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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 86/13
vom
6. November 2013
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VBVG § 2 Satz 1; FamFG § 168 Abs. 1 Satz 4; JBeitrO § 8
a) Die materielle Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 VBVG findet keine analoge Anwendung auf die Rückforderung überzahlter Betreuervergütung durch die Staatskasse.
b) Einer Rückforderung überzahlter Betreuervergütung kann der Vertrauensgrundsatz entgegenstehen, wenn eine Abwägung ergibt, dass dem Vertrauen des Berufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber
dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage der Vorrang einzuräumen ist.
BGH, Beschluss vom 6. November 2013 - XII ZB 86/13 - LG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger und Dr. Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss
der 87. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 18. Januar 2013
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: bis 900 €
Gründe:
1
Das Verfahren betrifft die gerichtliche Festsetzung der Betreuervergütung
nach §§ 292 Abs. 1, 168 Abs. 1 Satz 4 FamFG zum Zweck der Rückforderung
überzahlter Beträge.
I.
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Die Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betreuerin) wurde 2006 als Berufsbetreuerin der mittellosen Betroffenen bestellt. Während die Betreuerin im ersten
Betreuungsjahr (27. November 2006 bis 26. November 2007) für die Betreuungsführung Vergütungen aus der Landeskasse auf der Grundlage eines Stun-
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densatzes von 27 € beantragt hatte, machte sie im zweiten, dritten und vierten
Betreuungsjahr (27. November 2007 bis 26. November 2010) einen Stundensatz von 33,50 € geltend. Den erhöhten Stundensatz begründete sie damit,
dass sie seit 2001 als Berufsbetreuerin arbeite, zahlreiche Betreuungen führe,
die dazu erforderlichen Kenntnisse im Selbststudium und durch praktische Anwendung gefestigt und darüber hinaus an verschiedenen Weiterbildungsveranstaltungen teilgenommen habe. Im Wege der Verwaltungsanweisung wurden
der Betreuerin jeweils antragsgemäß Vergütungen aus der Landeskasse bewilligt und für den Betreuungszeitraum vom 27. November 2007 bis 26. November
2010 im Dezember 2008, Januar 2010 und Januar 2011 in Höhe von insgesamt
4.130,55 € ausgezahlt.
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Auf Anregung des Beteiligten zu 2 (im Folgenden: Bezirksrevisor) hat
das Amtsgericht gemäß § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Vergütung für die Betreuerin für den Zeitraum vom 27. November 2007 bis 26. November 2010 auf
der Grundlage eines Stundensatzes von 27 € auf insgesamt 3.329,10 € festgesetzt. Zugleich hat es die Erstattung der während dieses Zeitraums zu viel ausgezahlten Vergütung in Höhe von 801,45 € an die Landeskasse angeordnet.
Weiter hat es angekündigt, dass der überzahlte Betrag mit dem nächsten Vergütungsantrag der Betreuerin verrechnet werde, sofern keine Erstattung erfolge.
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Die Beschwerde der Betreuerin hat das Landgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Aufforderung zur Erstattung der zu viel ausgezahlten
Vergütung in Höhe von 801,45 € an die Landeskasse entfalle. In der Sache habe das Amtsgericht allerdings zutreffend angenommen, dass der Betreuerin für
die berufsmäßige Betreuung nur eine Vergütung nach einem Stundesatz in Höhe von 27 € zustehe.
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Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Betreuerin die
Festsetzung ihrer Betreuervergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes
von 33,50 €.
II.
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Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Betreuerin
durch die gerichtliche Festsetzung der Betreuervergütung beschwert, weil diese
eine Beitreibung des überzahlten Betrags im Wege des Justizbeitreibungsverfahrens nach § 1 Abs. 1 Nr. 8 JBeitrO vorbereitet (vgl. OLG Köln FGPrax 2006,
116; LG Braunschweig Beschluss vom 20. Dezember 2007 - 8 T 955/07 - juris
Rn. 17).
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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
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a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
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Das Amtsgericht sei in dem auf Anregung des Bezirksrevisors eingeleiteten gerichtlichen Festsetzungsverfahren nach § 292 Abs. 1 FamFG iVm § 168
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG nicht an die zuvor erfolgten Anweisungen der Vergütungen im Verwaltungsverfahren gebunden gewesen. Zutreffend sei das
Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass eine erstmalige förmliche Festsetzung der Betreuervergütung für die Zeit vom 27. November 2007 bis zum
26. November 2010 noch habe ergehen können. Zwar werde von Teilen der
Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Frist des § 2 VBVG auf die
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Rückforderung überzahlter Betreuervergütung entsprechend anwendbar sei.
Danach wäre eine Rückforderung der Vergütungen für die bis zum 27. Februar
2010 erbrachten Betreuerleistungen angesichts des erst am 22. Juni 2011 bei
Gericht eingegangenen Antrags des Bezirksrevisors ausgeschlossen gewesen.
Dieser Ansicht sei nicht zu folgen. Zweck der Ausschlussfrist des § 2 VBVG sei
es zu verhindern, dass ein Betreuer durch säumige Abrechnung erhebliche Ansprüche anhäufe, so dass er nach § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG die Staatskasse in
Anspruch nehmen könne, wenn der Betreute jedenfalls zur vollständigen Begleichung der Betreuervergütung nicht in der Lage sei und deshalb als mittellos
gelte. Schon diese Zielrichtung der Vorschrift verbiete es, einen Rückforderungsanspruch der Staatskasse wegen überzahlter Vergütung der Ausschlussfrist des § 2 VBVG zu unterstellen. Der Rückforderungsanspruch unterliege lediglich der dreijährigen Verjährungsfrist des § 2 Abs. 4 JVEG, die aber im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Bezirksrevisor noch nicht abgelaufen gewesen sei.
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b) Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen
Nachprüfung stand.
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aa) Allerdings ist es nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht
keinen erhöhten Stundensatz für die Tätigkeit der Betreuerin festgesetzt hat.
Die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts, nach der die Betreuerin
nicht über besondere für die Betreuung nutzbare Kenntnisse verfügt, die sie
durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule, eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben hat,
hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zur Höhe des dem Berufsbetreuer gemäß § 4 VBVG zu vergütenden Stundensatzes (Senatsbeschlüsse
vom 18. Januar 2012 - XII ZB 409/10 - FamRZ 2012, 629 Rn. 11; vom 4. April
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2012 - XII ZB 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 16 ff. und vom 22. August 2012
- XII ZB 319/11 - NJW-RR 2012, 1475 Rn. 16 ff.) in nicht zu beanstandender
Weise entschieden, dass das von der Betreuerin abgeschlossene Hochschulstudium im Studiengang Chemie keine besonderen, für die Führung der Betreuung nutzbaren Kenntnisse vermittelt und die von ihr absolvierten Fort- und
Weiterbildungsmaßnahmen ohne staatlich reglementierten Abschluss einer abgeschlossenen Lehre nicht vergleichbar sind (Senatsbeschlüsse vom 18. Januar 2012 - XII ZB 461/10 - FamRB 2012, 119 Rn. 11 f. und vom 26. Oktober
2011 - XII ZB 312/11 - FamRZ 2012, 113 Rn. 14 ff.).
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bb) Ebenso hat das Beschwerdegericht zutreffend eine analoge Anwendung des § 2 VBVG auf die amtswegige gerichtliche Festsetzung nach § 168
Abs. 1 Satz 1 FamFG mit dem Ziel der Rückforderung überzahlter Betreuervergütung abgelehnt.
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Gemäß § 292 Abs. 1 FamFG iVm § 168 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG setzt
das Amtsgericht auf Antrag des Betreuers oder des Betreuten oder von Amts
wegen in einem gerichtlichen Festsetzungsverfahren die dem Betreuer zu bewilligende Vergütung fest. Schließt sich das gerichtliche Festsetzungsverfahren
- wie hier - an eine Festsetzung und Auszahlung der Betreuervergütung im vereinfachten Justizverwaltungsverfahren nach § 292 Abs. 1 FamFG iVm § 168
Abs. 1 Satz 4 FamFG durch den Kostenbeamten des Gerichts an, ist das Gericht nicht an die vorherige Festsetzung gebunden; es kann diese über- oder
unterschreiten. Mit der gerichtlichen Entscheidung wird die Anweisung des Kostenbeamten des Gerichts wirkungslos (OLG Köln FGPrax 2006, 116; Keidel/
Engelhardt FamFG 17. Aufl. § 168 Rn. 5; Deinert/Lütgens Die Vergütung des
Betreuers 6. Aufl. Rn. 1495; Jürgens/Kretz Betreuungsrecht 4. Aufl. § 168
Rn. 5; Zöller/Lorenz ZPO 29. Aufl. § 168 FamFG Rn. 3; Jurgeleit/Maier Betreu-
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ungsrecht 2. Aufl. § 168 FamFG Rn. 9; vgl. auch Senatsbeschluss vom
27. Februar 2013 - XII ZB 492/12 - FamRZ 2013, 781 Rn. 7 mwN).
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Ist die Tätigkeit des Betreuers gemäß § 4 VBVG entsprechend seiner
Ausbildung tatsächlich mit einem geringeren als dem bei der Anweisung im
vereinfachten Justizverwaltungsverfahren zugrunde gelegten Stundensatz zu
vergüten, kann die Staatskasse den überzahlten Betrag grundsätzlich zurückfordern. Ihr steht insoweit ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu
(OLG Köln FGPrax 2006, 116; LG Braunschweig Beschluss vom 20. Dezember
2007 - 8 T 955/07 - juris Rn. 13; vgl. zur Rückforderung zu viel gezahlter Sachverständigenvergütung Bach/Meyer/Höver JVEG 25. Aufl. § 2 JVEG Rn. 2.10),
welcher im Wege des Justizbeitreibungsverfahrens nach § 1 Abs. 1 Nr. 8,
Abs. 2 JBeitrO nach vorheriger Festsetzung im gerichtlichen Festsetzungsverfahren beizutreiben ist.
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In der Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob die Rückforderung der
im vereinfachten Justizverwaltungsverfahren zu viel gezahlten Betreuervergütung einer zeitlichen Begrenzung durch § 2 VBVG unterliegt. Gemäß § 2 Satz 1
VBVG erlischt der Vergütungsanspruch des Betreuers, wenn er nicht binnen
15 Monaten nach seiner Entstehung beim Familiengericht geltend gemacht
wird.
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(1) Von Teilen der Rechtsprechung und Literatur wird vertreten, dass im
umgekehrten Fall der Rückforderung überzahlter Betreuervergütung entsprechend § 2 VBVG ebenfalls eine Frist von 15 Monaten ab dem Schluss der jeweiligen Abrechnungsperiode des § 9 VBVG gilt (LG Braunschweig Beschluss
vom 20. Dezember 2007 - 8 T 995/07 - juris Rn. 19; LG Münster FamRZ 2011,
1689; LG Dessau-Roßlau BtPrax 2012, 173; Knittel Betreuungsgesetz [Stand:
1. September 2011] § 2 VBVG Rn. 30). Eine nachträgliche Festsetzung der Be-
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treuervergütung im gerichtlichen Verfahren nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG
mehr als 15 Monate nach der Entstehung des Anspruchs wäre nach dieser Ansicht ausgeschlossen.
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(2) Nach anderer Ansicht unterliegt die Rückerstattung jedenfalls nicht
der Ausschlussfrist des § 2 VBVG (LG Detmold NJW-RR 2012, 390, 391;
Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. 2010 § 2 VBVG Rn. 3; jurisPK-BGB/
Jaschinski 6. Aufl. § 2 VBVG Rn. 20; Palandt/Götz 72. Aufl. § 2 VBVG Rn. 1),
so dass eine gerichtliche Festsetzung nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch nach Ablauf von 15 Monaten nach der Entstehung des Anspruchs
möglich wäre.
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(3) Der letztgenannten Ansicht ist zu folgen. § 2 VBVG richtet sich nach
seiner Stellung im Gesetz ausschließlich an den Vormund bzw. Betreuer. Für
den Fall der Rückforderung zu viel gezahlter Betreuervergütung findet sich hingegen keine ausdrückliche Regelung.
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Einer analogen Anwendung des § 2 VBVG steht jedenfalls entgegen,
dass eine vergleichbare Interessenlage nicht gegeben ist. Sinn und Zweck der
mit § 2 VBVG geregelten fünfzehnmonatigen Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs ab dessen Entstehung ist es, den Betreuer
zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche anzuhalten. Damit soll verhindert werden, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, die die Leistungsfähigkeit
des Betreuten überfordert, dessen Mittellosigkeit begründet und damit eine Einstandspflicht der Staatskasse auslöst, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme
des Betreuten nicht begründet gewesen wäre. Die Inanspruchnahme der
Staatskasse soll in allen Fällen vermieden werden, in denen die Vergütungsansprüche bei fristgerechter Geltendmachung aus dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen des Betroffenen befriedigt werden können. Die Obliegen-
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heit zur fristgerechten Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs dient
wesentlich dem Interesse der Staatskasse; sie kann nach ihrem Sinn und
Zweck nicht die Staatskasse selbst treffen (BT-Drucks. 13/7158 S. 27 und
S. 22 f. zur Vorgängervorschrift § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB).
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Soweit die Rechtsbeschwerde demgegenüber einwendet, auch die
Staatskasse sei zur zügigen Geltendmachung ihrer Rückforderungsansprüche
anzuhalten, um der Gefahr zu begegnen, dass ein Rückforderungsanspruch ins
Leere gehe, wenn der Betreuer seinerseits zwischenzeitlich mittellos werde, ist
dem nicht zu folgen. Sonst würde nach Ablauf der materiellen Ausschlussfrist
des § 2 VBVG auch ein noch realisierbarer Rückforderungsanspruch erlöschen
und damit ein Rechtsverlust der Staatskasse eintreten, der dem Sinn und
Zweck der Vorschrift erkennbar zuwiderläuft.
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cc) Allerdings hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft nicht erwogen,
ob eine nachträgliche Herabsetzung der Betreuervergütung im gerichtlichen
Festsetzungsverfahren zum Zweck der Rückforderung überzahlter Betreuervergütung nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ausgeschlossen sein könnte.
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Zwar ist die Staatskasse dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet, so dass ihr Interesse darauf gerichtet sein muss, eine ohne
Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen und den
rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen. Nachdem das Gericht in dem Festsetzungsverfahren nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht an die vorangegangene Anweisung der Betreuervergütung im Wege des vereinfachten Justizverwaltungsverfahrens gebunden ist, kann die zu viel gezahlte Betreuervergütung
grundsätzlich zurückgefordert werden.
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Allerdings kann einer (Neu-)Festsetzung der Betreuervergütung, welche
eine Rückforderung überzahlter Beträge zur Folge hätte, im Einzelfall der Vertrauensgrundsatz entgegenstehen, wenn das Vertrauen des Betreuers auf die
Beständigkeit einer ihm in der Vergangenheit rechtswidrig gewährten Vergütung
schutzwürdig ist. Der Vertrauensschutz ist bereits bei der Festsetzung der Betreuervergütung im gerichtlichen Verfahren nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu
prüfen, denn mit der gerichtlichen Festsetzung der Vergütung wird im Falle bereits zuviel erhaltener Leistungen zugleich der Rechtsgrund für deren Rückforderung geschaffen. Das nachfolgende Verfahren der Justizbeitreibungsordnung
lässt keinen Raum für Einwendungen der vorbezeichneten Art, denn es dient
lediglich dem Vollzug der Rückforderung. Dies folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 1
JBeitrO, wonach im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 8 JBeitrO (Ansprüche gegen Betreuer auf Erstattung von zuviel gezahlten Beträgen; vgl. insoweit BR-Drucks.
960/96 S. 41) solche Einwendungen, die den beizutreibenden Anspruch selbst
betreffen, nach den Vorschriften über die Feststellung des Anspruchs gerichtlich geltend zu machen sind. Dabei ist der Begriff der Einwendung i.S.d. § 8
JBeitrO weit zu verstehen; er umfasst sämtliche Einwendungen gegen den zu
vollstreckenden Anspruch (vgl. LG Braunschweig Beschluss vom 20. Dezember
2007 - 8 T 955/07 - juris Rn. 18 unter Hinweis auf BFH Beschluss vom 25. Februar 2003 - VII K 1/03 - juris Rn. 3). Denn der Streit über die Frage, ob eine
Leistungs- oder Duldungspflicht besteht, ist nicht im Vollstreckungsverfahren
auszutragen (vgl. BT-Drucks. 2/2545 S. 211; App MDR 1996, 769, 770). Das
gilt auch für Rückforderungsansprüche gegen Betreuer auf Erstattung zuviel
gezahlten Leistungen der Staatskasse. Zwar sind Vormünder, Betreuer, Pfleger
und Verfahrenspfleger in § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrO nicht ausdrücklich erwähnt.
Hierbei handelt es sich jedoch um ein offensichtliches Redaktionsversehen des
Gesetzgebers, der die Rückforderung zuviel gezahlter Leistungen in diesen Fällen wie bei den übrigen in § 1 Abs. 1 Nr. 8 JBeitrO aufgeführten Personengrup-
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pen regeln wollte (vgl. BR-Drucks. 960/96 S. 41) und bei der Änderung des § 1
Abs. 1 Nr. 8 JBeitrO übersah, auch den korrespondierenden Wortlaut des § 8
Abs. 1 Satz 1 JBeitrO entsprechend anzupassen. Nach der Systematik des § 8
JBeitrO sollen besondere Rechtsbehelfe außerhalb des den Rechtsgrund für
die Beitreibung schaffenden Festsetzungsverfahrens nämlich nur dort eröffnet
sein, wo der Prüfungsumfang des Festsetzungsverfahrens besonderen inhaltlichen Beschränkungen unterliegt, insbesondere im Bereich der Kostenfestsetzung, wo nur Einwendungen erhoben werden können, die dem Kostenrecht
entnommen sind (vgl. BT-Drucks. 2/2545 S. 211).
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Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch auf Rückforderung überzahlter Betreuervergütung kann entfallen, wenn eine Abwägung im Einzelfall
ergibt, dass dem Vertrauen des Berufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage der Vorrang
einzuräumen ist (OLG Köln FGPrax 2006, 116 unter Berufung auf BVerwG
NJW 1985, 2436, 2437; LG Braunschweig Beschluss vom 20. Dezember 2007
- 8 T 955/07 - juris Rn. 21; LG Detmold Beschluss vom 12. Mai 2010
- 3 T 8/10 - juris Rn. 3; Keidel/Engelhardt FamFG 17. Aufl. § 168 Rn. 5;
Jürgens/Kretz Betreuungsrecht 4. Aufl. § 168 Rn. 5; Zöller/Lorenz ZPO 30. Aufl.
§ 168 FamFG Rn. 3; vgl. auch zur Rückforderung zu viel gezahlter Sachverständigenvergütung OLG Karlsruhe Justiz 1991, 208). In diesem Fall wäre
schon eine abweichende Festsetzung im gerichtlichen Festsetzungsverfahren
ausgeschlossen.
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Die Betreuerin hat sich im Festsetzungsverfahren nach §§ 292 Abs. 1,
168 Abs. 1 FamFG darauf berufen, dass sie sich auf die Beständigkeit der Auszahlung ihrer im Verwaltungsverfahren erfolgten Vergütung verlassen habe.
Auch entstehe ihr ein finanzieller Schaden, weil sie auf der Grundlage der Ein-
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künfte Einkommen- und Gewerbesteuer entrichtet sowie Krankenkassenbeiträge abgeführt habe. Dies stelle eine unbillige Härte dar. Das Beschwerdegericht
hätte daher prüfen müssen, ob dieses Vorbringen einen die Rückforderung
ganz oder teilweise ausschließenden Vertrauenstatbestand begründet.
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3. Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht abschließend in der
Sache entscheiden, weil der von der Betreuerin geltend gemachte Vertrauenstatbestand einer tatrichterlichen Beurteilung bedarf, die der Senat nicht ersetzen
kann.
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Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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Bei der Beurteilung, ob im Rahmen der Herabsetzung der Betreuervergütung das Vertrauen der Betreuerin in die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage schützenswert ist, wird einerseits zu berücksichtigen sein, dass die
schlichte Anweisung der Vergütung im Justizverwaltungsverfahren wirkungslos
wird, wenn in einem Verfahren auf Festsetzung der Vergütung nach § 168
Abs. 1 FamFG eine Entscheidung ergeht. In dem förmlichen Festsetzungsverfahren ist das Gericht nicht an die vorherige formlose Verwaltungsanordnung
(§ 168 Abs. 2 Satz 4 FamFG) gebunden; es kann diese überschreiten oder
- wie vorliegend - unterschreiten (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2012
- XII ZB 230/11 - juris Rn. 14 f.; vgl. auch OLG Köln FGPrax 2006, 116). Damit
muss ein Betreuer, der die förmliche Festsetzung seiner Vergütung auch selbst
zunächst nicht beantragt hatte, grundsätzlich rechnen.
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Andererseits ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Berufsbetreuer
seinen Lebensunterhalt ganz oder teilweise aus den Einnahmen der Betreuervergütung bestreitet und die formlos festgesetzten und ausgezahlten Beträge
im Zeitpunkt der späteren förmlichen Festsetzung regelmäßig bereits ver-
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braucht sind. Daher kann eine Zumutbarkeitsschwelle überschritten sein, wenn
bereits ausgezahlte Vergütungen für einen übermäßig langen Zeitraum rückgefordert werden.
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Das Kostenrecht hat den Vertrauensschutzgesichtspunkt aufgegriffen,
indem es für einen Fall mit vergleichbarer Interessenlage, nämlich der Nachforderung ursprünglich zu niedrig festgesetzter Kosten, in § 20 Abs. 1 GNotKG
(früher: § 20 Abs. 1 GKG) eine Regelung getroffen hat, wonach diese nur nachgefordert werden dürfen, wenn der berichtigte Ansatz dem Zahlungspflichtigen
vor Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach Absendung der den Rechtszug
abschließenden Kostenrechnung (Schlusskostenrechnung) mitgeteilt worden
ist; dies gilt nur dann nicht, wenn die Nachforderung auf vorsätzlich oder grob
fahrlässig falschen Angaben des Kostenschuldners beruht oder wenn der ursprüngliche Kostenansatz unter einem bestimmten Vorbehalt erfolgt ist. Hierdurch wird dem Bezirksrevisor auferlegt, die kostenrechtlichen Interessen der
Staatskasse binnen der genannten Fristen zur Geltung zu bringen, andernfalls
das gutgläubige Vertrauen in die verwaltungsmäßig getroffene Regelung Vorrang genießt.
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Zwar ist die in § 20 Abs. 1 GNotKG bestimmte Ausschlussfrist auf den
vorliegenden Fall nicht unmittelbar anzuwenden, da es sich hier nicht um eine
Kostennachforderung, sondern um die Rückerstattung überzahlter Beträge
handelt. Die in der Vorschrift zum Ausdruck gekommene Wertung, dass das
Kosteninteresse der Staatskasse zurücktreten kann, wenn es von der zuständigen Stelle nicht innerhalb angemessener Frist verfolgt wird und sich das Gegenüber auf die getroffene Regelung gutgläubig eingerichtet hat, kann jedoch
auch bei der Beurteilung des schutzwürdigen Vertrauens des Betreuers in die
Beständigkeit seiner Vermögenslage berücksichtigt werden (vgl. bereits OLG
Stuttgart BtPrax 2011, 134). Für eine entsprechende zeitliche Begrenzung der
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Rückforderungsmöglichkeit spricht auch, dass das vereinfachte Verfahren der
Festsetzung der Betreuervergütung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gezielt erhalten blieb, um gerichtliche Entscheidungen entbehrlich zu machen und damit erheblichen Verwaltungsaufwand bei den Gerichten einzusparen (BT-Drucks. 13/10709 S. 2). Es würde indessen der Stellung eines berufsmäßigen Betreuers nicht gerecht und entspricht auch nicht der erkennbaren
Intention des Gesetzgebers, diese gerichtliche Aufwandsersparnis mit einer auf
Jahre rückwirkenden erheblichen Rechtsunsicherheit der Betreuer in die Beständigkeit ihrer Vermögenslage zu erkaufen.
Dose
Schilling
Nedden-Boeger
Günter
Botur
Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 04.07.2011 - 53 XVII G 1465 LG Berlin, Entscheidung vom 18.01.2013 - 87 T 221/11 -