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<title>Bundesgerichtshof entscheidet &uuml;ber irrt&uuml;mliche Notwehr bei T&ouml;tung eines Polizeibeamten </title>
<meta name="author" content="Pressestelle des BGH">
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<meta name="subject" content="Nr. 174 vom 03.11.11">
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<meta name="LfdNr" content="174">
<meta name="Jahr" content="2011">
<meta name="Senat" content="2. Strafsenat">
<meta name="Aktenzeichen" content="2 StR 375/11">
<meta name="Datum" content="03.11.11">
<meta name="" content="02.11.11">
</head>
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<h1>Bundesgerichtshof</h1>
<h2>Mitteilung der Pressestelle</h2>
<hr noshade size="1">
<p align="justify">Nr. 174/2011 </p>
<p><div align="center"><font size="+2"><b>Bundesgerichtshof entscheidet &uuml;ber irrt&uuml;mliche Notwehr </b></font></div></p>
<p><div align="center"><font size="+2"><b>bei T&ouml;tung eines Polizeibeamten </b></font></div></p>
<p align="justify">Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Verurteilung eines Mannes wegen Totschlags an einem Polizeibeamten durch das Landgericht Koblenz aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen. </p>
<p align="justify">Das Landgericht hat Folgendes festgestellt: Der Angeklagte, ein f&uuml;hrendes Mitglied des Motorradclubs &quot;Hell&acute;s Angels&quot;, hatte erfahren, dass er von Mitgliedern des konkurrierenden Clubs &quot;Bandidos&quot; ermordet werden solle. Zeitgleich erlie&szlig; das Amtsgericht in einem gegen den Angeklagten gef&uuml;hrten Ermittlungsverfahren einen Durchsuchungsbefehl f&uuml;r seine Wohnung. Wegen der zu bef&uuml;rchtenden Gewaltbereitschaft des Angeklagten und seiner polizeibekannten Bewaffnung wurde zur Vollstreckung des Durchsuchungsbefehls ein Spezialeinsatzkommando (SEK)der Polizei hinzugezogen. </p>
<p align="justify">Am Tattag versuchte das SEK gegen 6.00 Uhr morgens, die T&uuml;r des Wohnhauses des Angeklagten aufzubrechen, um ihn und seine Verlobte im Schlaf zu &uuml;berraschen. Der Angeklagte erwachte durch die Ger&auml;usche an der Eingangst&uuml;r, bewaffnete sich mit einer Pistole Kal. 45, die mit acht Patronen geladen war, und begab sich ins Treppenhaus, wo er das Licht einschaltete. Er erblickte von einem Treppenabsatz aus durch die Teilverglasung der Haust&uuml;r eine Gestalt, konnte diese aber nicht als Polizisten erkennen. Vielmehr nahm er an, es handle sich um schwerbewaffnete Mitglieder der &quot;Bandidos&quot;, die ihn und seine Verlobte t&ouml;ten wollten. Er rief: &quot;Verpisst Euch!&quot; Hierauf sowie auf das Einschalten des Lichts reagierten die vor der T&uuml;r befindlichen SEK-Beamten nicht; sie gaben sich nicht zu erkennen und fuhren fort, die T&uuml;rverriegelungen aufzubrechen. </p>
<p align="justify">Da bereits zwei von drei Verriegelungen der T&uuml;r aufgebrochen waren und der Angeklagte in jedem Augenblick mit dem Eindringen der vermeintlichen Angreifer rechnete, schoss er ohne weitere Warnung, insbesondere ohne einen Warnschuss abzugeben, nun gezielt auf die T&uuml;r, wobei er billigend in Kauf nahm, einen der Angreifer t&ouml;dlich zu treffen. Das Geschoss durchschlug die Verglasung der T&uuml;r, drang durch den Armausschnitt der Panzerweste des an der T&uuml;r arbeitenden Polizeibeamten ein und t&ouml;tete diesen. </p>
<p align="justify">Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts hat den Angeklagten wegen dieses Geschehens wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe zwar irrt&uuml;mlich die Voraussetzungen einer Notwehrlage angenommen, er habe aber auch unter diesen Voraussetzungen nicht ohne Vorwarnung die t&ouml;dliche Waffe einsetzen d&uuml;rfen. </p>
<p align="justify">Der 2. Strafsenat hat die Verurteilung aufgehoben und den Angeklagten insoweit freigesprochen, weil auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen ein Fall strafloser Putativnotwehr gegeben war. Nach st&auml;ndiger Rechtsprechung ist die irrt&uuml;mliche Annahme einer Notwehrlage im Ergebnis ebenso zu behandeln wie ein Fall tats&auml;chlich gegebener Notwehr. Danach muss der gezielte Einsatz einer lebensgef&auml;hrlichen Waffe zwar grunds&auml;tzlich stets zun&auml;chst angedroht und ggf. auch ein Warnschuss abgegeben werden. Ein rechtswidrig Angegriffener muss aber nicht das Risiko des Fehlschlags einer Verteidigungshandlung eingehen. Wenn (weitere) Warnungen in der konkreten &quot;Kampflage&quot; keinen Erfolg versprechen oder die Gefahr f&uuml;r das angegriffene Rechtsgut sogar vergr&ouml;&szlig;ern, darf auch eine lebensgef&auml;hrliche Waffe unmittelbar eingesetzt werden. Nach den f&uuml;r das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Landgerichts war hier ein solcher Fall gegeben. Im Augenblick – irrt&uuml;mlich angenommener – h&ouml;chster Lebensgefahr war dem Angeklagten nicht zuzumuten, zun&auml;chst noch durch weitere Drohungen oder die Abgabe eines Warnschusses auf sich aufmerksam zu machen und seine &quot;Kampf-Position&quot; unter Umst&auml;nden zu schw&auml;chen. </p>
<p align="justify">Dass es durch die Verkettung ungl&uuml;cklicher Umst&auml;nde zum Tod des Polizeibeamten kam, war dem Angeklagten daher nicht anzulasten. Weil dieser seinen Irrtum auch nicht fahrl&auml;ssig verursacht hatte, konnte er auch wegen fahrl&auml;ssiger T&ouml;tung nicht verurteilt werden. </p>
<p align="justify">Urteil vom 2. November 2011 – 2 StR 375/11 </p>
<p align="justify">Landgericht Koblenz – Urteil vom 28. Februar 2011 – 3 Ks 2090 Js 16853/10 </p>
<p align="justify">Karlsruhe, den 3. November 2011 </p>
<p><font size="-1">
Pressestelle des Bundesgerichtshofs <br>
76125 Karlsruhe<br>
Telefon (0721) 159-5013<br>
Telefax (0721) 159-5501</font></p>
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