laywerrobot/BGH/xi_zr_451-16.pdf.txt
2020-08-27 21:55:39 +02:00

175 lines
No EOL
6.4 KiB
Text
Raw Blame History

This file contains invisible Unicode characters

This file contains invisible Unicode characters that are indistinguishable to humans but may be processed differently by a computer. If you think that this is intentional, you can safely ignore this warning. Use the Escape button to reveal them.

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 451/16
Verkündet am:
10. Oktober 2017
Herrwerth
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:101017UXIZR451.16.0
-2-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2017 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die
Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und
Dr. Derstadt
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. Juli 2016 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des
Landgerichts Mainz vom 24. August 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss zweier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen
des Klägers.
2
Die Parteien schlossen zur Finanzierung eines Immobilienerwerbs am
11. Juli 2008 im Wege eines Fernabsatzgeschäfts zwei Verbraucherdarlehensverträge in Form sog. Forwarddarlehen über 160.000 € und 35.000 €. Für die
Abnahme der Darlehensvaluta war der Zeitraum zwischen dem 31. Mai 2011
und dem 31. Mai 2012 vorgesehen. Die Beklagte belehrte den Kläger jeweils
gleichlautend wie folgt über sein Widerrufsrecht:
-3-
-4-
3
Der Kläger nahm die Darlehen nicht ab und zahlte am 17. März 2011 eine Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 14.579,36 € an die Beklagte.
4
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 18. September 2014
erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen und forderte die Beklagte zur Rückzahlung
der Nichtabnahmeentschädigung bis zum 2. Oktober 2014 auf. Die Beklagte
wies die Forderung des Klägers mit einem dem Kläger am 29. September 2014
zugegangenen Schreiben zurück.
5
Die Klage auf Rückzahlung der Nichtabnahmeentschädigung nebst Zinsen und auf Freistellung von vorgerichtlich verauslagten Anwaltskosten hat das
Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers, mit der er zum Schluss
nur noch seinen Antrag auf Erstattung der Nichtabnahmeentschädigung nebst
Zinsen weiterverfolgt hat, hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil
teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 14.579,36 €
nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 30. September 2014 zu zahlen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Zurückweisung der klägerischen
Berufung.
Entscheidungsgründe:
6
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
-5-
I.
7
Das
Berufungsgericht
(OLG
Koblenz,
Urteil
vom
29. Juli
2016
- 8 U 1049/15, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das
Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
8
Zwischen den Parteien seien im Juli 2008 im Wege des Fernabsatzes
zwei Verbraucherdarlehensverträge als Forwarddarlehen zustande gekommen,
so dass dem Kläger das Recht zugestanden habe, seine auf Abschluss der
Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen zu widerrufen.
9
Die Beklagte habe den Kläger unzureichend deutlich über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist belehrt. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion
des Musters für die Widerrufsbelehrung nach der maßgeblichen Fassung der
BGB-Informationspflichten-Verordnung könne sich die Beklagte nicht berufen,
weil die Widerrufsbelehrung der Beklagten dem Muster nicht vollständig entsprochen habe. Mangels ordnungsgemäßer Belehrung sei die Widerrufsfrist
nicht angelaufen, so dass der Kläger den Widerruf noch 2014 habe erklären
können. Vorschriften des Fernabsatzrechts über das Erlöschen des Widerrufsrechts seien auf die zwischen den Parteien geschlossenen Verbraucherdarlehensverträge nicht anwendbar. Dass die Parteien vor Ausübung des Widerrufsrechts vereinbart hätten, der Kläger müsse die Darlehen gegen Zahlung einer
Nichtabnahmeentschädigung nicht mehr abnehmen, ändere an der fortbestehenden Widerruflichkeit der auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten
Willenserklärungen des Klägers nichts.
10
Der Kläger habe das Widerrufsrecht weder verwirkt noch rechtsmissbräuchlich ausgeübt. Auf der Grundlage des durch den Widerruf entstandenen
Rückgewährschuldverhältnisses könne der Kläger die Nichtabnahmeentschädigung zurückverlangen. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten stünden dem
-6-
Kläger aus dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs aufgrund der Weigerung
der Beklagten, die Forderung auszugleichen, ab dem 30. September 2014 zu.
II.
11
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand.
12
1. Das Berufungsgericht hat allerdings im Ausgangspunkt richtig erkannt,
dem Kläger sei gemäß § 495 Abs. 1 BGB zunächst das Recht zugekommen,
seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen
nach § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der hier nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2,
§ 22 Abs. 2, §§ 32, 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem
1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung zu widerrufen.
13
2. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht indessen davon ausgegangen, die Beklagte habe den Kläger unzureichend über das ihm zukommende
Widerrufsrecht belehrt, so dass die Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs
noch nicht abgelaufen gewesen sei. Entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts hat die Beklagte, was der Senat zu einer inhaltsgleichen Widerrufsbelehrung bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 21. Februar 2017
- XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 46 ff.), die Voraussetzungen des Widerrufsrechts zutreffend dargestellt. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die
Widerrufsbelehrung kommt es daher nicht an.
-7-
III.
14
Das Berufungsurteil unterliegt wegen der rechtsfehlerhaften Ausführungen des Berufungsgerichts der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich
auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Da weitere
Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat zugunsten der Beklagten
in der Sache selbst erkennen und die Berufung des Klägers zurückweisen
(§ 563 Abs. 3 ZPO).
Ellenberger
Grüneberg
Menges
Maihold
Derstadt
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 24.08.2015 - 5 O 194/14 OLG Koblenz, Entscheidung vom 29.07.2016 - 8 U 1049/15 -