|
BUNDESGERICHTSHOF
|
|
IM NAMEN DES VOLKES
|
|
URTEIL
|
|
VII ZR 317/02
|
|
|
|
Verkündet am:
|
|
8. Juli 2004
|
|
Seelinger-Schardt,
|
|
Justizangestellte
|
|
als Urkundsbeamter
|
|
der Geschäftsstelle
|
|
in dem Rechtsstreit
|
|
|
|
Nachschlagewerk: ja
|
|
BGHZ:
|
|
|
|
nein
|
|
|
|
BGB §§ 294, 320
|
|
a) Ein nach einer Kündigung des Bauvertrages ausgesprochenes Baustellenverbot
|
|
begründet allein keine Verwirkung des Nachbesserungsanspruchs, sondern allenfalls einen Annahmeverzug des Auftraggebers.
|
|
b) Der Annahmeverzug ist beendet, wenn der Auftraggeber sich im Prozeß wegen
|
|
der Mängel auf sein Leistungsverweigerungsrecht beruft und dadurch zu erkennen
|
|
gibt, daß er zum Zwecke der Mängelbeseitigung das Betreten der Baustelle zuläßt.
|
|
|
|
BGH, Urteil vom 8. Juli 2004 - VII ZR 317/02 - OLG München
|
|
LG Ingolstadt
|
|
|
|
-2-
|
|
|
|
-3-
|
|
|
|
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
|
|
vom 8. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter
|
|
Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Hausmann und Prof. Dr. Kniffka
|
|
für Recht erkannt:
|
|
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 28. Zivilsenats
|
|
des Oberlandesgerichts München vom 6. August 2002 im Kostenpunkt, im Zinsausspruch und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht über das Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten
|
|
wegen folgender, im Gutachten des Sachverständigen Räsch bezeichneter Mängel
|
|
4.2.2.4
|
|
|
|
Fehlende Bewegungsfuge
|
|
|
|
4.2.2.7
|
|
|
|
Betonfehlstelle
|
|
|
|
4.2.2.10 Unterzug und Fugenausbildung
|
|
4.2.2.11 Riss in der TG-Wand
|
|
4.3.1
|
|
|
|
Risse am Müllhäuschen
|
|
|
|
4.3.2
|
|
|
|
Wasserandrang in der Tiefgarage
|
|
|
|
4.3.3.
|
|
|
|
Wasserandrang in der Schleuse zum Altbau
|
|
|
|
4.3.4
|
|
|
|
Unebener Tiefgaragenboden
|
|
|
|
4.4.3
|
|
|
|
Riss in der Bodenplatte im Fahrradkeller
|
|
|
|
zum Nachteil des Beklagten entschieden hat.
|
|
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
|
|
Von Rechts wegen
|
|
|
|
-4-
|
|
|
|
Tatbestand:
|
|
Die Klägerin fordert Restwerklohn.
|
|
Die Parteien schlossen im April 1995 einen Bauvertrag über Rohbauarbeiten für eine Wohnanlage; die VOB/B wurde vereinbart. Nachdem die Klägerin während ihres Betriebsurlaubs im Januar 1996 die vom Beklagten geforderte
|
|
Fortführung der Bauarbeiten verweigert
|
|
|
|
hatte, kündigte der Beklagte am
|
|
|
|
16. Januar 1996 den Bauvertrag und verbot der Klägerin zugleich, die Baustelle
|
|
zu betreten. Am 15. Februar 1996 forderte er die Klägerin zur Erstellung einer
|
|
Schlußrechnung und zur unverzüglichen Räumung der Baustelle auf.
|
|
Die Klägerin hat nach Erstellung der Schlußrechnung im Juli 1996
|
|
370.306,57 DM gefordert. Der Beklagte hat mit Mehrkosten für die Fertigstellung des Bauvorhabens aufgerechnet und wegen Mängeln ein Leistungsverweigerungsrecht im Umfang von knapp 114.000 DM geltend gemacht. Das
|
|
Landgericht hat der Klage in Höhe von 275.294,54 DM Zug um Zug gegen Beseitigung näher bezeichneter Mängel stattgegeben. Auf die Berufung beider
|
|
Parteien hat das Berufungsgericht den Beklagten uneingeschränkt zur Zahlung
|
|
von 123.791,94 € und Zinsen verurteilt; die weitergehenden Rechtsmittel hat es
|
|
zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision des Beklagten hinsichtlich des
|
|
Zinsausspruchs sowie der im Tenor aufgeführten Mängel zugelassen. In diesem Umfang verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter.
|
|
|
|
-5-
|
|
|
|
Entscheidungsgründe:
|
|
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
|
|
Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
|
|
|
|
I.
|
|
Das Berufungsgericht führt aus, dem Beklagten stehe ein Leistungsverweigerungsrecht wegen der im Tenor genannten Mängel nicht zu, da er zur
|
|
Mängelbeseitigung keine Fristen nach § 4 Nr. 7 Satz 3 bzw. § 13 Nr. 5 Satz 1
|
|
VOB/B gesetzt habe. Hinzu komme, daß der Beklagte der Klägerin verboten
|
|
habe, das Grundstück zu betreten. Die Klägerin habe demnach die Mängel
|
|
nicht beseitigen können, da der Beklagte dies nicht zugelassen habe. Das Angebot der Klägerin zur Mängelbeseitigung im Schreiben vom 7. Februar 2002
|
|
sei vom Beklagten nicht angenommen worden. Folglich schulde die Klägerin
|
|
keine Nachbesserung.
|
|
|
|
II.
|
|
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
|
|
Im Revisionsverfahren ist zugunsten des Beklagten davon auszugehen,
|
|
daß die im Tenor bezeichneten Mängel vorhanden sind und deren Mängelbeseitigung 45.044,81 € kostet. Unter dieser Voraussetzung hat der Beklagte zu
|
|
Recht im zweiten Rechtszug nur eine eingeschränkte Verurteilung Zug um Zug
|
|
|
|
-6-
|
|
|
|
gegen Mängelbeseitigung mit der Folge beantragt, daß die Klägerin keine Zinsen fordern kann.
|
|
1. Auch nach einer Kündigung des Bauvertrages ist der Auftragnehmer
|
|
grundsätzlich verpflichtet, Mängel an dem von ihm bis zur Kündigung erstellten
|
|
Werk zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1987 - VII ZR 251/86, BauR
|
|
1987, 689, 690 = ZfBR 1987, 271; Urteil vom 21. Dezember 2000 - VII ZR
|
|
488/99, BauR 2001, 667 = NZBau 2001, 211 = ZfBR 2001, 177). Gegenüber
|
|
dem Werklohnverlangen des Auftragnehmers kann der Auftraggeber das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 Abs. 1 BGB jedenfalls in Höhe des mindestens Dreifachen der Mängelbeseitigungskosten geltend machen.
|
|
Eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung ist nicht Voraussetzung für die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts ist objektiv willkürlich.
|
|
2. Die Hilfserwägungen des Berufungsgerichts tragen den Ausschluß des
|
|
Leistungsverweigerungsrechts nicht.
|
|
a) Das Berufungsgericht enthält keine tragfähigen Feststellungen dazu,
|
|
daß der Beklagte die Mängelbeseitigung unmittelbar im Anschluß an die Kündigung nicht zugelassen hätte. Allein der Umstand, daß ein Baustellenverbot
|
|
ausgesprochen und die Räumung der Baustelle verlangt worden ist, besagt dazu nichts. Es ist nicht festgestellt, daß zu diesem Zeitpunkt bereits Mängelbeseitigung verlangt worden ist.
|
|
Im übrigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte durch
|
|
eine etwa zunächst erfolgte Zurückweisung eines Mängelbeseitigungsangebotes seinen Anspruch auf Nachbesserung verwirkt hätte. In Betracht wäre ein
|
|
Annahmeverzug des Beklagten gekommen, der jedenfalls beendet gewesen
|
|
wäre, als sich der Beklagte im zweiten Rechtszug auf sein Leistungsverweige-
|
|
|
|
-7-
|
|
|
|
rungsrecht berufen und damit zu erkennen gegeben hat, daß er zum Zweck der
|
|
Mängelbeseitigung das Betreten der Baustelle zuläßt (vgl. BGH, Urteil vom
|
|
24. Juli 2003 - VII ZR 79/02, BauR 2003, 1892, 1898 = ZfBR 2004, 37, 41).
|
|
b) Ebensowenig kann der Verlust des Mängelbeseitigungsanspruchs
|
|
daraus hergeleitet werden, daß die Klägerin mit Schreiben vom 7. Februar 2002
|
|
angeboten hat, Mängel zu beseitigen. Der Beklagte hat durch die Weigerung,
|
|
dieses Angebot anzunehmen, nicht seinen Mängelbeseitigungsanspruch verwirkt. Vielmehr war er berechtigt, dieses Angebot zurückzuweisen, weil es nur
|
|
einen sehr geringen Teil der vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellten
|
|
Mängel betraf (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2002 - VII ZR 479/00, BauR 2002,
|
|
1399, 1400 = NJW 2002, 3019 = ZfBR 2002, 676). Das Angebot der Klägerin
|
|
betraf Mängelbeseitigungskosten von 4.700 DM gegenüber den vom Sachverständigen geschätzten Kosten von 88.100 DM.
|
|
3. Der Beklagte ist berechtigt, die Zahlung von 123.791,94 € zu verweigern,
|
|
|
|
da
|
|
|
|
das
|
|
|
|
mindestens
|
|
|
|
Dreifache
|
|
|
|
der
|
|
|
|
Mängelbeseitigungskosten
|
|
|
|
(135.134,44 €) diesen Betrag übersteigt. Folglich ist die Forderung nicht fällig,
|
|
so daß der Beklagte weder Verzugszinsen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 1999
|
|
- VII ZR 180/98, BauR 1999, 1025 = NJW 1999, 2110 = ZfBR 1999, 313) noch
|
|
Rechtshängigkeitszinsen, vgl. § 291 Satz 1 BGB, schuldet.
|
|
|
|
III.
|
|
Danach kann das Berufungsurteil im von der Revision noch angefochtenen Umfang nicht bestehen bleiben. Es ist insoweit aufzuheben. Das Berufungsgericht wird, gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien,
|
|
|
|
-8-
|
|
|
|
Grund und Höhe des Leistungsverweigerungsrechts des Beklagten festzustellen haben.
|
|
Dressler
|
|
|
|
Thode
|
|
Hausmann
|
|
|
|
Haß
|
|
Kniffka
|
|
|
|
|