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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VII ZR 317/02
  5. Verkündet am:
  6. 8. Juli 2004
  7. Seelinger-Schardt,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGB §§ 294, 320
  16. a) Ein nach einer Kündigung des Bauvertrages ausgesprochenes Baustellenverbot
  17. begründet allein keine Verwirkung des Nachbesserungsanspruchs, sondern allenfalls einen Annahmeverzug des Auftraggebers.
  18. b) Der Annahmeverzug ist beendet, wenn der Auftraggeber sich im Prozeß wegen
  19. der Mängel auf sein Leistungsverweigerungsrecht beruft und dadurch zu erkennen
  20. gibt, daß er zum Zwecke der Mängelbeseitigung das Betreten der Baustelle zuläßt.
  21. BGH, Urteil vom 8. Juli 2004 - VII ZR 317/02 - OLG München
  22. LG Ingolstadt
  23. -2-
  24. -3-
  25. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 8. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter
  27. Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Hausmann und Prof. Dr. Kniffka
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 28. Zivilsenats
  30. des Oberlandesgerichts München vom 6. August 2002 im Kostenpunkt, im Zinsausspruch und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht über das Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten
  31. wegen folgender, im Gutachten des Sachverständigen Räsch bezeichneter Mängel
  32. 4.2.2.4
  33. Fehlende Bewegungsfuge
  34. 4.2.2.7
  35. Betonfehlstelle
  36. 4.2.2.10 Unterzug und Fugenausbildung
  37. 4.2.2.11 Riss in der TG-Wand
  38. 4.3.1
  39. Risse am Müllhäuschen
  40. 4.3.2
  41. Wasserandrang in der Tiefgarage
  42. 4.3.3.
  43. Wasserandrang in der Schleuse zum Altbau
  44. 4.3.4
  45. Unebener Tiefgaragenboden
  46. 4.4.3
  47. Riss in der Bodenplatte im Fahrradkeller
  48. zum Nachteil des Beklagten entschieden hat.
  49. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  50. Von Rechts wegen
  51. -4-
  52. Tatbestand:
  53. Die Klägerin fordert Restwerklohn.
  54. Die Parteien schlossen im April 1995 einen Bauvertrag über Rohbauarbeiten für eine Wohnanlage; die VOB/B wurde vereinbart. Nachdem die Klägerin während ihres Betriebsurlaubs im Januar 1996 die vom Beklagten geforderte
  55. Fortführung der Bauarbeiten verweigert
  56. hatte, kündigte der Beklagte am
  57. 16. Januar 1996 den Bauvertrag und verbot der Klägerin zugleich, die Baustelle
  58. zu betreten. Am 15. Februar 1996 forderte er die Klägerin zur Erstellung einer
  59. Schlußrechnung und zur unverzüglichen Räumung der Baustelle auf.
  60. Die Klägerin hat nach Erstellung der Schlußrechnung im Juli 1996
  61. 370.306,57 DM gefordert. Der Beklagte hat mit Mehrkosten für die Fertigstellung des Bauvorhabens aufgerechnet und wegen Mängeln ein Leistungsverweigerungsrecht im Umfang von knapp 114.000 DM geltend gemacht. Das
  62. Landgericht hat der Klage in Höhe von 275.294,54 DM Zug um Zug gegen Beseitigung näher bezeichneter Mängel stattgegeben. Auf die Berufung beider
  63. Parteien hat das Berufungsgericht den Beklagten uneingeschränkt zur Zahlung
  64. von 123.791,94 € und Zinsen verurteilt; die weitergehenden Rechtsmittel hat es
  65. zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision des Beklagten hinsichtlich des
  66. Zinsausspruchs sowie der im Tenor aufgeführten Mängel zugelassen. In diesem Umfang verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter.
  67. -5-
  68. Entscheidungsgründe:
  69. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  70. Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
  71. I.
  72. Das Berufungsgericht führt aus, dem Beklagten stehe ein Leistungsverweigerungsrecht wegen der im Tenor genannten Mängel nicht zu, da er zur
  73. Mängelbeseitigung keine Fristen nach § 4 Nr. 7 Satz 3 bzw. § 13 Nr. 5 Satz 1
  74. VOB/B gesetzt habe. Hinzu komme, daß der Beklagte der Klägerin verboten
  75. habe, das Grundstück zu betreten. Die Klägerin habe demnach die Mängel
  76. nicht beseitigen können, da der Beklagte dies nicht zugelassen habe. Das Angebot der Klägerin zur Mängelbeseitigung im Schreiben vom 7. Februar 2002
  77. sei vom Beklagten nicht angenommen worden. Folglich schulde die Klägerin
  78. keine Nachbesserung.
  79. II.
  80. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
  81. Im Revisionsverfahren ist zugunsten des Beklagten davon auszugehen,
  82. daß die im Tenor bezeichneten Mängel vorhanden sind und deren Mängelbeseitigung 45.044,81 € kostet. Unter dieser Voraussetzung hat der Beklagte zu
  83. Recht im zweiten Rechtszug nur eine eingeschränkte Verurteilung Zug um Zug
  84. -6-
  85. gegen Mängelbeseitigung mit der Folge beantragt, daß die Klägerin keine Zinsen fordern kann.
  86. 1. Auch nach einer Kündigung des Bauvertrages ist der Auftragnehmer
  87. grundsätzlich verpflichtet, Mängel an dem von ihm bis zur Kündigung erstellten
  88. Werk zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1987 - VII ZR 251/86, BauR
  89. 1987, 689, 690 = ZfBR 1987, 271; Urteil vom 21. Dezember 2000 - VII ZR
  90. 488/99, BauR 2001, 667 = NZBau 2001, 211 = ZfBR 2001, 177). Gegenüber
  91. dem Werklohnverlangen des Auftragnehmers kann der Auftraggeber das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 Abs. 1 BGB jedenfalls in Höhe des mindestens Dreifachen der Mängelbeseitigungskosten geltend machen.
  92. Eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung ist nicht Voraussetzung für die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts ist objektiv willkürlich.
  93. 2. Die Hilfserwägungen des Berufungsgerichts tragen den Ausschluß des
  94. Leistungsverweigerungsrechts nicht.
  95. a) Das Berufungsgericht enthält keine tragfähigen Feststellungen dazu,
  96. daß der Beklagte die Mängelbeseitigung unmittelbar im Anschluß an die Kündigung nicht zugelassen hätte. Allein der Umstand, daß ein Baustellenverbot
  97. ausgesprochen und die Räumung der Baustelle verlangt worden ist, besagt dazu nichts. Es ist nicht festgestellt, daß zu diesem Zeitpunkt bereits Mängelbeseitigung verlangt worden ist.
  98. Im übrigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte durch
  99. eine etwa zunächst erfolgte Zurückweisung eines Mängelbeseitigungsangebotes seinen Anspruch auf Nachbesserung verwirkt hätte. In Betracht wäre ein
  100. Annahmeverzug des Beklagten gekommen, der jedenfalls beendet gewesen
  101. wäre, als sich der Beklagte im zweiten Rechtszug auf sein Leistungsverweige-
  102. -7-
  103. rungsrecht berufen und damit zu erkennen gegeben hat, daß er zum Zweck der
  104. Mängelbeseitigung das Betreten der Baustelle zuläßt (vgl. BGH, Urteil vom
  105. 24. Juli 2003 - VII ZR 79/02, BauR 2003, 1892, 1898 = ZfBR 2004, 37, 41).
  106. b) Ebensowenig kann der Verlust des Mängelbeseitigungsanspruchs
  107. daraus hergeleitet werden, daß die Klägerin mit Schreiben vom 7. Februar 2002
  108. angeboten hat, Mängel zu beseitigen. Der Beklagte hat durch die Weigerung,
  109. dieses Angebot anzunehmen, nicht seinen Mängelbeseitigungsanspruch verwirkt. Vielmehr war er berechtigt, dieses Angebot zurückzuweisen, weil es nur
  110. einen sehr geringen Teil der vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellten
  111. Mängel betraf (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2002 - VII ZR 479/00, BauR 2002,
  112. 1399, 1400 = NJW 2002, 3019 = ZfBR 2002, 676). Das Angebot der Klägerin
  113. betraf Mängelbeseitigungskosten von 4.700 DM gegenüber den vom Sachverständigen geschätzten Kosten von 88.100 DM.
  114. 3. Der Beklagte ist berechtigt, die Zahlung von 123.791,94 € zu verweigern,
  115. da
  116. das
  117. mindestens
  118. Dreifache
  119. der
  120. Mängelbeseitigungskosten
  121. (135.134,44 €) diesen Betrag übersteigt. Folglich ist die Forderung nicht fällig,
  122. so daß der Beklagte weder Verzugszinsen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 1999
  123. - VII ZR 180/98, BauR 1999, 1025 = NJW 1999, 2110 = ZfBR 1999, 313) noch
  124. Rechtshängigkeitszinsen, vgl. § 291 Satz 1 BGB, schuldet.
  125. III.
  126. Danach kann das Berufungsurteil im von der Revision noch angefochtenen Umfang nicht bestehen bleiben. Es ist insoweit aufzuheben. Das Berufungsgericht wird, gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien,
  127. -8-
  128. Grund und Höhe des Leistungsverweigerungsrechts des Beklagten festzustellen haben.
  129. Dressler
  130. Thode
  131. Hausmann
  132. Haß
  133. Kniffka