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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 138/03
Verkündet am:
16. März 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 249 Bb; ZPO § 287
Besteht
bei
zwei
voneinander
unabhängigen
Schadensfällen
(hier:
HWS-
Verletzungen) der Beitrag des Erstunfalls zum endgültigen Schadensbild nur darin,
daß eine anlagebedingte Neigung des Geschädigten zu psychischer Fehlverarbeitung geringfügig verstärkt wird, so reicht das nicht aus, um eine Haftung des
Erstschädigers für die Folgen des Zweitunfalls zu begründen (Ergänzung zum Senatsurteil vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200).
BGH, Urteil vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03 - OLG Bremen
LG Bremen
-2-
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. März 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des
Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 1. April 2003
wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 1 als Haftpflichtversicherer und
dem Beklagten zu 2 als Halter und Fahrer eines PKW Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 18. Februar 1990. Die volle Haftung der Beklagten für
den vom Beklagten zu 2 verursachten Auffahrunfall steht außer Streit. Am
12. Juni 1992 wurde der Kläger in einen weiteren Verkehrsunfall verwickelt.
Der Kläger behauptet, nachdem er bereits durch den Erstunfall ein HWSSchleudertrauma mit einer Veränderung der Halswirbelsäule und psychischen
Folgeschäden erlitten habe, sei es durch den gleichartigen Zweitunfall zu einer
Verschlimmerung seines dauerhaften Leidens gekommen mit der Folge, daß
alle Beschwerden und Funktionsstörungen über das übliche Maß eines Cervi-
-3-
cal-Syndroms hinausgingen und in vollem Umfang dem Erstunfall anzulasten
seien.
Die Beklagte zu 1 hat vorprozessual Sachschäden des Klägers ausgeglichen und ein Schmerzensgeld von 2000 DM bezahlt. Mit seiner Klage hat der
Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 6.000 DM sowie einen
weiteren Verdienstausfallschaden für die Zeit vom Unfalltag bis einschließlich
1992 in Höhe von 112.600 DM und weiterer 238.000 DM für die Folgezeit bis
1998 geltend gemacht und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere Sachschäden beantragt. Das Landgericht hat nach Erlaß eines Teilanerkenntnisurteils, mit dem die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz materieller
Schäden aus dem Erstunfall festgestellt wurde, dem Kläger ein weiteres
Schmerzensgeld von 1000 DM zugebilligt und Ersatz von Erwerbsschaden von
5.000 DM für eine Ausfallzeit von ca. 6 Wochen nach dem Erstunfall zuerkannt.
Mit seiner Berufung hat der Kläger den in erster Instanz geltend gemachten
Schmerzensgeldanspruch (von mindestens 6.000 DM) weiter verfolgt sowie den
Ersatz eines Verdienstausfallschadens in Höhe von monatlich 3.100 DM für die
Zeit vom 1. April 1990 bis einschließlich 31. März 1991 und 1.550 DM monatlich
für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis 14. Februar 1993 und vom 16. April 1993 bis
31. Dezember 1998 geltend gemacht. Außerdem hat er die Feststellung der
Einstandspflicht der Beklagten für materielle Zukunftsschäden beantragt. Das
Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers nur wegen weiterer 1000 €
Schmerzensgeld für begründet erachtet. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein bisheriges Begehren mit Ausnahme des
Feststellungsanspruchs weiter.
-4-
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung abgedruckt ist in RuS 2003, 477 (ebenso in OLGR Bremen 2003, 385), haben die
Beklagten für die bis April 1991 eingetretenen Folgen des Erstunfalls einzustehen. Der Kläger habe bei dem Erstunfall eine leichte Beschleunigungsverletzung erlitten. Die organischen Beeinträchtigungen hätten zu einer ca. sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit geführt. Zudem sei der Kläger aufgrund einer unfallbedingten psychischen Störung in Form eines Schleudertrauma-Syndroms bis
zur Wiederaufnahme seiner Berufstätigkeit am 1. April 1991 arbeitsunfähig gewesen, nicht aber darüber hinaus. Dies rechtfertige ein weiteres Schmerzensgeld von 1000 €. Ausreichende Tatsachen für die Bemessung eines Verdienstausfallschadens in diesem Zeitraum habe der Kläger nicht dargetan. Spätere nach dem Zweitunfall vom 12. Juni 1992 eingetretene Verletzungsfolgen
seien den Beklagten nicht zuzurechnen. Der Sachverständige Prof. Dr. R. habe
einerseits eine symptomfreie Abheilung der Folgen des Erstunfalls vor dem
Zweitunfall angenommen, andererseits sei er von einer Restsymptomatik sowie
davon ausgegangen, daß die Folgen des zweiten Unfalls den Kläger die alten
Beschwerden in Form einer "Reinszenierung" in verstärkter Ausprägung erleben ließen. Bei seiner mündlichen Anhörung habe der Sachverständige dies
dahin präzisiert, daß durch den Erstunfall die allgemein anlagebedingt vorhandene Vulnerabilität des Klägers in relativ geringem Umfang gesteigert und akzentuierter geworden sei und der Erstunfall, wenn auch nicht gleichwertig, das
Verhalten des Klägers nach dem zweiten Schadensereignis geprägt habe, weil
er auf das weitere Ereignis infolge des vorausgegangenen Geschehens und
unter Umständen auch nach dem Schema der Reaktion im Anschluß an den
ersten Unfall reagiert habe. Es seien also nicht die Beschwerdesymptomatik
-5-
und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen aus dem Erstunfall beim
Zweitunfall noch vorhanden gewesen und durch das Schadensereignis verstärkt worden; erhöht worden sei vielmehr, wenn auch relativ geringfügig, die
allgemeine Disposition zur Fehlverarbeitung eines HWS-Schleudertraumas.
Eine solche lediglich in der Erhöhung der Vulnerabilität liegende Fortwirkung
des Erstunfalls könne - so das Berufungsgericht - nicht mehr als Mitursache
den psychischen Folgen eines weiteren Unfalls zugerechnet werden.
II.
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand
1. Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts,
daß die Beklagten auch für die psychischen Folgeschäden der vom Kläger
durch den Unfall vom 18. Februar 1990 primär erlittenen HWS-Verletzung
grundsätzlich haftungsrechtlich einzustehen haben.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats erstreckt
sich die Ersatzpflicht des für einen Körper- oder Gesundheitsschaden
einstandspflichtigen Schädigers grundsätzlich auf psychisch bedingte Folgewirkungen des von ihm herbeigeführten haftungsbegründenden Ereignisses (siehe
Senatsurteile BGHZ 132, 341, 343 ff.; vom 2. Oktober 1990 - VI ZR 353/89 VersR 1991, 432; vom 9. April 1991 - VI ZR 106/90 - VersR 1991, 704, 705;
vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96 - VersR 1997,
752,
753;
vom
11. November 1997 - VI ZR 146/96 - VersR 1998, 200, 201 und vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - VersR 2000, 372, 373). Dies gilt auch für eine
psychische Fehlverarbeitung als haftungsausfüllende Folgewirkung des Unfallgeschehens, wenn eine hinreichende Gewißheit besteht, daß diese Folge ohne
-6-
den Unfall nicht eingetreten wäre (vgl. Senatsurteile BGHZ 132, 341, 343 ff.;
137, 142, 145 m.w.N.; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96 – aaO und vom
26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862).
b) Vorliegend ist die Primärverletzung, als deren Folge die psychische
Beeinträchtigung geltend gemacht wird, keine für die Begründung des haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhangs unzureichende Bagatelle. Eine Bagatelle im Sinne der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine vorübergehende, im Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als
einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigung des Körpers
oder des seelischen Wohlbefindens. Damit sind Beeinträchtigungen gemeint,
die sowohl von der Intensität als auch der Art der Primärverletzung her nur ganz
geringfügig sind und üblicherweise den Verletzten nicht nachhaltig beeindrukken, weil er schon aufgrund des Zusammenlebens mit anderen Menschen daran gewöhnt ist, vergleichbaren Störungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt zu
sein (BGHZ 132, 341, 346; 137, 142, 146 f.; Senatsurteile vom 25. Februar
1997 - VI ZR 101/96 -; vom 11. November 1997 -VI ZR 146/96 - und vom
16. November 1999 - VI ZR 257/98 - jeweils aaO). Das vom Kläger erlittene
HWS-Schleudertrauma, das nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu
einer sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit aufgrund der organischen Beeinträchtigungen führte, geht darüber hinaus. Solche Verletzungen sind für das Alltagsleben nicht typisch, sondern regelmäßig mit einem besonderen Schadensereignis verbunden.
c) Auch eine - den haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang
ausschließende - Renten- oder Begehrensneurose, bei der der Geschädigte
den Unfall im neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich
zum Anlaß nimmt, um den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen (vgl. BGHZ 132, 341, 346; 137, 142, 148 f.; Senats- urteile
-7-
vom
12. November
- VI ZR 101/96 -;
vom
1985
- VI ZR 103/84 -;
11. November
1997
vom
25. Februar
- VI ZR 146/96 -
und
1997
vom
16. November 1999 - VI ZR 257/98 - jeweils aaO), kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Betracht.
d) Soweit es das Berufungsgericht gleichwohl ablehnt, auch die nach
dem Zweitunfall aufgetretenen Verletzungsfolgen dem Erstunfall zuzurechnen,
erweist sich dies auf Grundlage der getroffenen Feststellungen jedenfalls im
Ergebnis als zutreffend.
Der Senat hat bereits mehrfach zu der Frage Stellung genommen, wann
bei zwei aufeinander folgenden Unfällen eine Haftung des Erstschädigers für
den Zweitunfall in Betracht kommt. Danach können unter bestimmten Umständen dem Erstschädiger die Folgen eines späteren Unfalls zugerechnet werden,
wenn der Erstunfall sich auf das endgültige Schadensbild in relevanter Weise
ausgewirkt hat. Dies hat das Berufungsgericht verneint, ohne daß die Revision
gegen die zugrundeliegenden Feststellungen Einwendungen erhoben hat. Die
getroffenen Feststellungen tragen jedenfalls im Ergebnis die rechtliche Beurteilung. Zwar trifft es zu, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats
die haftungsausfüllende Kausalität nicht schon dann entfällt, wenn ein weiteres
Ereignis mitursächlich für den endgültigen Schaden geworden ist. Entscheidend
ist vielmehr, ob die Verletzungsfolgen des Erstunfalls im Zeitpunkt des zweiten
Unfalls bereits ausgeheilt waren und deshalb der zweite Unfall allein zu den
nunmehr vorhandenen Schäden geführt hat oder ob sie noch nicht ausgeheilt
waren (vgl. Senatsurteile vom 5. November 1996 - VI ZR 275/95 - VersR 1997,
122, 123; vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - VersR 1998, 200, 201; vom
26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862; vom 20. November 2001
- VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht - was die Revision nicht angreift - aufgrund des Sachverständigengut-
-8-
achtens die Feststellung getroffen, daß nicht die Beschwerdesymptomatik und
die daraus resultierenden Beeinträchtigungen aus dem ersten Unfall beim zweiten Unfallgeschehen noch vorhanden waren und durch das neue Schadensereignis verstärkt wurden, sondern lediglich die bereits vorhandene allgemeine
Disposition zur Fehlverarbeitung eines HWS-Schleudertraumas relativ geringfügig erhöht worden ist. Der Erstunfall hat mithin nicht wie in dem der Senatsentscheidung vom 20. November 2001 – VI ZR 77/00 – (aaO) zugrunde liegenden Fall die Schadensanfälligkeit des Klägers erst geschaffen, sondern nur die
allgemeine Anfälligkeit für neurotische Fehlentwicklungen verstärkt, für die der
Schädiger grundsätzlich nicht einzustehen hat (vgl. BGHZ 137, 142, 148). Dies
reicht – wie das Berufungsgericht unter den Umständen des Streitfalles zutreffend angenommen hat – nicht aus, um den erforderlichen haftungsrechtlichen
Zurechnungszusammenhang zwischen dem Erstunfall und den Folgen des
Zweitunfalls zu begründen. Ein derart geringfügiger Beitrag zum endgültigen
Schadensbild kann es bei der für die Beurteilung des Zurechnungszusammenhangs gebotenen wertenden Betrachtungsweise nicht rechtfertigen, den
Erstschädiger auch für die Folgen des Zweitunfalls haften zu lassen.
2. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Versagung weiteren Ersatzes eines Verdienstausfallschadens für die Zeit bis zum
zweiten Unfall wendet. Das Berufungsgericht hat - entgegen der Auffassung der
Revision - bei der Beurteilung der Darlegungslast des Klägers die durch §§ 287
Abs. 1 ZPO, 252 Satz 2 BGB gewährten Erleichterungen nicht verkannt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bedarf es bei selbständig
Tätigen zur Beantwortung der Frage, ob diese einen Verdienstausfallschaden
erlitten haben, der Prüfung, wie sich das von ihnen betriebene Unternehmen
ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte (Senatsurteile vom 31. März
1992 - VI ZR 143/91 - VersR 1992, 973; vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92 -
-9-
VersR 1993, 1284, 1285; vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 268/95 - VersR
1997, 453, 454; vom 3. März 1998 - VI ZR 385/96 - VersR 1998, 772, 773; vom
6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - NJW 2001, 1640, 1641).
b) Das Berufungsgericht geht dabei im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon aus, daß sowohl § 287 ZPO als auch § 252 BGB für die Schadensberechnung die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen verlangen.
aa) Für die Schadensschätzung nach diesen Vorschriften benötigt der
Richter als Ausgangssituation greifbare Tatsachen, da sich nur anhand eines
bestimmten Sachverhalts sagen läßt, wie sich die Dinge ohne das Schadensereignis weiterentwickelt hätten. Die Tatsachen, die seine Gewinnerwartung
wahrscheinlich machen, muß der Kläger im einzelnen darlegen und beweisen.
Die erleichterte Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB in Verbindung
mit § 287 Abs. 1 ZPO läßt eine völlig abstrakte Berechnung eines Erwerbsschadens, auch in Form der Schätzung eines "Mindestschadens" nicht zu (vgl.
Senatsurteile BGHZ 54, 45, 53 ff.; vom 22. Dezember 1987 - VI ZR 6/87 VersR 1988, 466, 467; vom 15. März 1988 - VI ZR 81/87 - VersR 1988, 837;
vom 16. Oktober 1990 - VI ZR 275/89 - VersR 1991, 179; vom 6. Juli 1993
- VI ZR 228/92 - aaO; vom 17. Januar 1995 - VI ZR 62/94 - VersR 1995, 422,
424; vom 24. Januar 1995 - VI ZR 354/93 - VersR 1995, 469, 470).
bb) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht zu Recht die Angaben des Klägers zur Aufnahme einer Tätigkeit als Assekuranzmakler kurz vor
dem Unfallgeschehen vom Februar 1990 als unzureichend zur Feststellung eines Verdienstausfallschadens angesehen. Der von der Revision als übergangen gerügte Vortrag erschöpft sich in der Mitteilung, der Kläger habe sich kurz
vor dem Unfallereignis selbständig gemacht und seine selbständige Tätigkeit
- 10 -
sei im Aufbau begriffen gewesen. Dieses pauschale Vorbringen läßt eine Prognose nicht zu.
Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, daß auch nicht dargelegt sei, welches Einkommen der Kläger in den letzten Jahren vor dem Erstunfall erzielt habe, und keine Unterlagen über sein Einkommen aus einer Tätigkeit als Handelsvertreter in den Jahre 1985 bis 1989, welche als Schätzgrundlagen hätten dienen können, vorgelegt worden seien, stellt die Revision nicht
durchgreifend in Frage, etwa indem sie Verfahrensfehler aufzeigt.
Die Annahme des Berufungsgerichts, das Vorbringen des Klägers, welches sich auf die Jahre 1976 bis 1979 beziehe, liege als Schätzungsgrundlage
zu weit zurück, ist unter den Umständen des Streitfalles rechtlich ebenfalls nicht
zu beanstanden. Ist der Erwerbsschaden eines selbständig Tätigen festzustellen, so wird es im Rahmen der §§ 252 BGB, 287 ZPO in der Regel erforderlich
und angebracht sein, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen (vgl. die Senatsurteile vom
31. März
1992
- VI ZR 143/91;
vom 6. Juli
1993
- VI ZR 228/92;
vom
10. Dezember 1996 - VI ZR 268/95; vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - alle
aaO). Allgemeine Regeln darüber, welcher Zeitraum vor dem Unfall als Grundlage der Prognose für die künftige (hypothetische) Geschäftsentwicklung heranzuziehen ist, lassen sich dabei nicht aufstellen. Es muß vielmehr dem Tatsachengericht im Rahmen des § 287 ZPO überlassen bleiben, den nach den
jeweiligen Umständen des Falles erforderlichen Prüfungsrahmen zu bestimmen
(Senat, Urteil vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - aaO). Die Revision zeigt
keine Umstände auf, die es geboten erscheinen lassen, das Vorbringen des
Klägers zu lange zurückliegenden Zeiträumen vor dem Schadensereignis zu
berücksichtigen.
- 11 -
Der Vortrag zur erfolglosen Gründung einer GmbH im Jahre 1993 nach
dem zweiten Unfall bietet keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Beurteilung
einer hypothetischen Geschäftsentwicklung. In diesem Zusammenhang hilft der
Revision auch nicht der Hinweis, der Kläger habe unter Beweisantritt vorgetragen, daß das übliche Geschäftsführergehalt für einen Versicherungsmakler
mindestens 156.000 DM jährlich betragen habe und er vor dem Verkehrsunfall
als Versicherungsmakler tätig gewesen sei. Rückschlüsse auf das Einkommen
des Klägers als selbständiger Versicherungsmakler vor dem Unfall lassen sich
aus dem Durchschnittsgehalt eines GmbH-Geschäftsführers bereits deshalb
nicht ziehen, weil die Revision weder konkreten Sachvortrag des Klägers zu
Einzelheiten der GmbH-Gründung noch dazu aufzeigt, daß die Verdienstmöglichkeiten vergleichbar waren. Selbst wenn man die Tätigkeit des Versicherungsmaklers derjenigen eines GmbH-Geschäftsführers im Hinblick auf die Erwerbsmöglichkeiten gleichstellen wollte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Unternehmer kann seinen Schaden nicht abstrakt in Höhe des Gehalts
einer gleichwertigen Ersatzkraft geltend machen. Denn der zu ersetzende
Schaden liegt nicht im Wegfall oder der Minderung der Arbeitskraft als solcher,
sondern setzt voraus, daß sich der Ausfall oder die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sich im Erwerbsergebnis konkret ausgewirkt hat (vgl. z.B. Senatsurteile BGHZ 54, 45, 49 ff.; 90, 334, 336; vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91 und vom 17. Januar 1995 - VI ZR 62/94 - beide aaO).
c) Schließlich begegnet es unter den Umständen des Streitfalles auch
keinen rechtlichen Bedenken, daß das Berufungsgericht aus der Geschäftsentwicklung der Assekuranztätigkeit des Klägers nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ab April 1991 keine Anhaltspunkte für die Schätzung des zu erwartenden Gewinns aus der vor dem Unfall ausgeübten Tätigkeit als Versicherungsmakler entnommen hat.
- 12 -
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats dürfen zwar im allgemeinen
sowohl für die schwierige Darlegung der hypothetischen Entwicklung des Geschäftsbetriebs eines Selbständigen (Urteil vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91;
vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92; vom 3. März 1998 - VI ZR 385/96 - und vom
6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - alle aaO) als auch in den Fällen, in denen die
berufliche Laufbahn des Geschädigten noch am Anfang war, bei der Schätzung
des Verdienstausfalls keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden (Senatsurteile
vom
6. Juli
1993
- VI ZR 228/92 -
aaO;
vom
17. Februar
1998
- VI ZR 342/96 - VersR 1998, 770, 772). Zur Feststellung der Grundlagen für
die Prognose über die voraussichtliche Entwicklung der Erwerbstätigkeit des
Geschädigten ohne das Unfallereignis ist deshalb grundsätzlich nicht nur auf
den Zeitpunkt des Schadensereignisses abzustellen. Die Situation im Unfallzeitpunkt ist lediglich einer der Prognosefaktoren für die künftige Entwicklung.
Bei der Prognose muß der Tatrichter als weitere Faktoren regelmäßig auch Erkenntnisse aufgrund von Entwicklungen einbeziehen, die sich erst nach dem
Unfallereignis bis zur letzten mündlichen Verhandlung ergeben haben (Senat,
Urteil vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 268/95 - aaO m.w.N.; Senat, Urteil vom
27. Oktober 1998 - VI ZR 322/97 - VersR 1999, 106, 107).
bb) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht mißachtet, wenn es
ausführt, die vom Kläger vorgelegte Gewinnermittlung für den Zeitraum vom
1. April 1991 bis zum 31. Dezember 1991 lasse nicht mit ausreichender Gewißheit darauf schließen, welcher Tätigkeit er vor dem Unfall tatsächlich nachgegangen sei und welches Einkommen er infolgedessen nach dem Unfall voraussichtlich gehabt hätte.
Denn der Kläger hatte selbst behauptet, bereits in den Jahren vor dem
Erstunfall einer Tätigkeit als Handelsvertreter und selbständiger Assekuranzmakler nachgegangen zu sein. Gleichwohl hat er - trotz einer entsprechenden
- 13 -
Auflage des Berufungsgerichts - keine Unterlagen über diese Tätigkeit eingereicht, die als ausreichende Schätzungsgrundlagen hätten dienen können. Unter diesen Umständen war es nicht rechtsfehlerhaft, daß sich das Berufungsgericht im Rahmen des § 287 ZPO keine Überzeugung darüber bilden konnte,
daß die Verdienstmöglichkeiten nach dem 1. April 1991 mit denen des davorliegenden Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit vergleichbar waren.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller
Wellner
Stöhr
Diederichsen
Zoll