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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
X ZR 212/99
URTEIL
in dem Rechtsstreit
Verkündet am:
16. Oktober 2001
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
-2-
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge und
die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Naumburg vom 23. November 1999 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung der Vergütung für die Anfertigung und Montage von Festpunkten und Zwangsführungen in Anspruch.
Das Landgericht hat durch sein am Schluß der mündlichen Verhandlung
vom 4. November 1998 verkündetes Urteil die Klage abgewiesen. Protokollabschrift nebst Urteil wurden dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am
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20. November 1998 zugestellt. Am 4. Dezember 1998 wurde ihm dasselbe Urteil als "Versäumnisurteil" bezeichnet zugestellt. Am 11. Januar 1999 erfolgte
erneute Zustellung des Urteils.
Mit ihrer am 8. Januar 1999 beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufung hat die Klägerin ihren Vergütungsanspruch weiterverfolgt. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel der Klägerin wegen Verfristung verworfen.
Mit ihrer Revision erstrebt diese Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der
beanspruchten Vergütung.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin ist zulässig (§ 547 ZPO); sie hat auch Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig
angesehen. Es hat angenommen, eine Ausfertigung des Urteils des Landgerichts Halle vom 4. November 1998 sei dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin wirksam am 20. November 1998 zugestellt worden. Die Berufungsfrist sei
mit dieser Zustellung angelaufen. Sie sei bei Einlegung der Berufung am
8. Januar 1999 bereits abgelaufen gewesen.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
2. Nach § 516 ZPO beginnt die Berufungsfrist mit der Zustellung des in
vollständiger Form abgefaßten Urteils. Um die Frist in Lauf zu setzen, ist es
deshalb nicht ausreichend, wenn lediglich eine abgekürzte Urteilsausfertigung
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(§ 317 Abs. 2 Satz 2 ZPO) zugestellt worden ist. Die geltende Regelung soll es
dem Zustellungsempfänger ermöglichen, auf der Grundlage des vollständigen
und mit Gründen versehenen Urteils und damit auf gesicherter Grundlage innerhalb der gesetzlichen Frist zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob er ein
Rechtsmittel nach den §§ 511 ff. ZPO einlegt. Eine Partei soll nicht gezwungen
sein, Rechtsmittel gegen ein Urteil einzulegen, dessen Begründung sie nicht
kennt. Die Zustellung einer abgekürzten Urteilsausfertigung ohne Tatbestand
und Entscheidungsgründe setzt daher die Berufungsfrist nicht in Lauf (BGH,
Beschl. v. 31.5.1990 - VII ZB 1/90, NJW-RR 1991, 255; BGH, Beschl. v.
23.9.1992 - I ZB 2/92, ZIP 1993, 74, 75; Sen.Beschl. BGHZ 138, 166, 168).
3. Nach diesen Grundsätzen war die Berufung der Klägerin nicht verfristet. Das Landgericht Halle hat ausweislich des Protokolls am Schluß der
mündlichen Verhandlung vom 4. November 1998 gemäß § 310 Abs. 1 ZPO das
klageabweisende Urteil verkündet. Dieses Urteil bestand aus dem Rubrum und
dem Tenor der Entscheidung, der von den Richtern unterzeichnet worden war.
Am 13. November 1998 verfügte die Vorsitzende Richterin die Zustellung einer
Abschrift des Protokolls nebst Urteil an die Prozeßbevollmächtigten sowie die
Vorlage der Akten an den Berichterstatter "wg. TB + EG". Die Verfügung der
Vorsitzenden trägt einen Erledigungsvermerk der Geschäftsstelle
vom
19. November 1998. Die am 20. November 1998 dem Prozeßbevollmächtigten
der Klägerin zugestellte Urteilsausfertigung ist laut Vermerk auf der Urkunde
als "Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 4.11.1998" bezeichnet und enthielt weder den Tatbestand noch die Entscheidungsgründe, so daß durch deren Zustellung die Berufungsfrist nicht in Lauf gesetzt werden konnte. Zum Zeitpunkt
der Zustellung lag das Urteil vom 4. November 1998 noch nicht in vollständiger
Fassung vor. Erst unter dem 1. Dezember 1998 verfügte die Vorsitzende
Richterin die Zustellung der vollständigen Fassung des Urteils. Dieses ging
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ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle am 3. Dezember 1998 mit den
Unterschriften der Richter versehen bei dieser ein. Die Verfügung der Vorsitzenden wurde am 7. Dezember 1998 ausgeführt. Laut Empfangsbekenntnis
wurden dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 9. Dezember 1998 Ausfertigung und Abschrift des Urteils vom 4. November 1998 zugestellt. Hiergegen hat die Klägerin am 8. Januar 1999 rechtzeitig Berufung eingelegt, so daß
ihr Rechtsmittel nicht verfristet ist.
4. Eine Verfristung ist auch nicht durch die am 4. Dezember 1998 erfolgte Zustellung einer Ausfertigung der als "Versäumnisurteil" bezeichneten
Entscheidung vom 4. November 1998 eingetreten. Ausweislich der von der Revision vorgelegten Abschrift, deren Ausfertigung sich aus den Gerichtsakten
nicht nachvollziehen läßt, handelt es sich um eine "Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 4.11.1998", die mit Ausnahme des Wortes "Versäumnisurteil" der am
20. November der Klägerin zugestellten Abschrift entspricht und weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe enthält.
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5. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben; der Rechtsstreit ist zur
anderweiten Verhandlung und Entscheidung in der Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu
befinden hat.
Rogge
Jestaedt
Mühlens
Scharen
Meier-Beck