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<title>Genehmigung des Betreuungsgerichts bei Einstellung lebenserhaltender Ma&szlig;nahmen </title>
<meta name="author" content="Pressestelle des BGH">
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<meta name="subject" content="Nr. 144 vom 16.10.14">
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<meta name="LfdNr" content="144">
<meta name="Jahr" content="2014">
<meta name="Senat" content="XII. Zivilsenat">
<meta name="Aktenzeichen" content="XII ZB 202/13">
<meta name="Datum" content="16.10.14">
<meta name="" content="17.09.14">
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<h1>Bundesgerichtshof</h1>
<h2>Mitteilung der Pressestelle</h2>
<hr noshade size="1">
<p align="justify">Nr. 144/2014 </p>
<p><div align="center"><font size="+2"><b>Genehmigung des Betreuungsgerichts bei Einstellung lebenserhaltender Ma&szlig;nahmen </b></font></div></p>
<p align="justify">Der u.a. f&uuml;r Betreuungssachen zust&auml;ndige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte die Frage zu beantworten, unter welchen Voraussetzungen das Betreuungsgericht den Abbruch lebenserhaltender Ma&szlig;nahmen genehmigen muss. </p>
<p align="justify">Die 1963 geborene Betroffene erlitt im Jahr 2009 eine Gehirnblutung mit der Folge eines apallischen Syndroms im Sinne eines Wachkomas. Sie wird &uuml;ber eine Magensonde ern&auml;hrt; eine Kontaktaufnahme mit ihr ist nicht m&ouml;glich. Der Ehemann und die Tochter der Betroffenen, die zu ihren Betreuern bestellt sind, haben beim Betreuungsgericht beantragt, den Abbruch lebenserhaltender Ma&szlig;nahmen zu genehmigen. Hilfsweise haben sie die Feststellung beantragt, dass die Einstellung der k&uuml;nstlichen Ern&auml;hrung nicht genehmigungsbed&uuml;rftig sei. Sie st&uuml;tzen ihren Antrag darauf, dass sich die Betroffene vor ihrer Erkrankung gegen&uuml;ber Familienangeh&ouml;rigen und Freunden gegen eine Inanspruchnahme von lebenserhaltenden Ma&szlig;nahmen f&uuml;r den Fall einer schweren Krankheit ausgesprochen habe. </p>
<p align="justify">Das Amtsgericht hat den Antrag und den Hilfsantrag abgewiesen, das Landgericht die Beschwerde der Betreuer zur&uuml;ckgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Betreuer war erfolgreich. Sie f&uuml;hrt zur Zur&uuml;ckverweisung der Sache an das Landgericht. </p>
<p align="justify">Nach &sect; 1904 Abs. 2 BGB bedarf die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Heilbehandlung oder einen &auml;rztlichen Eingriff der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Ma&szlig;nahme medizinisch angezeigt ist und die begr&uuml;ndete Gefahr besteht, dass der Betroffene auf Grund des Unterbleibens bzw. des Abbruchs der lebenserhaltenden Ma&szlig;nahme stirbt. Eine solche betreuungsgerichtliche Genehmigung nach &sect; 1904 Abs. 2 BGB ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer bindenden Patientenverf&uuml;gung nach &sect; 1901 a Abs. 1 BGB niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Liegt dagegen keine wirksame Patientenverf&uuml;gung vor, hat der Betreuer die Behandlungsw&uuml;nsche oder den mutma&szlig;lichen Willen des Betreuten festzustellen (&sect; 1901 a Abs. 2 BGB). Die hierauf beruhende Entscheidung des Betreuers bedarf dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn zwischen ihm und dem behandelnden Arzt Einvernehmen dar&uuml;ber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem festgestellten Willen des Betroffenen entspricht (&sect; 1904 Abs. 4 BGB). </p>
<p align="justify">In den verbleibenden F&auml;llen, in denen eine betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich ist, ist diese gem&auml;&szlig; &sect;&nbsp;1904 Abs. 3 BGB vom Betreuungsgericht zu erteilen, wenn die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betroffenen entspricht. Das Betreuungsgericht hat bei dieser Pr&uuml;fung nach &sect; 1901 a Abs. 2 BGB zwischen den Behandlungsw&uuml;nschen einerseits und dem mutma&szlig;lichen Willen des Betroffenen andererseits zu unterscheiden. Behandlungsw&uuml;nsche k&ouml;nnen etwa alle &Auml;u&szlig;erungen eines Betroffenen sein, die Festlegungen f&uuml;r eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverf&uuml;gung im Sinne des &sect; 1901 a Abs. 1 BGB nicht gen&uuml;gen. Auf den mutma&szlig;lichen Willen des Betroffenen ist nur abzustellen, wenn sich ein erkl&auml;rter Wille des Betroffenen nicht feststellen l&auml;sst. </p>
<p align="justify">F&uuml;r die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens gelten strenge Beweisma&szlig;st&auml;be, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsg&uuml;ter – dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen einerseits und dem Schutz des Lebens andererseits – Rechnung zu tragen haben. Die bei der Ermittlung und der Annahme eines Behandlungswunsches oder des mutma&szlig;lichen Willens zu stellenden strengen Anforderungen gelten nach &sect; 1901 a Abs. 3 BGB unabh&auml;ngig davon, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorsteht oder nicht. </p>
<p align="justify">Auf der Grundlage dieser zum 1. September 2009 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen hat der Bundesgerichtshof die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass hier wegen des nicht unmittelbar bevorstehenden Todes der Betroffenen noch strengere Beweisanforderungen f&uuml;r die Feststellung des mutma&szlig;lichen Patientenwillens gelten, als in anderen F&auml;llen. Bei seiner erneuten Pr&uuml;fung wird das Landgericht etwaige ge&auml;u&szlig;erte Behandlungsw&uuml;nsche der Betroffenen unter Anlegung des zutreffenden Pr&uuml;fungsma&szlig;stabs neu zu ermitteln haben. </p>
<p align="justify">Die ma&szlig;geblichen Normen lauten wie folgt: </p>
<p align="justify"><b>&sect; 1901 a BGB Patientenverf&uuml;gung </b></p>
<p align="justify">(1) Hat ein einwilligungsf&auml;higer Vollj&auml;hriger f&uuml;r den Fall seiner Einwilligungsunf&auml;higkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder &auml;rztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverf&uuml;gung), pr&uuml;ft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine Patientenverf&uuml;gung kann jederzeit formlos widerrufen werden. </p>
<p align="justify">(2) Liegt keine Patientenverf&uuml;gung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverf&uuml;gung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungsw&uuml;nsche oder den mutma&szlig;lichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine &auml;rztliche Ma&szlig;nahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. Der mutma&szlig;liche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu ber&uuml;cksichtigen sind insbesondere fr&uuml;here m&uuml;ndliche oder schriftliche &Auml;u&szlig;erungen, ethische oder religi&ouml;se &Uuml;berzeugungen und sonstige pers&ouml;nliche Wertvorstellungen des Betreuten. </p>
<p align="justify">(3) Die Abs&auml;tze 1 und 2 gelten unabh&auml;ngig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten. </p>
<p align="justify">(4) Niemand kann zur Errichtung einer Patientenverf&uuml;gung verpflichtet werden. Die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverf&uuml;gung darf nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses gemacht werden. </p>
<p align="justify">(5) Die Abs&auml;tze 1 bis 3 gelten f&uuml;r Bevollm&auml;chtigte entsprechend. </p>
<p align="justify"><b>&sect; 1901 b Gespr&auml;ch zur Feststellung des Patientenwillens </b></p>
<p align="justify">1) Der behandelnde Arzt pr&uuml;ft, welche &auml;rztliche Ma&szlig;nahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer er&ouml;rtern diese Ma&szlig;nahme unter Ber&uuml;cksichtigung des Patientenwillens als Grundlage f&uuml;r die nach &sect; 1901a zu treffende Entscheidung. </p>
<p align="justify">(2) Bei der Feststellung des Patientenwillens nach &sect; 1901a Absatz 1 oder der Behandlungsw&uuml;nsche oder des mutma&szlig;lichen Willens nach &sect; 1901a Absatz 2 soll nahen Angeh&ouml;rigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur &Auml;u&szlig;erung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verz&ouml;gerung m&ouml;glich ist. </p>
<p align="justify">(3) Die Abs&auml;tze 1 und 2 gelten f&uuml;r Bevollm&auml;chtigte entsprechend. </p>
<p align="justify"><b>&sect; 1904 BGB Genehmigung des Betreuungsgerichts bei &auml;rztlichen Ma&szlig;nahmen </b></p>
<p align="justify">(1) Die Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen &auml;rztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die begr&uuml;ndete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Ma&szlig;nahme stirbt oder einen schweren und l&auml;nger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Ohne die Genehmigung darf die Ma&szlig;nahme nur durchgef&uuml;hrt werden, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. </p>
<p align="justify">(2) Die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen &auml;rztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Ma&szlig;nahme medizinisch angezeigt ist und die begr&uuml;ndete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Ma&szlig;nahme stirbt oder einen schweren und l&auml;nger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. </p>
<p align="justify">(3) Die Genehmigung nach den Abs&auml;tzen 1 und 2 ist zu erteilen, wenn die Einwilligung, die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten entspricht. </p>
<p align="justify">(4) Eine Genehmigung nach den Abs&auml;tzen 1 und 2 ist nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer und behandelndem Arzt Einvernehmen dar&uuml;ber besteht, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach &sect; 1901a festgestellten Willen des Betreuten entspricht. </p>
<p align="justify">(5) Die Abs&auml;tze 1 bis 4 gelten auch f&uuml;r einen Bevollm&auml;chtigten. Er kann in eine der in Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 genannten Ma&szlig;nahmen nur einwilligen, nicht einwilligen oder die Einwilligung widerrufen, wenn die Vollmacht diese Ma&szlig;nahmen ausdr&uuml;cklich umfasst und schriftlich erteilt ist. </p>
<p align="justify">Beschluss vom 17. September 2014 – XII ZB 202/13 </p>
<p align="justify">AG Stollberg - 1 XVII 280/09 – Beschluss vom 22. M&auml;rz 2012 </p>
<p align="justify">LG Chemnitz – 3 T 205/12 – Beschluss vom 11. M&auml;rz 2013 </p>
<p align="justify">Karlsruhe, den 16. Oktober 2014 </p>
<p><font size="-1">
Pressestelle des Bundesgerichtshofs <br>
76125 Karlsruhe<br>
Telefon (0721) 159-5013<br>
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