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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZB 43/07
  4. vom
  5. 22. Oktober 2009
  6. in dem Insolvenzverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. InsO § 298 Abs. 1
  14. Wegen Nichtzulassung der Mindestvergütung des Treuhänders kann die Restschuldbefreiung dem Schuldner nicht versagt werden, wenn der Treuhänder in seiner
  15. Zahlungsaufforderung auf die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung
  16. nicht hingewiesen hat.
  17. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - IX ZB 43/07 - LG Hannover
  18. AG Hannover
  19. -2-
  20. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  21. Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann und
  22. den Richter Dr. Fischer
  23. am 22. Oktober 2009
  24. beschlossen:
  25. Dem Schuldner wird für die Durchführung der Rechtsbeschwerde
  26. Prozesskostenhilfe gewährt und Rechtsanwalt Dr. S.
  27. beige-
  28. ordnet.
  29. Der Schuldner hat auf die Verfahrenskosten monatlich 75 € an die
  30. Bundeskasse zu entrichten.
  31. Auf die Rechtsmittel des Schuldners werden der Beschluss der
  32. 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 7. Februar 2007
  33. und der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 14. Dezember
  34. 2006 aufgehoben. Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
  35. Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird
  36. auf 5.000 € festgesetzt.
  37. - 3 -
  38. Gründe:
  39. I.
  40. 1
  41. Am 4. Juni 2003 wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren über das
  42. Vermögen des Schuldners eröffnet. Mit Beschluss vom 6. April 2004 hob das
  43. Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf. Mit gesondertem Beschluss vom
  44. selben Tag wurde die Restschuldbefreiung angekündigt und der bisherige
  45. Treuhänder auch zum Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren bestellt.
  46. Mit Beschluss vom 21. Juli 2005 wurde der bisherige Treuhänder entlassen und
  47. der weitere Beteiligte (fortan: Treuhänder) zum neuen Treuhänder bestellt. Mit
  48. Schreiben vom 14. Juni 2006 forderte der Treuhänder den Schuldner auf, neben der offenen Vergütung für die vorausgegangene Zeit auch die Treuhändervergütung für das dritte Jahr der Wohlverhaltensperiode in Höhe von 251,34 €
  49. zu entrichten. Dieses Schreiben kam mit dem Vermerk: "Empfänger unter der
  50. angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" an den Treuhänder zurück. Unter
  51. dem 30. Juni 2006 beantragte der Treuhänder beim Insolvenzgericht, dem
  52. Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Das Insolvenzgericht ermittelte eine neue Anschrift des Schuldners und forderte ihn - unter Beifügung des
  53. Antrags des Treuhänders auf Versagung der Restschuldbefreiung - mit Schreiben vom 24. Oktober 2006 auf, die ausstehende Vergütung binnen zwei Wochen nach Zugang des Schreibens zu zahlen. In diesem Schreiben wurde der
  54. Schuldner zusätzlich darauf hingewiesen, dass im Falle eines fruchtlosen Fristablaufs das Gericht dem Antrag stattgeben und die Restschuldbefreiung versagen werde. Mit Schreiben vom 23. November 2006 forderte der Treuhänder
  55. "letztmalig" den Schuldner zur Zahlung auf und setzte hierfür eine Frist zum
  56. 15. Dezember 2006.
  57. - 4 -
  58. 2
  59. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2006 hat das Insolvenzgericht dem
  60. Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Die hiergegen gerichtete sofortige
  61. Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der
  62. Schuldner sein Begehren, den Antrag des weiteren Beteiligten auf Versagung
  63. der Restschuldbefreiung abzuweisen, weiter.
  64. II.
  65. 3
  66. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 298 Abs. 3, § 296 Abs. 3 Satz 1, §§ 6,
  67. 7 InsO, § 574 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur
  68. Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und zur Abweisung des Versagungsantrags.
  69. 4
  70. 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der Schuldner habe den rückständigen Betrag nicht innerhalb der gerichtlichen Zahlungsfrist an den Treuhänder abgeführt. Der Umstand, dass die jeweiligen Treuhänder den Schuldner
  71. nicht auf die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung hingewiesen
  72. hätten, sei unbeachtlich, weil der Schuldner spätestens mit Schreiben des Insolvenzgerichts über einen entsprechenden Antrag des Treuhänders zur Versagung der Restschuldbefreiung unterrichtet und ihm mitgeteilt worden sei,
  73. dass im Falle eines fruchtlosen Fristablaufs das Gericht dem Versagungsantrag
  74. stattgeben und die Restschuldbefreiung versagen werde.
  75. 5
  76. 2. Diese Ausführungen halten einen rechtlichen Überprüfung nicht stand.
  77. 6
  78. a) Eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 298 Abs. 1 InsO
  79. kommt nur dann in Betracht, wenn der Treuhänder den Schuldner zur Zahlung
  80. - 5 -
  81. des ausstehenden Vergütungsbetrages schriftlich aufgefordert und hierzu eine
  82. Frist bestimmt hat. Die Aufforderung des Treuhänders hat zudem zwingend auf
  83. die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung als Rechtsfolge bei
  84. Ausbleiben der Zahlung bis zum Fristende hinzuweisen (MünchKomm-InsO/
  85. Ehricke, 2. Aufl. § 298 Rn. 16; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl. § 298 Rn. 4; Nerlich/Römermann, InsO § 298 Rn. 16; HmbKomm-InsO/Streck, 3. Aufl. § 298
  86. Rn. 4; FK-InsO/Grote, 5. Aufl. § 298 Rn. 11; Graf-Schlicker/Kexel, InsO, § 298
  87. Rn. 3).
  88. 7
  89. b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann der nach § 298
  90. Abs. 1 Satz 1 InsO erforderliche Hinweis des Treuhänders auf die Möglichkeit
  91. der Versagung der Restschuldbefreiung nicht durch einen späteren gerichtlichen Hinweis im Versagungsverfahren ersetzt werden. Der im Aufforderungsschreiben aufzunehmende Hinweis des Treuhänders auf die Sanktion der Versagung der Restschuldbefreiung ist ein zwingendes Formerfordernis (Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Aufl. § 298 Rn. 8), das der Treuhänder als Antragsvoraussetzung im Versagungsverfahren nachzuweisen hat (MünchKommInsO/Ehricke, aaO Rn. 18; Nerlich/Römermann aaO; FK-InsO/Grote aaO).
  92. Fehlt, wie vorliegend gegeben, das in Rede stehende Antragserfordernis, erweist sich der Versagungsantrag als unzulässig und ist vom Insolvenzgericht
  93. zurückzuweisen (MünchKomm-InsO/Ehricke, aaO; Uhlenbruck/Vallender, InsO
  94. aaO; Smid/Haarmeyer, InsO 2. Aufl. § 298 Rn. 5).
  95. 8
  96. 3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist
  97. aufzuheben (§ 577 Abs. 4 ZPO). Da der Beschluss des Beschwerdegerichts
  98. ebenso wie derjenige des Insolvenzgerichts nur wegen Rechtsverletzung bei
  99. Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach
  100. letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine eigene
  101. - 6 -
  102. Sachentscheidung zu treffen (§ 577 Abs. 5 ZPO). Der Versagungsantrag des
  103. Treuhänders ist abzuweisen.
  104. Ganter
  105. Gehrlein
  106. Lohmann
  107. Vill
  108. Fischer
  109. Vorinstanzen:
  110. AG Hannover, Entscheidung vom 14.12.2006 - 907 IK 210/03 LG Hannover, Entscheidung vom 07.02.2007 - 20 T 6/07 -