. des Beklagten ankommt, die Auskunft, zu der er verurteilt wurde, nicht erteilen
  69. zu müssen. Der Wert der Beschwer richte sich daher nicht nach dem Wert des
  70. Auskunftsanspruchs, sondern bemesse sich allein nach dem Aufwand an Zeit
  71. und Kosten, die die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordere, sowie nach
  72. einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten. Dies entspricht der
  73. ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Beschluss vom
  74. 24. November 1994 - GSZ 1/94 - FamRZ 1995, 349, 351).
  75. Den Zeit- und Kostenaufwand für die Erteilung der Auskunft über die Höhe der Abfindung und die Anfertigung einer Kopie des Abfindungsvertrages hat
  76. -5-
  77. das Berufungsgericht mit 100 € bemessen. Das lässt Rechtsfehler zum Nachteil
  78. des Beklagten nicht erkennen.
  79. c) Auch soweit das Berufungsgericht das vom Beklagten geltend gemachte Geheimhaltungsinteresse nicht als werterhöhend berücksichtigt hat,
  80. hält dies der rechtlichen Prüfung zumindest im Ergebnis stand.
  81. aa) Zwar kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Einzelfall ein Geheimhaltungsinteresse der zur Auskunft verurteilten
  82. Partei für die Bemessung des Rechtsmittelinteresses erheblich sein. Insoweit
  83. muss die verurteilte Partei dem Beschwerdegericht aber nach § 511 Abs. 3
  84. ZPO (§ 511 a Abs. 1 ZPO a.F.) substantiiert darlegen und erforderlichenfalls
  85. glaubhaft machen, dass ihr durch die Erteilung der Auskunft ein konkreter
  86. Nachteil droht (BGH, Beschluss vom 10. Juni 1999 - VII ZB 17/98 - NJW 1999,
  87. 3049; Senatsbeschluss vom 23. April 1997 - XII ZB 50/97 - NJW-RR 1997,
  88. 1089).
  89. bb) Hier hat der Beklagte zwar geltend gemacht, eine Verletzung seiner
  90. im Abfindungsvertrag vereinbarten Pflicht zur Verschwiegenheit - auch über die
  91. Höhe der gewährten Abfindung - führe dazu, dass er diese zurückzahlen müsse. Dies ist indes nicht hinreichend glaubhaft gemacht, da es in der von ihm
  92. (allein) vorgelegten Ziffer 9 des Abfindungsvertrages lediglich heißt, für den Fall
  93. der Zuwiderhandlung behalte sich der Arbeitgeber die Einleitung rechtlicher
  94. Schritte vor.
  95. Zudem muss ein besonderes Interesse des Auskunftspflichtigen, bestimmte Tatsachen insbesondere vor dem Gegner geheim zu halten, im Einzelfall konkret dargelegt werden. Dazu gehört auch, dass gerade in der Person
  96. des Auskunftbegehrenden die Gefahr begründet sein muss, dieser werde von
  97. ihm gegenüber offenbarten Tatsachen über den Rechtsstreit hinaus in einer
  98. -6-
  99. Weise Gebrauch machen, die schützenswerte wirtschaftliche Interessen des
  100. zur Auskunft Verpflichteten gefährden können (vgl. BGH, Beschluss vom
  101. 8. Dezember 1993 - IV ZB 14/93 - veröffentlicht bei JURIS). Das ist hier nicht
  102. vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
  103. cc) Es kann auch offen bleiben, ob der Umstand, dass der Beklagte sich
  104. bei Offenlegung der ihm gewährten Abfindung seinem Arbeitgeber gegenüber
  105. haft- oder schadensersatzpflichtig machen könnte, bei der Bemessung der Beschwer überhaupt berücksichtigt werden kann, oder ob auch in einem Fall der
  106. vorliegenden Art der Grundsatz gilt, dass Drittbeziehungen des Auskunftspflichtigen nicht zu einem unmittelbar aus der Verurteilung zur Auskunft fließenden
  107. rechtlichen Nachteil führen und deshalb als reine Fernwirkung für die Bemessung der Beschwer außer Betracht zu bleiben haben. Insofern könnte nämlich
  108. aus einem Haftungsrisiko gegenüber einem am Auskunftsverfahren nicht beteiligten Dritten ein schützenswertes wirtschaftliches Interesse an einer Geheimhaltung gegenüber dem die Auskunft Begehrenden nicht hergeleitet werden
  109. (vgl. BGH Urteil vom 4. Juli 1997 - V ZR 208/96 - NJW 1997, 3246).
  110. dd) Schließlich bedarf es auch keiner Entscheidung, ob der Beklagte hier
  111. hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass seine vertraglich vereinbarte Verschwiegenheitspflicht auch solche Fälle umfassen sollte, in denen er kraft Gesetzes zur Auskunft verpflichtet ist. Denn wäre dies der Fall, würde sich die Geheimhaltungsvereinbarung insoweit als unwirksam erweisen.
  112. Eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Verschwiegenheit
  113. über betriebliche Tatsachen ist nämlich nur wirksam, wenn und soweit dies
  114. durch die Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt ist (vgl. LAG Hamm DB 1989,
  115. 783 f.). Für die Verpflichtung, über die Höhe einer gezahlten Abfindung beim
  116. Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Stillschweigen zu bewahren, kann
  117. -7-
  118. nichts anderes gelten. Es liegt auf der Hand, dass die Belange des Arbeitgebers nicht überwiegen können, wenn und soweit die Befolgung der Verschwiegenheitspflicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstoßen würde,
  119. so etwa, wenn der Beklagte die Abfindung und ihre Höhe bei seiner Einkommensteuererklärung verschweigen würde.
  120. Dies verkennt der Beklagte, wenn er in seiner Verfassungsbeschwerde,
  121. auf die die Rechtsbeschwerde Bezug nimmt, die Auffassung vertritt, es existiere
  122. keine gesetzliche Regelung, die vertragliche Ansprüche für einen Unterhaltsprozess aufhebe. Richtig ist vielmehr, dass gesetzliche Auskunftsansprüche
  123. nicht durch vertragliche Absprachen mit Dritten unterlaufen werden können.
  124. Insbesondere können die Belange des Arbeitgebers keine Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Auskunftsberechtigten im Rahmen eines
  125. Rechtsstreits um Kindesunterhalt rechtfertigen. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus
  126. der gesetzlichen Wertung des § 643 Abs. 2 ZPO. Danach kann das Gericht im
  127. Unterhaltsrechtsstreit über die Einkünfte einer Partei, die seiner Aufforderung
  128. zur Auskunftserteilung nicht nachkommt, unter anderem bei dem Arbeitgeber
  129. der Partei Auskunft einholen. Dieser ist zur Erteilung der Auskunft verpflichtet,
  130. § 643 Abs. 3 S. 1 ZPO, und kann sich auf eine eigene Verschwiegenheitspflicht
  131. nicht berufen, da sich der Gesetzgeber für den Vorrang des Unterhaltsinteresses vor dem Geheimhaltungsinteresse entschieden hat (vgl. Musielak/Borth
  132. ZPO 4. Aufl. § 643 Rdn. 14). Für den hier vorliegenden Fall des Unterhalts eines minderjährigen Kindes kann das Familiengericht sogar Auskünfte über die
  133. Höhe der Einkünfte und des Vermögens von den Finanzämtern einholen, § 643
  134. Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Daraus ist ersichtlich, dass die Sicherung der wirtschaftlichen
  135. Basis des minderjährigen Kindes sogar Vorrang vor der Wahrung des Steuergeheimnisses hat (vgl. Musielak/Borth aaO § 643 Rdn. 11).
  136. -8-
  137. Dies zeigt zugleich, dass die Befürchtung des Beklagten, sein früherer
  138. Arbeitgeber werde ihn wegen einer im Unterhaltsprozess erteilten Auskunft
  139. über die Höhe der Abfindung belangen, unbegründet ist. Denn seine Weigerung
  140. könnte die Offenbarung der Abfindung im Unterhaltsprozess und damit auch die
  141. Kenntnisnahme der Klägerin nicht verhindern, weil der Arbeitgeber die Höhe
  142. der Abfindung auf Verlangen des Gerichts dann selbst offen zu legen hätte.
  143. Deshalb kann dem Arbeitgeber aus der Erteilung der begehrten Auskunft
  144. durch den Beklagten auch kein von diesem zu ersetzender Schaden entstehen.
  145. Hahne
  146. Sprick
  147. Wagenitz
  148. Weber-Monecke
  149. Dose