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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. TEILURTEIL
  4. VI ZR 284/00
  5. Verkündet am:
  6. 3. Juli 2001
  7. Böhringer-Mangold,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. ja
  15. SGB VII § 106 Abs. 3, 3. Alt.
  16. Die Haftungsprivilegierung bei vorübergehender betrieblicher Tätigkeit auf einer
  17. gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII gilt nicht zugunsten eines nicht selbst dort tätigen Unternehmers.
  18. BGH, Urteil vom 3. Juli 2001 - VI ZR 284/00 - OLG Brandenburg
  19. LG Frankfurt (Oder)
  20. -2-
  21. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  22. vom 3. Juli 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, die Richter
  23. Dr. Dressler, Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und den Richter Pauge
  24. für Recht erkannt:
  25. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats
  26. des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 5. Juli 2000 insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 22. September 1999
  27. hinsichtlich der Abweisung der Klageanträge zu 1 und 3 gegen
  28. den Beklagten zu 2 zurückgewiesen worden ist.
  29. Es wird ferner insoweit aufgehoben, als dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 und mehr als die Hälfte der
  30. Gerichtskosten und der eigenen außergerichtlichen Kosten auferlegt worden sind.
  31. In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung
  32. und Entscheidung, auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 sowie
  33. über die Hälfte der in der Revisionsinstanz bisher entstandenen
  34. Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers,
  35. an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  36. Von Rechts wegen
  37. -3-
  38. Tatbestand:
  39. Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz für Verletzungen, die er bei einem Unfall am 9. Mai 1997 erlitten
  40. hat. Der Beklagte zu 2 war mindestens bis Ende Dezember 1997 als Einzelunternehmer im Baugewerbe tätig. Ende 1997 gründete er die Beklagte zu 1 als
  41. eine Ein-Mann-GmbH, deren Geschäfte er alleine führte und die Anfang 1998
  42. ins Handelsregister eingetragen wurde. Im Frühjahr 1997 erbrachte er unter
  43. seiner Einzelfirma Bauleistungen auf einer Baustelle in F.. Die Schalungsarbeiten übertrug er in einem Nachunternehmervertrag auf die Firma B.-S.
  44. GmbH, bei der der Kläger als Zimmerer beschäftigt war.
  45. Am Unfalltag war der Kläger als Vorarbeiter auf der Baustelle in F. tätig.
  46. Dabei stürzte er durch einen Treppenhausschacht ins Kellergeschoß. Er erlitt
  47. erhebliche Verletzungen.
  48. Der Kläger hat behauptet, er habe versucht, einen Kranschuh einzuhängen, um Schalungselemente zum Montageort zu transportieren. Plötzlich habe
  49. der Kranführer ohne Grund das Kranseil hochgezogen. Dadurch seien die
  50. Schalungselemente gekippt und hätten ihn umgerissen.
  51. Der Kran wurde von einem Arbeiter des Beklagten zu 2 geführt. Der Beklagte zu 2 war zu diesem Zeitpunkt nicht auf der Baustelle anwesend.
  52. Der Kläger hat ein angemessenes Schmerzensgeld in der Größenordnung von 20.000 DM, Ersatz bezifferter materieller Schäden sowie die Feststellung begehrt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm
  53. sämtliche zukünftigen materiellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen.
  54. -4-
  55. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers
  56. hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein
  57. Begehren auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie seinen Feststellungsantrag
  58. weiter.
  59. Über das Vermögen der Beklagten zu 1 ist am 1. September 2000 - nach
  60. Einlegung der Revision - das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
  61. Entscheidungsgründe:
  62. I.
  63. Das Berufungsgericht hat die Haftung der Beklagten für die Gesundheitsschäden des Klägers verneint, da den Beklagten ein Haftungsprivileg
  64. nach § 106 Abs. 3 i.V. mit § 104 Abs. 1 SGB VII zugute komme. Der Kläger und
  65. der Kranführer des Beklagten zu 2 hätten als Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet. Der Beklagte zu 2 sei als Unternehmer und als Arbeitgeber
  66. des Kranfahrers nach Maßgabe des § 106 Abs. 3 i.V. mit § 104 Abs. 1 SGB VII
  67. von der Haftung für Gesundheitsschäden grundsätzlich befreit. Die Verweisung
  68. in § 106 Abs. 3 auch auf § 104 SGB VII, der ausschließlich die Beschränkung
  69. der Haftung des Unternehmers regle, sei sonst nicht verständlich. § 106 Abs. 3
  70. SGB VII privilegiere neben dem Versicherten, der einen anderen Versicherten
  71. schädige, hier also dem Kranfahrer, auch dessen Arbeitgeber als Unternehmer
  72. im Sinne des § 104 Abs. 1 SGB VII, also den Beklagten zu 2. Zwar seien
  73. -5-
  74. Wortlaut, Gesetzesentstehung sowie die Grundgedanken der Haftungsprivilegierung für eine solche Auslegung wenig ergiebig. Jedoch sei auf die Konsequenzen der beiden möglichen Auslegungen abzustellen. Wende man § 106
  75. SGB VII nur auf die Versicherten selbst an, liege eine tatsächliche Ungleichbehandlung vor, für die es keine ausreichende Begründung gebe. Dies habe
  76. nämlich zur Folge, daß jeder selbständige Kleinunternehmer auch bei seiner
  77. eigenen Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte nicht privilegiert wäre,
  78. während seinen Arbeitnehmern die Privilegierung zugute käme.
  79. II.
  80. 1. Soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 1 richtet, ist das Verfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen unterbrochen worden (§ 240 ZPO). Da die Beklagten keine notwendigen Streitgenossen sind, berührt die Unterbrechung das Verfahren gegen den Beklagten zu 2
  81. nicht. Über die gegen ihn gerichteten Revisionsanträge ist durch Teilurteil
  82. (§ 301 ZPO) zu entscheiden (vgl. BGHZ 63, 51; BGH, Teilurteil vom
  83. 23. Februar 1983 - IVa ZR 187/81 - Urteilsumdruck S. 7 unter I., insoweit nicht
  84. abgedruckt in NJW 1983, 1843; Urteil vom 1. April 1987 - VIII ZR 15/86 NJW 1987, 2367; Urteil vom 10. März 1988 - IX ZR 194/87 - NJW 1988, 2113
  85. unter II).
  86. 2. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 nicht stand. Der erkennende Senat
  87. vermag der Auffassung des Berufungsgerichts, daß nach § 106 Abs. 3 3. Alt.
  88. SGB VII auch eine mögliche Ersatzpflicht des nicht auf der Baustelle anwesen-
  89. -6-
  90. den Beklagten zu 2 für die vom Kläger beim Unfall erlittenen Verletzungen
  91. ausgeschlossen wäre, nicht zu folgen.
  92. a) Selbst wenn die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, daß die
  93. Baustelle, auf der sich der hier in Rede stehende Unfall zugetragen hat, für den
  94. Kläger und den Beklagten zu 2 eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne von
  95. § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII (zum Verständnis dieses Begriffes vgl. Senatsurteile vom 17. Oktober 2000 - VI ZR 67/00 - VersR 2001, 336 f.; vom 23. Januar
  96. 2001 - VI ZR 70/00 - VersR 2001, 372 f.) gewesen ist, ist der Beklagte zu 2 als
  97. Unternehmer nicht nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII von den gegen ihn gerichteten Ansprüchen wegen der Gesundheitsschäden des Klägers aus den
  98. §§ 823, 831, 847 BGB befreit. Die Haftungsprivilegierung greift grundsätzlich
  99. für die beteiligten Unternehmer nicht ein.
  100. aa) Bereits der klare Wortlaut des § 106 Abs. 3 SGB VII, wonach die
  101. §§ 104 und 105 SGB VII für die Ersatzpflicht der "für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander" gelten, bringt deutlich den gesetzgeberischen
  102. Willen zum Ausdruck, die Haftungsprivilegierung auf die "Tätigen" zu beschränken (so auch im Ergebnis OLG Karlsruhe, r+s 1999, 375; Kater in Kater/Leube, SGB VII, § 106 Rn. 14, 16; Lemcke, r+s 2000, 221, 223). Hätte auch
  103. die Haftung der Unternehmer wie in § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII beschränkt werden sollen (so ohne Begründung Stern-Krieger/Arnau, VersR 1997, 408, 410;
  104. OLG Saarbrücken, r+s 1999, 374 f.), wären die Worte “für die Ersatzpflicht der
  105. für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander” überflüssig gewesen
  106. (so auch Lemcke, r+s 1999, 376, 377). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung läßt der Wortlaut es nicht zu, unter diesem Begriff generell auch
  107. den Unternehmer mit der Begründung zu verstehen, daß dieser immer auch für
  108. das Unternehmen tätig sei (in diesem Sinne etwa Risthaus, VersR 2000, 1203).
  109. -7-
  110. Vielmehr ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, daß mit der Bezeichnung "der für die beteiligten Unternehmen Tätigen" in der 3. Alternative
  111. der Vorschrift Bezug genommen werden soll auf die Versicherten, die konkret
  112. vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte
  113. verrichten.
  114. bb) Ebenso wenig folgt aus der Verweisung auf die §§ 104 und
  115. 105 SGB VII, daß die Haftungsbefreiung auch den beteiligten Unternehmern
  116. zugute kommen soll (a.A. Geigel/Kolb, Der Haftpflichtprozeß, 23. A. 2001, Kap.
  117. 31 Rn. 84; Imbusch, VersR 2001, 547, 552 f.; Jahnke, NJW 2000, 265; ders.
  118. VersR 2000, 155; ders. r+s 1999, 353, 354; ders. SP 1999, 307; Risthaus,
  119. VersR 2000, 1203, 1204; Wussow, WJ 2000, 140; OLG Braunschweig, r+s
  120. 1999, 459; OLG Karlsruhe, r+s 1999, 373, 374 = NJW 2000, 295 ff.; OLG
  121. Stuttgart, r+s 2000, 22, 23; OLG Dresden NJW-RR 2001, 747 f.; LG Essen, r+s
  122. 2000, 241; LG Kassel, VersR 1999, 1552; LG Tübingen, MDR 2000, 956). Zu
  123. Recht sieht die Revision darin die Bezugnahme auf die in den §§ 104, 105
  124. SGB VII getroffenen Regelungen für Art und Umfang der Haftungsprivilegierung, so z.B. ihren Ausschluß bei Vorsatz und Wegeunfällen, ihre Erstreckung
  125. auf die Leibesfrucht und die Anrechnungsvorschrift des § 104 Abs. 3 SGB VII.
  126. Entgegen der Ansicht der Revision hätte es zwar der Verweisung auf § 104
  127. SGB VII nicht bedurft, weil sich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der
  128. Haftungsprivilegierung der für die beteiligten Unternehmen Tätigen bereits aus
  129. der Verweisung in § 105 Abs. 1 Satz 3 SGB VII ergeben. Dem kann aber für
  130. die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Haftungsprivilegierung keine
  131. entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß es sich um eine auch in anderen Vorschriften (z.B. § 106
  132. Abs. 4 SGB VII) anzutreffende pauschale Verweisung auf die Rechtsfolgen und
  133. Ausnahmen handelt, die in den Grundtatbeständen der §§ 104 und
  134. -8-
  135. 105 SGB VII geregelt sind, ohne daß genauer zwischen den verschiedenen
  136. Absätzen und Sätzen differenziert worden wäre.
  137. cc) Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift läßt nicht erkennen,
  138. daß deren Wortlaut auf einem bloßen Redaktionsversehen beruht. Zwar waren
  139. die ersten zwei Fälle des § 106 Abs. 3 SGB VII bereits in § 637 Abs. 2 und 3
  140. RVO enthalten und gehen offensichtlich hierauf zurück. Hiernach war aber in
  141. Verbindung mit § 636 RVO auch die Haftung der Unternehmen beschränkt. Der
  142. Gang der Gesetzgebung gibt keinen Hinweis darauf, daß dies geändert werden
  143. sollte. Ebensowenig findet sich aber eine Begründung für die weiteren neu aufgenommenen Beschränkungen in den Fällen des § 106 Abs. 3, 3. Fall SGB VII
  144. (vgl. BT-Drs. 13/2204 S. 100). Solche fehlenden Hinweise erlauben deshalb
  145. keinen Rückschluß darauf, eine im Wortlaut zum Ausdruck gekommene Änderung sei nur versehentlich erfolgt und habe keine inhaltliche Bedeutung.
  146. dd) Schließlich gebietet auch der Zweck der Norm keine über ihren
  147. Wortlaut hinausgehende Auslegung, nach der auch Ansprüche gegen den
  148. nicht auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätigen Unternehmer beschränkt
  149. sind. Im Gegenteil legt der Normzweck nahe, daß nur Ansprüche zwischen den
  150. tatsächlich zusammenwirkend Handelnden (vgl. zu den Voraussetzungen einer
  151. gemeinsamen
  152. Betriebsstätte
  153. Senatsurteile
  154. vom
  155. 17. Oktober
  156. 2000
  157. - VI ZR 67/00 - VersR 2001, 336 ff.; vom 23. Januar 2001 - VI ZR 70/00 VersR 2001, 372 f.) untereinander ausgeschlossen werden. Im vorliegenden
  158. Fall greifen die Erwägungen nicht, die für die gegenseitige Haftungsfreistellung
  159. der in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherten sprechen.
  160. (1) Ein Grund für die gegenseitige Freistellung ist das sogenannte Finanzierungsargument. Es bedeutet, daß der Unternehmer, der bereits die Beiträge zur Unfallversicherung seiner Beschäftigten zu zahlen hat, nicht noch
  161. -9-
  162. darüber hinaus haften soll. Eine solche Konstellation besteht nicht in den hier
  163. in Rede stehenden Fällen, in denen ein Versicherter, der mit für ein anderes
  164. Unternehmen Tätigen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte vorübergehend
  165. betriebliche Tätigkeiten verrichtet hat und dabei zu Schaden gekommen ist,
  166. den für ihn fremden Unternehmer auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. In
  167. diesen Fällen steht der Geschädigte, der eine betriebliche Tätigkeit für sein
  168. Stammunternehmen ausgeführt hat, bereits unter dem Unfallversicherungsschutz, der durch die Beiträge seines Arbeitgebers geschaffen worden ist. Die
  169. Beiträge des auf Schadensersatz in Anspruch genommenen fremden Unternehmers tragen zu diesem Schutz in der Regel nicht bei; sie dienen vielmehr
  170. der sozialen Absicherung der für sein Unternehmen Tätigen. Der Unternehmer
  171. erkauft sich mit den Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung seiner Beschäftigten nicht seine Haftungsprivilegierung für die Schäden, die bei versicherten Beschäftigten anderer Unternehmen auf der gemeinsamen Betriebsstätte entstehen (so aber OLG Dresden NJW-RR 2001, 747, 748). Zwar bekommt der Unfallversicherungsträger seine Beiträge von den beteiligten Unternehmen. Ihm stünde aber bei einer Haftungsprivilegierung eine Regreßmöglichkeit gegen den Unternehmer des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherer nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit gemäß § 110 SGB VII offen.
  172. Damit ginge eine Refinanzierungsmöglichkeit seiner Leistungen weitgehend
  173. verloren. Außerdem stellt der Verlust von Schmerzensgeldansprüchen bei
  174. schweren Arbeitsunfällen einen erheblichen Nachteil für den Geschädigten dar
  175. (vgl. hierzu BVerfGE 34, 118, 128 ff.). Er ist nicht schon deshalb gerechtfertigt,
  176. weil unter Umständen dadurch die Auseinandersetzung mit schwierigen Haftungsfragen vermieden wird und den Unternehmer die gesetzliche Unfallversicherungspflicht für seine Beschäftigten trifft. Der Unternehmer haftet dem frem-
  177. - 10 -
  178. den Beschäftigten für sein eigenes Verschulden. Dieses Risiko deckt aber die
  179. gesetzliche Unfallversicherung nicht ab.
  180. (2) Das weitere Argument, daß durch den Haftungsausschluß eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen Betriebsangehörigen untereinander
  181. oder auch zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber verhindert und
  182. damit der Betriebsfrieden gewahrt werden soll (vgl. BVerfGE 34, 118, 132),
  183. versagt für die vorliegende Fallkonstellation schon im Ansatz. Es geht nämlich
  184. nicht um Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen einen Arbeitskollegen oder gegen seinen eigenen Arbeitgeber, sondern gegen den für ihn
  185. fremden Unternehmer. Da auf einer gemeinsamen Betriebsstätte die Tätigen
  186. nur vorübergehend beschäftigt sind, rechtfertigt das Argument des Betriebsfriedens nicht die Beschränkung der Ansprüche des Geschädigten.
  187. (3) Auch der Gesichtspunkt der sogenannten Gefahrgemeinschaft, der
  188. im Grundsatz die Rechtfertigung für das Haftungsprivileg der auf der gemeinsamen Betriebsstätte Tätigen darstellt, vermag die generelle Privilegierung des
  189. Unternehmers nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII nicht zu rechtfertigen (vgl.
  190. Kater/Leube, SGB VII, vor §§ 104-113 Rdn. 4). Er bedeutet, daß dem, der als
  191. Schädiger von der Haftungsbeschränkung profitiert, als Geschädigtem zugemutet werden kann, die entsprechenden Nachteile hinzunehmen (BVerfGE 34,
  192. 118, 136). Dieser Gedanke kommt zwar in den typischen Fällen der vorübergehenden betrieblichen Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte in der
  193. vom Senat vorgenommenen Auslegung (vgl. Senatsurteile vom 17. Oktober
  194. 2000 und 23. Januar 2001 aaO) zum Tragen. Wie bei einer Tätigkeit in demselben Betrieb (§ 105 SGB VII) werden dabei häufiger Situationen entstehen,
  195. in denen die dort Tätigen zum Schädiger oder Geschädigten werden können.
  196. - 11 -
  197. Die Tätigen bilden deshalb eine Gefahrgemeinschaft. An dieser nimmt aber
  198. nicht teil, wer nicht auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätig ist.
  199. (4) Den Bedenken des Berufungsgerichts, es sei eine ungerechtfertigte
  200. Ungleichbehandlung, wenn der selbständige Kleinunternehmer bei seiner eigenen Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte hafte, die mit ihm tätigen
  201. Beschäftigten jedoch in ihrer Haftung privilegiert seien, ist durch Auslegung
  202. des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII Rechnung zu tragen. Aufgrund des Wortlautes dieser Norm ist es nicht ausgeschlossen, auch den Unternehmer in die
  203. Haftungsprivilegierung dann einzubeziehen, wenn er selbst auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätig war und hieraus dem Versicherten des anderen Unternehmers eine Schädigung erwachsen ist (zu einer solchen Konstellation vgl.
  204. Senatsurteil vom 3. Juli 2001 – VI ZR 198/00 - zur Veröffentlichung in BGHZ
  205. vorgesehen). Ein solcher Fall liegt hier jedoch gerade nicht vor.
  206. b) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im
  207. Ergebnis als zutreffend. Nach den bisher getroffenen Feststellungen läßt sich
  208. nicht abschließend beurteilen, in wessen Aufgabenbereich die konkrete Tätigkeit
  209. des
  210. Kranführers
  211. fiel.
  212. Bei
  213. den
  214. vom
  215. Berufungsgericht
  216. hierzu
  217. gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien – noch zu treffenden
  218. Feststellungen wird es die von der Revisionserwiderung aufgezeigten
  219. Bedenken gegen das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 823, 831 BGB zu
  220. berücksichtigen haben, falls der Kranführer nur im Aufgabenbereich der B.S. GmbH tätig geworden sein sollte (vgl. auch Lemcke, r+s 2000, 375 f.).
  221. Ebenso wird es zu beachten haben, daß ein Haftungsausschluß nach § 104
  222. Abs. 1 SGB VII in Betracht kommt, falls umgekehrt der Kläger nur im
  223. Aufgabenbereich des Beklagten zu 2 tätig geworden sein sollte. Lediglich in
  224. dem Fall, daß die den Unfall verursachende Tätigkeit in den Aufgabenbereich
  225. beider Unternehmen fiel – wozu bisher ausreichend präzise Feststellungen
  226. - 12 -
  227. her ausreichend präzise Feststellungen fehlen -, erweist sich die bisherige Annahme des Berufungsgerichts als zutreffend, es handele sich um vorübergehende betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte.
  228. - 13 -
  229. III.
  230. Nach allem war das Berufungsurteil im Umfang der jetzt gestellten Anträge aufzuheben und zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das
  231. Berufungsgericht zurückzuverweisen. Soweit die Kostenentscheidung vom
  232. Ausgang des Verfahrens gegen die Beklagte zu 1 abhängt, muß sie dem
  233. Schlußurteil des erkennenden Senats vorbehalten bleiben.
  234. Dr. Müller
  235. Dr. Dressler
  236. Diederichsen
  237. Dr. Greiner
  238. Pauge