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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 138/03
  5. Verkündet am:
  6. 16. März 2004
  7. Böhringer-Mangold,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. BGB § 249 Bb; ZPO § 287
  18. Besteht
  19. bei
  20. zwei
  21. voneinander
  22. unabhängigen
  23. Schadensfällen
  24. (hier:
  25. HWS-
  26. Verletzungen) der Beitrag des Erstunfalls zum endgültigen Schadensbild nur darin,
  27. daß eine anlagebedingte Neigung des Geschädigten zu psychischer Fehlverarbeitung geringfügig verstärkt wird, so reicht das nicht aus, um eine Haftung des
  28. Erstschädigers für die Folgen des Zweitunfalls zu begründen (Ergänzung zum Senatsurteil vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200).
  29. BGH, Urteil vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03 - OLG Bremen
  30. LG Bremen
  31. -2-
  32. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  33. vom 16. März 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
  34. Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll
  35. für Recht erkannt:
  36. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des
  37. Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 1. April 2003
  38. wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
  39. Von Rechts wegen
  40. Tatbestand:
  41. Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 1 als Haftpflichtversicherer und
  42. dem Beklagten zu 2 als Halter und Fahrer eines PKW Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 18. Februar 1990. Die volle Haftung der Beklagten für
  43. den vom Beklagten zu 2 verursachten Auffahrunfall steht außer Streit. Am
  44. 12. Juni 1992 wurde der Kläger in einen weiteren Verkehrsunfall verwickelt.
  45. Der Kläger behauptet, nachdem er bereits durch den Erstunfall ein HWSSchleudertrauma mit einer Veränderung der Halswirbelsäule und psychischen
  46. Folgeschäden erlitten habe, sei es durch den gleichartigen Zweitunfall zu einer
  47. Verschlimmerung seines dauerhaften Leidens gekommen mit der Folge, daß
  48. alle Beschwerden und Funktionsstörungen über das übliche Maß eines Cervi-
  49. -3-
  50. cal-Syndroms hinausgingen und in vollem Umfang dem Erstunfall anzulasten
  51. seien.
  52. Die Beklagte zu 1 hat vorprozessual Sachschäden des Klägers ausgeglichen und ein Schmerzensgeld von 2000 DM bezahlt. Mit seiner Klage hat der
  53. Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 6.000 DM sowie einen
  54. weiteren Verdienstausfallschaden für die Zeit vom Unfalltag bis einschließlich
  55. 1992 in Höhe von 112.600 DM und weiterer 238.000 DM für die Folgezeit bis
  56. 1998 geltend gemacht und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere Sachschäden beantragt. Das Landgericht hat nach Erlaß eines Teilanerkenntnisurteils, mit dem die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz materieller
  57. Schäden aus dem Erstunfall festgestellt wurde, dem Kläger ein weiteres
  58. Schmerzensgeld von 1000 DM zugebilligt und Ersatz von Erwerbsschaden von
  59. 5.000 DM für eine Ausfallzeit von ca. 6 Wochen nach dem Erstunfall zuerkannt.
  60. Mit seiner Berufung hat der Kläger den in erster Instanz geltend gemachten
  61. Schmerzensgeldanspruch (von mindestens 6.000 DM) weiter verfolgt sowie den
  62. Ersatz eines Verdienstausfallschadens in Höhe von monatlich 3.100 DM für die
  63. Zeit vom 1. April 1990 bis einschließlich 31. März 1991 und 1.550 DM monatlich
  64. für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis 14. Februar 1993 und vom 16. April 1993 bis
  65. 31. Dezember 1998 geltend gemacht. Außerdem hat er die Feststellung der
  66. Einstandspflicht der Beklagten für materielle Zukunftsschäden beantragt. Das
  67. Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers nur wegen weiterer 1000 €
  68. Schmerzensgeld für begründet erachtet. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein bisheriges Begehren mit Ausnahme des
  69. Feststellungsanspruchs weiter.
  70. -4-
  71. Entscheidungsgründe:
  72. I.
  73. Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung abgedruckt ist in RuS 2003, 477 (ebenso in OLGR Bremen 2003, 385), haben die
  74. Beklagten für die bis April 1991 eingetretenen Folgen des Erstunfalls einzustehen. Der Kläger habe bei dem Erstunfall eine leichte Beschleunigungsverletzung erlitten. Die organischen Beeinträchtigungen hätten zu einer ca. sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit geführt. Zudem sei der Kläger aufgrund einer unfallbedingten psychischen Störung in Form eines Schleudertrauma-Syndroms bis
  75. zur Wiederaufnahme seiner Berufstätigkeit am 1. April 1991 arbeitsunfähig gewesen, nicht aber darüber hinaus. Dies rechtfertige ein weiteres Schmerzensgeld von 1000 €. Ausreichende Tatsachen für die Bemessung eines Verdienstausfallschadens in diesem Zeitraum habe der Kläger nicht dargetan. Spätere nach dem Zweitunfall vom 12. Juni 1992 eingetretene Verletzungsfolgen
  76. seien den Beklagten nicht zuzurechnen. Der Sachverständige Prof. Dr. R. habe
  77. einerseits eine symptomfreie Abheilung der Folgen des Erstunfalls vor dem
  78. Zweitunfall angenommen, andererseits sei er von einer Restsymptomatik sowie
  79. davon ausgegangen, daß die Folgen des zweiten Unfalls den Kläger die alten
  80. Beschwerden in Form einer "Reinszenierung" in verstärkter Ausprägung erleben ließen. Bei seiner mündlichen Anhörung habe der Sachverständige dies
  81. dahin präzisiert, daß durch den Erstunfall die allgemein anlagebedingt vorhandene Vulnerabilität des Klägers in relativ geringem Umfang gesteigert und akzentuierter geworden sei und der Erstunfall, wenn auch nicht gleichwertig, das
  82. Verhalten des Klägers nach dem zweiten Schadensereignis geprägt habe, weil
  83. er auf das weitere Ereignis infolge des vorausgegangenen Geschehens und
  84. unter Umständen auch nach dem Schema der Reaktion im Anschluß an den
  85. ersten Unfall reagiert habe. Es seien also nicht die Beschwerdesymptomatik
  86. -5-
  87. und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen aus dem Erstunfall beim
  88. Zweitunfall noch vorhanden gewesen und durch das Schadensereignis verstärkt worden; erhöht worden sei vielmehr, wenn auch relativ geringfügig, die
  89. allgemeine Disposition zur Fehlverarbeitung eines HWS-Schleudertraumas.
  90. Eine solche lediglich in der Erhöhung der Vulnerabilität liegende Fortwirkung
  91. des Erstunfalls könne - so das Berufungsgericht - nicht mehr als Mitursache
  92. den psychischen Folgen eines weiteren Unfalls zugerechnet werden.
  93. II.
  94. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand
  95. 1. Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts,
  96. daß die Beklagten auch für die psychischen Folgeschäden der vom Kläger
  97. durch den Unfall vom 18. Februar 1990 primär erlittenen HWS-Verletzung
  98. grundsätzlich haftungsrechtlich einzustehen haben.
  99. a) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats erstreckt
  100. sich die Ersatzpflicht des für einen Körper- oder Gesundheitsschaden
  101. einstandspflichtigen Schädigers grundsätzlich auf psychisch bedingte Folgewirkungen des von ihm herbeigeführten haftungsbegründenden Ereignisses (siehe
  102. Senatsurteile BGHZ 132, 341, 343 ff.; vom 2. Oktober 1990 - VI ZR 353/89 VersR 1991, 432; vom 9. April 1991 - VI ZR 106/90 - VersR 1991, 704, 705;
  103. vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96 - VersR 1997,
  104. 752,
  105. 753;
  106. vom
  107. 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - VersR 1998, 200, 201 und vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - VersR 2000, 372, 373). Dies gilt auch für eine
  108. psychische Fehlverarbeitung als haftungsausfüllende Folgewirkung des Unfallgeschehens, wenn eine hinreichende Gewißheit besteht, daß diese Folge ohne
  109. -6-
  110. den Unfall nicht eingetreten wäre (vgl. Senatsurteile BGHZ 132, 341, 343 ff.;
  111. 137, 142, 145 m.w.N.; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96 – aaO und vom
  112. 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862).
  113. b) Vorliegend ist die Primärverletzung, als deren Folge die psychische
  114. Beeinträchtigung geltend gemacht wird, keine für die Begründung des haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhangs unzureichende Bagatelle. Eine Bagatelle im Sinne der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine vorübergehende, im Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als
  115. einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigung des Körpers
  116. oder des seelischen Wohlbefindens. Damit sind Beeinträchtigungen gemeint,
  117. die sowohl von der Intensität als auch der Art der Primärverletzung her nur ganz
  118. geringfügig sind und üblicherweise den Verletzten nicht nachhaltig beeindrukken, weil er schon aufgrund des Zusammenlebens mit anderen Menschen daran gewöhnt ist, vergleichbaren Störungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt zu
  119. sein (BGHZ 132, 341, 346; 137, 142, 146 f.; Senatsurteile vom 25. Februar
  120. 1997 - VI ZR 101/96 -; vom 11. November 1997 -VI ZR 146/96 - und vom
  121. 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - jeweils aaO). Das vom Kläger erlittene
  122. HWS-Schleudertrauma, das nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu
  123. einer sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit aufgrund der organischen Beeinträchtigungen führte, geht darüber hinaus. Solche Verletzungen sind für das Alltagsleben nicht typisch, sondern regelmäßig mit einem besonderen Schadensereignis verbunden.
  124. c) Auch eine - den haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang
  125. ausschließende - Renten- oder Begehrensneurose, bei der der Geschädigte
  126. den Unfall im neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich
  127. zum Anlaß nimmt, um den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen (vgl. BGHZ 132, 341, 346; 137, 142, 148 f.; Senats- urteile
  128. -7-
  129. vom
  130. 12. November
  131. - VI ZR 101/96 -;
  132. vom
  133. 1985
  134. - VI ZR 103/84 -;
  135. 11. November
  136. 1997
  137. vom
  138. 25. Februar
  139. - VI ZR 146/96 -
  140. und
  141. 1997
  142. vom
  143. 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - jeweils aaO), kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Betracht.
  144. d) Soweit es das Berufungsgericht gleichwohl ablehnt, auch die nach
  145. dem Zweitunfall aufgetretenen Verletzungsfolgen dem Erstunfall zuzurechnen,
  146. erweist sich dies auf Grundlage der getroffenen Feststellungen jedenfalls im
  147. Ergebnis als zutreffend.
  148. Der Senat hat bereits mehrfach zu der Frage Stellung genommen, wann
  149. bei zwei aufeinander folgenden Unfällen eine Haftung des Erstschädigers für
  150. den Zweitunfall in Betracht kommt. Danach können unter bestimmten Umständen dem Erstschädiger die Folgen eines späteren Unfalls zugerechnet werden,
  151. wenn der Erstunfall sich auf das endgültige Schadensbild in relevanter Weise
  152. ausgewirkt hat. Dies hat das Berufungsgericht verneint, ohne daß die Revision
  153. gegen die zugrundeliegenden Feststellungen Einwendungen erhoben hat. Die
  154. getroffenen Feststellungen tragen jedenfalls im Ergebnis die rechtliche Beurteilung. Zwar trifft es zu, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats
  155. die haftungsausfüllende Kausalität nicht schon dann entfällt, wenn ein weiteres
  156. Ereignis mitursächlich für den endgültigen Schaden geworden ist. Entscheidend
  157. ist vielmehr, ob die Verletzungsfolgen des Erstunfalls im Zeitpunkt des zweiten
  158. Unfalls bereits ausgeheilt waren und deshalb der zweite Unfall allein zu den
  159. nunmehr vorhandenen Schäden geführt hat oder ob sie noch nicht ausgeheilt
  160. waren (vgl. Senatsurteile vom 5. November 1996 - VI ZR 275/95 - VersR 1997,
  161. 122, 123; vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - VersR 1998, 200, 201; vom
  162. 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862; vom 20. November 2001
  163. - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht - was die Revision nicht angreift - aufgrund des Sachverständigengut-
  164. -8-
  165. achtens die Feststellung getroffen, daß nicht die Beschwerdesymptomatik und
  166. die daraus resultierenden Beeinträchtigungen aus dem ersten Unfall beim zweiten Unfallgeschehen noch vorhanden waren und durch das neue Schadensereignis verstärkt wurden, sondern lediglich die bereits vorhandene allgemeine
  167. Disposition zur Fehlverarbeitung eines HWS-Schleudertraumas relativ geringfügig erhöht worden ist. Der Erstunfall hat mithin nicht wie in dem der Senatsentscheidung vom 20. November 2001 – VI ZR 77/00 – (aaO) zugrunde liegenden Fall die Schadensanfälligkeit des Klägers erst geschaffen, sondern nur die
  168. allgemeine Anfälligkeit für neurotische Fehlentwicklungen verstärkt, für die der
  169. Schädiger grundsätzlich nicht einzustehen hat (vgl. BGHZ 137, 142, 148). Dies
  170. reicht – wie das Berufungsgericht unter den Umständen des Streitfalles zutreffend angenommen hat – nicht aus, um den erforderlichen haftungsrechtlichen
  171. Zurechnungszusammenhang zwischen dem Erstunfall und den Folgen des
  172. Zweitunfalls zu begründen. Ein derart geringfügiger Beitrag zum endgültigen
  173. Schadensbild kann es bei der für die Beurteilung des Zurechnungszusammenhangs gebotenen wertenden Betrachtungsweise nicht rechtfertigen, den
  174. Erstschädiger auch für die Folgen des Zweitunfalls haften zu lassen.
  175. 2. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Versagung weiteren Ersatzes eines Verdienstausfallschadens für die Zeit bis zum
  176. zweiten Unfall wendet. Das Berufungsgericht hat - entgegen der Auffassung der
  177. Revision - bei der Beurteilung der Darlegungslast des Klägers die durch §§ 287
  178. Abs. 1 ZPO, 252 Satz 2 BGB gewährten Erleichterungen nicht verkannt.
  179. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bedarf es bei selbständig
  180. Tätigen zur Beantwortung der Frage, ob diese einen Verdienstausfallschaden
  181. erlitten haben, der Prüfung, wie sich das von ihnen betriebene Unternehmen
  182. ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte (Senatsurteile vom 31. März
  183. 1992 - VI ZR 143/91 - VersR 1992, 973; vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92 -
  184. -9-
  185. VersR 1993, 1284, 1285; vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 268/95 - VersR
  186. 1997, 453, 454; vom 3. März 1998 - VI ZR 385/96 - VersR 1998, 772, 773; vom
  187. 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - NJW 2001, 1640, 1641).
  188. b) Das Berufungsgericht geht dabei im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon aus, daß sowohl § 287 ZPO als auch § 252 BGB für die Schadensberechnung die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen verlangen.
  189. aa) Für die Schadensschätzung nach diesen Vorschriften benötigt der
  190. Richter als Ausgangssituation greifbare Tatsachen, da sich nur anhand eines
  191. bestimmten Sachverhalts sagen läßt, wie sich die Dinge ohne das Schadensereignis weiterentwickelt hätten. Die Tatsachen, die seine Gewinnerwartung
  192. wahrscheinlich machen, muß der Kläger im einzelnen darlegen und beweisen.
  193. Die erleichterte Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB in Verbindung
  194. mit § 287 Abs. 1 ZPO läßt eine völlig abstrakte Berechnung eines Erwerbsschadens, auch in Form der Schätzung eines "Mindestschadens" nicht zu (vgl.
  195. Senatsurteile BGHZ 54, 45, 53 ff.; vom 22. Dezember 1987 - VI ZR 6/87 VersR 1988, 466, 467; vom 15. März 1988 - VI ZR 81/87 - VersR 1988, 837;
  196. vom 16. Oktober 1990 - VI ZR 275/89 - VersR 1991, 179; vom 6. Juli 1993
  197. - VI ZR 228/92 - aaO; vom 17. Januar 1995 - VI ZR 62/94 - VersR 1995, 422,
  198. 424; vom 24. Januar 1995 - VI ZR 354/93 - VersR 1995, 469, 470).
  199. bb) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht zu Recht die Angaben des Klägers zur Aufnahme einer Tätigkeit als Assekuranzmakler kurz vor
  200. dem Unfallgeschehen vom Februar 1990 als unzureichend zur Feststellung eines Verdienstausfallschadens angesehen. Der von der Revision als übergangen gerügte Vortrag erschöpft sich in der Mitteilung, der Kläger habe sich kurz
  201. vor dem Unfallereignis selbständig gemacht und seine selbständige Tätigkeit
  202. - 10 -
  203. sei im Aufbau begriffen gewesen. Dieses pauschale Vorbringen läßt eine Prognose nicht zu.
  204. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, daß auch nicht dargelegt sei, welches Einkommen der Kläger in den letzten Jahren vor dem Erstunfall erzielt habe, und keine Unterlagen über sein Einkommen aus einer Tätigkeit als Handelsvertreter in den Jahre 1985 bis 1989, welche als Schätzgrundlagen hätten dienen können, vorgelegt worden seien, stellt die Revision nicht
  205. durchgreifend in Frage, etwa indem sie Verfahrensfehler aufzeigt.
  206. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Vorbringen des Klägers, welches sich auf die Jahre 1976 bis 1979 beziehe, liege als Schätzungsgrundlage
  207. zu weit zurück, ist unter den Umständen des Streitfalles rechtlich ebenfalls nicht
  208. zu beanstanden. Ist der Erwerbsschaden eines selbständig Tätigen festzustellen, so wird es im Rahmen der §§ 252 BGB, 287 ZPO in der Regel erforderlich
  209. und angebracht sein, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen (vgl. die Senatsurteile vom
  210. 31. März
  211. 1992
  212. - VI ZR 143/91;
  213. vom 6. Juli
  214. 1993
  215. - VI ZR 228/92;
  216. vom
  217. 10. Dezember 1996 - VI ZR 268/95; vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - alle
  218. aaO). Allgemeine Regeln darüber, welcher Zeitraum vor dem Unfall als Grundlage der Prognose für die künftige (hypothetische) Geschäftsentwicklung heranzuziehen ist, lassen sich dabei nicht aufstellen. Es muß vielmehr dem Tatsachengericht im Rahmen des § 287 ZPO überlassen bleiben, den nach den
  219. jeweiligen Umständen des Falles erforderlichen Prüfungsrahmen zu bestimmen
  220. (Senat, Urteil vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - aaO). Die Revision zeigt
  221. keine Umstände auf, die es geboten erscheinen lassen, das Vorbringen des
  222. Klägers zu lange zurückliegenden Zeiträumen vor dem Schadensereignis zu
  223. berücksichtigen.
  224. - 11 -
  225. Der Vortrag zur erfolglosen Gründung einer GmbH im Jahre 1993 nach
  226. dem zweiten Unfall bietet keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Beurteilung
  227. einer hypothetischen Geschäftsentwicklung. In diesem Zusammenhang hilft der
  228. Revision auch nicht der Hinweis, der Kläger habe unter Beweisantritt vorgetragen, daß das übliche Geschäftsführergehalt für einen Versicherungsmakler
  229. mindestens 156.000 DM jährlich betragen habe und er vor dem Verkehrsunfall
  230. als Versicherungsmakler tätig gewesen sei. Rückschlüsse auf das Einkommen
  231. des Klägers als selbständiger Versicherungsmakler vor dem Unfall lassen sich
  232. aus dem Durchschnittsgehalt eines GmbH-Geschäftsführers bereits deshalb
  233. nicht ziehen, weil die Revision weder konkreten Sachvortrag des Klägers zu
  234. Einzelheiten der GmbH-Gründung noch dazu aufzeigt, daß die Verdienstmöglichkeiten vergleichbar waren. Selbst wenn man die Tätigkeit des Versicherungsmaklers derjenigen eines GmbH-Geschäftsführers im Hinblick auf die Erwerbsmöglichkeiten gleichstellen wollte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Unternehmer kann seinen Schaden nicht abstrakt in Höhe des Gehalts
  235. einer gleichwertigen Ersatzkraft geltend machen. Denn der zu ersetzende
  236. Schaden liegt nicht im Wegfall oder der Minderung der Arbeitskraft als solcher,
  237. sondern setzt voraus, daß sich der Ausfall oder die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sich im Erwerbsergebnis konkret ausgewirkt hat (vgl. z.B. Senatsurteile BGHZ 54, 45, 49 ff.; 90, 334, 336; vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91 und vom 17. Januar 1995 - VI ZR 62/94 - beide aaO).
  238. c) Schließlich begegnet es unter den Umständen des Streitfalles auch
  239. keinen rechtlichen Bedenken, daß das Berufungsgericht aus der Geschäftsentwicklung der Assekuranztätigkeit des Klägers nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ab April 1991 keine Anhaltspunkte für die Schätzung des zu erwartenden Gewinns aus der vor dem Unfall ausgeübten Tätigkeit als Versicherungsmakler entnommen hat.
  240. - 12 -
  241. aa) Nach der Rechtsprechung des Senats dürfen zwar im allgemeinen
  242. sowohl für die schwierige Darlegung der hypothetischen Entwicklung des Geschäftsbetriebs eines Selbständigen (Urteil vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91;
  243. vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92; vom 3. März 1998 - VI ZR 385/96 - und vom
  244. 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - alle aaO) als auch in den Fällen, in denen die
  245. berufliche Laufbahn des Geschädigten noch am Anfang war, bei der Schätzung
  246. des Verdienstausfalls keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden (Senatsurteile
  247. vom
  248. 6. Juli
  249. 1993
  250. - VI ZR 228/92 -
  251. aaO;
  252. vom
  253. 17. Februar
  254. 1998
  255. - VI ZR 342/96 - VersR 1998, 770, 772). Zur Feststellung der Grundlagen für
  256. die Prognose über die voraussichtliche Entwicklung der Erwerbstätigkeit des
  257. Geschädigten ohne das Unfallereignis ist deshalb grundsätzlich nicht nur auf
  258. den Zeitpunkt des Schadensereignisses abzustellen. Die Situation im Unfallzeitpunkt ist lediglich einer der Prognosefaktoren für die künftige Entwicklung.
  259. Bei der Prognose muß der Tatrichter als weitere Faktoren regelmäßig auch Erkenntnisse aufgrund von Entwicklungen einbeziehen, die sich erst nach dem
  260. Unfallereignis bis zur letzten mündlichen Verhandlung ergeben haben (Senat,
  261. Urteil vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 268/95 - aaO m.w.N.; Senat, Urteil vom
  262. 27. Oktober 1998 - VI ZR 322/97 - VersR 1999, 106, 107).
  263. bb) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht mißachtet, wenn es
  264. ausführt, die vom Kläger vorgelegte Gewinnermittlung für den Zeitraum vom
  265. 1. April 1991 bis zum 31. Dezember 1991 lasse nicht mit ausreichender Gewißheit darauf schließen, welcher Tätigkeit er vor dem Unfall tatsächlich nachgegangen sei und welches Einkommen er infolgedessen nach dem Unfall voraussichtlich gehabt hätte.
  266. Denn der Kläger hatte selbst behauptet, bereits in den Jahren vor dem
  267. Erstunfall einer Tätigkeit als Handelsvertreter und selbständiger Assekuranzmakler nachgegangen zu sein. Gleichwohl hat er - trotz einer entsprechenden
  268. - 13 -
  269. Auflage des Berufungsgerichts - keine Unterlagen über diese Tätigkeit eingereicht, die als ausreichende Schätzungsgrundlagen hätten dienen können. Unter diesen Umständen war es nicht rechtsfehlerhaft, daß sich das Berufungsgericht im Rahmen des § 287 ZPO keine Überzeugung darüber bilden konnte,
  270. daß die Verdienstmöglichkeiten nach dem 1. April 1991 mit denen des davorliegenden Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit vergleichbar waren.
  271. III.
  272. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  273. Müller
  274. Wellner
  275. Stöhr
  276. Diederichsen
  277. Zoll