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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 284/02
  5. Verkündet am:
  6. 1. Dezember 2005
  7. Walz
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. ZPO § 286 G
  18. Die Zahlung eines Teilbetrages auf eine geltend gemachte Schadensersatzforderung kann ein sog. Zeugnis des Schuldners wider sich selbst darstellen und
  19. somit zu einer Umkehr der Beweislast führen. Ein solches "Zeugnis gegen sich
  20. selbst" ist anzunehmen, wenn die Leistung den Zweck hat, dem Gläubiger Erfüllungsbereitschaft anzuzeigen, um diesen dadurch von Maßnahmen abzuhalten oder ihm den Beweis zu erleichtern.
  21. BGH, Urt. v. 1. Dezember 2005 - I ZR 284/02 - OLG Frankfurt a.M.
  22. LG Darmstadt
  23. -2-
  24. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
  25. und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
  26. Dr. Schaffert
  27. für Recht erkannt:
  28. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats
  29. in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
  30. 15. Oktober 2002 aufgehoben.
  31. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  32. über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Die Klägerin ist Transportversicherer der m.
  37. AG in N.
  38. (im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem
  39. -3-
  40. Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen Verlustes von Transportgut auf
  41. Schadensersatz in Anspruch.
  42. 2
  43. Die Beklagte befördert für die Versicherungsnehmerin seit 1991 Elektronikartikel (Computerprozessoren, Notebooks etc.). Den hier in Rede stehenden
  44. Verträgen lagen die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten
  45. (Stand: Februar 1998) zugrunde, die unter anderem folgende Bestimmungen
  46. enthielten:
  47. "…
  48. 2. Transportierte Güter und Servicebeschränkungen
  49. Sofern nicht schriftlich abweichend mit U. vereinbart, bietet U.
  50. den Transport von Gütern unter folgenden Einschränkungen an:
  51. b) Die Wert- oder Haftungshöchstgrenze ist pro Paket einer Sendung auf den Gegenwert von 50.000 $ in der jeweiligen Landeswährung begrenzt, es sei denn, dies ist in der jeweils gültigen
  52. U. -Tariftabelle anders festgelegt. …
  53. 10. Haftung
  54. … U. haftet bei Verschulden für nachgewiesene direkte Schäden
  55. bis zu einer Höhe von … DM 1.000 pro Sendung in der Bundesrepublik Deutschland oder bis zu dem nach § 54 ADSp … ermittelten
  56. Erstattungsbetrag, je nach dem, welcher Betrag höher ist, es sei
  57. denn, der Versender hat, wie im Folgenden beschrieben, einen höheren Wert angegeben.
  58. Die Wert- und Haftungsgrenze wird angehoben durch die korrekte
  59. Deklaration des Wertes der Sendung … . Diese Wertangabe gilt als
  60. Haftungsgrenze. Der Versender erklärt durch die Unterlassung der
  61. Wertangabe, dass sein Interesse an den Gütern die oben genannte
  62. Grundhaftung nicht übersteigt.
  63. -4-
  64. Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht bei Vorsatz oder
  65. grober Fahrlässigkeit von U. , seiner gesetzlichen Vertreter oder
  66. Erfüllungsgehilfen.
  67. Sofern vom Versender nicht anders vorgeschrieben, kann U. die
  68. Wertzuschläge als Prämie für die Versicherung der Interessen des
  69. Versenders in seinem Namen an ein oder mehrere Versicherungsunternehmen weitergeben.
  70. …"
  71. 3
  72. Die Klägerin begehrt Schadensersatz für insgesamt 24 Verlustfälle. Nach
  73. ihrer Darstellung sollen die von ihrer Versicherungsnehmerin zwischen Oktober
  74. 1998 und Juli 1999 aufgegebenen Pakete im Gewahrsamsbereich der Beklagten abhanden gekommen sein. Die Versicherungsnehmerin hatte den Wert der
  75. jeweiligen Sendung nicht deklariert, weshalb die Beklagte ihre Ersatzleistung
  76. unter Berufung auf die Haftungsbeschränkungen in ihren Beförderungsbedingungen auf 1.000 DM je Verlustfall beschränkt hat.
  77. 4
  78. Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe Gewahrsam an den verloren gegangenen Paketen erlangt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte
  79. hafte mangels ausreichender Schnittstellenkontrollen aufgrund qualifizierten
  80. Verschuldens unbeschränkt. Ein Mitverschulden wegen der von der Versicherungsnehmerin unterlassenen Wertdeklarationen komme nicht in Betracht, da
  81. die Beklagte für Wertpakete keine Beförderungsart mit höherem Schutz für die
  82. ihr anvertrauten Güter anbiete. Die Beklagte befördere alle Sendungen einheitlich und ohne zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen bei einer Wertdeklaration.
  83. -5-
  84. 5
  85. Die Klägerin hat beantragt,
  86. die Beklagte zu verurteilen, an sie 76.856,42 DM (= 39.296,06 €)
  87. nebst Zinsen zu zahlen.
  88. 6
  89. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat bestritten, an den in
  90. Verlust geratenen Paketen Gewahrsam erlangt zu haben. Ihre Zahlung von
  91. 1.000 DM je Schadensfall sei lediglich aus Kulanz erfolgt. Ein qualifiziertes Verschulden könne ihr nicht angelastet werden, da sie über eine ausreichende Betriebsorganisation verfüge. Sie ist ferner der Ansicht, das Unterlassen einer
  92. Wertangabe und die spätere Geltendmachung des vollen Warenwertes sei
  93. rechtsmissbräuchlich. Da ihr die Möglichkeit genommen werde, eine der realen
  94. Wertdeklaration entsprechende intensivere Kontrollmöglichkeit des Sendungsverlaufs auszuüben, handele die Versicherungsnehmerin treuwidrig, wenn sie
  95. die Wertangabe unterlasse.
  96. 7
  97. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 15.244,86 € nebst Zinsen
  98. stattgegeben und sie im Übrigen wegen eines der Klägerin zuzurechnenden
  99. Mitverschuldens an der Schadensentstehung von 60 % abgewiesen. Auf die
  100. Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung von 37.600,58 € nebst
  101. Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
  102. 8
  103. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die
  104. Revision zurückzuweisen.
  105. -6-
  106. Entscheidungsgründe:
  107. 9
  108. I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin aus abgetretenem (§ 398 BGB)
  109. und übergegangenem (§ 67 Abs. 1 VVG) Recht ihrer Versicherungsnehmerin
  110. einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 461 Abs. 1, § 435 HGB i.V. mit
  111. Ziff. 27.1 ADSp n.F., § 51b Satz 2 ADSp a.F. und Nr. 10 Abs. 5 der Beförderungsbedingungen der Beklagten in Höhe von 37.600,58 € zuerkannt. Dazu hat
  112. es ausgeführt:
  113. 10
  114. Die einzelnen zwischen der Beklagten und der Versicherungsnehmerin
  115. geschlossenen Verträge seien als Speditionsverträge zu qualifizieren. Es sei
  116. davon auszugehen, dass die Beklagte in allen von der Klägerin geltend gemachten Schadensfällen Gewahrsam am Transportgut erlangt habe mit der
  117. Folge, dass der Verlust der streitgegenständlichen Paketstücke während des
  118. Obhutszeitraums der Beklagten eingetreten sei.
  119. 11
  120. Der Beklagten falle ein qualifiziertes Verschulden i.S. von § 435 HGB zur
  121. Last, da sie an ihren Umschlagstellen keine ausreichenden Eingangs- und Ausgangskontrollen durchführe. Die Versicherungsnehmerin habe hierauf auch
  122. nicht verzichtet.
  123. 12
  124. Der von der Beklagten erhobene Einwand des Mitverschuldens sei unberechtigt. Ein Mitverschulden ergebe sich nicht aus der von der Versicherungsnehmerin unterlassenen Wertdeklaration. Denn die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, dass sie im Falle einer Wertdeklaration sorgfältiger mit dem
  125. Transportgut umgehe. Im Übrigen könne nicht davon ausgegangen werden,
  126. -7-
  127. dass die Versicherungsnehmerin von besonderen Sicherheitsvorkehrungen
  128. Kenntnis gehabt habe.
  129. 13
  130. II. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  131. Denn das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration verneint.
  132. 14
  133. 1. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen
  134. für eine vertragliche Haftung der Beklagten bejaht.
  135. 15
  136. a) Die Haftung der Beklagten ergibt sich allerdings nicht aus § 461 Abs. 1
  137. HGB. Die Beklagte ist von der Versicherungsnehmerin als Fixkostenspediteurin
  138. i.S. von § 459 HGB beauftragt worden, so dass sich ihre Haftung nach den
  139. §§ 425 ff. HGB und aufgrund vertraglicher Einbeziehung nach ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen beurteilt. Inhaltliche Unterschiede ergeben sich
  140. daraus indes nicht.
  141. 16
  142. b) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht
  143. rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beklagte Gewahrsam an den verloren
  144. gegangenen Paketen erlangt hat. Es ist dabei zu Recht davon ausgegangen,
  145. dass die Zahlung eines Teilbetrages ein sog. Zeugnis des Schuldners wider
  146. sich selbst darstellen und somit zu einer Umkehr der Beweislast führen kann.
  147. Ein solches "Zeugnis gegen sich selbst" ist dann anzunehmen, wenn die Leistung den Zweck hat, dem Gläubiger Erfüllungsbereitschaft anzuzeigen, um diesen dadurch von Maßnahmen abzuhalten oder ihm den Beweis zu erleichtern
  148. (vgl. BGHZ 66, 250, 254 f.; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 781 Rdn. 6). Die
  149. Auslegung des Verhaltens der Beklagten ist Tatfrage. Die Beurteilung des Beru-
  150. -8-
  151. fungsgerichts lässt keine Rechtsfehler erkennen. Insbesondere ist es nicht widersprüchlich, ein "Zeugnis gegen sich selbst" anzunehmen, auch wenn unterstellt wird, dass die Zahlung der Beklagten nur aus Kulanz erfolgt ist. Das Berufungsgericht hat insoweit zugrunde gelegt, dass gemäß Nr. 10 der Beförderungsbedingungen der Beklagten eine Ersatzleistung im Falle unterlassener
  152. Wertdeklaration nur bei "Verschulden für nachgewiesene direkte Schäden" vorgesehen ist. Darauf hat das Berufungsgericht seine revisionsrechtlich nicht zu
  153. beanstandende Annahme gestützt, durch die Zahlung der Haftungshöchstsumme habe die Beklagte gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass sie den
  154. Nachweis der einzelnen Schäden für erbracht halte und damit ein einseitiges
  155. Anerkenntnis abgegeben habe, das zumindest zu einer Beweislastumkehr führe. Eine andere Beurteilung widerspreche auch der Lebenserfahrung.
  156. c) Da die Beklagte eine Ablieferung der in Empfang genommenen Pakete
  157. 17
  158. nicht darlegen kann, ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen,
  159. dass diese im Gewahrsamsbereich der Beklagten in Verlust geraten sind.
  160. d) Mit Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, die Beklagte
  161. 18
  162. hafte für die eingetretenen Schäden gemäß § 435 HGB unbeschränkt. Nach
  163. den Feststellungen des Berufungsgerichts führt die Beklagte keine ausreichenden Schnittstellenkontrollen durch. Das begründet den Vorwurf des leichtfertigen Verhaltens (BGHZ 158, 322, 327 ff.; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01,
  164. TranspR 2004, 399, 401; Urt. v. 3.2.2005 - I ZR 276/02, TranspR 2005, 208,
  165. 209).
  166. 19
  167. 2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die weitere Annahme
  168. des Berufungsgerichts, die Klägerin brauche sich das Unterlassen von Wertde-
  169. -9-
  170. klarationen nicht als mitwirkenden Schadensbeitrag ihrer Versicherungsnehmerin zurechnen zu lassen.
  171. 20
  172. a) Gemäß § 425 Abs. 2 HGB hängen die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit bei der
  173. Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders mitgewirkt hat. Die
  174. Vorschrift des § 425 Abs. 2 HGB greift den Rechtsgedanken des § 254 BGB auf
  175. und fasst alle Fälle mitwirkenden Verhaltens des Ersatzberechtigten in einer
  176. Vorschrift zusammen (Begründung zum Regierungsentwurf des Transportrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 13/8445, S. 60). Ein mitwirkender Schadensbeitrag des Versenders kann sich daraus ergeben, dass er eine Wertdeklaration unterlassen oder von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich
  177. hohen Schadens abgesehen hat. Die vom Senat zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 zu § 254 Abs. 1,
  178. Abs. 2 Satz 1 BGB ergangenen Entscheidungen sind ohne inhaltliche Änderungen auf § 425 Abs. 2 HGB übertragbar (BGH, Urt. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00,
  179. TranspR 2003, 467, 471).
  180. 21
  181. b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Annahme, die Versicherungsnehmerin habe durch Unterlassen der Wertdeklarationen zu den geltend gemachten Schäden beigetragen, die Feststellung voraussetzt, dass die Beklagte bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser
  182. erfüllt hätte und es hierdurch zumindest zu einer Verringerung des Verlustrisikos gekommen wäre (BGH, Urt. v. 9.10.2003 - I ZR 275/00, TranspR 2004,
  183. 175, 177; Urt. v. 23.10.2003 - I ZR 55/01, TranspR 2004, 177, 179). Darlegungs- und beweispflichtig für die für wertdeklarierte Sendungen zusätzlich vorgesehenen Sicherheitsvorkehrungen ist der Frachtführer. Dem Berufungsge-
  184. - 10 -
  185. richt ist darin beizutreten, dass die Beklagte hierzu bislang nicht genügend vorgetragen hat.
  186. 22
  187. c) Die Revision beanstandet aber mit Recht, dass das Berufungsgericht
  188. es unterlassen hat, die Beklagte hierauf gemäß § 139 Abs. 1 ZPO hinzuweisen.
  189. Die Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 ZPO erstreckt sich grundsätzlich
  190. 23
  191. auch auf die fehlende Substantiierung des Vortrags (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.1999
  192. - I ZR 37/97, TranspR 1999, 353, 354 = VersR 2000, 78; Zöller/Greger, ZPO,
  193. 25. Aufl., § 139 Rdn. 17). Eine Hinweispflicht des Berufungsgerichts bestand im
  194. vorliegenden Fall vor allem deshalb, weil die Beklagte in der ersten Instanz mit
  195. ihrem Vortrag hinsichtlich des Mitverschuldenseinwands erfolgreich war. Es
  196. kommt hinzu, dass zum Zeitpunkt der Verkündung des Berufungsurteils die
  197. Rechtsprechung zum Mitverschulden noch im Fluss war und somit auch eine
  198. anwaltlich vertretene Partei im Unklaren sein konnte, welcher Vortrag notwendig ist.
  199. Die Revision hat dargelegt, was die Beklagte nach Erhalt eines Hinwei-
  200. 24
  201. ses auf die (noch) fehlende Substantiierung ihres Vortrags zusätzlich vorgebracht hätte. Der Beklagten ist daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren
  202. Gelegenheit zu geben, ihren Sachvortrag entsprechend zu ergänzen.
  203. d) Dem Berufungsgericht kann auch nicht in seiner Annahme beigetreten
  204. 25
  205. werden, der Mitverschuldenseinwand scheitere jedenfalls daran, dass die Versicherungsnehmerin keine Kenntnis von Erfolg versprechenden weitergehenden Sicherheitsmaßnahmen der Beklagten bei korrekter Wertdeklaration gehabt
  206. habe.
  207. - 11 -
  208. 26
  209. aa) Das Berufungsgericht ist zwar davon ausgegangen, dass ein Versender in einen gemäß § 425 Abs. 2 HGB beachtlichen Selbstwiderspruch geraten kann, wenn er trotz Kenntnis, dass der Spediteur die Sendung bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer Wertdeklaration
  210. absieht und bei Verlust gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt (vgl. BGHZ
  211. 149, 337, 353; BGH, Urt. v. 15.11.2001 - I ZR 163/99, TranspR 2002, 452, 457;
  212. Urt. v. 8.5.2003 - I ZR 234/02, TranspR 2003, 317, 318; BGH TranspR 2004,
  213. 399, 401). Es hat aber unbeachtet gelassen, dass es für ein gemäß § 425
  214. Abs. 2 HGB zu berücksichtigendes Mitverschulden ausreichen kann, wenn der
  215. Versender die sorgfältigere Behandlung von Wertpaketen durch den Spediteur
  216. hätte kennen müssen. Denn gemäß § 425 Abs. 2 HGB ist ein Mitverschulden
  217. bereits dann anzunehmen, wenn diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen wird,
  218. die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt (BGHZ 74, 25, 28; BGH, Urt. v. 17.11.2000
  219. - VI ZR 313/99, NJW 2001, 149, 150, jeweils zu § 254 BGB; Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 425 HGB Rdn. 74; Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., § 254
  220. Rdn. 23). Von einem Kennenmüssen der Anwendung höherer Sorgfalt bei korrekter Wertangabe kann im Allgemeinen ausgegangen werden, wenn sich aus
  221. den Beförderungsbedingungen des Transporteurs ergibt, dass er für diesen Fall
  222. bei Verlust oder Beschädigung des Gutes höher haften will. Denn zur Vermeidung der versprochenen höheren Haftung werden erfahrungsgemäß höhere
  223. Sicherheitsstandards gewählt.
  224. 27
  225. bb) Dem Versender wird durch Nr. 10 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten die Kenntnis vermittelt, dass die Beklagte nur bei einer Wertdeklaration über die in Nr. 10 genannte Haftungshöchstgrenze hinaus
  226. (1.000 DM oder Erstattungsbetrag nach § 54 ADSp a.F.) haften will. Bereits aus
  227. der versprochenen Haftung bis zum deklarierten Wert ergibt sich, dass die Be-
  228. - 12 -
  229. klagte alles daran setzen wird, Haftungsrisiken möglichst auszuschließen. Diese Haftung ist von der Zahlung eines Wertzuschlags nach der Tariftabelle der
  230. Beklagten abhängig. Die erhöhte Transportvergütung legt zusätzlich nahe, dass
  231. die Beklagte ihren Geschäftsbetrieb darauf ausgerichtet hat, wertdeklarierte
  232. Sendungen sorgfältiger zu behandeln. Dem steht nicht entgegen, dass Nr. 10
  233. ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen die Möglichkeit eröffnet, die Wertzuschläge als Prämie für eine Versicherung weiterzugeben. Ein verständiger
  234. Versender, der die Möglichkeit der Versendung von Wertpaketen gegen höhere
  235. Vergütung ebenso kennt wie die erhöhte Haftung der Beklagten in diesem Fall,
  236. wird davon ausgehen, dass die Beklagte bei der Beförderung von Wertpaketen
  237. erhöhte Sorgfalt aufwendet. Er wird zur Vermeidung eigenen Schadens den
  238. Wert der Sendung deklarieren, wenn dieser den in den Beförderungsbedingungen des Spediteurs genannten Haftungshöchstbetrag überschreitet.
  239. 28
  240. cc) Danach kann ein zu berücksichtigendes Mitverschulden der Versicherungsnehmerin in Betracht kommen, wenn die Beklagte im wiedereröffneten
  241. Berufungsverfahren hinreichend zu den für wertdeklarierte Sendungen zusätzlich vorgesehenen Sicherheitsvorkehrungen vorträgt und dieses Vorbringen
  242. gegebenenfalls beweist.
  243. 29
  244. 3. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Berufungsgericht gegebenenfalls auch zu beachten haben, dass der Einwand des Mitverschuldens wegen unterlassener Wertdeklaration nicht bereits dann an der fehlenden Kausalität scheitert, wenn bei wertdeklarierten Sendungen ein Verlust nicht vollständig
  245. ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH TranspR 2004, 399, 401). Ein bei der
  246. Entstehung des Schadens mitwirkendes Verschulden des Versenders kommt
  247. vielmehr auch in Betracht, wenn bei wertdeklarierten Sendungen Lücken in den
  248. Schnittstellenkontrollen verbleiben und nicht ausgeschlossen werden kann,
  249. - 13 -
  250. dass die Sendung gerade in diesem Bereich verloren gegangen ist und die Angabe des Werts der Ware daher deren Verlust nicht verhindert hätte (vgl. BGH
  251. TranspR 2003, 317, 318).
  252. 30
  253. 4. Die Haftungsabwägung nach § 425 Abs. 2 HGB obliegt grundsätzlich
  254. dem Tatrichter (vgl. BGHZ 149, 337, 355; BGH TranspR 2004, 399, 402, jeweils
  255. zu § 254 BGB).
  256. 31
  257. Im Rahmen der Haftungsabwägung ist zu beachten, dass die Reichweite
  258. des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten Bereichs einen für die Bemessung der Haftungsquote relevanten Gesichtspunkt darstellt: Je größer der gesicherte Bereich ist, desto größer ist auch der Anteil des Mitverschuldens des
  259. Versenders, der durch das Unterlassen der Wertangabe den Transport der Ware außerhalb des gesicherten Bereichs veranlasst (BGH TranspR 2003, 317,
  260. 318; Urt. v. 19.5.2005 - I ZR 238/02, Umdruck S. 10).
  261. 32
  262. Ferner ist der Wert der transportierten, nicht wertdeklarierten Ware von
  263. Bedeutung: Je höher der tatsächliche Wert der nicht wertdeklarierten Sendung
  264. ist, desto gewichtiger ist der in dem Unterlassen der Wertdeklaration liegende
  265. Schadensbeitrag. Denn je höher der Wert der zu transportierenden Sendung
  266. ist, desto offensichtlicher ist es, dass die Beförderung des Gutes eine besonders sorgfältige Behandlung durch den Spediteur erfordert, und desto größer ist
  267. das in dem Unterlassen der Wertdeklaration liegende Verschulden des Versenders gegen sich selbst.
  268. - 14 -
  269. 33
  270. III. Danach war das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
  271. die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  272. Ullmann
  273. v. Ungern-Sternberg
  274. Pokrant
  275. Bornkamm
  276. Schaffert
  277. Vorinstanzen:
  278. LG Darmstadt, Entscheidung vom 18.04.2000 - 14 O 284/99 OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 15.10.2002 - 22 U 81/00 -