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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 147/05
Verkündet am:
12. März 2008
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 536, 305 Abs. 2, 307 Abs. 2 Bb, Cf
Eine vom Vermieter verwendete formularmäßige Klausel, wonach der Mieter
von Gewerberaum gegenüber den Ansprüchen des Vermieters auf Zahlung
des Mietzinses kein Minderungsrecht wegen Mängeln der Mietsache geltend
machen kann, es sei denn, der Vermieter hat die Mängel vorsätzlich oder grob
fahrlässig zu vertreten, ist im Zweifel dahin auszulegen, dass sie die Minderung wegen sonstiger Mängel vollständig ausschließt und dem Mieter auch
nicht die Möglichkeit der Rückforderung der Miete nach § 812 BGB verbleibt.
Eine solche Klausel benachteiligt den Mieter unangemessen und ist deswegen
unwirksam.
BGH, Urteil vom 12. März 2008 - XII ZR 147/05 - OLG München
LG München I
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 4. August 2005 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin fordert von den Beklagten rückständige Mieten für Büround Kellerräume. Die Beklagten berufen sich darauf, dass der Mietzins um die
Hälfte gemindert sei. Die Beklagte zu 1 rechnet mit einem behaupteten Rückgewähranspruch wegen zuvor zuviel bezahlter Miete gegen die andere Hälfte
auf und verlangt hilfsweise widerklagend für den Fall, dass die Aufrechnung
ausgeschlossen sei, die Rückzahlung der angeblich zuviel gezahlten Miete.
2
Die Beklagte zu 1 mietete mit Verträgen vom 24. August 1999 von der
Klägerin Büroräume in München zu einem monatlichen Mietzins von 4.036,74 €
-3-
fest auf zehn Jahre sowie im selben Gebäude einen Kellerraum befristet auf ein
Jahr mit einer Verlängerungsklausel zu einem monatlichen Mietzins von
526,94 €. Der Beklagte zu 2, der Geschäftsführer der Beklagten zu 1 ist, hat die
Mithaftung für die Miete der Büroräume übernommen.
3
Der Mietvertrag bezüglich der Büroräume enthält u.a. folgende Allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin:
"§ 7 Aufrechnung, Minderung, Mängel der Mietsache
1. Der Mieter kann gegenüber dem Mietzinsanspruch und anderen Forderungen der Vermieterin aus diesem Vertrag nur mit unbestrittenen oder
rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen aufrechnen bzw. ein
Rückbehaltsrecht ausüben.
2. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den Mieter wegen eines Mangels der Mietsache oder wegen Verzugs der Vermieterin mit der Beseitigung eines Mangels ist ausgeschlossen, sofern
die Vermieterin den Mangel bzw. den Vollzug mit der Mängelbeseitigung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten hat.
3. Der Mieter kann gegenüber den Ansprüchen der Vermieterin auf Zahlung des Mietzinses und der Nebenkosten kein Minderungsrecht wegen Mängeln der Mietsache geltend machen, es sei denn, die Vermieterin hat die Mängel vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten. Dies
gilt auch für Störungen des Mietgebrauchs durch Einwirkungen von
außen.
-4-
§ 9 Instandhaltung, Instandsetzung, Schönheitsreparaturen, Schäden
1. Der Mieter ist verpflichtet, die laufende Instandhaltung und Instandsetzung im Inneren der von ihm genutzten Mieträume auf eigene Kosten
durchzuführen. … Die Reparatur- und Instandsetzungspflicht für Schäden, die der Mieter nicht zu vertreten hat, wird auf einen jährlichen
Höchstbetrag von 10 % einer Jahresmiete (einschließlich Mehrwertsteuer) begrenzt.
2. Die laufenden Schönheitsreparaturen hat der Mieter während der Mietzeit spätestens alle fünf Jahre auf eigene Kosten fachgerecht vorzunehmen. …"
4
Die Geschäftsräume haben keine Fenster. Mit Schreiben vom 30. September 2000 rügte die Beklagte zu 1 bei der Klägerin unter Bezugnahme auf
mündliche Beanstandungen die Funktionsfähigkeit der Klimaanlage. Gleichzeitig wurde die Klägerin aufgefordert, die Anlage in einen einwandfreien Zustand
bringen zu lassen. Mit Schreiben vom 3. April 2002 wies die Beklagte zu 1 unter
Bezugnahme auf das Schreiben vom 30. September 2000 auf die mangelhafte
Lüftungsanlage hin und forderte die Klägerin auf, bis zum 15. April 2002 mitzuteilen, wann sie etwas unternehmen werde.
5
Bis einschließlich April 2003 (45 Monate) wurde der Mietzins vollständig
(teilweise durch Aufrechnung) und vorbehaltlos erbracht. Seit Mai 2003 zahlt
die Beklagte weder für die Geschäfts- noch die Kellerräume Miete.
6
Die Klägerin hat zunächst gegen die Beklagte zu 1 die monatliche Miete
für beide Räume von Mai 2003 bis Juli 2003 in Höhe von insgesamt
13.691,05 € zuzüglich Zinsen und Kosten im Mahnverfahren geltend gemacht.
Nach Einspruch der Beklagten zu 1 gegen den Vollstreckungsbescheid hat sie
-5-
die Klage um die ausstehende Miete bis einschließlich Juni 2004 in Höhe von
41.096,99 € erweitert und außerdem den Beklagten zu 2 hinsichtlich der Büroraummiete (47.517,56 € nebst Zinsen) mit verklagt.
7
Die Beklagten machen im Wesentlichen geltend, der Mietzins sei von Anfang an um 50 % gemindert gewesen, weil die Belüftungsanlage mangelhaft
sei. Soweit vor Mai 2003 der volle Mietzins gezahlt worden sei, habe die Beklagte zu 1 einen Rückgewähranspruch in Höhe der Hälfte des vereinbarten
Mietzinses. Mit diesem Rückgewähranspruch werde gegen den ab Mai 2003
bestehenden geminderten Mietzinsanspruch der Klägerin aufgerechnet. Für
den Fall, dass die Aufrechnung nach § 7 des Mietvertrages unzulässig sei, hat
die Beklagte zu 1 hilfsweise Widerklage erhoben und in erster Instanz beantragt, die Klägerin zur Zahlung von 12.000 € zu verurteilen.
8
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die
Widerklage abgewiesen. Abgesehen davon, dass nach der Beweisaufnahme
davon ausgegangen werden könne, dass kein Mangel vorliege, sei ein etwaiges
Mietminderungsrecht der Beklagten zu 1 verwirkt. Denn diese habe den Mietzins vorbehaltlos über einen Zeitraum von 45 Monaten ungekürzt beglichen. Die
Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wenden sich die
Beklagten mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
9
Die Revision ist zulässig. Die Revisionsanträge sind Teil der Revisionsbegründung (§ 551 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Beklagten haben in zulässiger Weise
auf die in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthaltenen Anträ-
-6-
ge Bezug genommen (vgl. BGH Beschluss vom 10. Dezember 2007 - III ZB
27/06 - NJW 2008, 588).
10
Die Revision der Beklagten hat auch Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des
Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I.
11
Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die Beklagte zu 1 habe dadurch,
dass sie seit August 1999 bis zum Beginn der Zahlungseinstellung 45 Monate
lang den vollen Mietzins entrichtet habe, ein etwaiges Minderungsrecht auch für
den strittigen Zeitraum (Mai 2003 bis Juni 2004) verwirkt. Die Klausel in § 7
Abs. 3 des Mietvertrages, wonach der Mieter nur mindern könne, wenn der
Vermieter den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten habe, sei
auch als Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin wirksam. Ein solcher
Haftungsausschluss sei schon gegenüber einem Verbraucher unbedenklich,
wie sich aus § 309 Nr. 7 b, 8 b BGB ergebe. Die Klausel sei daher erst recht im
kaufmännischen Verkehr gegenüber der Beklagten zu 1 wirksam. Hinzu komme, dass die Beklagte zu 1 durch das mehrjährige beanstandungslose Begleichen des vollen Mietzinses eine für die Verwirkung ausreichende Vertrauensgrundlage geschaffen habe. Die Beklagten hätten nicht vorgetragen, dass die
Beklagte zu 1 über die Möglichkeit der Mietminderung nachgedacht, sich aber
durch die AGB der Klägerin daran gehindert gesehen habe. Erst recht hätten
sie nicht vorgetragen, dass sie einen solchen Gedankenablauf der Klägerin mitgeteilt hätten. Auch habe die Beklagte zu 1 nie ernsthaft versucht, hinsichtlich
des behaupteten Mangels einen der vielfältigen nicht auf Minderung beschränk-
-7-
ten Ansprüche des Mieters anzumelden - etwa auf Beseitigung zu klagen , außerordentlich zu kündigen oder eine solche Kündigung anzudrohen. Sie habe
insbesondere nie eine Frist zur Beseitigung gesetzt und damit auch nie die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Vermieterin grob fahrlässig oder vorsätzlich im Sinne der die Mietminderungsmöglichkeit einschränkenden AGBKlausel gehandelt hätte. Der Beklagten zu 1 stehe auch kein Anspruch auf Erstattung aus Überzahlungen zu, die zwischen Beginn des Mietverhältnisses und
Einstellung der Zahlung erfolgt sein sollen. Auch für diese Zeit sei ein Minderungsanspruch verwirkt. Im Übrigen scheitere die Rückforderung an § 814 BGB.
Über die Eventualwiderklage auf Rückzahlung zuviel gezahlter Miete sei in der
Berufungsinstanz nicht zu entscheiden.
II.
12
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
13
1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, die Klage sei bereits nach § 320 BGB unbegründet. Zwar stehen dem Mieter, wenn die Mietsache mangelhaft ist - was hier im Revisionsverfahren zu Gunsten der Beklagten
zu unterstellen ist - nicht nur die mietvertraglichen Gewährleistungsansprüche
zu. Vielmehr kann er gegenüber dem Anspruch des Vermieters auf Miete auch
die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 BGB erheben (Senatsurteil
vom 18. April 2007 - XII ZR 139/05 - NZM 2007, 484 m.w.N.). Doch haben die
Beklagten diese Einrede vor den Instanzgerichten nicht geltend gemacht. Zwar
brauchten sie die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht ausdrücklich zu
erheben. Erforderlich ist aber, dass der Wille, die eigene Leistung im Hinblick
-8-
auf das Ausbleiben der Gegenleistung zurückzuhalten, eindeutig erkennbar ist
(BGH Urteile vom 7. Oktober 1998 - VIII ZR 100/97 - NJW 1999, 53 und vom
7. Juni 2006 - VIII ZR 209/05 - NJW 2006, 2839, 2842). Daran fehlt es hier.
Denn die Beklagten berufen sich ausschließlich darauf, dass die eingeklagte
Mietzinsforderung zur einen Hälfte aufgrund der Minderung und zur anderen
Hälfte aufgrund der Aufrechnung mit Mietrückgewähransprüchen nicht geschuldet bzw. erloschen sei.
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2. Unwirksam ist jedoch, wie die Revision zu Recht geltend macht, die
Klausel in § 7 Abs. 3 des Mietvertrages, wonach der Mieter kein Mietminderungsrecht wegen Mängeln der Mietsache geltend machen kann, es sei denn,
die Vermieterin habe die Mängel vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten.
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a) Es ist aber unklar, ob die Klausel dahingehend auszulegen ist, dass
der Mieter bei einem Mangel, den der Vermieter nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich zu vertreten hat, umfassend mit seinem Minderungsrecht ausgeschlossen ist oder ob die Minderung zwar nicht durch sofortigen Abzug von der laufenden Miete vorgenommen werden kann, dem Mieter aber das Recht verbleibt,
den Minderungsbetrag gesondert nach § 812 BGB verlangen zu können. Zwar
hat der Bundesgerichtshof eine Klausel, wonach der Mieter gegenüber dem
Mietzins und den Nebenkosten nicht aufrechnen und auch kein Minderungsoder Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann, für eindeutig in dem Sinne
angesehen, dass das Minderungsrecht nicht umfassend, sondern nur dessen
Verwirklichung durch Abzug vom geschuldeten Mietzins ausgeschlossen werde. Der Mieter werde insoweit auf einen Bereicherungsanspruch verwiesen
(BGHZ 91, 375, 383). Ebenso hat er eine Klausel für eindeutig angesehen,
nach der der Pächter auf das Recht zur Aufrechnung, Minderung (Herabsetzung des Pachtzinses) verzichtet, soweit dies gesetzlich zulässig ist und soweit
nicht mit rechtskräftig festgesetzten Forderungen die vorgenannten Rechte gel-
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tend gemacht werden (Senatsurteil vom 27. Januar 1993 - XII ZR 141/91 NJW-RR 1993, 519). Auch nach dieser Klausel werde das Minderungsrecht
zwar nicht durch Abzug vom Pachtzins verwirklicht, doch bleibe dem Pächter
unbenommen, eine gesonderte Klage aufgrund von § 812 BGB zu erheben.
16
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Zwar kann die vorliegende Klausel
auch in dem Sinne ausgelegt werden, dass dem Mieter ein Bereicherungsanspruch verbleibe. Eine Gesamtschau der vom Vermieter gestellten Allgemeinen
Geschäftsbedingungen legt jedoch nahe, dass ein vollständiger Ausschluss des
Minderungsrechts des Mieters vorliegt. Denn wie sich aus § 7 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt, sind jedwede Schadensersatzansprüche
des Mieters wegen eines Mangels der Mietsache oder wegen Verzugs der
Vermieterin mit der Beseitigung eines Mangels ausgeschlossen, sofern die
Vermieterin den Mangel bzw. den Vollzug mit der Mängelbeseitigung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten hat. Mit Blick hierauf spricht viel dafür,
dass in der folgenden Klausel über das Minderungsrecht des Mieters ebenfalls
ein umfassender Ausschluss gewollt war.
17
Infolge dieser Unklarheit ist § 305 c Abs. 2 BGB anzuwenden, wonach
Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders - hier der Klägerin - gehen. Die Klausel ist somit dahin zu verstehen, dass sie die Minderung vollständig ausschließt und dem Mieter auch nicht die Möglichkeit der Rückforderung
nach § 812 BGB verbleibt, wobei zu prüfen ist, ob diese (scheinbar) kundenfeindlichste Auslegung einer Inhaltskontrolle standhält (vgl. Palandt/Heinrichs
BGB 67. Aufl. § 305 Rdn. 20).
18
b) Die Instanzgerichte vertreten weitgehend die Auffassung, der vollständige Ausschluss der Minderung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen benachteilige den Mieter unangemessen und sei unwirksam. Kardinalpflichten, zu de-
- 10 -
nen auch die Pflicht des Vermieters gehöre, dem Mieter die Mietsache in einem
zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten, dürfen nur
ausgeschlossen werden, wenn davon vertragsuntypische und nicht vorhersehbare Schäden erfasst würden. Ein formularmäßiger Ausschluss der Gewährleistung sei nur wirksam, wenn dem Mieter andere Möglichkeiten verblieben, das
Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung wieder herzustellen (vgl.
KG GE 2008, 52, 53; OLG München ZMR 1987, 16; LG Hamburg NZM 2004,
948, weitergehend OLG Naumburg NZM 2000, 1183).
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Auch die Literatur ist vorwiegend der Ansicht, dass ein absoluter Ausschluss der Mietminderung inklusive etwaiger Rückerstattungsansprüche den
Mieter unangemessen im Sinne von § 307 BGB benachteilige und deswegen
unwirksam sei (Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und
Leasingrechts 9. Aufl. Rdn. 363; Emmerich in Emmerich/Sonnenschein Miete
9. Aufl. § 536 BGB Rdn. 41 Herrlein/Kandelhard Mietrecht 3. Aufl. § 536 BGB
Rdn. 63;
Lindner-Figura/Oprée/Stellmann
Geschäftsraummiete
Kap. 14
Rdn. 305; Fritz Gewerberaummietrecht 4. Aufl. Rdn. 171 b; Schmidt/ Futterer/
Eisenschmidt Mietrecht 9. Aufl. § 536 BGB Rdn. 426 ff.; Kraemer in Bub/Treier
Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. III Rdn. 1373; Bub
in Bub/Treier Kap. II Rdn. 519; a.A.: Erman/Jendrek BGB 11. Aufl. § 536 BGB
Rdn. 31).
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Dies gilt nach Ansicht des Senates auch für die vorliegende Klausel, wonach das Minderungsrecht des Mieters vollständig ausgeschlossen ist, es sei
denn, der Vermieter hat den Mangel grob fahrlässig oder vorsätzlich zu vertreten. Die Klausel verstößt gegen das Äquivalenzprinzip und benachteiligt den
gewerblichen Mieter unangemessen: Dieser hätte nach der Klausel den vollen
Mietzins zu zahlen, obwohl ihm der Vermieter den Mietgebrauch nicht vertragsgemäß gewährt und sich wegen des Mangels die nach § 535 Abs. 2 BGB ge-
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schuldete Miete nach § 536 BGB automatisch mindert. In diesem Falle wäre
das Austauschverhältnis empfindlich gestört. Dies widerspräche nicht nur dem
Äquivalenzprinzip, sondern bewirkte auch eine unangemessene Risikoverlagerung zu Ungunsten des Mieters (vgl. Sternel Gedächtnisschrift für Sonnenschein, 293, 298).
21
3. Die Revision macht zu Recht geltend, dass unter diesen Voraussetzungen, sollte die Klimaanlage fehlerhaft sein, die Beklagte zu 1 ihr Minderungsrecht nicht verwirkt hätte.
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Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend
macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und
eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen
werde (BGHZ 88, 280, 281; Senatsurteil vom 18. Oktober 2006 - XII ZR 33/04 NZM 2006, 929). Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und
Glauben besteht in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs.
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Hiervon kann jedoch im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Zwar hat
die Beklagte zu 1 die Miete über 40 Monate vorbehaltlos bezahlt. Auch ist entsprechend den Ausführungen des Oberlandesgerichts davon auszugehen, dass
die Beklagte zu 1 nicht vorgetragen hat, über die Möglichkeit der Mietminderung
nachgedacht zu haben, hiervon aber wegen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Mietvertrag abgerückt zu sein. Die Revision rügt vergeblich, dass
diese Ausführungen des Berufungsgerichts verfahrensfehlerhaft seien, weil die
Beklagte zu 1 bereits in der Klageerwiderung und später auch in der Berufungsbegründung vorgetragen habe, dass sie sich im Hinblick auf § 7 Abs. 3
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des Mietvertrages an einer Minderung zunächst gehindert gesehen habe. Denn
nach §§ 559, 314 ZPO kann mit einer Verfahrensrüge nicht geltend gemacht
werden, das Berufungsurteil gebe das Parteivorbringen unrichtig wieder. Vielmehr verbleibt den Parteien in diesem Fall nur der Antrag nach § 320 ZPO auf
Tatbestandsberichtigung (BGH Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04 NJW-RR 2007, 1434; Musielak/Ball ZPO 5. Aufl. § 559 ZPO Rdn. 16). Allerdings kommt es hierauf nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr, dass
die Klägerin ihrerseits mit der Verwendung einer unwirksamen Klausel über den
Ausschluss der Minderung gegen ihre vorvertraglichen Pflichten verstoßen hat
und sie damit rechnen musste, die Beklagte zu 1 werde die Unwirksamkeit der
Klausel nicht sofort bei Auftreten eines Mangels, sondern erst später erkennen
und sich dann - ohne dass ihr ein widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen wäre - auf die Minderung berufen. Die Klägerin konnte somit wegen ihres eigenen
Vertragsverstoßes nicht darauf vertrauen, die Beklagte zu 1 werde wegen des
großen Zeitablaufs ihr Recht nicht mehr geltend machen. Die Voraussetzungen
der Verwirkung sind demnach nicht gegeben.
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4. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit an das
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Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es die notwendigen Feststellungen trifft.
Hahne
Fuchs
Vézina
Ahlt
Dose
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 13.12.2004 - 30 O 4047/04 OLG München, Entscheidung vom 04.08.2005 - 8 U 1910/05 -